Nehmen wir als Beispiel das Phänomen das ein Mensch einem anderen Mensch etwas sagt das dieser als Angriff auf seine Person versteht. Das nennen wir nun, um nicht jedesmal es ausführen zu müssen was gemeint ist, "Beleidigung".
Nein, Beleidigung ist vollkommen wertneutral beschrieben als: "Das schlechtreden einer Person."
Das ist vollkommen objektiv, unabhängig davon, ob du es gut findest oder schlecht.
Du kannst sagen: "Ich finde es Scheiße, dass du Mr. X andauernd beleidigst."
Du kannst aber auch sagen: "Kennst du X und Y. ich finde es cool, wenn sie sich gegenseitig die ganze Zeit beleidigen."
Oder du kannst sagen: "Der Kerl hat letztens seine Freundin beleidigt, weil sie ihn betrogen hat. Und irgendwie fand ich es (die Beleidigung) richtig und nachvollziehbar."
Und man kann sogar sich selbst beleidigen. "Ich verdammtes Arschloch! Was hat mich nur geritten, diesen Schwachsinn zu tun?"
Die Frage, ob du jemanden beleidigst oder nicht, ist also unabhängig davon, ob die betroffene Person es gut findet oder nicht.
Zugegeben, in 99,999% aller Fälle findet die beleidigte Person es schlecht, beleidigt zu werden. Aber falls sie es wieder erwarten toll finden würde, wäre es trotzdem noch eine Beleidigung.
Jetzt beobachten wir das Phänomen das ein Mensch einem anderen Menschen sagt das man zwar selbst auf Angriff auf die eigene Person werten würde, zwischen den beiden jedoch offensichtlich ein Akzeptierter Umgangston ist. Da die Bedeutung des Begriffs "Beleidigung" nicht passt ergibt es keinen Sinn diesen anzuwenden.
Doch, man sagt dann: "Die beiden Leute da beleidigen sich ständig gegenseitig. Denk nicht weiter drüber nach. Das nehmen sie sich nicht krumm."
Und das gibt es ja tatsächlich:
Person 1: "Hey Hackfresse."
Person 2: "Hey Fettwanst, was geht ab?"
Die beiden Personen nehmen es sich nicht Übel. Für sie ist das eine freundschaftliche Begrüßung. Aber dennoch ist es eine Beleidigung. Eine freundschaftliche Beleidigung, eine Beleidigung im gegenseitigen Einvernehmen, aber dennoch eine Beleidigung.
Wenn du diesen Tatbestand nicht Beleidigung nennst, wie würdest du es dann nennen?
Wenn man sagt das Railroading den Umstand bezeichnet das der Spielleiter Spielhandlungen vornimmt welche den Spieler in seiner Spielweise behindert oder stört das diesem ein Spiel in der Gruppe verleidet wird ist das eine klare Definition.
Dass es eine klare Definition ist, bestreitet ja niemand. Ich bestreite nur, dass es eine sinnvolle Definition ist.
Denn wenn mir jemand vorwirft, dass ich eine Spielhandlung durchgeführt habe, die den betroffenen Spieler in seiner Spielhandlung beeinträchtigt hat, dann weiß ich zwar,
dass ihn etwas stört, aber ich weiß nicht,
was ihn stört.
Um auf mein Beispiel zurückzukommen:
Wenn mir der Spieler sagt, dass ich zu viele Intrigen ins AB gepackt habe, ist das eine Kritik, mit der ich etwas anfangen kann. Ich weiß: "OK, nächstes Mal weniger Intrigen."
Wenn mir der Spieler jedoch sagt, ich hätte zu viele "Intrigen, die ihn nicht gefallen" ins AB gepackt, weiß ich nicht, was er damit meint: Haben ihn die Intrigen nicht gefallen und er möchte, dass ich mir nächstes Mal bessere Intrigen ausdenke? Oder möchte er, dass ich nächstes Mal weniger Intrigen ins AB packe?
Und genau das gleiche ist mit Railroading: Wenn mir ein Spieler sagt, dass er zu wenig Handlungsfreiheit hatte und dass er zu wenige Möglichkeiten hatte, auf den Plot Einfluss zu nehmen, dann ist das eine Sache, mit der ich etwas anfangen kann: Nächstes Mal dem Spieler mehr Einflussmöglichkeiten geben.
Wenn der Spieler mir aber vorwirft, dass "ein Bruch der gemeinsamen Absprache (Social Contracts), bei dem er sein Spiel durch meine Spielhandlungen behindert und gestört sieht" stattgefunden hat, kann ich damit nichts anfangen.
OK, er ist mit meinen Leitstil unzufrieden. Er möchte, dass ich meinen Leitstil ändere. Aber
womit an meinem Leitstil ist er unzufrieden?
Was an meinem Leitstil gefällt ihm nicht? Dadrüber sind auch keine Aussagen vorhanden.
Wobei natürlich auch die Frage kommt, inwiefern hier wirklich gemeinsame Absprachen gebrochen wurden, oder ob der Spieler nur irrtümlich annimmt, dass Absprachen gebrochen wurden. (Weil etwas impliziert wurde, ohne es explizit festzulegen.)
Denn nach dieser Definition sind die DSA-Abenteuer kein Railroading: Wenn man ein DSA-Abenteuer spielt, ist es allen Beteiligten klar, dass der Plot fest vorgegeben ist und die Spieler die Plotpunkte so ablaufen, wie es vom Abenteuer vorgesehen ist.
Wenn man also zustimmt, ein DSA-Abenteuer zu spielen, dann stimmt man dem Sozialen Kontrakt vor, dass man das Abenteuer so spielt, wie es im Abenteuerheft geschrieben steht und dass der SL die Spieler wieder auf die richtige bahn lenken wird, sobald sie versuchen, diese Bahn zu verlassen.
Ergo sind DSA-Abenteuer kein Railroading.
(Railroading wäre es nach der Forge-Definition, wenn der SL plötzlich entscheiden würde, die Spieler völlig frei agieren zu lasse, obwohl die Spieler wollen, dass der SL sie an die Hand nimmt.)
Sagt man der Gruppe nun sie würde Railroading betreiben wäre das schlicht inhaltlich falsch. Insbesondere auf die Innenwahrnehmung der Gruppe. Es bringt der Gruppe auch nichts, wenn sie weitere Spieler sucht, nach Leuten zu suchen die railroaden wollen, einfach weil die so etwas nicht wollen.
Wollen wir mal sehen:
Wenn die Gruppe schreibt: "Unsere ABs sind sehr Railroad-lastig. Wir suchen nach Spielern, die Spaß am Railroaden haben." hilft das so einer Gruppe enorm weiter.
Jeder Spieler weiß, was gemeint ist und kann sich überlegen, ob er Spaß daran hat oder nicht.
Wenn jemand jedoch schreibt: "Bei uns gibt es kein Railroading (nach Forge-Definition).", ist unklar was gemeint ist.
Möglichkeit 1: Der SL bietet offene Abenteuer an. Die Spieler haben Einfluss auf den Fortgang des Plots.
Möglichkeit 2: Der SL hat das Abenteuer minutiös durchgeplant. Er nimmt die Spieler an die Hand und führt sie sicher durch das AB. Die Spieler haben keinerlei Einflussmöglichkeiten, aber sie finden diese Art von AB toll.
Weder bei Möglichkeit 1 noch bei Möglichkeit 2 wird Railroading (nach Forge) betrieben. Es ist daher absolut korrekt, wenn beide Gruppen schreiben würden: "Wir suchen neue Spieler und unsere ABs enthalten keinerlei Railroading (nach Forge)."
Trotzdem hilft das jetzt einen interessierten Spieler nicht wirklich weiter, da er nicht weiß, welche der beiden Möglichkeiten jetzt auf die Gruppe zutrifft.
Um mal auf dein Beispiel mit Beleidigungen zurückzukommen:
Wenn jemand schreibt: "Unser Debattierclub sucht neue Mitglieder. Während der Debatten geht es auch mal heftiger zur Sache und es dürfen Beleidigungen ausgesprochen werden." ist jedem klar, was gemeint ist.
Wenn jemand jedoch schreibt: "Unser Debattierclub sucht neue Mitglieder. Bei uns gibt es keine Beleidigungen." wäre unklar, was gemeint ist.
Möglichkeit 1: Die Leute sind während der Debatte absolut höflich.
Möglichkeit 2: Die Leute nennen sich während der Debatte Arschloch, Hurensohn etc. aber das stört keinen.
Der Zusatz "Bei uns gibt es keine Beleidigungen." ist also vollkommen inhaltsleer und überflüssig, wenn man davon ausgeht, dass etwas nur eine Beleidigung ist, wenn es den gegenüber stört.
Wenn etwas jedoch als Beleidigung aufgefasst wird unabhängig davon, ob es dem Gegenüber stört oder nicht, hätte die Aussage, ob es während der Debatten Beleidigungen gibt oder nicht einen informativen Charakter.
Nun und an dieser Stelle braucht es einen Begriff der eindeutig klar macht was man dort macht und was man sucht. Hier bietet sich meiner Meinung nach so etwas wie "plotorientiert" an. Eher als Storytelling da auch Leute die frei spielen für sich in Anspruch nehmen Geschichten zu schaffen.
NEIN!
Weder plotorientiert noch Storrytelling bedeuten: "Der SL nimmt die Spieler an die Hand und führt sie durchs AB. Die Spieler haben keinerlei Einfluss auf das Abenteuer, aber das stört die Spieler nicht."
Wer Spaß an solchen Geschichten hat, hat momentan entweder keine gültige Bezeichnung für seinen Lieblings-Spielstil, oder er nennt ihn Railroading. (Wohlwissend, dass er damit nicht der Definition von Forge entspricht, aber auch wohlwissend, das jeder weiß, was gemeint ist, wenn er nach Leuten sucht, die Spaß an Railroading haben.)
Auf dein Beispiel Bezogen:
SL: "Wie hat euch die Runde gefallen?"
Spieler1: "Ich fand, es war viel zu viel RR."
Spieler2: "Fand ich nicht. Es war eher RR. Wobei ich denke, dass noch viel mehr RR dabei sein könnte."
Spieler1: "Also von RR habe ich nichts gemerkt. Für mich war das einfach nur zu viel RR."
Falsch!
Wenn man meine Definition von RR benutzen würde, müsste man sich erstmal klar machen, was den Spieler 1 wirklich gestört hat: Dass er zu wenige Einflussmöglichkeiten hatte? Oder das ihm vor dem AB verschwiegen wurde, dass er keine Einflussmöglichkeiten hatte?
1. Fall: Spieler hat zu wenige Einflussmöglichkeiten
SL: "Wie hat euch die Runde gefallen?"
Spieler1: "Ich fand, es war viel zu viel RR."
Spieler2: "Ja, es war eine Menge RR vorhanden. Aber mir hat das RR sehr gut gefallen."
Spieler1: "OK, Ansichtssache. Mir hat das RR nicht gefallen."
Beide Spieler sind sich einig, dass es RR gab. Es wird nur darüber gestritten, ob die RR positiv oder negativ zu bewerten ist. (Aber die Tatsache, dass es sehr viel RR im Abenteuer gab, wird von beiden Spielern akzeptiert.)
2. Fall: Spieler wusste nichts von zu wenig Einflussmöglichkeiten
SL: "Wie hat euch die Runde gefallen?"
Spieler1: "Ich finde, du hättest uns vorwarnen sollen, dass es so viel RR gab."
Spieler2: "Ja, ich war auch über die Menge von RR überrascht. Ich bin von dir eher freie Abenteuer geohnt. Aber ich muss sagen, dass RR-lastige Abenteuer war mal eine schöne Abwechslung."
Spieler1: "Ich habe ja nichts gegen RR an sich. Aber nächstes Mal warne uns bitte vor, wenn du wieder RR spielst."
Auch hier sind sich beide Spieler einig, dass RR stattgefunden hat und es wird halt nur noch die Frage geklärt, ob der SL die Spieler das nächste Mal vorwarnen soll oder sie sich überraschen lassen.
Hat man klar heraus gestellt das sich Spieler 1 daran störte das in seine Spielweise eingegriffen wurde, Spieler 2 jedoch es gut fand das sich stark an einem Plot orientiert wurde.
Nein, denn in deinem Beispiel entbrennt jetzt der Streit darüber, ob es RR oder PO war.
Ein ähnliches Problem haben wir ja auch im Nachbarthread, wo darüber gestritten wird, ob etwas schummeln ist oder nicht, anstatt einfach das wertneutrale "Würfeldrehen" zu verwenden:
Würde man sich einigen:
Spieler 1: Ich fand, es war zu viel Würfeldrehen.
Spieler 2: Ich fand es gut, dass eine Menge Würfel gedreht wurden.
Könnte man über die Vor- und Nachteile von Würfeldrehen eingehen.
Dadurch aber, dass man nicht das wertneutrale Würfeldrehen benutzt, sondern das wertbehaftete Wort "schummeln", kommt man zu dem Problem, dass der Streit entspringt:
Spieler 1: Ich fand, es war zu viel Schummeln.
Spieler 2: Ich fand, es war nicht schummeln.
Wenn man objektive Definitionen verwendet, erspart man sich einfach den Streit darüber, ob den nun gerade Railroading stattgefunden hat oder nicht. (Beide Parteien wären sich einig, dass es Railroading gab und man kann nun darüber diskutieren, ob es in Zukunft auch Railroading geben sollte oder nicht. In dem Augenblick aber, wo RR ein subjektives Element in der Definition hat, wird erstmal darüber gestritten, ob es überhaupt RR war oder nicht.)
Auf mein erstes Beispiel umgeschrieben:
DJ: Wie hat euch die Musik gefallen?
Hörer1: Zuviele Beleidigungen.
Hörer2: Fand ich nicht. Es war eher Beleidigend. Wobei ich denke das noch mehr Beleidigungen gut wären.
Hörer1: Also von Beleidigungen hab ich nichts gemerkt.
Gibt doch nur Chaos anstelle von:
Normalerweise würde das Gespräch auch so ablaufen:
DJ: Wie hat euch die Musik gefallen?
Hörer 1: Ich steh nicht so auf Battle Rap.
Hörer 2: Also ich finde Battle Rap total genial. Ich denke, dass da noch viel mehr Battle Rap enthalten sein sollte.
Hörer 1: Bloß nicht! Der Battle Rap, der drin vorkam, hat mir vollkommen gereicht.
Auch hier wieder: Beide Hörer sind sich einig, dass Battle Rap im Stück vorkam. Es wird jetzt nur darüber gestritten, ob man Battle Rap cool oder bescheuert findet. Aber die Tatsache, dass Battle Rap im Musikstück vorkam, wird von beiden Seiten akzeptiert.