Autor Thema: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit  (Gelesen 16629 mal)

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Offline Dr.Boomslang

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #75 am: 16.07.2010 | 16:55 »
Force mit Gewalt zu uebersetzen halte ich fuer ueberdramatisiert.
Es sollte genau das Gegenteil von Dramatisierung sein. Es ist in dem Fall einfach passend. Gewalt kann berechtigt sein oder nicht, erwünscht oder unerwünscht, ist aber in jedem Fall ein Übergriff. Staatsgewalt oder Naturgewalt (Englisch: force of nature) klingt ja auch nicht dramatisch.

Macht wäre dramatisch gewesen. Use the Force, Luke! ;D

Aber übersetzt es gern wie ihr wollt.

Der Begriff kommt übrigens aus der Fachsprache der Illusionisten (nein nicht die im Rollenspiel), auch Magier genannt, die in Echt, auf der Bühne. Da heißt der Begriff auf Deutsch einfach Forcieren und bezeichnet eine scheinbare Auswahl, die ein Uneingeweihter beim Trick hat, die aber eigentlich der Magier trifft. Der Zuschauer ist dabei im Unklaren darüber (durch gezielte Täuschung bzw. einfache Psychologie), wie der Wahlprozess tatsächlich abläuft, was also eigentlich das Entscheidende an seiner Wahlmöglichkeit ist. Genauso funktioniert die Technik meist im Rollenspiel, daher wohl die Parallele.

Offline Merlin Emrys

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #76 am: 16.07.2010 | 17:22 »
Aber du möchtest es ja wissen.
Stimmt. Und ich würde sagen, es führt durchaus auch weiter. Nicht alles, aber doch manches, insofern danke, daß Du Dir die Zeit zum Gespräch nimmst!

Ich bin allerdings kein besonderer Fan der Forge und halte von daher einen Verweis auf die entsprechende Quelle für nur mäßig hilfreich. Nur daß etwas von dort stammt, ist kein Qualitätsmerkmal; vielleicht sogar eher das Gegenteil, wenn man ansieht, wie hilflos noch immer die Debatte darum kreist, was da drüben denn nun eigentlich mal gemeint war, hier hübsch am Beispiel "force" vorexerziert.

Ich würde noch hinzufügen, dass nicht Einflussmöglichkeiten von SC eingeschränkt werden, es werden Einflussmöglichkeiten des betroffenen Spielers eingeschränkt. 
Den Punkt sehe ich anders und habe deshalb auch die Definition anders formuliert. Ich kann Railroading wahrnehmen, ohne selbst eingeschränkt worden zu sein; die Einschränkung kann ebensogut auch den Charakter eines Mitspielers betreffen. (Auch wenn ich in den Beispielen den wohl häufigeren Fall, daß jemand sich selbst betroffen sieht, gewählt habe.)

Für mich erweitert Satz 4 die ursprüngliche Definition nicht, im Gegenteil sie ist unnötig einschränkend, da es ursprünglich um den (Bruch des) Social Contract ging, ...
Damit hängt man einen problematischen Begriff an einen noch problematischeren, was ich für kein besonders kluges Vorgehen halte. Soweit ich selbst beobachten konnte, ist "social contract" eine Zuschreibung von Theoretikern. Ob jede Gruppe - vor allem eine heterogene, von jeder Theoriediskussion unbeleckte - so etwas haben wird, ist mE nicht ausreichend geklärt. Eine Welt und ihre Simulation dagegen haben sie ziemlich sicher, da das der Rahmen einer gemeinsamen Fiktion ist. Ich ersetze also ein zweifelhaftes Konzept durch etwas, das immerhin da ist.

Erstens muss ein Railraoder nicht gezielt oder bewusst einen Zweck damit verfolgen, zumindest wäre das für den Betroffenen meist uninteressant.
Das ist noch eine nähere Betrachtung wert; vermutlich muß da eine Literaturstudie 'ran ;-) . Ich würde sagen, es ist genau der vermutete Zweck, der die Wahrnehmung der Einschränkung zu etwas macht, das den Widerspruch herausfordert.

Sonst denkt am Ende noch einer die Wahrnehmung selbst sei RR und nicht der wahrgenommene Vorgang (bzw. deren Bewertung).
Das ist noch ein Punkt zum Weiterarbeiten, ja.


Eulenspiegel

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #77 am: 16.07.2010 | 17:31 »
Nicht, wenn es um ziegerichtete Kommunikation geht; da können gut gewählte Begriffe viel Zeit und Kraft sparen.
Wenn ich sage: "Ich habe den Eindruck, dass du meine Möglichkeiten beschneidest, ohne dass es dafür ingame Gründe gibt.",
führt das zu einer wesentlich zielgerichteteren Kommunikation als wenn ich sage:
"Du railroadest!"

Einfach, weil 5 verschiedene Leute auch 5 verschiedene Vorstellungen von diesem Begriff haben.

Offline Merlin Emrys

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #78 am: 16.07.2010 | 18:11 »
Einfach, weil 5 verschiedene Leute auch 5 verschiedene Vorstellungen von diesem Begriff haben.
Dann beheben wir diesen Mißstand eben und einigen uns mal auf eine, die das Kriterium "gut gewählt" erfüllt, und dann gibt es auch keine Verwirrung mehr und man kann den Begriff im Gespräch benutzen, um einen Sachverhalt zusammenzufassen.

Obwohl... hmmm... naja... vielleicht... :-o ??

;-)

Offline Dr.Boomslang

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #79 am: 16.07.2010 | 18:31 »
Ich bin allerdings kein besonderer Fan der Forge und halte von daher einen Verweis auf die entsprechende Quelle für nur mäßig hilfreich. Nur daß etwas von dort stammt, ist kein Qualitätsmerkmal; vielleicht sogar eher das Gegenteil, wenn man ansieht, wie hilflos noch immer die Debatte darum kreist, was da drüben denn nun eigentlich mal gemeint war, hier hübsch am Beispiel "force" vorexerziert.
Ich habe nur auf Forge verwiesen, weil du das gleiche in Grün erzählst und es als deine neue Überlegung präsentierst (was ich dir ja glaube).
Was Force angeht ist das Konzept völlig klar, es kann einfach nur nicht jeder kennen (dann muss man es erklären).
Da ist der Unterschied zwischen Erklären und Erfinden. Du möchtest gerne was erfinden, herausfinden, definieren, obwohl das alles bekannt sein sollte, und man es nur noch erklären bräuchte. Du wusstest ja offensichtlich auch nicht, woher deine ganzen Ideen eigentlich kommen, bzw. wer sich schon mal die gleichen Gedanken gemacht hat.
Ich finde es komisch dass du Forge als unzuverlässige Quelle ansiehst, wo ich aber den ganzen Kram her habe, den du dir offensichtlich hart selber erarbeiten musstest.


Ich kann Railroading wahrnehmen, ohne selbst eingeschränkt worden zu sein; die Einschränkung kann ebensogut auch den Charakter eines Mitspielers betreffen.
Das ist eine Überlegung die mir neu ist. Es glaubt dann also jemand ein anderer Spiele sei eingeschränkt ohne dass dieser selbst was davon sagt? Gut, theoretisch könnte das natürlich auch das Spiel stören, wie relevant das ist kann ich gerade schwer beurteilen. Es kommt mir nicht so häufig vor. Aber ich fänd es auch nicht schlimm das in einer erweiterte Definition aufzunehmen.
Es käme in der Praxis dann drauf an ob ein Spieler sich dadurch auch gestört fühlt, wenn er den Übergriff auf einen anderen Spieler bemerkt. Das habe ich noch nie gehört, man kann's aber mal im Kopf behalten.

Soweit ich selbst beobachten konnte, ist "social contract" eine Zuschreibung von Theoretikern. Ob jede Gruppe - vor allem eine heterogene, von jeder Theoriediskussion unbeleckte - so etwas haben wird, ist mE nicht ausreichend geklärt.
Ich bin mir nicht sicher ob du weißt was Social Contract bedeutet. Ich glaube eher nicht.

Eine Welt und ihre Simulation dagegen haben sie ziemlich sicher, da das der Rahmen einer gemeinsamen Fiktion ist. Ich ersetze also ein zweifelhaftes Konzept durch etwas, das immerhin da ist.
Simulation halte ich für einen viel problematischeren Begriff. Du hast ja selber schon ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der leicht missverstanden werden kann, bzw. völlig über- oder unterdefiniert ist. Ist es sinnvoll bei Dramaturgie von Simulation zu sprechen, oder bei Erwägungen zu Fairness, oder bei Fragen für die gar kein unabhängiger Maßstab vereinbart ist, wie ästhetisches Empfinden? Ich weiß nicht, eher nein. Was wenn gar nichts simuliert werden soll, sondern es einfach um Willkür geht?

Wenn wir jeweils das gleiche meinen wäre das alles kein Problem, ich glaube aber nicht dran.

Offline Merlin Emrys

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #80 am: 16.07.2010 | 19:13 »
Du möchtest gerne was erfinden, herausfinden, definieren, obwohl das alles bekannt sein sollte, und man es nur noch erklären bräuchte.
Erfinden, herausfinden und eingrenzen (=definieren) sind drei grundverschiedene Tätigkeiten. Herausfinden ist auf etwas Vorfindliches angewiesen, Erfinden zielt auf etwas noch nicht Vorfindliches, womit sie schon fast diametrale Gegensätze sind. Und Eingrenzen nimmt ebenfalls das Vorfindliche, nur daß beim Herausfinden das Vorfindliche vom Unbekannten ins Bekannte geholt wird, beim Eingrenzen hingegen die Bekanntheit vorausgesetzt werden kann. Erklären wiederum setzt ebenfalls beim Bekannten an, richtet sich dann aber an einen anderen, der die Erklärung hoffentlich verstehen kann. D.h. von den vier Verben ist keins synonym zu einem der anderen. Und was ich möchte, ist: Eingrenzen. Erklären ist an dieser Stelle allerdings mein Mittel zum Zweck, und Herausfinden eine notwendige Vorbedingung ;-) . 

Ich bin mir nicht sicher ob du weißt was Social Contract bedeutet. Ich glaube eher nicht.
Dann ist es sicher besser, ich verwende den Begriff gar nicht erst, auch - nein, vor allem nicht, wenn es um eine Überlegung zu einem anderen kompelxen Thema geht. Und ich habe mit der Rollenspielsituation einer teils festgeschriebenen, teils sich nach festgeschriebenen Mustern entwickelnden Welt immerhin etwas, von denen ich annehme, daß ich es verstehe und daß es seinen Zweck erfüllt.

Simulation halte ich für einen viel problematischeren Begriff. Du hast ja selber schon ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der leicht missverstanden werden kann, bzw. völlig über- oder unterdefiniert ist.
Wo bezeichne ich ihn als über- oder unterdefiniert? Ich stelle fest, daß ich ihn unabhängig von "GNS" & Co. verwende, aber sonst?

Eulenspiegel

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #81 am: 16.07.2010 | 23:55 »
Dann beheben wir diesen Mißstand eben und einigen uns mal auf eine, die das Kriterium "gut gewählt" erfüllt, und dann gibt es auch keine Verwirrung mehr
Die Aussage, auf die ich mich bezog war:
"Und wenn es dort zu Unklarheiten über "ist das nun Railroading oder nicht" kommt, können wir das dann gleich hierher überweisen." (Merlin Emrys, Post #72)

Und auf diesen Teil habe ich mich bezogen.
Wenn du es schaffst, eine Definition zu finden, so dass ein und für allemal im ganzen Internet alle Unklarheiten über Railroading verschwunden sind, dann gebe ich dir Recht. Dann wäre so eine Definition tatsächlich hilfreich.

Ich glaube aber, dass du in Post #72 die realistischere Ansicht hattest und dass es hin und wieder (und imho sogar häufiger) zu Unklarheiten darüber kommt, ob eine bestimmte Sache nun Railroading ist oder nicht.
Und dann ist es nunmal hilfreich, auf das Wort "Railroading" zu verzichten und einfach das zu schreiben, was man meint.

Offline Merlin Emrys

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #82 am: 17.07.2010 | 10:47 »
Und auf diesen Teil habe ich mich bezogen.
Und vielleicht trotzdem nicht begriffen, worum es ging. Ich schlage vor, Du denkst still noch einmal darüber nach, warum ich aus einem Faden zwei gemacht habe, was ich damit bezwecke, ihn zu teilen, und warum ich dann noch den entsprechenden Satz in diesen Faden geschrieben habe. Also: Was ich erreichen möchte. Aber ich fürchte, es hier weiter zu besprechen, hat wenig Zweck.

Eulenspiegel

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #83 am: 17.07.2010 | 10:51 »
Ich bin mir im klaren, was du erreichen möchtest. Und ich bin mir auch im klaren, warum du den Thread getrennt hast. (Was ich auch für gut befinde.)

Aber dennoch halte ich es für einen Fehler, dass wenn man den Thread schon getrennt hat (was ja gut ist), diesen dann bei solchen Problemen wieder zusammenzuführen.
Die Threads wurden ja nicht ohne Grund getrennt. Der Verweis von einen Thread auf den anderen wirkt dann in dieser Hinsicht eher kontraproduktiv.

Daher:
Pro Trennung der beiden Threads.
Contra Verschachtelung der beiden Threads (indem man bei Definitionsfragen auf den anderen Thread verweist, wenn man die Sache auch ohne Definition ausdrücken könnte).

Offline Merlin Emrys

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #84 am: 17.07.2010 | 11:54 »
Ich bin mir im klaren, was du erreichen möchtest.
Dein Beitrag weckt in mir die Befürchtung, daß dem nicht so ist... und zwar hier:
indem man bei Definitionsfragen auf den anderen Thread verweist
bzw, um es noch weiter einzugrenzen, in den vier Silben "Definitions". Man kann nämlich auch unter anderm Blickwinkel fragen, ob etwas zu einem bestimmtem Sachverhalt gehört. Und man kann einen solchen Gesprächsteil recht gut von dem andern trennen.

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:
Faden 2:
"Ich habe da mal erlebt..."
"Aber das ist doch ein Fall von RR!"
-> Wechsel in Faden 1
Faden 1:
"Wir hatten drüben das Beispiel ... Ist das nun RR oder nicht?"
-- Diskussion in Faden 1 --

Weiter geht es dann je nach Diskussionsende:
- wenn es RR war, bleibt die Diskussion in Faden 1
- wenn es kein RR war, wechselt die Diskussion zurück in Faden 2
- und sollte ein Fall unklar bleiben, wird man sehen, ob sich Faden 2 oder Faden 1 eher anbietet. 

Das funktioniert netterweise meist sogar dann noch ganz gut, wenn man sich nicht einig ist, welche Definition man nun genau zugrundelegen möchte.

Eulenspiegel

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Re: Railroading, Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit
« Antwort #85 am: 17.07.2010 | 19:07 »
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:
Faden 2:
"Ich habe da mal erlebt..."
"Aber das ist doch ein Fall von RR!"
-> Wechsel in Faden 1
Faden 1:
"Wir hatten drüben das Beispiel ... Ist das nun RR oder nicht?"
-- Diskussion in Faden 1 --
Richtig.So habe ich dich verstanden. Und meine Antwort darauf war:
Es ist vollkommen egal, ob es nun RR nach deiner Definition ist oder nicht. Wörter sind wie Schall und Rauch!

Wenn jemand in Faden2 etwas erlebt hat, was etwas mit Rollenspielwelt und Spielercharakterfreiheit zu tun hat, gehört es in Faden 2. - Vollkommen irrelevant ob irgend jemand das nun Railroading nennt oder nicht. (Wahrscheinlich würde eh die eine Hälfte sagen, dass es Railroading ist und die andere Hälfte würde sagen, dass es kein Railroading ist. - Schon von daher ist die Frage, ob es Railroading ist, vollkommen inproduktiv und man sollte lieber über die Sache anstatt den Namen diskutieren.)