Ich habe eigentlich keine Szene gelesen, in der ich einen Bennie vergeben hätte.
Seltsam. Denn ich fand JEDE dargestellte Situation durchaus nachvollziehbar "bennie-würdig".
Eigentlich liest es sich wie reine Willkür.
Es gibt hier einen Unterschied zwischen "reiner Willkür" und dem GESPÜR des Spielleiters als Gruppenführer für die Stimmungslage seiner Gruppe.
Bennies nur per "Willkür" zu vergeben macht nämlich das Steuerungsinstrument Bennie KAPUTT.
Durch die Bennie-Vergabe und den Bennie-Einsatz findet eine KOMMUNIKATION zwischen Spielern und Spielleiter statt. Der Spieler zeigt durch den Bennie-Einsatz, was ihm wichtig ist (und auch übrigens durch den NICHT-Einsatz, wenn er z.B. auf einen Soak-Roll verzichtet oder einen kritischen Fehlschlag hinnimmt). Und der Spielleiter kommuniziert über die Bennie-Vergabe auch, was ihm am Spiel wichtig ist.
Und hier gibt es NATÜRLICH je nach Person des Spielleiters, aber erst recht je nach Gruppe (und - wenn auch in geringerem Maße - nach dem bespielten Setting und Genre) UNTERSCHIEDE.
Das sind die Unterschiede, welche in anderen Spielen bei der Vergabe freier Erfahrungspunkte oder XP für "gutes Rollenspiel" oder anderer "weicher Beurteilungen" durch den Spielleiter anfallen.
Nur bei SW wird nicht erst Stunden oder gar Wochen später irgendeine Belohnung via XP verteilt, sondern SOFORT positives Feedback gegeben.
Und obschon das Vergeben der Bennies vom Spielleiter ausgeht, heißt das nicht, daß nicht "der Tisch" (wie es in Diaspora genannt wird) entscheidet, wenn ein Bennie vergeben werden soll. Es reicht oft aus, daß einer der Mitspieler sagt "Das war doch wohl einen Bennie wert". Wenn dann noch ein anderer nickt, dann HAT der Spielleiter einen Bennie zu vergeben.
Wenn ein Spielleiter mit seiner Bennie-Vergabe "knausert", macht diesen Kommunikationskanal zu!
Er "verstopft sich die Ohren", weil die Spieler die kargen Bennies HORTEN müssen, um sie als "Hitpoints" nur für Soak-Würfe aufzusparen. So wird er NIE erfahren, was sonst noch - außer dem Überleben der SCs - den Spielern im Spiel wichtig ist.
Er "macht sich stumm", weil er die Spieler, welche sich beständig oder auch nur ab und zu einmal AKTIV und ENGAGIERT und FINDIG ins Spiel einbringen, eben NICHT mit positivem Feedback dazu auffordert dies weiter zu tun.
Wenn ein Spielleiter Bennies nur für "herausragende spielerische Leistungen" vergibt, die SEINEN ELITE-ANSPRÜCHEN genügen, dann handelt er EGOISTISCH und nicht als Führer seiner Gruppe!
Der Spielleiter hat als Gruppenführer gefälligst sein INTERESSE bei der Gruppe zu haben! Er gehört auch dazu, aber er BENUTZT DIE GRUPPE NICHT!
Und hier ist der Unterschied zur Willkür: Eine willkürliche Vergabe von Bennies stellt keine klare Kommunkationslinie in der Gruppe dar. So etwas entspricht eher den wahnsinnigen Ausbrüchen eines gestörten Diktators in seinem "Führerbunker". Das kann KEINE Gruppe gebrauchen!
Der Spielleiter ist an entscheidender (in mehr als einer Hinsicht) verantwortlicher Stelle für das Spielklima einer Runde zuständig. Jeder spielt mit, aber wenn der Spielleiter nicht zuhört und nicht (positiv) Feedback gibt, dann geht das Spielklima den Bach runter.
Und daher ist der Bennie-Mechanismus in SW auch so eine gelungene und so beliebte Sache. - Es ist hier auch anders als Regelsysteme, die den Spielern von vorneherein eine feste Menge an "Gummipunkten" geben, die sich aber im Laufe einer Sitzung nicht mehr aufstocken läßt, sondern die nur ausgegeben werden können. - GERADE das HINZUVERDIENEN von Bennies ist es, was einen FLUSS in Gang bringt.
Der Bennie-Fluß und der Spielfluß sind sehr eng miteinander verknüpft.
Man kann durch Bennie-Fluß-Steuerung sehr subtil am Spielfluß steuern. Das ist ERFAHRUNGSSACHE. Viel Spielen und beobachten, was passiert, wenn man sehr viele oder sehr wenige Bennies vergibt, hilft einem ein GEFÜHL dafür zu entwickeln.
Hier können die EMPFEHLUNGEN im Grundregelwerk (und es sind KEINE REGELN, sondern wirklich nur Empfehlungen für Anfänger-SLs, die noch KEIN Gespür haben) eben nicht wirklich für alle Gruppen, alle Runden, alle Genres greifen. - Es geht nicht anders, als daß man sich die Urteilskraft und das Gespür durch PRAXIS aneignet.
Natürlich kenne ich die Hintergründe nicht, aber ich habe die Regelung so verstanden, daß Bennies verteilt werden, wenn die Dramaturgie erhöht wurde, der Plot signifikant vorwärts gebracht wurde, bei einem passendem Witz oder ähnlichem.
Was meinst Du mit: "Dramaturgie erhöhen"? Was soll das sein?
Wenn "der Plot signifikant vorwärts gebracht wurde", gibt es XP. - Wie soll denn das "Vorantreiben des Plots" etwas sein, was positives, INDIVIDUELLES Feedback für einen Spieler auslöst?
Der "passende Witz" (oder auch der unpassende) ist hingegen tatsächlich "bennie-relevant". - Ein Witz, der alle am Tisch, der "den Tisch" lachen macht, der IST einen Bennie wert, denn Bennies gibt es auch für alles, was das SPIEL-KLIMA verbessert.
Ich möchte KEINE Runde, in der alle mit runtergezogenen Mundwinkeln, verkniffener Miene, ernst und angespannt rumsitzen. Das wäre KEIN Klima, was ich an meinem Spieltisch haben wollte. - Es wird ernsthaft und konzentriert gespielt, WENN ES DARAUF ANKOMMT. Aber unterm Strich sollte das Spiel eine UNTERHALTUNG sein, etwas GENUSSVOLLES und nichts Gekrampftes.
Und daher wirken z.B. gute (oder schlechte) Scherze am Tisch ENTKRAMPFEND. - Der erste Lacher bei einer z.B. auf Cons neu zusammengefundenen Runde, wo sich alle noch nicht so kennen, ist so dermaßen wichtig und LOCKERND, daß so etwas auch einen Bennie wert ist.
Oder wenn alle inmitten der hochkonzentrierten taktischen Planung über den Einsatz ihrer Verbündeten sitzen und ein Spieler so IM SPIEL ist, daß er sich den Kaffee in den Würfelbecher eingeschenkt hat, dann bekommt er NATÜRLICH einen Bennie! Er war so GEFESSELT vom Spiel, daß ich als Spielleiter das gut finde. Und er hat alle (anderen) erheitert, so daß sich etwas von der Spannung wieder gelöst hat und sie mit lockerem Zwerchfell weiter überlegen können.
Aber nur einem Schrei hinterher zu laufen. Es gibt Charaktere von denen erwarte ich nichts anderes.
Das ist DEIN Anspruch. Aber es ist EGAL, was DU von den Charakteren erwartest, solange das nicht auch der SPIELER dieser Charaktere tut!
Wenn jemand etwas mit seinem SC tut, und wenn er auch noch erwähnt "übrigens, mein Charakter ist Loyal, sonst würde ich die anderen Triefnasen jetzt in der Scheiße sitzen lassen", dann HAT er den SC so ausgespielt, wie es seinem Konzept, seinem Charakter, und SEINEN, also des Spielers Erwartungen!, entspricht.
Und Du würdest hier KEINEN Bennie vergeben?
Klar, es gibt immer mal Fälle, wo ein Spieler versucht für lahmarschige, halblebige, nicht wirklich eine Komplikation darstellende Weise einen Bennie herauszuleiern. Dann ist man als SL durchaus im Recht zu sagen "Das war lahmarschig. Das kannst Du BESSER!".
Aber mir ist (als Spieler) in SW auch schon mal untergekommen, daß der Spielleiter eben SEINE EIGENEN Erwartungen an die "Schöpfungstiefe" oder "Darstellungsqualität" hatte. Wann immer ich wirklich mit heißem Bemühen den Kulturbezug, die Charakterzüge und die Handicaps des Charakters ins Spiel gebracht hatte, und es auch zu klaren Komplikationen führte, erhielt ich KEINEN Bennie! - "Dein Charakter ist doch eh immer Heldenhaft. Das ist normal. Dafür gibt es keinen Bennie." - So etwas fand ich FRUSTRIEREND OHNE ENDE!
Was kommuniziert solch ein "SL mit gehobenen Ansprüchen"?
Er sagt mir doch STÄNDIG "Dein Spiel ist nicht gut genug für mich!"
Und das ist TÖDLICH für das Spielklima am Tisch.
Ich war jedenfalls SEHR VERÄRGERT und äußerte das auch nach einer Weile, denn mir hatte das ENGAGIERTE Spiel OHNE positives Feedback in Form von Bennies, die ich für noch MEHR ENGAGIERTES SPIEL gerne hätte einsetzen wollen, dann irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Als ich mich beim Bennie-Horten, eben WEIL ich (und auch die anderen Spieler) zu wenige Bennies bekommen hatte, ertappte, da wollte ich so nicht mehr weiterspielen und das Thema MUSSTE auf den Tisch.
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, daß Spielleiter, die mit "gehobenen Ansprüchen" den Spielern die Bennie-Vergabe verweigern, eine ganz besondere, so nur in SW mögliche Form des SPIELER-KLEINHALTENS praktizieren, die ich NICHT GUT finde.