Der ganze Cthulhu-Mythos funktioniert in passiven Medien, weil dort der Autor präskriptiv vorgehen kann, also einfach festlegt, dass die Protagonisten angesichts des gesehenen und erlebten Grauens reihenweise in Wahnsinn verfallen. Als Rezipient hat man dann die Wahl, ob man sich vom Grauen anstecken lässt - falls ja, ist es aber eigentlich nicht das eigene Grauen vor den Grauenhaften, sondern eher die Empathie mit den Protagonisten. Wodurch diese konkret irre werden, ist dabei nahezu nebensächlich - wenn's eindringlich geschrieben wird, ist das Ganze ansteckend, auch wenn der rationale verstand einem sagt, dass man selbst durch das, was den Protagonisten da gerade zusetzt, als abgehärteter Mensch des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich nicht wahnsinnig werden würde. Oder zumindest nicht wahnsinniger, als der Durchschnitt ohnehin schon ist; schließlich ist auch Normalität relativ.
Manche Menschen werden wahnsinnig, wenn man sie fünf Minuten in eine Kiste sperrt, andere schlafen seelenruhig zwischen menschlichen Kadavern oder können das Nachmittagsprogramm des privaten Fernsehens genießen. Das ist eine Frage der jeweiligen Erfahrungen, von Gewohnheit und der seelischen Abhärtung gegen Dinge, die gemeinhin als unangenehm empfunden werden. Was aber fast immer funktioniert ist der Gruppentrieb. Wenn genug Menschen panisch reagieren, wird auch jemand panisch reagieren, der den Grund für die Panik gar nicht kennt. Und dabei ist es wiederum egal, ob da echte Menschen oder fiktive Charaktere panisch reagieren; ja es ist noch nicht einmal ein besonderer Bezug zu diesen Menschen nötig.
Das alles klappt bei Rollenspiel leider überhaupt nicht, weil man den Protagonisten direkt verkörpert, also auch direkt vom Grauenhaften erschreckt werden müsste. Die Trennung zwischen Spieler und SC tut ihr Übriges: Gerade wenn man sich darauf konzentriert, seinen SC möglichst stimmig als zu Tode geängstigt und dem Wahnsinn nahe darzustellen, vergrößert sich die eigene Distanz zum Geschehen und die Sachlichkeit verhindert eigenes Entsetzen.