In meinen Augen schließen sich Dungeoncrawling und Storytelling komplett aus.
Storytelling verläuft anhand einer vorgelegten Schiene. Eindeutige Aufträge geben eine Erzählrichtung vor. Unsichtbare Wände (GM-Fiat) verhindern das Abweichen von dieser Schiene. Aus jeder Szene gibt es meistens nur einen sinnvollen Ausgang. Im Grunde ist es ein Schlauch, durch den die Spieler vom Spielleiter durchgeführt werden. Charakterspiel findet nur als theatralisches Darstellen der Gefühle angesichts des immer dichter werdenden SL-Plots statt. Vom Umland her ist Storytelling meistens auf das städtische Umfeld beschränkt. Interaktionsmöglichkeiten mit NSCs gibt es wenige (meistens nur der Lebensgeschichte zuhören, selten mal social skills würfeln), dafür gibt es viele NSCs, die man ansteuern darf. (Mit Glück gibts zwischendurch optionale Cow-Quests zur Auflockerung.) Die NSCs haben alle ein striktes Handlungsprogramm, dass die Spieler abrufen bzw. die Spielleiter ablaufen lassen können, um im Schlauch weiter zu kommen. Ein Bisschen wie bei PC-Spielen, wo man halt die langen Textpassagen liest oder wegklickt. Kämpfe sind ebenfalls vorprogrammiert, teilweise mitsamt ihrem Ausgang. Zufallsbegegnungen finden nicht statt, Risiko ist nicht vorhanden (wenn man nicht gegen alle Chancen auszubrechen versucht). Dass Storytellingabenteuer manchmal kurze "Dungeons" enthalten, widerspricht dem garnicht, denn das sind Storytellerdungeons, in denen es nur eine Richtung gibt. Deshalb sind sie auch so kurz.
Dungeoncrawling ist in fast allen Fragen das genaue Gegenteil. Eindeutige Aufträge sind optionales Beiwerk, man arbeitet mehr mit Hooks oder geht von einer intrinsischen Spielermotivation aus: "Hey, da vorn ist eine Ruine, ob da wohl ein Abenteuer ist?" Das Vorankommen ist spielerbestimmt. Es gibt sichtbare Wände, die aber manchmal überwunden werden können (z.B. mit Auflösungszaubern). Aus den Räumen/Höhlen ("Szenen") gibt es fast immer unterschiedliche Ausgänge (Türen), die zu unterschiedlichen Folgen führen. Dungeons sind eher ein Baumdiagramm als ein Schlauch. Charakterspiel besteht oft darin, Entscheidungen zu treffen, von denen der weitere Verlauf des Abenteuers abhängt. (Entscheidungen bedeuten aktives Charakterhandeln, Theaterspiel ist die Darstellung von passiven, kontemplativen Verhalten.) Vom Umfeld her sind Dungeons in eine bewohnte Umgebung und eine Wildnis eingebunden, deshalb gehört zum Dungeoncrawl der klassische Dreiklang (Stadt, Land, Dungeon) dazu (siehe mein obiger Beitrag im Thread). Interaktionsmöglichkeiten mit NSCs gibt es viele verschiedene, allerdings spielt das Kämpfen eine wichtige Rolle. Interaktion mit der nicht-vernunftbegabten, belebten oder unbelebten Umwelt ist weitaus bedeutender als im Storytelling. Kämpfe sind teils vorgegeben, teils abhängig von Spielerentscheidungen. Ein Risiko ist immer präsent. Unter anderem deswegen und wegen der Zufallsbegnungen haben Dungeons eine "taktische", planerische Komponente, die Storytelling einfach nicht hat. Gute Dungeons sind schwer zu basteln, weil sie so hohe Ansprüche stellen.
Dungeons machen nicht jedem Spaß und können Spieler frustrieren - vor allem, weil der garantierte Erfolg eines Storytellerabenteuers nicht gegeben ist.