Was mir aufgefallen ist:
Fans von Savage Worlds spielen hauptsächlich das System und suchen sich dazu eines der erschienenen Settings bzw. convertieren ihr eigenes in SW. In den Foren hab ich bis dato noch nie gelesen, daß jemand ein Setting trotz SW Regeln spielt.
Bei anderen Rpg Systemen ist das oft nicht der Fall. Viele bespielen die Settings trotz der Regeln.
Das ist das, was ich gerade auch von alten, langjährigen Midgard-Spielern so vernehme. - Man mag das Setting, man kennt die Macken des Regelsystems, man hat ggf. sehr umfangreiche Hausregelzusammenstellungen, und man spielt es eben TROTZ der Macken des Regelsystems.
Daher denke ich, daß diese Einschätzung, oder dieser Eindruck durchaus zutreffend ist. - Viele andere Rollenspiele werden den darin enthaltenen Regeln zum Trotz gespielt, einfach weil die Welt so interessant ist, die vorgefertigten Kampagnen gute Unterhaltung versprechen oder weil man nichts anderes kennt, und das einfach so gewohnt ist (mit allen Macken und Unzulänglichkeiten - das ist halt eben so).
Fans von Savage Worlds spielen hauptsächlich das System und suchen sich dazu eines der erschienenen Settings bzw. convertieren ihr eigenes in SW.
Es ist ja so, daß Savage Worlds das Konvertieren anderer Settings FÖRDERT. Es gibt explizite Empfehlungen zur Vorgehensweise bei der Setting-Konvertierung aus anderen Rollenspielen bereits im Grundregelwerk.
Die Mentalität der Savages ist in manchen Bereichen eher der von "Bastlern" zu vergleichen. Sie haben einen Werkzeugkasten, der vielleicht nicht für jede Lage ein Spezialwerkzeug hat, aber für verdammt viele Situationen mit Basis-Werkzeugen ausreichend gute Ergebnisse liefert. Sie haben Bausteine, die vielleicht nicht überall passend sind, aber für verdammt viele Situationen mit der Idee der Trappings schnell passend gemacht werden können. - Und sie sind Teil einer Savage-Community, in der das BASTELN an eigenen Settings, an Konvertierungen und dergleichen HOCH GESCHÄTZT wird.
Es gibt KEINEN KANON, bei dessen Verletzung die Rollenspielpolizei kommt und einen festnimmt. - Daher wird auch in den Settings herumgeschraubt, was das Zeug hält.
Savages MÖGEN ihr Regelsystem, wie ein Fan eines Schweizer Taschenmessers sein Werkzeug mit allen seinen 99+ Funktionen mag, auch wenn er selbst bestenfalls ein Drittel davon jemals gebraucht haben mag.
Das Savage Worlds Regelwerk ist gerade für Spielleiter BEFREIEND und tritt im Spielverlauf sehr schön in den Hintergrund, so daß die Konzentration beim eigentlichen Spielgeschehen liegt und nicht von Regeltechnikdiskussionen und Klärungsversuchen von Regelunzulänglichkeiten oder anderen Unsicherheiten abgelenkt wird.
Daher MÖGEN die Savages ihr Regelwerk nicht nur als Bastler, sondern auch als Spielleiter und als Spieler. Und wer erst einmal die Vorteile im Vergleich mit anderen Regelsystemen ERLEBT hat (nicht nur in Papierform diskutiert, sondern "am eigenen Leibe gespürt"), der weiß, was er an SW hat.
Dies ist für mich ein Grund, warum manche Leute versuchen eine Conversion eines Rollenspiels auf SW zu machen, wobei sie aber doch nicht manche Regelmechanismen des Originals aufgeben wollen. Sie mögen MANCHE Regeln im Original, aber den meisten anderen Kram (meist sind dies die Kampfregeln!) eben nicht. - Sie wollen so schnelle und unkomplizierte und flüssige Kampfszenen wie in SW haben, aber nicht auf die Details des Original-Magiesystems verzichten.
Hier wären diese Leute besser mit einer Hausregel des Originalregelsystems gefahren, statt zu versuchen einen völlig fremdartig ersonnenen Mechanismus in SW hineinzubauen.
Savage Worlds hat als Regelsystem seinen Reiz, seine Stärken und seinen Charme. - Das will man nicht unbedingt aufgeben, sondern man will damit auch mal andere Welten (siehe Setting-Kompaß) spielend entdecken. Und das ist ja auch etwas, was SW nicht nur verspricht, sondern auch hält: Es gibt Savage Settings in einer enormen Fülle an Genres (oft als Crossovers). Da ist für vieler Leute Geschmack etwas dabei.
Ich habe bei meinen Spielern schon oft erlebt, daß sie meinen Versuch sie für ein neues Rollenspiel probehalber zu begeistern mit einem "Das spielen wir aber erst, wenn Du eine SW-Conversion gemacht hast!" quittiert haben. - Da liegt nicht nur eventuelle "Faulheit" mit jedem neuen Setting auch gleich neue (nicht unbedingt bessere) Regeln lernen zu müssen als Grund, sondern u.a. schlechte Erfahrungen mit anderen Regelsystemen, die ihre Versprechen bei weitem nicht in dem Maße einhalten, wie dies SW tut.
Für viele Savages stellt sich öfter die Alternative "Spielen wir <hier Setting mit eigenständigem Regelsystem, also nicht D20 oder GURPS oder so, einfügen> NICHT, oder spielen wir das coole Setting nach einer Conversion, die nur das für die eigentliche, die EIGENE Kampagne Nötigsten Dinge konvertiert?"
So gesehen ist die Begeisterung für das Regelwerk schon ein Quell für die "Treue zum Regelsystem" bei den Savages.
Ein anderer Punkt könnte sein, daß Savages oft (aber nicht alle) wechselnde Interessen verfolgen. Es gibt jede Menge "Settinghopper" darunter (z.B. mich), die gerne alle paar Monate ein neues Setting ausprobieren wollen. - Die "Trotzdem-Spieler" hingegen sind ihrem Rollenspiel oft seit Jahren, ja sogar Jahrzehnten verhaftet und wechseln nicht wirklich das Setting, weil sie damit ja auch das gesamte Rollenspielregelsystem wechseln müßten. Einfach ein Gegensatz zu den schneller in einem Setting, in einer Kampagne auf den Punkt kommen wollenden Savages.
Was man aber auch nicht vergessen sollte: Savage Worlds ist als Grundregelwerk erstaunlich VOLLSTÄNDIG. - Die Fahrzeugregeln, Verfolgungsjagden, Massenkampfregeln (auch für andere ausgedehnte Konflikte wie Gerichtsverhandlungen oder Rufmord-Kampagnen geeignet), und die hohe Anpaßbarkeit machen es einfach.
Sie machen es EINFACH.
Sie machen es einfach andere Spielwelten zu erschließen. - Man muß keine neuen "Klassen" einführen samt kompletter Progression über 20 oder mehr Level. Man muß kein Balancing von Monstern vornehmen, damit die SCs das auch ja packen können. Man kann elendig lange Zauberlisten mittels der Trapping-Idee auf nur wenige Grund-Powers eindampfen.
Savage Worlds erlaubt es bei Setting-Adaptionen und Conversions leichter den ÜBERBLICK zu bewahren. Man verzettelt sich nicht so leicht, wie bei komplexeren generischen Regelsystemen. Und man bekommt mit SW einen ganzen Haufen bereits fertiger, nur noch passend zu färbender Bausteine, statt sich JEDEN Baustein von Null auf konstruieren zu müssen.
SW ist wie Lego. Ein aus solchen Lego-Steinen gebautes Modell sieht natürlich mit den Noppen auf den Bausteinen irgendwie grob und kantig und nicht so glatt aus, wie ein aus selbstgeschnittenen Holzbrettern gebasteltes Modell. - Aber man hat das Lego-Modell SCHNELLER fertig und kann SCHNELLER damit Spielen und im Spiel macht die Grobgranularität nichts, weil man ja eh keine Realitäts-Simulation laufen lassen will, sondern Abenteuer mit soviel Verfremdung durch Genre-Konventionen, cinematische Übertreibungen usw. spielen möchte, daß die "Noppen" in SW keinen stören bzw. sogar keinem auffallen. - Und nach dem Spiel kann man DIESELBEN Lego-Steine für ein anderes Setting wiederverwenden!
Savage Worlds macht das Erschließen beliebiger Settings zu einer zeitlich begrenzten, vom Aufwand her beherrschbaren, vom Vorgehen her sehr unkomplizierten Sache. - Etwas, daß jeder Spielleiter aus dem Ärmel schütteln kann, weil er die SW-Lego-Steine benutzt, statt jedes "Bauelement" manuell feinstabstimmen zu müssen, damit nachher nicht alles kracht und stillsteht.
Man MAG das Regelsystem.
Man MAG den Baukasten.
Man MAG die Einfachheit.
Man MAG die Leichtigkeit.
Und man MAG Savage Worlds.
Da man dieses Regelwerk MAG und da Settings so oder so nur die Kulissen liefern, das Regelwerk aber die "Engine" für das Spielen darin und somit die Interaktion mit den Kulissen kanalisiert (Human-Fluff-Interface), ist es bei den Savages so selten, daß man TROTZ Savage Worlds Regelwerk eines der Savage-Settings bespielt.
Es mag vorkommen (z.B. wenn ein DL Classic Fan leider in seiner Umgebung nur DL:R-Fans findet, dann spielt er im Weird West eben TROTZ SW nach DL:R), doch ist das relativ selten.