Autor Thema: Abenteuer Reskinnen...  (Gelesen 1496 mal)

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Offline Oberkampf

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Abenteuer Reskinnen...
« am: 28.04.2010 | 10:59 »
Kann man Abenteuer gut reskinnen bzw. versetzen? Oder geht dabei was vom Abenteuer unwiederbringlich verloren? Kann man alle Abenteuer reskinnen, oder fallen euch spontan welche ein, die ihr auf Teufel komm raus nicht versetzen würdet?

Präzisierung:
Bestimmt haben die meisten SL schonmal Monstern ein neues Aussehen gegeben, um den Spielern, die das Monsterhandbuch auswendig kennen, eine unerwartete Herausforderung vorzusetzen. Darum geht es nicht, ebensowenig darum, ein Abenteuer an ein anderes Regelsystem anzupassen oder in eine andere, aber thematisch verwandte Spielwelt zu versetzen (also z.B. von Aventurien nach Midgard oder umgekehrt, was sicherlich auch eine interessante Diskussion wäre).

Mir geht es um die Frage, ob und wieweit es möglich ist, den Schauplatz eines Abenteuers zu verändern.

Also beispielsweise ein Dungeonabenteuer in ein Wildnisabenteuer oder ein Stadtabenteuer zu transformieren (oder umgekehrt). Nehmen wir an, ich hätte ein gutes Dungeonabenteuer, das mir sehr gefällt, aber Spieler aus meiner Gruppe kriegen beim Betreten eines Gewölbes den "Brettspiel"-Tick und wollen dann partout jedes Problem durch draufkloppen lösen und fangen bei kleinen Rückschlägen schon an, über "Sch***dungeons" zu nöhlen (momentan noch ein rein theoretisches Problem, das aber bald praxisrelevant werden kann).

Lässt sich ein Abenteuer auf einen anderen Schauplatz übertragen? Hat sowas schonmal jemand gemacht? Gibt es da Aspekte, die berücksichtigt werden müssen? Kennt jemand da bewährte Techniken? Oder ist die ganze Überlegung zum Scheitern verurteilt?
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Offline Merlin Emrys

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Re: Abenteuer Reskinnen...
« Antwort #1 am: 28.04.2010 | 11:30 »
Ich würde mal sagen, dzu ein klares "kommt drauf an". Und zwar darauf, wieviel von der einen Umgebung Pendents in der anderen hat und wielange "ein Abenteuer" es selbst oder schon ein anderes ist.

Wenn an dem Abenteuer das, was "ein gutes Dungeonabenteuer" ausmacht, mit dem Schauplatz "Dungeon" direkt verknüpft ist: nein.
Wenn an dem Dungeon das, was "ein gutes Dungeonabenteuer" ausmacht, etwas "unspezifisches" ist: ja.
Und wenn an dem Dungeon das, was "ein gutes Dungeonabenteuer" ausmacht, nur in teilweise vergleichbaren Schauplätzen Sinn ergibt: dann eben in teilweise vergleichbaren Schauplätzen ja, sonst nein.

Eine gewisse Linearisierung der Abläufe beispielsweise, die meiner Ansicht nach mit "Dungeons" als Schauplätzen verknüpft ist, läßt sich auch durch andere Mittel und Wege als durch Wände erzwingen. Wenn natürlich Wandmalereien ein wesentlicher Aspekt des Abenteuers sind, schränkt das die Auswahl schon wieder ein. Im Einzelfall würde ich also empfehlen, das Abenteuer zu analysieren und zu extrahieren, welche Aspekte seine Qualität ausmachen, welche unaufgebbar sind, welche dagegen ersetzbar sein müssten usw., und dann sehen, ob ein anderer Schauplatz (bzw. welcher andere Schauplatz) in Frage kommt. Allgemein kann man kaum mehr sagen als eben: "Kommt drauf an..."

Offline Foul Ole Ron

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Re: Abenteuer Reskinnen...
« Antwort #2 am: 28.04.2010 | 11:47 »
Was Merlin sagt:
...
Nehmen wir an, ich hätte ein gutes Dungeonabenteuer, das mir sehr gefällt, ...
WARUM gefällt es Dir, bzw. WAS genau gefällt Dir daran?
Und anschliessend die Frage: Wie eng ist das WARUM und / oder das WAS mit dem Schauplatz verzahnt?
Wenn Dich die düstere Stimmung, die blakenden Fackeln und das Gefühl, das 5 Schritte weiter in der Finsternis etwas unter tropfenden Stalaktiten lauert anfixen, dann lässt sich das Ganze nur schwer bis gar nicht in ein Wüstensetting mit gleißender Sonne und kilometerweiter Sicht verorten.
Musst halt schauen, wieviel Du ändern bzw. austauschen kannst, ohne das das für dich essentielle des Schauplatzes verloren geht.
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Offline Oberkampf

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Re: Abenteuer Reskinnen...
« Antwort #3 am: 30.04.2010 | 11:34 »
Also, prinzipiell mal danke für die Antworten, vielleicht muss ich doch etwas konkreter werden (wobei mich die Frage aber eher allgemein interessiert).

Allgemein:
Es gibt mehrere Aspekte, die mir gefallen. Die "typische Dungeonromantik (flackerndes Fackellicht, enge und unsichere Gänge, Wasser tropft von den Wänden und sammelt sich in Pfützen, alte und verfallene Statuen usw. usf.) kann man natürlich nur schwer transportieren, das ist mir klar. Hier ist die Verzahnung zum Schauplatz eng. Allerdings kann ich mich von diesen Aspekten sowieso verabschieden, wenn ich mit den Spielern (bzw. dem Spieler) spiele, die ich hier vor Augen habe, denn da kommt die passende Stimmung wahrscheinlich nicht auf. Dafür gibts halt eben Wildnis- oder Stadtflair (überfüllte Basare, verwinkelte Gassen, Fachwerkhäuser, blökende Ochsen, hysterische Priester etc.). 

Das andere, was mir prinzipiell gefällt, ist eben die übersichtliche, aber trotzdem entscheidungsfördernde Struktur: wenn es zwei Gänge gibt, dann führt jeder auch woanders hin, und es passiert was anderes, wenn ich Tür 1 oder Tür 2 öffne. Sowas lässt sich generell auch in Stadtabenteuer übertragen, mit verschiedenen Stationen, die man anlaufen kann, aber nicht muss. Mein Eindruck von den von mir gelesenen (und auch gespielten) Stadtabenteuern ist aber, dass diese eher geradlinig aufgebaut sind. Bei Wildnis- und Reiseabenteuern verhärtet sich dieser Verdacht noch. Muss das so sein?

Das dritte ist dieses Gefühl, an entscheidender Stelle auf sich allein gestellt zu sein, und mit dem arbeiten zu müssen, was die unmittelbare Umgebung einem gibt. Auf Wildnisabenteuer könnte ich das, glaube ich, ganz gut übertragen, aber auf Stadtabenteuer?

Letztlich bleibt noch die Frage, wie ausgeglichen eine Transformation hinsichtlich der Herausforderungen bleibt (s.u.). Beispiel: In einem System, was auf  Klassen aufbaut, haben natürlich die Spezialisten in ihrem Schauplatz die besten Karten (Barden in der Stadt, Waldläufer in der Wildnis). Würde bei einem "ausgeglichenen" Wildnisabenteuer (vorrangig Wildnisherausforderungen, aber mit vielen "sozialen Begegnungen, wo der Charakter mit den Dialogfertigkeiten glänzen kann) sich das Gewicht völlig verschieben, wenn es in ein urbanes Umfeld übertragen wird?
Gerade hinsichtlich der Kämpfe besteht z.B. für mich die Frage, ob durch die Schauplatzänderung (z.B. Dungeon -> Stadt) eine starke Reduzierung der voraussichtlichen Kämpfe angemessen wäre (und andere Herausforderungen mit anderen plausiblen Lösungen gefunden werden müssten). Verschiebt das nicht auch das ganze Abenteuergleichgewicht (und man sollte deswegen  vom Reskinnen besser die Finger lassen)?

Butter bei die Fisch:
Als nächstes geplant habe ich ein Dungeon, das von Goblins/Orcs/Grünhäuten bewohnt wird. Vom Hintergrund her sollen die Goblins einen reisenden Priester (der eine leicht abgelegene Pfarrei betreuen sollte, wo jemand wichtiges krankheitsbedingt dringend auf priesterliche Heilung angewiesen ist) entführt haben. Der Anführer will für den Entführten Lösegeld erpressen, der Schamane den Priester seinen Geistern/Dämonen opfern, der Erste Krieger und der Erste Jäger haben eigene Ideen betreffs der Stammesführung (und würden auch Bündnisse mit Außenseitern aka Abenteurern eingehen) - bis der Zwist sich gelegt hat, haben die Spieler Zeit, ihn zu befreien und ggf. sein Heiliges Buch mit den Heilritualen wieder in seinen Besitz zu bringen. Also eine Hol- und Bringmission.

Das Dungeon ist in einem bewaldeten Hügelland leicht abseits der Handelsstraße, wo die Goblins/Orcs den Ochsenkarren des Priesters überfallen haben. Um es zu finden braucht man die üblichen Naturfertigkeiten, aber das ist der (kurze) Wildnisteil des Abenteuers, um den es hier nicht primär geht. Das Dungeon selbst hat drei "Eingänge": den Haupteingang mit einer Wachmannschaft, den Eingang durch die Wolfshöhle, wo die Wolfsreiter und ihre Wölfe lagern und von wo aus auch "gewöhnliche" Gefangene zu harter Sklavenarbeit aus dem Höhlensystem hinausgetrieben werden, und einen halb verschütteten Seiteneingang, der über den Umweg eines Riesenspinnenbaus ins Dungeon führt. Von den Eingängen an führen miteinander vernetzte Wege durch verschiedene Räume und Gänge zur Haupthöhle, von wo ab sich der Weg sich in den Zellentrackt (Gefangener), die Schamanenhöhle (Heiliges Buch) und den "Thronsaal" (optional: Häuptling) aufspaltet.

Ich weiss, dass es Gruppen gibt, mit denen ich das so spielen und eine Menge Spaß haben könnte und wo, je nach Gruppenzusammenstellung, Glück oder Tageslaune, unterschiedliche Herangehensweisen und Lösungen herauskommen würden. Aber ich kenne eben auch Spieler, bei denen würde das ganze sehr wahrscheinlich nur in eine lahme Metzelorgie ausarten, über die die Spieler (!) sich am Ende beschweren, weil es "wieder so ein ödes Dungeon gab". Deswegen die Idee, daraus ein Stadtabenteuer zu machen bzw. es als solches zu präsentieren.

Räume: Meine bisherigen Überlegungen gehen in die Richtung, alle Räume des Dungeons von der Karte zu lösen und auf ihre zentrale Herausforderung hin zu untersuchen. Dann will ich die Räume in Stadtabenteuerszenen in urbane Lokalitäten umwandeln. Die zentralen herausforderungen bleiben, erhalten aber ein neues Gesicht. Aus den Orcs + Goblins wird z.B eine Verbrecherbande, aus der Spinnenbrut vielleicht eine konkurrierende Institution, aus der Wolfshöhle vielleicht ein Bordell oder ein geheimer Sklavenmarkt. Wo Kämpfe wahrscheinlich sind, gibts eben andere Gegner. Bei den anderen Räumen gehe ich dann ähnlich vor und ersetze Dungeonskills mit urbanen Fertigkeiten.
Problematisch erscheint mir hier, dass einige körperliche Fertigkeiten (z.B. Klettern zur Überwindung eines Erdrutsches im teilweise eingestürzten Teil des Höhlensystems, wo die Spinnen lauern) möglicherweise in soziale Fertigkeiten übertragen werden müssen, und ich dann ein Ungleichgewicht der Anforderungen habe Im Dungeon braucht man soziale Fertigkeiten, um mit den hoffnungslosen Gefangenen oder kooperationsbereiten Goblins interagieren zu können, d.h. die Sozialcharaktere haben ihre Chance zum Rampenlichtauftritt.
 
Gänge: Die Zufallsbegegnungen in den Dungeongängen muss ich wahrscheinlich komplett streichen, da es in einer Stadt nicht glaubwürdig wirkt, wenn man auf der Reise von einer Lokation zur anderen einer Patrouille der Diebesbande "zufällig" über den Weg läuft. Hinsichtlich der "Türen" im Dungeon habe ich mir überlegt, in den jeweiligen Szenen eben Hinweise auf die nächste Location zu präsentieren - aber das ist halt eine ätzende Schnitzeljagd nach Brotkrumentechnik, die nur dadurch aufgelockert wird, dass man nicht überall hin muss. Die verschlossenen Türen und Geheimtüren im Dungeon werden zu redeunwilligen Informanten bzw. verschlüsselten Karten/Stadtplänen - eben Herausforderungen, für die man statt "Schlösser Knacken" und "Wahrnehmung" Fertigkeiten wie Einschüchtern, Diplomatie und Gassenwissen braucht. Die Fallen sind ein bisher ungelöstes Problem. Generell befürchte ich auch hier, dass soziale Fertigkeiten anderen Spezialisierungen die Show stehlen. Aber das ist ja allgemein ein Problem von Stadtabenteuern (zumindest nach meinen Erfahrungen).

Hintergrund: Den Priesterhintergrund komplett kippen (denn warum sollten die Spieler anstelle der Stadtwache sich um einen vermissten Priester kümmern)? Oder aus dem Priester einen volksnahen Missionar bzw. Priester einer religiösen Minderheit machen (der von der Obrigkeit bisher widerwillig geduldet wurde)? Oder einen einfachen Armenarzt? Für die Diebesbande ein politisches Motiv erfinden? Die Spannungen innerhalb der Bande können ja bestehen bleiben - und beim Stadtschauplatz erwarte ich von den Spielern eher ein Ausnutzen dieser Spannungen als im Dungeon. Wie müssen die Motive geändert werden?
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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Abenteuer Reskinnen...
« Antwort #4 am: 30.04.2010 | 16:01 »
Das sieht nach einer durchdachten Umarbeitung aus, die aber einen Punkt außer acht läßt: Wie sind die SC in der Stadt sozial vernetzt? Connections können das Spiel vollkommen verschieben, dazu sind sie ja auch gedacht. Das Stadtwachenproblem hingegen wirst Du immer haben. Hinzu kommen Dinge wie Unterweltcharaktere mit Kontakten zu mächtigen Konkurrenzbanden und die simple Frage, wieviel Unterwelt so eine Fantasystadt eigentlich verträgt.

Zitat
Die verschlossenen Türen und Geheimtüren im Dungeon werden zu redeunwilligen Informanten bzw. verschlüsselten Karten/Stadtplänen - eben Herausforderungen, für die man statt "Schlösser Knacken" und "Wahrnehmung" Fertigkeiten wie Einschüchtern, Diplomatie und Gassenwissen braucht.

Kann man noch weiter fassen, indem man Herausforderungen bastelt, die Spuren lesen (ein kleines Closed-Room-Mystery), Beschatten (ein Informant trifft sich dann mit zehn weiteren zwielichtigen Charakteren, die alle auseinandergehen - welchen folgt man), Verborgenes erkennen (Geheimfächer in Kutsche)  und andere WIldnis- und Unterwelt-Skills erfordert, um die Sozialcharaktere auszubalancieren.

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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline SeelenJägerTee

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Re: Abenteuer Reskinnen...
« Antwort #5 am: 30.04.2010 | 16:13 »
Könntet du es u.U. in eine fremde Stadt verlegen.
Ums mal aufs Mittelalter zu übertragen: Europäer müssen Kairo infiltrieren und den verschleppten ... retten.

Da hast du nicht so das Problem, dass sich andere darum kümmern.
Wenn der NSC von der Obrigkeit entführt wurde wird die Stadtwache logischer weise nichts dagegen tun.
Die Einheimischen sind auch nur bedingt Kooperationsbereit bzw. man geht jedes Mal wenn man auf sie zurückgreift das Risiko ein als Spion enttarnt zu werden.

Anstelle des Zellentraktes könnte der NSC dann im Kerker festgehalten werden.
Anstelle des Kriegers/Jägers könntest du den Hauptmann der Wache setzten der Kalif anstelle des Kalifen werden will.
Den Thronsaal des Häuptlings ersetzt man dann logischer weise durch den Palast.
Die zur Kooperation bereiten Goblins wären Sklaven, die sich ihre Freiheit erhoffen.
...