Im Eingangspost wird ja eine Aussage von mir zitiert. Die Aussage lautet (paraphrasiert) die Regeln in DSA zielen mehr auf Railroading ab denn auf ergebnisoffenes Spielen. Jetzt erstaunt es mich doch eher dass so viele dem nicht zustimmen.
Die DSA Regeln sind nach dem folgenden Prinzip gebaut: Die Charaktere werden zum nächsten Plotballträger gerailroadet. Dort haben sie die möglichkeit, "Charakterspiel" zu betreiben, d.h. sie können den entweder betören, magisch verhören, oder vermöbeln um an die Informationen zu kommen die sie gebrauchen. Für vermöbeln, betören, magisch verhören und so weiter gibt es recht genaue Regeln. Sind irgendwann genug erfolge da, erhält man den nächsten Plot coupon. Will man die Plot-Schnitzeljagd abkürzen, hat der Meister eine Riesenfülle an Regeln um das zu verhindern, mit unterschiedlicher Plausibilität. Kurzum: DSA ist strikte auf "Helden" ausgelegt die "Abenteuer" erleben, und mit "Abenteuer" ist eine Plotschnitzeljagd gemeint, bei der Hindernisse durch Charakterfähigkeiteneinsatz gelöst werden.
Ergebnisoffenes Spielen bedeutet, dass würfelwürfe und sowas ein Resultat bewirken. Die Regeln in DSA beschränken sich aber auf "Dein Charakter kann das" (Talentprobe geschafft) bzw "Dein Charakter kann das nicht" (Talentprobe nicht geschafft) und alles weitere ist im prinzip im Ermessen des Meisters, sowas wie TaP* ist ja eine massiv unterausgearbeitete Idee. DSA benutzt einen simulationistischen Bottom-Up-Approach bei dem zunächst das wichtigste (der "Abenteuer eines Vagabundierenden Gutmenschelnden Helden") Reglementiert wird und alles andere was sonst dabei aufkommen könnte, bestenfalls eine Zusatzregel darstellt.
Ich bin nach wie vor dabei, Hârn anzugucken. Hârn ist... sehr viel anders. Zunächst ist Hârn so komplex dass es sich der Unspielbarkeit annähert. Aber es basiert auf einem ganz anderen Simulationistischen Grundkonzept. Es basiert auf der Idee: Was tut jemand in einer Mittelalter-Fantasywelt? Es versucht erst die ganze Welt zu reglementieren, bis man die Regeln hat, die man für klassische "Abenteuer" braucht. Das ist der simulationistische Top-Down-Approach. Kampf ist ja zum beispiel extrem selten im grossen und ganzen im Mittelalter. Also sind die Kampfregeln in etwa so detailiert wie die Berechnung für die städtischen Steuerabgaben eines Zimmermanns mit 2 gesellen, wobei einer davon seit einigen Monaten an chronischem Rheuma leidet.
Ich persönlich denke, der Bottom-Up-Approach ist bei weitem überlegen. Aber der Bottom-Up-Approach erfordert eben auch, dass man die Regeln problemlos erweitern kann, und auch tut, weil man sich eben darauf fokussiert zunächst möglichst wenig zu reglementieren. Und um das zu tun, darf man nicht behaupten "DSA ist ein Spiel in dem Helden alten damen über die Strasse helfen und deswegen brauchen wir jetzt keine vernünftigen Regeln für Dämonenbeschwörer und Vampire oder städtische Steuerabgaben eines Zimmermanns und wasweissich"
Umgekehrt ist der Vorteil eines Bottom-Up systems ja dass die Regeln immer genau so kompliziert sind, wie mans braucht. Was interessieren mich die Regeln für Dämonenbeschwörung wenn ich einen Thorwaler Haudrauf spiele? Wozu brauch ich Tischlerregeln wenn ich einen Weidener Ritter habe? Wieso würden mich Kampfmanöver interessieren wenn ich einen Perricumer Noioniter spiele? Beim Top-Down approach kann man das zwar ebenso ignorieren, aber dafür muss man sich erst noch mit den Regeln der Welt beschäftigen ("Wie viel Geld hab ich mit 18" wird beantwortet dadurch dass man den Wohlstand der Eltern und den lokalen Steuerabgaben und den Wohlstand der Stadt und der Region usw usf ad nauseum)
Der erste Fehler der von der Redax begangen wurde, ist zu sagen, "DSA ist nicht...". Simulationistisch gesehen funktioniert ein Bottom-Up-Approach nicht ohne Erweiterbarkeit und ist nicht dauerhaft interessant ohne die abwechslung die durch die geschehende Erweiterung passiert. Die Regeln von DSA sind nach wie vor allesamt auf Abenteuer-Railroad-Schnitzeljagd-Problemlösung ausgelegt. Für Spielkonzepte die auf Ergebnisoffenheit setzen... z.B. Stadtverwaltung in "Von Eignen Gnaden" sind praktisch Regelfrei und unterliegen der "Meisterwillkür" und "GMV" - was nichts anderes heisst als dass sich der Meister selbst dafür Regeln ausdenken muss. Und wenn man sich selber Regeln ausdenkt, kann man sich auch gleich selbst den Rest eines Rollenspielsystems ausdenken und benötigt DSA nicht.
Der zweite Fehler ist der, dass die wenigen Regeln, die das Schema der Abenteuerplotschnitzeljagd der Gutmenschenvagabunden nur minim verlassen, völlig fehlreglementiert sind, eben weil sie nicht dazu gedacht sind, überhaupt zum einsatz zu kommen. Beispiel das erschaffen von Djinnen, Golems, untoten Dienern, Dämonen usw. Balance? Was hindert einem daran, einen ähnlich mächtigen Söldner anzuheuern was praktisch ohne weitere Reglementierung auskommt? Vielleicht eine Regel zur Entlöhnung? Das Resultat ist dass das Kernregelwerk von DSA mit Regelgeschwüren verseucht ist, von denen die hälfte in 99% der Railroadenden Kaufabenteuer ohnehin nicht zur anwendung kommen werden.
Kurzum, es wird auf der einen Seite überreglementiert um die SCs davon abzuhalten, gewisse NSC-typische Fähigkeiten wie die beschwörung einzusetzen was womöglich ein Railroadabenteuer kaputtmachen könnte, und auf der anderen seite unterreglementiert - Ich wüsste nicht wo im Regelwerk es regeln dazu gibt wie man ein langweiliges Bauernleben oder städtischer Handwerker spielt, geschweige denn zu Verwaltungsaufgaben von Adligen und Kriegsfürsten. Und all das wäre kein Problem zu reglementieren, verließe man das Konzept mit den vagabundierenden Gutmenschen, die sich auf Railroadplotschnitzeljagd begeben.