Autor Thema: [Rollenspiel in World of Warcraft] Die Geschichte von Stian und Rina  (Gelesen 9594 mal)

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Offline Timberwere

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Ich weiß nicht, ob euch diese Geschichte interessiert, auch wenn sie nicht aus einer direkten Nachfrage heraus entstanden ist, aber ich poste sie einfach mal. Vielleicht mag sie ja doch jemand lesen. :)

Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt der Abenteuer meines Hauptcharakters Stian. Und mit dem Posten hier verbinde ich auch die kleine Hoffnung, dass ich irgendwann mal über das hinaus weiterschreibe, was ich schon gesammelt habe, denn ich habe irgendwann aufgehört, hinke fürchterlich hinterher, und würde es doch gern irgendwann zuende bringen.

Dies sind die Erlebnisse von Stian Skyggvandre und seiner Rina. (Und dass das auch ein Blutelf ist, der mit "S" anfängt, ist reiner Zufall. Für meinen Orc Kreokk z.B. habe ich irgendwie noch keine Geschichte niedergeschrieben, auch wenn es auch da durchaus Material gäbe.)

Anyway. Genug der Vorrede. Nur eines noch: Der Text ist schon etwas älter, wenn also im ersten Post etwas von "vor einigen Monaten" steht, meine ich damit das Frühjahr 2007. Gezogen hat sich der Plot - oder die Plotlinie - dann bis zum November 2009. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Drückt mir die Daumen, dass ich das irgendwann mal zusammengetippt bekomme. :)

—————-

Stian ließ sich auf die trollische Hängematte im Gasthaus von Shadowprey zurücksinken und schlug vor Frustration den Hinterkopf mehrere Male gegen das Netzgewebe. Dann setzte er sich auf und barg das Gesicht in den Händen. Er hätte schreien mögen, aber das ging natürlich nicht.

Riná, oh Riná!

Angefangen hatte alles vor etwa zwei Monaten. Er stand gerade in Hammerfall draußen an der Esse, als ihn eine etwa gleichaltrige, vielleicht ein klein wenig ältere Blutelfin ansprach: Ob er wohl etwas Magiestoff übrig habe? Das war in dem Moment eine etwas unangenehme Frage, denn eigentlich war Stian dabei, soviel Magiestoff wie möglich zu horten, um diesen beizeiten in Undercity zu spenden. Denn er hatte sich ja in den Kopf gesetzt, unbedingt ein Skelettpferd kaufen zu wollen - diese Hawkstrider, so sehr sie auch im allgemeinen zu seinem Volk gehören mochten und so gute Tiere es auch vielleicht waren, passten einfach nicht zu ihm.

Aus diesem Grund jedenfalls hatte Stian eigentlich überhaupt keine Lust, auf die von ihm so mühevoll gesammelten 7 Stücke Magiestoff zu verzichten. Aber was sollte er machen? Er war gut erzogen, und einer Dame - noch dazu einer so hübschen - konnte er den Wunsch einfach nicht abschlagen. Also trennte er sich schweren Herzens von dem Stoff, und die junge Lady zeigte sich erkenntlich, indem sie etliche Teile seiner Ausrüstung verzauberte. Soweit, so gut - eigentlich war dies eine Begegnung wie unzählige andere, die einem Schurken im Laufe seiner Abenteurerkarriere so unterkamen. Aber dann wiederum eben auch wieder nicht. Denn Stian und die junge Priesterin führten noch ein kurzes Gespräch miteinander - und auch wenn er es zu dem Zeitpunkt noch nicht bemerkte, musste sie wohl auch da schon einen gewissen Eindruck auf ihn gemacht haben. Beide übernachteten im Gasthaus in Hammerfall, und es war Stian sehr peinlich, dass er, kaum dass er sich schlafen gelegt hatte, aus einem heftigen Alptraum hochfuhr, während Riná - denn unter dem Namen hatte sie sich ihm vorgestellt - sich ebenfalls im Gastzimmer befand. Sie fragte, ob es ihm gut gehe, war so nett und holte ihm Wasser beim Wirt. Anschließend unterhielten sich die beiden Blutelfen noch eine ganze Weile, ehe Stian sich wieder schlafen legte und diesmal glücklicherweise ohne Alpträume durch den Rest der Nacht kam. Als er am Morgen erwachte, war die Sin'dorja bereits abgereist. - Und das hätte es eigentlich gewesen sein müssen.

Aber einige Tage später liefen sie sich wieder über den Weg: Stian kam aus dem Scharlachroten Kloster, Riná war gerade in der Nähe. Man habe ihr gesagt, er sei gesichtet worden, wie er das Kloster betreten habe, und so habe sie auf ihn gewartet. Gewartet? Sie? Auf ihn? Sehr seltsam. Stian konnte sich keinen rechten Reim darauf machen, und in der Verwirrung reagierte er ... unbedacht. Er war gerade mit Niennya unterwegs, einer engen Freundin seiner Schwester, und weil Niennya auf die Vorstellung mit Riná ziemlich einsilbig reagierte und dann auch sehr schnell weiterlief, brach auch Stian das Gespräch mit der Priesterin recht unvermittelt ab und folgte der Reisegefährtin. Und genau das bedauerte er später, als er zum Durchatmen und zum Nachdenken kam und ihm auffiel, wie unhöflich er sich Riná gegenüber benommen hatte.
Also schickte er ihr einen Brief, in dem er sein Bedauern zum Ausdruck brachte und sich entschuldigte. Woraufhin sie freundlich antwortete. Woraufhin er wiederum antwortete. Woraufhin sich ein reger Briefwechsel entspann.

Wiederum einige Zeit später trafen sie sich in Silvermoon, als Stian gerade zu seiner Juweliers-Lehrmeisterin wollte und Riná aus dem Auktionshaus am Royal Exchange kam. Man unterhielt sich, und schließlich lud Stian die Lady auf einen Umtrunk ein.
Es wurde ein netter Abend. Die beiden Blutelfen unterhielten sich über die unterschiedlichsten Dinge - aber Stian merkte schon, dass Riná nicht wirklich glücklich zu sein schien. Sie erzählte ihm von ihrem Vater und ihrer Schwester, die sie beide aus den Augen verloren habe, von denen sie aber hoffte, sie eines Tages wiederzufinden.

In dem Gasthaus, in dem die beiden gesessen hatten, war kein Platz mehr frei, und ehe sie im anderen Gasthaus der Stadt nach Zimmern fragten, schlug Stian einen Spaziergang in den Gärten draußen vor der Stadt vor. Er war angetan von der Dame, das merkte er jetzt deutlich. Aber er merkte auch, dass sie sich zierte, nach dem - übrigens wunderschönen - Ausflug mit ihm in die Stadt zurückzukehren: Offensichtlich hatte Riná eine Scheu, wenn nicht gar Angst, davor, die Nacht mit ihm im selben Gasthaus oder gar Zimmer zu verbringen. Zunächst machte Stian, völlig ohne Hintergedanken, den Vorschlag, wenn überhaupt kein Zimmer frei sei, dann würde er sie mit zu seinem Cousin Yhaddar nehmen, der ja in Silvermoon wohnte. Dort könne Riná das Schlafzimmer haben, und die beiden Männer würden sich im Wohnzimmer auf dem Boden ein Lager zurechtmachen. Aber dieser Gedanke gefiel der Priesterin gar nicht. Sie wollte schon davonlaufen, aber Stian hielt sie auf. Wenigstens ein Bett in der zweiten Taverne der Stadt sollte sie ihn dann für sie besorgen lassen; Stian selbst würde eben nicht im Gasthaus, sondern bei Yhaddar übernachten. Diesen Vorschlag gestand Riná ihm zu, und ein sehr nachdenklicher Schurke machte sich nach der freundlichen, aber zurückhaltenden Verabschiedung auf den Weg zu seinem Cousin.

Nach diesem Treffen schickte Stian Riná wieder eine Nachricht, diesmal in Verbindung mit einem Strauß bunter Wildblumen, den er in Thunder Bluff für sie erstand. Die Wahl der Blumen dauerte nicht lange: Rosen, egal ob einzeln oder gebunden, ob weiß, rot oder schwarz, schienen ihm nicht angemessen, die einfachen Wildblumen zu nichtssagend, aber die bunten Wildblumen waren gerade richtig. Die Priesterin bedankte sich in einem rührenden Schreiben, und der bereits zuvor begonnene Briefwechsel ging mit schöner Regelmäßigkeit weiter.

Stian hatte Riná bei ihrem Gespräch in Silvermoon erzählt, dass er gerade dabei sei, für die Forsaken die unterschiedlichsten Aufgaben zu erledigen, einfach um sich bei ihnen genügend Ruf zu verschaffen, damit er sich sobald wie möglich ein Skelettpfed würde kaufen können. Inzwischen hatte sein Schurkenlehrmeister ihn in den vierzigsten, ja sogar schon den einundvierzigsten Zirkel erhoben, und er stand kurz davor, das ersehnte Ziel zu erreichen. Nur noch eine einzige Aufgabe solle er erledigen, hatte Apotheker Faustin ihm versprochen: nur noch diese eine Aufgabe, dann werde Faustin bei allen Forsaken verbreiten, dass er sich das Recht auf ein Untoten-Pferd verdient habe!
Nur noch eine einzige Aufgabe also, aber die hatte es in sich. Pantherherzen sollte er dem Apotheker für ein Serum bringen, einen Mire Lord-Fungus und einen Deepstrider-Tumor. Die Schattenpanther im Swamp of Sorrows waren zwar keine besonders schwierigen Gegner, aber sie waren gut getarnt, und auch wenn Stian als Schurke gut darin war, schleichende oder versteckte Kreaturen zu finden, gab es doch im Sumpf nicht so viele von ihnen, wie er gehofft hatte, und bei denjenigen, die er doch fand und erlegte, zerplatzte ihm in den meisten Fällen das Herz unter den Händen, wenn er es aus dem Kadaver herausholen wollte. Es dauerte also frustrierend lange, bis er die Herzen zusammen hatte. Der Mire Lord-Fungus war kein Problem, der vom Apotheker ebenfalls gewünschte Deepstrider-Tumor aber sehr wohl. Deepstrider hatte Stian in Desolace schon aus der Ferne - und einmal aus der Nähe, als ihm einer von der Seite über den Weg gelaufen war und Stian das einzig Vernünftige in dieser Situation getan hatte, nämlich Hals über Kopf zu verschwinden - gesehen: böse, gewalttätige und überaus mächtige Riesen, mit denen er es alleine keinesfalls aufnehmen konnte.

Er dachte schon darüber nach, ob er vielleicht seine große Schwester Liliwyn oder eine ihrer Freundinnen um Hilfe bitten solle, aber in seinen Briefen hatte er das Problem erwähnt, und es erreichte ihn just um diese Zeit ein Bote mit einer Nachricht von Riná, in der die Priesterin sich bereit erklärte, ihn zu begleiten und ihm zu helfen. So trafen die beiden sich in Grom'Gol und flogen gemeinsam nach Desolace.

Dank Rinás Hilfe war der Deepstrider, nachdem sie in den Weiten von Desolace überhaupt erst einmal einen gefunden hatten, erstaunlich schnell besiegt: Die heilenden Kräfte der jungen Blutelfin waren Gold wert. Als die gewaltige Kreatur erschlagen vor ihnen lag und Stian den Tumor des Riesen entfernt und sicher in seiner Tasche verwahrt hatte, konnte er einfach nicht anders: In seiner Begeisterung umarmte er die Priesterin überschwenglich. Riná wurde blutrot und wich vor ihm zurück, und es tat Stian sofort leid, dass er ihr zu nahe getreten war. Aber nur ein bisschen.

Zurück in Shadowprey hätten sich ihre Wege eigentlich gleich trennen können, aber Stian hatte seltsam wenig Lust, die Dame ziehen zu lassen - und ihr schien es ganz ähnlich zu gehen. Und so redeten die beiden, und redeten, und redeten. Und Stian, der gar recht nicht wusste, wie ihm geschah, gestand Riná schließlich, wieviel sie ihm inzwischen bedeutete, dass er ständig an sie denken musste und dass er sich um sie Sorgen machte, wenn sie nicht bei ihm war, obwohl er doch eigentlich wusste, dass sie sehr wohl selbst auf sich aufpassen konnte.
Die Priesterin reagierte äußerst zurückhaltend, ja ablehnend, und Stian befürchtete schon, jetzt habe er durch sein übereiltes Reden alles kaputtgemacht.
Aber ganz so schlimm war es dann doch nicht. Riná lief nicht davon, sprach weiter mit ihm - und in dem, was sie sagte, entdeckte der Schurke einen ganz tief verwurzelten, festsitzenden Schmerz, eine dicke Mauer, die die Elfin um sich errichtet hatte, um nur ja keine Gefühle an sich heranzulassen. Sie hatte ihren Vater verloren, ihre geliebte Schwester hatte sich im Streit von ihr getrennt und war kurz darauf verschwunden, und nun war Riná fest davon überzeugt, dass es an ihr läge, dass sie jeden verlieren müsse, an den sie sich gefühlsmäßig band. Es klang ganz deutlich aus ihren Worten heraus: "Es darf sich keiner um mich sorgen, ich muss unabhängig bleiben... Ich bin Priesterin, ich bin für alle Wesen da... Ich muss mich um das Volk kümmern... Es ist gut so, wie es ist... Ich bin glücklich so..."
Stian hörte all das, erkannte den Schmerz, erkannte die Selbstverleugnung der jungen Frau - und konnte nicht an sich halten.
"Darf ich offen sprechen?" fragte er. Und als sie ihm das zugestand, sagte er einfach, was ihn bewegte.
"Ich habe das Gefühl, Ihr lebt unter einem grauen, wolkenverhangenen Himmel. Und das tut Ihr so lange schon, dass Ihr gar nicht mehr merkt, dass Ihr unter einem grauen Himmel lebt. Statt dessen denkt Ihr, das ist der Normalzustand - den wahren Sonnenschein aber, den kennt Ihr schon gar nicht mehr. Und das tut mir in der Seele weh. Ich würde gerne alles, aber auch wirklich alles dafür tun, dass Ihr aus dieser Trübnis wieder hinauskommt ins helle Sonnenlicht."
So. Mochte sie nun reagieren, wie sie wollte, Stian hatte das einfach sagen müssen.

Riná war sichtlich gerührt, meinte, Stian sei ja so freundlich zu ihr, so freundlich sei noch niemals jemand zu ihr gewesen (eine Aussage, die dem jungen Schurken wiederum einen Stich versetzte). Aber sie blieb weiterhin distanziert und kühl, bat Stian, ihr zu versprechen, dass er nicht an sie denken, sich nicht um sie sorgen würde. Dieses Versprechen konnte er ihr natürlich nicht geben, doch er erklärte schweren Herzens, er werde es wenigstens versuchen. Nicht, dass er sich viel Hoffnung über den Erfolg dieses Versuchs machte...

Kurz darauf trennten sie sich. Aber sie gingen seltsam zögerlich auseinander, und zwar nicht nur von Stians Seite aus, sondern auch von Rinás, hatte er das Gefühl. Denn sie erinnerte ihn mit fast so etwas wie Bedauern in der Stimme daran, dass ja sein Pferd auf ihn warte. War es möglich? Gab es vielleicht doch Hoffnung? Dann ritt die Priesterin davon, und der Schurke blickte ihr lange, lange hinterher, ehe er sich auf die Reise nach Brill machte.
« Letzte Änderung: 27.08.2010 | 19:28 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Die Entscheidung für ein Reittier war schnell getroffen. Untot mochten die Skelettpferde sein, aber eines davon blickte Stian aus so hellen, intelligenten, lebendigen Augen an, dass für den jungen Schurken kein anderes Tier in Frage kam. 'Boneshade' nannte er den blauen Skeletthengst, und der erste Ausritt unter dem Nachthimmel der Tirisfal Glades war einfach herrlich.

Am nächsten Tag setzte er sich hin und schrieb einen Brief an Riná. Oder besser, er versuchte es. Und versuchte es. Und versuchte es. Vier angefangene Pergamente landeten zusammengeknüllt im Kamin des Gasthauses. Die Worte wollten nicht kommen, waren entweder zu kalt - nie das, niemals das! - oder zu warm, zu emotional, so dass er Angst hatte, die junge Priesterin noch mehr zu verschrecken. Schließlich, beim fünften Anlauf, schrieb er einfach, was ihm aus der Feder floss, gestand seine Schwierigkeiten ein, gestand, dass dies der fünfte Anlauf war, und berichtete Riná von Boneshade. Sie hatte schließlich mit ihrer Hilfe maßgeblich dazu beigetragen, dass er den blauen Hengst jetzt sein eigen nannte - und außerdem war es die perfekte Ausrede für eine halb-sachliche, halb dankbar-emotionale Ansprache.

Es kam einige Tage lang keine Antwort, was Stian deutlich beunruhigte. War Riná doch böse auf ihn? War ihr am Ende gar etwas zugestoßen? Dann schließlich kam aber doch ein Brief von ihr - sie war einfach eine Zeitlang in der Wildnis unterwegs gewesen und hatte keinen Zugang zu einem Briefkasten gehabt. Ihre Worte gaben Stian wieder Hoffnung, denn sie klangen ungewöhnlich besorgt: "Ihr seid immer noch in Desolace? Seid um des Lichtes willen vorsichtig, es wimmelt dort doch nur so von Dämonen!" Natürlich konnte das viel bedeuten, es konnte auch einfach die normale Sorge einer Priesterin um ein Mitgeschöpf sein... aber irgendwie glaubte Stian das nicht. Oder vielleicht wollte er es auch nicht glauben. Wie dem auch sei, Rinás Brief machte ihn froh. Er antwortete umgehend, und die Korrespondenz ging weiter. In einem ihrer Briefe berichtete Riná, dass sie in einigen Tagen nach Silvermoon müsse, um dort etwas zu erledigen, und da Stian ohnehin wieder einmal die Heimat aufsuchen wollte, verabredeten sie ein Treffen. Der Schurke war völlig begeistert. Eine richtige, echte Verabredung! Er würde Riná wiedersehen, allein das war ihm schon sehr, sehr wertvoll. Und wenn er es gleichzeitig schaffen sollte, die harte Schale, die sie um sich gelegt hatte, ein wenig aufzuweichen, umso besser.

Es wurde ein nettes Treffen, wenngleich für den Sin'dor ein wenig wehmütig. Denn Rinás harte Schale war noch immer nur allzu präsent, und Stian musste stark an sich halten. Er hätte die junge Frau am liebsten einfach in den Arm genommen, all ihre Sorgen vertrieben, und wenn ihr Kummer ein körperlicher Gegner gewesen wäre, dann hätte er sich diesem mit Freuden gestellt und ihn nach Strich und Faden verprügelt. Aber das ging ja leider nicht, und so bemühte Stian sich nach Kräften, die Priesterin trotzdem ein wenig aufzuheitern.
Alles in allem wurde es dennoch ein schöner Abend. Allein in Rinás Nähe zu sein, machte Stian schon froh. Stolz führte er ihr sein Pferd vor, und auch beim anschließenden Abendessen im Wirtshaus unterhielten sie sich sehr nett. Im Laufe des Gespräches fragte Stian Riná noch einmal nach dem Namen ihrer vermissten Schwester, denn er war einige Tage zuvor einer dunkelhaarigen Hexerin begegnet, von der er geglaubt hatte, dass sie es eventuell sein könne. Hitomé hatte die junge Dame geheißen. Aber Riná erklärte ihm nun, dass ihre Schwester Haniko hieß. Das klang zwar ein wenig ähnlich wie Hitomé, war aber nicht dasselbe, und wenn Haniko nicht gerade unter falschem Namen herumlief, musste Stian die Priesterin leider enttäuschen. Riná nahm die Information mit Bedauern auf, bedankte sich aber dennoch dafür, dass Stian an sie gedacht habe. Der Elf konnte nur entschuldigend mit den Schultern zucken - er hätte ihr zu gern eine bessere Botschaft überbracht!

Die Nacht wollte der Schurke wieder bei seinem Cousin verbringen, während Riná sich erneut ein Zimmer im Gasthaus nahm. Stian begleitete die Priesterin noch bis an die Zimmertür, dann verließ er widerstrebend das Gasthaus; ehe er Yhaddar aufsuchte, wollte er noch kurz im Auktionshaus vorbeisehen. Dort war er gerade angekommen, da hallte sein Name quer über den Royal Exchange: Riná war es, deren Schrei so verzweifelt klang wie der einer Ertrinkenden. Stian rannte sofort los und fand die Elfin draußen auf dem Platz, völlig aufgelöst. Der junge Blutelf fackelte nicht lange, nahm Riná ganz unzeremoniell in die Arme und hielt sie erst einmal einfach nur fest, strich ihr beruhigend über das Haar. Allein das war schon reine Seligkeit, zumal die Dame sich langsam beruhigte und es keine unmittelbare Gefahr zu geben schien. Nach und nach holte Stian dann auch aus ihr heraus, was sie so bedrückt hatte. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, zum Abschied einen Segen über Stian zu sprechen, und diesen Segen hatte sie heute vergessen. Das war ihr so entsetzlich, weil ihr das bei ihrer Schwester ebenfalls passiert war, und das war das letzte Mal gewesen, dass sie Haniko gesehen hatte. Stian versuchte, Riná nach besten Kräften zu beruhigen, versprach ihr, dass sie ihn keinesfalls verlieren werde, aber es dauerte doch eine ganze Weile, bis es ihm gelungen war. Schließlich machte die Priesterin sich - mit einigem Widerwillen, oder kam ihm das nur so vor? - von ihm los, ehe sie sich nun endgültig zur Ruhe begab. Und einen äußerst aufgewühlten Stian zurückließ, der erst noch einen Nachtritt durch die Eversong Woods unternehmen musste, bis sein jagendes Blut zumindest halbwegs seinen Normalzustand erreicht hatte und er es wagen konnte, Yhaddi unter die Augen zu treten, ohne seinem Cousin sofort und umgehend sein ganzes Herz auszuschütten. - Was er an dem Abend natürlich doch noch tat, aber in abgeschwächter, "vernünftiger" Form. Denn Yhaddar war es natürlich nicht entgangen, dass Stian in letzter Zeit häufiger mit einer jungen Dame zusammentraf, und langsam wurde der Jüngere neugierig.


Wiederum einige Zeit später begegneten der Schurke und die Priesterin einander in Orgrimmar. Es war reiner Zufall: Stian stand im Auktionshaus, als er draußen auf der Straße eine unbekannte weibliche Stimme den Namen "Riná" rufen hörte und natürlich sofort nachsehen ging. Es war reiner Zufall, aber dieser Zufall sollte zu einem der emotional intensivsten und aufwühlendsten Tage seines bisherigen Lebens führen.
Doch zunächst einmal standen sie einander verlegen und wortkarg gegenüber. Aber was hätten sie auch sagen sollen? Sie standen mitten auf der Hauptstraße von Orgrimmar, zwischen Auktionshaus und Bank, umgeben von all den herumwuselnden Einheimischen und Abenteurern, die hier ihre Geschäfte erledigen wollten, und Riná war ja auch noch im Gespräch mit der Bekannten, die sie beim Namen gerufen hatte. Ein vorwitziger Troll, der ebenfalls in der Nähe herumstand und auf Rinás verblüffte Frage: "Stian, was tut Ihr denn hier?" ein unüberhörbares, übertrieben gesäuseltes "Ich wollte Euch unbedingt sehen, weil ich ohne Euch nicht sein kann" einwarf, half da auch überhaupt nicht. Er kam der Wahrheit mit seinem dummen Witz einfach unangenehm nah.
So zogen sich die beiden Blutelfen auf Smalltalk und Allgemeinheiten zurück, und Stian erzählte, dass er schon wieder auf dem Weg nach Desolace sei, weil er dort noch eine letzte Aufgabe erledigen wollte. Er hatte für den dort ansässigen Zentauren-Clan der Gelkis einige Dinge übernommen, wovon das letzte gewesen war, im Swamp of Sorrows einen Draenethyst-Kristall zu besorgen. Den hatte er nun in der Tasche und wollte ihn einfach nur der Weisen Frau des Gelkis-Clans überbringen. Er ging nicht davon aus, dass das lange dauern würde, und so fragte er Riná, ob sie ihn vielleicht begleiten und ihm anschließend auf einen Umtrunk Gesellschaft leisten würde. Und obwohl er gefragt hatte, war Stian ein wenig erstaunt, als die Priesterin tatsächlich zustimmte.

Gemeinsam flogen sie nach Desolace und suchten die Schamanin der Gelkis auf. Leider jedoch wurde es nichts mit dem gemütlichen Umtrunk nach Abliefern des Kristalls, denn Uthek die Weise schickte Stian los, Khan Jehn zu töten, den Häuptling des verfeindeten Zentrauren-Clans der Magram. Nun, das würde nicht lange dauern, hoffte der Schurke, und da Riná bereit war zu warten bzw. ihn zu begleiten, wurde die Aufgabe auch gleich in Angriff genommen.
Es dauerte auch tatsächlich nicht lange, aber nun schickte Uthek ihn auf einen weiteren, letzten Auftrag: Er sollte nun auch noch gegen den Clan der Maraudine vorgehen und deren Häuptling töten, Khan Hratha. Aber wichtiger noch sei das Schlüsselfragment, dass Hratha bei sich trüge und das Stian zu der Schamanin zurückbringen solle.

Uthek warnte den Schurken, dass Khan Hratha ein überaus mächtiger Gegner sei - schon für sich alleine könne er ein Problem darstellen, aber er werde immer auch noch begleitet von zwei bis drei Leibwachen.
Welch Glück, dass Riná dabei war und sich bereit erklärte, Stian auch auf dieser Mission zu unterstützen!
Die Maraudine sollten sich im Tal der Speere aufhalten, von dem Stian nur eine ungefähre Ahnung hatte, wo es sich befand. Aber Riná kannte den Ort zum Glück.

Die beiden Blutelfen machten sich also auf zu den Maraudine. Anfangs ging alles glatt; sogar das Mundstück für das große Kriegshorn, das sie würden blasen müssen, um Khan Hratha herbeizurufen, war schnell gefunden. Dieses Kriegshorn befand sich an der Spitze einer von den Zentauren künstlich errichteten Rampe, und als Stian hineinblies, erbebte die ganze Umgebung unter dem Ton. Und da kamen sie auch schon: zunächst je drei Zentaurenkrieger in zwei Wellen, dann Khan Hratha selbst, mit zwei Leibwachen und einer Schamanin, wie von Uthek bereits angedroht.

Es wurde ein harter Kampf. Stian hätte nur zu gerne alle Feinde auf sich gezogen, die ganze Drecksarbeit selbst erledigt und sich nur, wann immer notwendig, von Riná heilen lassen, doch die Priesterin war inzwischen um einiges erfahrener als er, und so hatte sie sofort drei der vier Gegner am Hals. Glücklicherweise konnte die Elfin auf sich selbst aufpassen, aber dennoch wurde es knapp. Sehr knapp.
Endlich waren sowohl der Khan als auch seine Begleiter besiegt, aber Stian hatte nur Augen für Riná. Ein entsetzlicher Schreck durchfuhr ihn, als er sah, wie stark verletzt sie war, und er stürmte sofort zu ihr hin. Sie war in Ordnung, Licht und Schatten sei Dank! Er hätte es nicht ertragen, wenn ihr seinetwegen etwas zugestoßen wäre. Nein, wenn ihr ganz generell etwas zugestoßen wäre. Schwer pustend standen die beiden Blutelfen da und versuchten erst einmal, wieder zu Atem zu kommen.

Schließlich waren sie soweit wieder beieinander, dass Stian auch für seine Umgebung wieder Augen hatte - und gleich darauf einen gar lästerlichen Fluch ausstieß. Denn während er sich um Riná und um seine eigenen Verletzungen gekümmert hatte, war Khan Hratha verschwunden! Der Zentaur war wohl offensichtlich gar nicht tot gewesen, sondern lediglich schwer verwundet, und nun hatte er die Gunst der Stunde genutzt und sich aus dem Staub gemacht - ohne dass Stian ihm das Schlüsselfragment hatte abnehmen können!

In Ermangelung irgendeines anderen Gegenstandes, an dem er seine Wut auslassen konnte, trat Stian mit voller Wucht gegen das Große Horn - und stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass dessen Mundstück wohl bei der Erschütterung nach dem Blasen ab- und von der Rampe den steilen Abhang hinunter in das Zentaurendorf gefallen sein musste, und inzwischen hatte es bestimmt wieder irgendein Maraudine eingesammelt und in sichere Verwahrung genommen! Das hieß, dass sie nicht nur Khan Hratha noch einmal stellen, sondern sich sogar noch einmal auf die Suche nach dem Mundstück begeben mussten!
Der Fluch des Schurken, der nun folgte, war noch lauter als der erste, und der darauf folgende noch übler. Stian wandte sich ab und tobte in unterdrückter Wut vor sich hin. Was für eine elende, mistige, dreckige, verdammte Geschichte! Und am schlimmsten war, dass er für das alles sich selbst verantwortlich zu machen hatte. Hätte er doch nur besser aufgepasst, als Hratha zu verschwinden drohte! Und selbst das wäre nicht so tragisch gewesen, wenn Hratha nicht einen so verdammt zähen Gegner abgegeben hätte. Kan'krek, er hatte einfach Angst um Riná! Was, wenn es beim nächsten Mal nicht so glimpflich abging? Es war eben schon so elend knapp gewesen...

Die Priesterin legte Stian von der Seite beruhigend die Hand auf den Arm, und diese sanfte Berührung war in dem Moment der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Stian konnte die Überreaktion nicht unterdrückten: ließ seine ganze Wut, seine ganze Frustration völlig unpassend an der armen Sin'dorja aus. "WAS?", donnerte er mit zornfunkelnden Augen. Riná zuckte entsetzt zurück und brachte einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen sich und Stian. In ihren Augen stand ein Anflug von Angst.
Dem Schurken tat sein Aussetzer sofort unendlich leid, aber er fürchtete, dass er schon nicht wieder gutzumachenden Schaden angerichtet hatte. Dies war die eine Seite an ihm, die sich manchmal den Weg an die Oberfläche bahnte und die er normalerweise unterdrücken konnte, bis er irgendwo alleine mit sich selbst war. Die Seite an ihm, die er Riná nie, niemals im Leben hatte sehen lassen wollen... Lieber würde er sich die Hand abhacken, als Riná jemals in irgendeiner Weise zu verletzen...

Der Schurke entschuldigte sich wortreich, vertraute der Priesterin auch genau diese Gedanken an, und langsam schwand die Angst in ihren Augen, näherte sie sich ihm wieder. Stian atmete erleichtert auf; offensichtlich war der Schaden doch nicht irreparabel gewesen.

So gingen sie gemeinsam auf die Suche nach dem verlorenen Mundstück. Und wieder wurden die Flüche, die Stian zwischen den Zähnen zerbiss, hitziger und vehementer, auch wenn er sich jetzt der Blutelfin gegenüber eisern unter Kontrolle hielt. Denn das Mundstück wollte und wollte und wollte sich nicht finden lassen. Sie hatten schon beinahe das ganze Lager durchsucht, sich mit zahllosen Zentauren angelegt, als Stian es schließlich bei einem der Krieger doch wieder entdeckte. Also auf ein Neues... Der junge Schurke seufzte. Schatten und Licht, lass Riná nichts geschehen!
Zitat von: Dark_Tigger
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Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
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Stians übliches Selbstvertrauen war ein wenig gedämpfter als sonst, als er zum zweiten Mal an diesem Tag in das Große Kriegshorn der Maraudine blies. Erneut schickte Hratha zwei Wellen von je drei Kriegern vor, ehe er selbst die Rampe heraufstolziert kam. Einer seiner Schamanen musste ihn in der Zwischenzeit an einem versteckten Ort geheilt haben, denn der Zentaurenhäuptling war wieder völlig unverwundet, und drei neue Leibwachen hatte er auch mitgebracht. Aber diesmal ging der Kampf etwas leichter vonstatten. Entweder die beiden Blutelfen waren besser vorbereitet, oder aber Hrathas Schergen nicht so gut wie diejenigen, die zuvor dabei gewesen waren - jedenfalls gelang es Stian diesmal, sich von hinten an den kleinen Trupp heranzuschleichen und den Zentauren mit einem Überraschungsangriff in den Rücken zu fallen. Das bedeutete, dass er zwei der Gegner auf sich ziehen konnte und Riná sich nur mit den restlichen beiden herumschlagen musste. Die drei Leibwachen gingen vergleichsweise schnell zu Boden, dann konnten sich die beiden Sin'dorei gemeinsam auf Khan Hratha konzentrieren.

Schließlich war das blutige Werk zum zweiten Mal getan, und diesmal vergewisserte Stian sich, dass Hratha auch wirklich tot war. Dann nahm er dem niedergestreckten Pferdemenschen schnell das Schlüsselfragment ab und ballte triumphierend die Hand zur Faust. Geschafft!

Dann sah er sich sofort nach Riná um. Es ging ihr gut, es war ihr nichts geschehen! Einige Verletzungen hatte sie davongetragen, aber nichts, was nicht bald wieder verschwunden sein würde. Erleichtert ging er auf sie zu - und merkte dabei, dass er selbst ein wenig hinkte. Da hatte ihn wohl einer der Gegner am Bein erwischt, und Stian hatte es in der Hitze des Gefechts nicht einmal bemerkt! Riná hingegen fiel es sofort auf. Besorgt kam sie zu ihm, befahl ihm, sich hinzusetzen und holte aus ihrer Tasche Verbandszeug sowie einen Tiegel mit einer grünlichen Salbe. Damit bestrich sie vorsichtig die Wunde und wickelte kundig den Verband darum.
Was auch immer diese Salbe war - sie wirkte wie ein Traum. Die grünliche Masse hatte einen herrlich kühlenden Effekt, und der Schmerz in Stians Bein verging sofort. Wunderbar - wie neu!
Der Schurke bedankte sich herzlich, und plötzlich, wie sie da so einander fast wortlos gegenüberstanden und sich in die Augen blickten, überkam Stian erneut das Entsetzen bei dem unerträglichen Gedanken, dass Riná etwas hätte zustoßen können. Und das sagte er ihr auch.
Ihre Reaktion kam für ihn unerwartet. Sie bestand aus nichts weiter als einem halb gestammelten "Wa... warum?"

"Warum?" Stian schnaubte kurz und trocken. Konnte sie sich das nach ihrem Gespräch in Shadowprey, nach dem letzten Abend in Silvermoon immer noch nicht denken? Aber nun gut, er hatte immer nur Andeutungen gemacht. Jetzt kniete er vor der Elfin nieder, griff nach ihrer Hand und sprach aus, was er fühlte. "Weil Ihr jemand ganz Besonderes seid. Weil ich noch nie jemandem begegnet bin wie Euch. Weil Ihr mein erster Gedanke seid morgens, wenn ich aufstehe, und mein letzter nachts, wenn ich mich niederlege. Weil ich, wenn Ihr in meiner Nähe seid, das Bedürfnis habe, ein besserer Elf zu sein. Weil Ihr Euch unauslöschlich in mein Herz eingebrannt habt. Weil..."

Weiter kam er nicht. Die junge Frau holte einmal verschreckt Luft, riss ihre Hand aus der seinen und rannte davon, die Rampe hinunter. Bis Stian sich erhoben und umgedreht hatte, war sie schon um die erste Kurve. "Riná, so lauf doch nicht weg!" rief er ihr hinterher, doch sie machte keine Anstalten, langsamer zu werden. Stian rannte, nein, spurtete los und holte sie tatsächlich unten auf dem Dorfplatz ein. "Lauf nicht weg, bitte!"
Aber sie rannte weiter, Hals über Kopf - und mitten hinein in einen großen Trupp Maraudine, der gerade durch das Dorf patrouillierte. Im Nu war die junge Elfin von Zentauren umzingelt, und in Stian kochte alles hoch. Sein Puls jagte, das Blut rauschte ihm in den Ohren, die ganzen verwirrenden Emotionen der letzten Minuten brachen sich Bahn... Jede Subtilität vergessen, stürzte er sich mit einem lauten, unartikulierten Schrei mitten in den Kampf. "Aaaaargh! Lasst die Lady in Ruhe, ihr Hunde!!"

Wieviele Maraudine Stian in den nächsten Minuten niederstreckte, konnte er hinterher nicht mehr sagen. Er dachte nicht, er war einfach. Wurde eins mit den Klingen in seiner Hand, war der reine Instinkt. Nur Riná allein brannte in seinem Geist.
Als der Kampf vorüber war, lagen etliche Zentauren um die beiden Sin'dorei herum. Riná stand da und sah Stian mit großen Augen an. "Lauf nicht weg", bat der erneut. Er atmete schwer - wenn sie jetzt davongelaufen wäre, hätte er keinen zweiten Spurt einlegen können, um sie einzuholen.
Doch das tat sie nicht. Sie stand einfach da und blickte jetzt, wo er etwas zu Atem kam, befangen zu Boden.
Stian legte die Hand unter ihr Kinn und zog es sanft nach oben, so dass sie ihn ansehen musste.
Sie blickte ihn an, ihre Augen große, traurige, unendlich tiefe grüne Quellen, und er konnte nicht anders. Ehe er wusste, was er da eigentlich tat, zog er sie zu sich heran, nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und küsste sie, ganz sachte, ganz vorsichtig. Es war ein wunderschönes, aber seltsames Gefühl: Seligkeit vermischt mit  Wehmut und der Angst, zu weit gegangen zu sein. Die Priesterin wehrte sich nicht, aber sie erwiderte den Kuss auch nicht, reagierte überhaupt in keiner Weise, und so zog Stian sich schon nach wenigen Sekunden verlegen wieder zurück. Auch die Heilerin stand betreten da, sah zu Boden und schwieg.

"Riná, ich..."
"Nein, Stian, bitte. Bitte sagt es nicht. Ich... ich kann nicht..."
Er blickte in ihr liebliches Gesicht und spürte eine wilde Mischung an Emotionen durch sich hindurchströmen. Unendliche Zärtlichkeit. Ungestümen Beschützerdrang. Bedingungslose Loyalität. Verständnis. Unverständnis. Traurigkeit. Frustration. Hilflose Wut; auf jeden und alles, der oder das ihr diesen Schmerz zugefügt hatte. Den übermächtigen Wunsch, sie in den Arm zu nehmen und vor allem abzuschirmen, was ihr wehtun wollte... Diese verdammte Mauer um sie herum endlich einzureißen...

Aber er gab dem Wunsch nicht nach. Statt dessen blickte er sich auf dem Dorfplatz um und wusste selbst gar nicht genau, was er mit dem nächsten Satz eigentlich ausdrücken wollte:
"Ach, Riná, sieh uns doch an, wie wir hier stehen, mitten in Feindesland..."

Eine Träne war ihre Wange hinuntergekullert. Stian wischte sie sanft mit dem Finger weg und straffte sich mit einem Seufzer, als sie weiterhin wortlos den Kopf schüttelte. "Wir sollten zusehen, dass wir hier verschwinden."
Riná schien erleichtert, dass der gefährliche Moment vorübergegangen war, und wurde nun wieder ganz kameradschaftlich-geschäftsmäßig. "Ja, lasst uns gehen."

Dem Schurken fiel der unvermittelte Wechsel schwer, aber er kehrte nun ebenfalls wieder zu der kameradschaftlicheren Umgangsform und der formelleren Anrede zurück. Er war noch immer ganz verwirrt, wusste nicht, was er sagen sollte - und so kam es vielleicht gerade richtig, dass die beiden ein Stück den Berg hinunter eine junge Goblinfrau fanden, die von den Maraudine in einem Käfig festgehalten wurde und demnächst als Festbraten für die Pferdemenschen dienen sollte. Die gemeinsame Sorge um das Goblinmädchen war die perfekte Ablenkung: Natürlich war es gar keine Frage, dass sie es befreien mussten - sie konnten die arme Kleine doch nicht hier ihrem Schicksal überlassen!

Der Weg aus dem Gebiet der Maraudine heraus war alles andere als leicht - auf ihren jungen Schützling aufzupassen und gleichzeitig die Zentauren daran zu hindern, das ganze Dorf auf sie zu hetzen, stellte sich als ziemliche Herausforderung dar, Rinás heilende Kräfte hin oder her. Aber schließlich war es geschafft, und ein überglückliches Goblinmädchen, das sich als Melizza Brimbuzzle vorgestellt hatte, rannte dankbar davon - allerdings nicht, ohne den beiden Blutelfen vorher versprochen zu haben, dass ihr Bruder Hornizz, der sein Lager in der Nähe des Ghost Walker Post aufgeschlagen habe, sich garantiert erkenntlich zeigen werde.
Nun, auf die Belohnung kam es dem Schurken und der Priesterin gar nicht so sehr an, aber sprechen wollten sie mit Hornizz Brimbuzzle natürlich dennoch, nicht zuletzt um zu hören, ob seine Schwester wieder wohlbehalten bei ihm angekommen war.

Sie war, und Hornizz zeigte sich tatsächlich mehr als erkenntlich: Neben einer netten Belohnung hatte er auch gleich noch eine neue Aufgabe für die beiden Sin'dorei. Geisterplasma sollten sie für ihn einfangen im Tal der Knochen, dem Friedhof der Zentauren. Gut so - Stian war für jede Ablenkung dankbar! Wo das Tal der Knochen war, das wusste nun Riná wiederum nicht, Stian aber sehr wohl. An der Abzweigung in das Tal war er bereits mehrfach vorbeigekommen.
Die Aufgabe erwies sich als nicht sonderlich schwer, aber doch ein wenig trickreicher als erwartet. Denn mit dem Gerät, das der Goblin ihnen mitgegeben hatte, ließen sich die Zentaurengeister zwar anlocken, aber es kamen wesentlich mehr als erwartet, und auch wenn sie eigentlich friedfertig waren, gingen sie doch unangenehm schnell zum Angriff über, wenn ein Lebender sich ihnen näherte oder einen der ihren attackierte. Aber schließlich war der Geisterfänger voller Plasma, und die Sin'dorei konnten diesen unheimlichen Ort verlassen.

Der Zentaurenfriedhof befand sich näher am Lager der Gelkis als am Ghost Walker Post, und so kehrten Stian und Riná erst zur Weisen Frau Uthek zurück, um ihr von Khan Hrathas Tod zu berichten und ihr das Schlüsselfragment zu übergeben. Stian stand noch ein wenig länger im Gespräch mit der Zentaurin, und als er sich umdrehte, war Riná auf den ersten Blick nirgends zu sehen. Er fand sie schließlich vor einem leeren Zelt beim Spiel mit einem halbwüchsigen Zentaurenfüllen, doch die kleine Gelkis wurde kurz darauf von ihrer Mutter gerufen und galoppierte schlaksig davon.

Kaum waren sie wieder alleine miteinander, ohne eine drängende Aufgabe, die sie ablenkte, spürte Stian wieder diese Spannung in der Luft, diese knisternde Elektrizität wie vor einem Gewitter. Verlegen standen sie einander gegenüber, wussten nicht, was sie sagen sollten. Wobei Stian tausend Dinge hätte sagen können, aber statt dessen seufzte er nur schwer.
"Was habt Ihr?", fragte Riná. "Sprecht, ich bitte Euch."
Der Blutelf schüttelte traurig den Kopf. "Nichts von dem, was mir durch den Kopf geht, wollt Ihr hören."
"Doch, sagt es nur."
"Oben auf dem Berg habe ich ja angefangen. Ihr seid davongelaufen..."
Riná sah ihn an: auffordernd? Erwartungsvoll? Sie sagte nichts, aber Stian interpretierte ihren Blick als: 'jetzt werde ich nicht davonlaufen'.
Und so holte er tief Luft und sprach es erneut aus: dass er sich einfach nicht helfen könne, dass sie in seinem Herzen sei und so weiter.

Riná antwortete nicht, und plötzlich merkte der Schurke, dass die Sin'dorja völlig erschöpft sein musste - sie taumelte und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Besorgt fing Stian sie auf und trug sie in das leere Zelt, wo er die Heilerin auf ein aus Fellen bestehendes Lager bettete. Sie nickte ihm dankbar zu, setzte sich aber sofort wieder aufrecht. "Es geht schon."
Stian setzte sich zu ihr, nicht zu dicht, und gemeinsam verbrachten sie einige Minuten in halb-vertrautem Schweigen. Der Elf dachte an den Regen, der an diesem Morgen über Desolace niedergegangen war und der öden Landschaft einen ganz eigenen, unerwarteten Charme verliehen hatte. Schon am Morgen hatte er gewünscht, Riná wäre dabei, damit sie diese Erfahrung mit ihm teilen könnte. Die Erinnerung brachte ihn auf eine Idee.
"Ich würde gerne einmal mit Euch an einem Strand entlanglaufen. Barfuß. Am besten im Regen. Da vergisst man alle Sorgen - zumindest geht es mir immer so."
Die Priesterin nickte. "Schade, dass es hier in Desolace keinen richtigen Strand gibt, nur hässliches, struppiges Gras. Und monsterverseucht ist es auch."
"So hässlich finde ich den Strand von Desolace gar nicht", erwiderte der Sin'dor, "wenn man von den Ungeheuern einmal absieht. Aber der schönste Strand, den ich kenne, befindet sich in Darkshore. Den würde ich Euch gerne einmal zeigen, wenn ich darf." Stian war vor kurzem, im Zuge des Mittsommerfestes und der Suche nach den Sommerfeuern Kalimdors, zum ersten Mal in Darkshore gewesen und hatte sich dort über den eigentlichen Standort des Feuers hinaus gleich ein wenig umgesehen. Und der stille, geheimnisumwehte Strand mit seiner Aussicht auf das silberne Meer hatte den Schurken auf den ersten Blick verzaubert.
Riná nickte wieder. "Irgendwann vielleicht einmal, gerne."
"Und ich hoffe sogar fast ein bisschen, dass es regnet, wenn wir dort sind", sprach Stian weiter. Das gibt dem Ort eine einzigartige, verwunschene Stimmung."

Wieder vergingen einige Momente schweigend, ehe Riná aufblickte und den Blutelfen forschend ansah.
"Darf ich Euch eine sehr persönliche Frage stellen, Stian?"
"Ihr dürft mich immer alles fragen, Riná."
Die Priesterin zögerte, errötete erneut.
"Habt... hattet Ihr zuvor schon einmal eine Frau geküsst?"

Stian nahm die Frage sehr, sehr ernst. Hatte er schon einmal eine Frau geküsst? Und hatte er, was vielleicht die noch wichtigere Frage war, schon einmal für eine Frau das empfunden, was er jetzt für Riná empfand? Er dachte zurück über die Jahre...
Lairynn? Nein. Er betrachtete die junge Paladina als eine gute Freundin, aber mit ihrer jungenhaften Art war sie immer nur ein Kamerad für ihn gewesen, ebenso wie Lynxia, ihre Kampfgefährtin aus dem Orden der Blutritter. Es war wohl eher Yhaddar, der an einer der beiden Paladinen Gefallen gefunden hatte - zumindest glaubte Stian das aus einigen von Yhaddis sorgfältigen Nicht-Bemerkungen herausgelesen zu haben. Nur um welche von beiden es sich handelte - oder ob er mit seiner Vermutung überhaupt richtig lag - das hatte der Schurke noch nicht herausgefunden. Nun, wenn Yhaddi sich ihm anvertrauen wollte, würde er das schon irgendwann tun.

Niennya? Ebenfalls ein deutliches Nein. Die Hexerin war nicht sein Fall. Sie war nett, er mochte sie sehr, aber er sah in ihr einfach nicht das, was ein Mann in einer Frau sehen musste. Überhaupt nicht. Und außerdem war sie (ebenso wie Callistá und Vée, die anderen beiden Freundinnen seiner Schwester) in Liliwyns Alter, hatte unendlich viel mehr Erfahrung als Stian, und er vermutete, dass sie in ihm nichts als einen kleinen, unbeholfenen Jungen sah. Störte ihn das? Vielleicht ein wenig, weil er sich in seinem Stolz getroffen fühlte, aber es störte ihn nicht auf diese Weise. Statt dessen nahm er Niennyas Hilfe gerne an, wenn sie ihm diese anbot, und zog gerne mit ihr herum, aber es war einfach ein Fall von reiner, unbelasteter Kameradschaft. Und hatte er nicht ohnehin irgendwann am Rande mitbekommen, dass Niennya eher an Frauen interessiert war?

Na also. Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen. Er konnte wahrheitsgemäß beide Fragen verneinen.
"Nie", sagte er mit Nachdruck. "Wenn man von meiner Mutter und meinen Schwestern absieht, versteht sich."
Riná machte ein erleichtetes Gesicht und strahlte ihn offen an. Dieses Lächeln wärmte Stians Herz - was hätte er darum gegeben, es öfter auf ihren aparten Gesichtszügen zu sehen!

Dann wandelte sich der Gesichtsausdruck seines Gegenübers: Rinás Lächeln wurde sichtlich verlegen, und Stian konnte an der Art, wie sie mehrfach ansetzte und dann das, was sie sagen wollte, doch nicht aussprach, spüren, dass ihr etwas auf dem Herzen lag. "Stian...", begann sie schließlich leise, "würdet... würdet Ihr mir dann vielleicht noch einen Kuss geben?"

Er konnte nicht verhindern, dass ein breites, beglücktes Grinsen über seine Züge flog. "Aber mit dem größten Vergnügen, Milady!" Er erhob sich, deutete eine kleine Verbeugung an, trat auf Riná zu und tat, worum sie ihn gebeten hatte. Die Gefühle, die den Schurken bei diesem zweiten Kuss durchströmten, waren ein wenig anders als bei dem ersten zuvor: Sie hatte ihn darum gebeten, daher musste Stian jetzt nicht befürchten, zu weit gegangen zu sein. Das Glücksgefühl war noch dasselbe, aber die Wehmut wurde nun ersetzt durch... Hoffnung? Die Priesterin errötete sofort, aber sie wehrte sich nicht. Doch obwohl sie den Kuss sogar zu genießen schien, zog sie sich schon nach einem kurzen Moment zurück.
"Ach Stian", seufzte Riná, "ich kann nicht. Diese Gefühle... Es ist alles so neu für mich..."

Neu für sie? Das klang nicht komplett hoffnungslos... Das war kein kategorisches Nein...

"Riná, wenn es das ist - ich kann warten. Sagt mir, dass es auch nur einen Funken Hoffnung gibt, und ich warte auf Euch bis ans Ende der Zeit." Das sagte sich alles andere als leicht: Die Vorstellung, die Distanz zu der schönen Elfin wahren zu müssen, und vielleicht noch lange Zeit wahren zu müssen, tat Stian in der Seele weh, aber alles, was er zu ihr gesagt hatte, war die reine, ungeschminkte Wahrheit. Sie hatte sich in sein Herz gebrannt, neben ihr konnte es keine andere geben, und wenn sie ihn nicht kategorisch und ein für alle Mal abwies, dann würde er warten.
Die Priesterin schwieg, machte ihm keine Hoffnung - aber sie erklärte auch nicht, dass es keinen Zweck habe. Besser als nichts...
"Ich kann warten", bekräftigte Stian also noch einmal, wie um sich selbst dafür zu wappnen.

Sie saßen noch eine Weile in einträchtigem Schweigen beisammen, bis einer von beiden - Stian hätte gar nicht mehr sagen können, wer, aber vermutlich war es Riná; Stian selbst hätte gerne noch Stunden mit ihr in dem verlassenen Zelt verbracht, einfach um ihr nahe zu sein - zum Aufbruch mahnte. Denn noch wartete Hornizz Brimbuzzle ja auf ihre Rückkehr und den Bericht darüber, wie es im Tal der Knochen gelaufen war.

Also ritten sie zu Hornizz, aber danach trennten sich ihre Wege. Stian wollte noch einmal kurz im Ghostwalker Post vorbeisehen und mit einem der Tauren dort sprechen, während Riná sofort nach Shadowprey zurückreiten und von dort aus weiterreisen wollte.
Der Abschied verlief seltsam kurz und schmerzlos - schmerzlos vor allem deshalb, weil er einfach so schnell vonstatten ging. Vor Hornizz sagten die beiden Sin'dorei nicht allzuviel, bis auf ein sachliches "auf bald", und dann war Riná auch schon davongeritten. Stian blickte ihr nach, bis sie hinter einem Hügel verschwunden war, aber dann forderte sein eigenes Anliegen sein Recht, und er hatte gar keine Zeit mehr zum Grübeln.

Bis jetzt jedenfalls. Denn jetzt hatte er sich für die Nacht ins Gasthaus von Shadowprey zurückgezogen, und jetzt stürmten all die Eindrücke, all die Geschehnisse und verwirrenden Emotionen des Tages erneut mit Macht auf ihn ein. Und das war der Grund, warum er nicht einschlafen konnte, warum er hier im Dunkeln saß und den Kopf zwischen den Händen verbarg.

Oh, Riná!
« Letzte Änderung: 8.04.2013 | 11:27 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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"Ah, Yhaddi, es hat mich schwer erwischt", seufzte Stian. "Es ist richtig ernst..."

Die beiden Vettern saßen in des Jüngeren Haus in Silvermoon lässig mit untergeschlagenen Beinen und mit einer Flasche Suntouched Reserve zwischen sich auf Yhaddars rotgoldenen Ruhekissen und philosophierten.
"Ich habe einfach das Gefühl, ich komme nicht zu ihr durch", erklärte Stian. "Da ist diese Mauer; eine Wand aus Kummer um ihre Schwester..."
Yhaddar nickte nachdenklich. Und dann - dann hatte der jüngere Blutelf eine verrückte, absolut wahnsinnige, aber geniale Idee.

Im Laufe der nächsten Tage hängten die beiden Cousins in allen Hauptstädten nahe der Bank große Plakate auf:


ACHTUNG
INFORMATIONEN GESUCHT
über eine

Blutelfische Hexerin namens HANIKO
Informationen dringend erbeten
Zuletzt gesehen wurde HANIKO in Eversong Woods
HANIKO ist dunkelhaarig, schlank und
war zuletzt gekleidet in Hexerroben

Informationen erbeten an
Stian Skyggvandre oder Yhaddar d'Vadheon
in Silvermoon


Viel Hoffnung machte sich Stian eigentlich nicht, aber die Idee war es definitiv wert, ausprobiert zu werden. Denn was hatten sie schon zu verlieren? Ein Gutteil Ruf und Ansehen offensichtlich, denn zunächst erreichten die beiden Sin'dorei vor allem einige Scherz-Reaktionen und -Anfragen von belustigten Abenteurern. Aber das war zu verschmerzen. Wer nicht über sich selbst lachen konnte, war es nicht wert, ernstgenommen zu werden. Doch einige Zeit später - Stian hatte schon gar nicht mehr daran geglaubt - meldete sich tatsächlich jemand ernsthaft auf ihre Suchplakate hin. Waraka hieß sie, war eine Orc-Kriegerin, und sie kannte Haniko! Dass Rinás Schwester sich nicht selbst meldete, war eine gewisse Enttäuschung, aber vielleicht hatte die Hexerin ja auch einfach die Plakate noch gar nicht gesehen. Wie dem auch sei, Waraka berichtete, dass Haniko am Leben sei und dass es ihr gut gehe. Stian ließ ihr über die Orc-Kriegerin ausrichten, dass ihre Schwester sie sehr vermisse und sich über ein Lebenszeichen freuen würde. Mehr konnte er in dem Moment nicht tun, aber es war immerhin schon einmal etwas.

Sofort nachdem der Blutelf und die Orkin sich getrennt hatten, sandte Stian eine Nachricht an Riná, er habe Neuigkeiten und müsse sie dringend treffen. Sie verabredeten sich in Silvermoon, und Riná konnte ihre Neugierde kaum bezähmen, was Stian ihr wohl mitzuteilen habe.
In Silvermoon fand der Schurke die Priesterin in einem Gespräch mit einer jungen Hexerin, die Riná ihm als Manami vorstellte. Stian bekam nicht alles mit, aber Riná hatte die andere offensichtlich nach ihrer Schwester befragt und wohl leider eine negative Antwort erhalten. Stian stellte sich mit einer Verbeugung der jungen Hexerin vor und wollte dann eigentlich höflich warten, bis die beiden Sin'dorjei ihr Gespräch beendet hatten, aber er war zu ungeduldig; als es so aussah, als wechselten die beiden nur noch letzte Artigkeiten, mischte er sich ein. "Verzeiht meine Unhöflichkeit, Manami, aber ich müsste Euch Riná entführen."

Im Gasthaus konnte die Priesterin kaum abwarten, bis Stian ihnen etwas zu trinken besorgt hatte.
"Ihr sagtet, Ihr hättet Neuigkeiten. Was gibt es?"
"Nichts Schlimmes, keine Sorge, ganz im Gegenteil. Aber wie fange ich an...?"
Auch wenn es ihm arg war, die Heilerin derart auf die Folter zu spannen, hielt Stian es für richtig, Riná das ganze Bild zu vermitteln. Und so begann er mit Yhaddars Vorschlag, erzählte von ihrer Plakataktion und kam dann auf das Ergebnis der Bemühungen zu sprechen. Als er geendet hatte, schwieg Riná überwältigt still, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen.
"Sie... sie lebt", stammelte die Priesterin schließlich. Tränen waren ihr in die Augen getreten. "Sie lebt!"
Stian nickte lächelnd. "Ich freue mich so für Euch!"
Riná hielt es nicht auf ihrem Platz. Sie stand auf und drehte dem Schurken den Rücken zu. Stian konnte sehen, wie ihr Oberkörper bebte. Er ließ sie einige Momente lang allein, dann erhob er sich ebenfalls, trat zu der Priesterin und legte ihr den Arm um die Schultern. "Ich freue mich wirklich!"

Irgendwann hatte Riná sich wieder soweit gefasst, dass sie sich hinsetzen konnte. Auf ihrem Gesicht lag ein frohes, gelöstes Lächeln, wie der Schurke das bei ihr noch nie gesehen hatte. "Wie kann ich Euch das nur jemals danken, Stian?"
Er lächelte ebenfalls. "Ihr braucht mir nicht zu danken. Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen, und Eure Freude ist mir Dank genug. - Und außerdem war es ohnehin Yhaddis Idee, nicht meine."
"Dann dankt Yhaddar für mich, bitte."
"Das mache ich doch gerne. - Wobei... da fällt mir doch etwas ein, was Ihr tun könntet: geht mit mir nach Darkshore. Ich möchte Euch so gerne den Strand dort zeigen…"

Die Priesterin nickte schmunzelnd. "Nur zu gerne! Aber heute nicht mehr. Ich werde mich bald zur Ruhe begeben. Ich...  ich muss über so vieles nachdenken..."
"Natürlich", erwiderte Stian, ganz der Gentleman, auch wenn es ihn schwer ankam, sich schon so bald wieder von Riná trennen zu müssen. Aber immerhin verabredeten die beiden Sin'dorei, den Ausflug nach Darkshore in Angriff zu nehmen, wenn sie sich das nächste Mal trafen.


Das nächste Treffen fand tatsächlich nur wenige Tage später statt, diesmal in Ogrimmar. Und Riná hielt ihr Versprechen: Gemeinsam flogen die beiden Blutelfen zum Zoram-Strand und ritten von dort nach Darkshore.
Es war ein herrlicher Tag: Zwar lag über dem Gebiet der Nachtelfen das übliche weiche Zwielicht, in dem die Sonne hinter einem leichten Dunst verschwand, aber es herrschte wunderbares Spätsommerwetter, und der Schurke hätte am liebsten gesungen oder in Boneshades Sattel Handstände gemacht, wie er da so neben Riná einherritt. Der Wald von Darkshore war wie verwunschen; vereinzelt zwitscherten Vögel von den Ästen herunter, und selbst die wilden Tiere des Waldes störten sich nicht an den beiden Sin'dorei. Als sie das Meer erreichten, blickte Stian gespannt in Rinás Richtung. Dieser Strand war einer seiner liebsten Orte überhaupt, und er wollte unbedingt, dass es der Priesterin hier auch gefiele.
Der junge Schurke hätte sich keine Sorgen machen müssen. Riná war von der Stimmung der Landschaft ebenso angetan wie er selbst. Es war zwar diesig, aber dennoch glitzerte die Sonne leicht auf dem Wasser, es wehte eine leichte, warme Brise, und weit und breit war kein gefährliches Tier zu sehen; lediglich einige harmlose Riesenkrabben wanderten am Strand auf und ab.
Stian zog die Stiefel aus, krempelte die Hosen hoch und watete todesmutig ins Wasser. Im ersten Moment war es eiskalt, aber daran hatte man sich bald gewöhnt. Riná war vorsichtiger: Sie kniete sich erst hin und hielt vorsichtig einen Finger in das salzige Nass, ehe sie ebenfalls die Schuhe auszog und sich ins Wasser traute. Übermütig spritzte Stian die Priesterin ein wenig nass, woraufhin sie kurz quietschte, sich dann aber mit Begeisterung an dem Spiel beteiligte.
Dann machten sie einen fröhlichen Wettlauf den Strand entlang und ließen sich schließlich atemlos in den Sand fallen, um das mitgebrachte Picknick zu vertilgen.

Langsam wurde es Abend. Die Sonne versank im Meer, ein runder, strahlend weißer Mond ging auf, und am wolkenlosen, ein wenig verschleierten Himmel erschienen Myriaden von Sternen. Der Wind flaute ab bis auf ein gelegentliches, leichtes Lüftchen, und die See erstreckte sich ruhig und glänzend vor ihnen bis zum Horizont.

Allmählich wich die ausgelassene Stimmung der beiden Blutelfen einem andächtigen, einträchtigen Schweigen, während sie da so nebeneinander saßen und auf die nächtliche See blickten. Eine wunderbare Ruhe breitete sich in Stian aus, und nach einer Weile wagte er es, den Arm um die Priesterin zu legen. Riná versteifte sich erst ein wenig, aber sie rückte nicht von ihm ab, und nach einer Weile entspannte die junge Sin'dorja sich und lehnte den Kopf an Stians Schulter. Der Schurke traute sich kaum zu bewegen, lehnte dann aber auch den Kopf gegen ihren und streichelte mit der Hand, die Rinás Schulter umfasst hielt, ganz sanft deren Oberarm. Wie schön... gar nichts tun, einfach nur so dasitzen... Rinás Nähe genießen... träumen...
Beinahe gleichzeitig zuckten die beiden Sin'dorei hoch. Da waren sie doch, ohne es zu merken, ganz allmählich weggedöst... Stian gähnte ausgiebig. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen - vor dem Treffen mit Riná hatte er mit einer Gruppe Abenteurer die Ausgrabungsstätte von Uldaman aufgesucht -, und auch seine Begleiterin sah aus, als könne sie kaum noch die Augen offenhalten. Stian fühlte sich viel zu müde und zu träge, um jetzt noch nach Orgrimmar aufzubrechen. Und überhaupt... warum nicht? Es war eine so wundervolle, laue Sommernacht...
Der Schurke sah Riná fragend an. "Was meint Ihr? Bleiben wir?"
Ein unternehmungslustiges Glitzern war in die Augen der Heilerin getreten. "Ja, warum nicht? Gerne sogar."

Gesagt, getan. Die beiden streckten sich im warmen Sand aus, und Stian deckte seinen Umhang über sie. Einer der beiden Ersatz-Umhäge, die er zu der Zeit gerade bei sich trug, diente als Unterlage, der andere zusammengefaltet als Kopfkissen.
Stian legte wieder den Arm um die Priesterin, sie kuschelte sich eng an ihn... ah, Seligkeit, lass das nie aufhören... und ehe der Schurke es sich versah, war er über diesem Gedanken eingeschlafen.
Zitat von: Dark_Tigger
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Am nächsten Morgen erwachte Stian von einer feuchten Kühle im Gesicht. Blinzelnd öffnete er die Augen und stellte fest, dass es zu regnen begonnen hatte. Hatte sich sein Wunsch, wenn auch etwas verspätet, also doch noch erfüllt. Wobei er heute morgen gut auf den Regen hätte verzichten können...
Riná stand barfuß an der Grenze zwischen Meer und Ufer, starrte auf das Wasser und ließ die heranschwappenden Wellen ihre Füße umspielen.
Stian sprang auf, trat zu ihr und legte den Arm um ihre Schultern.
"Guten Morgen... Seid Ihr schon lange wach?"
Riná nickte. "Ein Weilchen, ja."
"Ihr hättet mich doch wecken können!"
"Oh, ich wollte Euren Schlaf nicht stören. Ihr saht so... lieb aus, während Ihr schlieft."
Der Schurke musste grinsen. "Ich, lieb? Na wie schön, dass das wenigstens jemand findet..."
Die junge Elfin kicherte und grinste zurück. "Findet Ihr nicht?"
"Hmpf. Naja." Stian machte zwar ein gespielt missmutiges Gesicht ob der für einen Mann seiner Profession so denkbar unpassenden Bezeichnung, aber tief im Inneren freute er sich doch.

Plötzlich musste Riná niesen. Stian sah sie besorgt an und registrierte jetzt erst so richtig die Umstände.
"Ihr seid ja ganz kalt", rief er aus, während er der Priesterin kräftig die Oberarme rieb, um sie ein wenig aufzuwärmen, "und Ihr zittert! Wir müssen aus diesem Regen raus, sonst holt Ihr Euch noch eine Erkältung - oder Schlimmeres!"
Und - Schatten und Licht! - das wäre das Schrecklichste, was er sich vorstellen konnte: dass er dafür verantwortlich wäre, dass es Riná schlecht ginge, weil nämlich sein gut gemeinter Vorschlag vom Ausflug nach Darkshore so ins Gegenteil umgeschlagen war...
Riná nickte schwach und zog eilig ihre Schuhe wieder an. "Aber wohin? Am Zoram Outpost gibt es nur die offenen Trollhütten, die halten den Regen nicht wirklich ab..."
Stian lächelte grimmig. "Wir könnten nach Auberdine reiten und unsere nachtelfischen Vettern fragen, ob wir uns in ihrem Gasthaus am Feuer aufwärmen dürfen. Aber irgendwie glaube ich nicht so recht daran, dass wir freundlich - oder auch nur gleichgültig - aufgenommen würden, wenn wir so plötzlich dort auftauchen... Und der Splintertree Post ist viel zu weit. - Aber ich habe eine Idee. Ich bin letztens an einem leerstehenden Haus im Wald hier ganz in der Nähe vorbeigekommen..." Seine Stimme verklang mit einem leicht fragenden Ton, weil er sich gar nicht sicher war, ob Riná damit einverstanden wäre, mit ihm alleine ein verlassenes Haus mitten in der Wildnis aufzusuchen. Aber wenn die Priesterin sich daran störte, dann zeigte sie das zumindest in diesem Moment der Notwendigkeit nicht.
"Das klingt gut", sagte sie mit klappernden Zähnen. "Lasst uns schnell aufbrechen."

Kurz nachdem sie die Grenze zwischen Darkshore und Ashenvale passiert hatten, hörte es auf zu regnen. Dennoch zügelten die beiden Sin'dorei ihre Reittiere nicht, denn sie waren beide ja noch immer völlig durchnässt. Glücklicherweise war es nicht mehr weit bis zu dem Nachtelfen-Haus, und glücklicherweise lag es noch genauso verlassen da, wie Stian es bei seinem letzten Vorbeiritt gesehen hatte. Denn ebensowenig wie in Auberdine hätte er sich hier in der Einsamkeit von Ashenvale auf die Gastfreundschaft von Kal'dorei verlassen mögen, deren Misstrauen aufgrund des Verhaltens bestimmter Vertreter seines eigenen Volkes wohl ebenso gerechtfertigt war wie das der meisten Sin'dorei gegenüber den Nachtelfen, von denen ebenfalls nur allzu viele die Chance auf ein friedliches Miteinander mit aller Kraft bekämpften.

Leer mochte das Haus stehen, aber verwahrlost war es keineswegs. Die abwesenden Besitzer hatten alles in bester Ordnung hinterlassen. Einen offenen Kamin gab es zwar nicht, aber dafür einen Ofen, neben dem ein Stapel in handliche Stücke gehacktes Holz fein säuberlich aufgeschichtet lag. Und im oberen Stockwerk hatten die nachtelfischen Bewohner in einer Ecke ein Badezimmer eingerichtet, komplett mit kreisrundem Zuber und Zubehör.
Stian, der eigentlich nur so schnell wie möglich ein Feuer hatte in Gang bringen wollen, vor das sie sich dann gesetzt hätten, überkam bei diesem Anblick eine bessere Idee.
"Ein Bad! Es gibt nichts Besseres, um eine herannahende Erkältung aufzuhalten, als ein schönes, richtig heißes Bad. Ich lasse Euch eins ein."
Riná wollte abwehren, schüttelte schon den Kopf und setzte zum Sprechen an, aber darauf ließ der Schurke sich gar nicht erst ein.
"Oh nein, keine Widerrede. Ihr nehmt ein Bad. Ich will wirklich nicht, dass Ihr Euch eine Erkältung einfangt. - Und falls es das ist, was Euch Sorgen macht: Ich bleibe die ganze Zeit hier unten und singe, damit Ihr auch hören könnt, dass ich weit weg bin und Euch nicht beobachte."
Riná lächelte schwach. "Na gut, überredet..."

Dank des Brunnens vor der Tür und des kleinen, kraftvollen Ofens im Haus war das Badewasser schnell erhitzt.
Während Stian sich um das Wasser kümmerte, suchte die Priesterin in den Truhen und Schränken nach irgendetwas, das als Ersatzkleidung für sich und den Schurken dienen konnte, während ihre eigenen Kleider vor dem warmen Ofen trockneten. Sehr erfolgreich war sie nicht, aber immerhin fand sie einige Decken und Tücher, in die sie sich fürs Erste wickeln konnten.
In einer Ecke des Wohnraumes stand auch ein Paravent, hinter dem Riná sich entkleidete, als das Bad fertig eingelassen war.
"Ich komme jetzt heraus!" rief sie schließlich, und Stian drehte sich von dem Paravent und der Treppe ins Obergeschoss weg, schloss die Augen und legte zu guter Letzt auch noch die Hände vor das Gesicht, damit er auch wirklich nicht der Versuchung erlag, sich einen Blick zu erstehlen.
Nach einer Minute hörte der Blutelf von oben ein Plätschern, direkt gefolgt von Rinás Stimme. "Ich bin drin!"

Stian hielt sein Wort. Während er sich selbst bis auf die Unterkleidung auszog und mit einem der gefundenen Tücher rigoros abrubbelte, begann er, in seinem leicht rauhen Bariton lauthals das Lied vom alten Piratenkapitän zu singen. Von oben konnte er Riná leise kichern hören - ob es wegen seiner etwas zweifelhaften Sangeskünste war oder wegen dem Text des Liedes oder wegen der reinen Tatsache als solcher, dass er wirklich wie versprochen auf diese Weise zeigte, dass er ihre Privatsphäre respektierte, das konnte der Blutelf nicht sagen. Aber es war eigentlich auch egal, denn einfach nur ihr helles Lachen zu hören, war schon eine Freude, und mehr wollte er in diesem Moment gar nicht wissen.

Als Stian einigermaßen trockengerubbelt war, sah er - noch immer singend - nach den Kleidern, die zum Trocknen nahe beim Ofen hingen. Noch zu feucht, um schon irgendetwas damit anzufangen. Also kramte der Schurke seinen Gildenrock, den er auf dem Ausflug nicht getragen hatte, aus dem Rucksack und streifte wenigstens den über. Dann holte er neues Wasser, setzte es im Kessel auf und brühte einen schönen, heißen Disteltee. Die Energie, die dieser spendete und ihn damit zu eines jeden Schurken liebstem Getränk machte - zumindest draußen in der Wildnis, wo es nicht sonderlich gescheit war, sich mit Alkoholika die Sinne zu vernebeln -, würde auch Riná guttun und hoffentlich mit dazu beitragen, dass sie einer Erkältung entging.

Dann war vorläufig nichts mehr zu tun, und Stian ließ sich mit klappernden Zähnen, die das Lied vom alten Piratenkapitän (inzwischen beim achten Doppelvers angekommen, in dem der olle Käpt'n mehr als nur leicht angesäuselt zum Wrack mit dem Schatz hinuntertauchte und dort auf die Hydra stieß) angemessen wackelig klingen ließen, so nahe vor dem Ofen nieder, wie es ging, ohne dass er sich an dem glühenden Eisen den Rücken verbrannte. Er war doch ganz schön durchfroren von der Nacht im Freien und vor allem dem durchdringenden morgendlichen Regenguss, merkte er jetzt. Das Übernachten am Strand war sicher keine seiner brillianteren Ideen gewesen, gestand Stian sich reumütig ein. Aber andererseits hatte er es zutiefst genossen - und wer hatte schon ahnen können, dass es gerade an diesem Morgen derart schütten würde?

Plötzlich drang von oben ein gellender Schrei in des Schurken Überlegungen. Sofort war er auf den Beinen und in Bewegung, alle Kälte vergessen. "Ich komme!"
In wenigen Sätzen war er die Treppe hinauf und sah sich gehetzt um. Wo war die Gefahr?
Flüchtig blieb Stians Blick auf Rinás weißen Schultern und dem Ansatz ihres Brustbeins haften, der alles war, was aus dem Badewasser hervorschaute. Normalerweise hätte er sich an diesem erfreulichen Anblick gerne länger verweilt oder ihn zumindest - so kurz, wie er auch war - bewusster in sich aufgenommen, aber jetzt war nicht die Zeit, wie Rinás verängstigte, zusammengekauerte Haltung ihm nur zu deutlich machte. Der Schurke sah in ihr Gesicht und stellte fest, dass die Priesterin mit angstgeweiteten Augen nach rechts blickte: dorthin, wo aus Stians Sicht die linke Ecke des Zimmers war.
"Was habt Ihr?" fragte er drängend.
"Etwas...", erwiderte Riná mit zitternder Stimme. "Ein Schatten… ein Tier... groß… schwarz…"
"Ich sehe nach", erklärte Stian knapp. "Bleibt, wo Ihr seid."

Vorsichtig näherte der Sin'dor sich der bezeichneten Ecke des Raumes, sich der Tatsache nur zu bewusst, dass seine Waffen unten neben dem Ofen lagen und er selbst nur in Unterhosen und ein Gildenwams gekleidet war. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um einem Gegner gegenüberzutreten, der in der Lage war, Riná, die ja durchaus auf sich selbst aufpassen konnte, derart in Angst und Schrecken zu versetzen...
Da. Da hatte sich etwas bewegt. Stian sah genauer hin - und hielt erst einmal gebührenden Abstand. Es war tatsächlich ein Tier, ein Schatten, groß und schwarz: eine schwarze Witwe, deutlich größer als die üblichen Vertreter dieser Gattung - und das wiederum bedeutete, dass ihr Gift garantiert noch potenter war als die ohnehin schon recht tödliche Dosis, die normale schwarze Witwen verspritzten...
Kein Wunder, dass Riná derart überrumpelt worden war und sich so erschreckt hatte: Sie musste sich noch hilfloser fühlen als er selbst in diesem Moment.

Mit einem aggressiven Zischen huschte die Spinne wieder los in Richtung des Badezubers. Stian biss die Zähne zusammen: keine Zeit, seine Stiefel oder eine Waffe zu holen, nur Zeit für eine schnellentschlossene Aktion...
Der Schurke packte den Hocker, der neben der Wanne stand, unten an den Beinen, schwang ihn hoch und hieb mit der Sitzfläche nach der Spinne.
Angezogen oder nicht, waffenlos oder nicht, seine Reflexe konnte er glücklicherweise nicht ablegen, die waren ihm immer sicher. Die dicke Holzkante des Hockers traf die auf Riná zueilende Spinne genau in der Mitte. Es gab ein platzendes Geräusch, dann lag das Tier mit einem letzten Zucken still.

Stian holte tief Luft. "Puh. Das war nicht nett", sagte er leichthin - leichter, als ihm zumute war. "Ich geh' dann mal wieder nach unten."
Die Blutelfin nickte. "Ich war auch fast fertig. Ich komme gleich nach."
Der Schurke erlaubte sich einen zweiten kurzen Blick auf Rinás Kopf und Schultern im Wasser - einen, den er diesmal deutlich mehr wertschätzen konnte als den ersten eben -, dann begab er sich wieder ins Erdgeschoss und sah nach dem Tee und den Kleidern. Ersterer war fertig gezogen und von letzteren zumindest die unteren Schichten soweit, dass man sie wieder tragen konnte, während die Stiefel und Umhänge vielleicht noch ein wenig warten sollten.
"Die Kleider sind so gut wie trocken!", rief er nach oben, und Riná dankte bestätigend. "Dann komme ich jetzt."
"Einen Moment noch", bat Stian und hängte das Kleid der Heilerin griffbereit über den Paravent, ehe er wieder seine vorige, dem Zimmer abgewandte Sitzposition einnahm. "So, jetzt."

Bis die beiden Sin'dorei in Ruhe ihren Tee getrunken und das Haus wieder in die Ordnung zurückversetzt hatten, die es bei ihrem Eintreffen gehabt hatte, waren auch die Umhänge und Stiefel fertig getrocknet. Mit einem letzten prüfenden Blick in die Runde verließen sie das Haus, und Riná sprach einen Segen für die abwesenden Bewohner. "Ja, danke", nickte auch Stian. "Wer ihr auch sein mögt und wo ihr auch gerade seid, danke, Leute."

Einträchtig ritten sie nebeneinander her zum Zoram Strand. Sie hatten es nicht eilig, jagten ihre Tiere nicht, sondern unterhielten sich von Sattel zu Sattel.
"Es tut mir leid, dass dieses Abenteuer so unerfreulich enden musste", entschuldigte sich der Schurke irgendwann. "Wenn ich gewusst hätte…"
Riná unterbrach ihn. "Aber es war doch gar nicht unerfreulich. Ganz im Gegenteil."
"Wirklich? Hat es Euch trotz dieses Endes doch ein wenig Spaß gemacht?"
"Ja, sehr sogar. Ich wollte es nicht missen."
Stian lächelte breit. "Ich auch nicht. Um nichts in der Welt. Vielleicht können wir es ja einmal wiederholen - dann ohne Regenguss?"
Riná lächelte schelmisch zurück. "Oder auch mit."

Kurze Zeit darauf waren sie in Zoram Outpost angekommen und trennten sich, was Stian mehr als nur ein wenig bedauerte. Aber auf sie warteten Pflichten und Aufgaben, und die konnten sie, so sehr sie das vielleicht gewollt hätten, nicht länger aufschieben.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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In den folgenden Tagen und Wochen nahmen die beiden Sin'dorei ihren Briefwechsel wieder auf. Stian berichtete von seinen Abenteuern in Stranglethorn, während Riná, die Erfahrenere, ihm von Tanaris und Un'Goro schrieb.
Und eines Tages, als der Schurke sich an den Ruinen von Aboraz mit Zanzils Schergen herumschlug, oder besser: sich gerade für eine kurze Atempause ein Stück von der Ruine zurückgezogen hatte, stand sie plötzlich vor ihm, in voller, überraschender, unglaublich beglückender Lebensgröße.
"Riná! Was tust... Was tut Ihr denn hier?"
Ja, er hatte ihr in seinem letzten Brief geschrieben, dass Crank Fizzlebub aus Booty Bay ihn losgeschickt hatte, um Proben von Zanzils berüchtigter Mixtur einzusammeln, und dass diese Aufgabe keinesfalls eine leichte werden würde (genausowenig wie diejenige übrigens, dem Meeresriesen Gorlash Kapitän Smotts' gestohlene Kiste wieder abzujagen. Vor dieser Herausforderung grauste es Stian auch schon. Er hatte Gorlash aus sicherer Entfernung beobachtet, wie dieser am Strand und im Wasser in der Nähe seiner Höhle herumstapfte: massiv und wuchtig, mit grünen Haaren und Bart und garantiert alles andere als bereit, Smotts' Kiste einfach so wieder herauszurücken. Aber Stian war ja nicht umsonst ein geschickter Schurke: Vielleicht könnte er sich die Truhe durch Schleichen und Listigkeit aneignen, ohne dass es zu Blutvergießen würde kommen müssen... Hah. Wohl kaum. Aber man konnte ja hoffen - und es zumindest einmal versuchen.)
Aber dass die Priesterin ihn als Folge seines Briefes eigens hier aufsuchen würde, damit hatte er nicht gerechnet.
Ihre Antwort klang ein wenig peinlich berührt.
"Man sagte mir, dass Ihr - also ein Sin'dor, auf den Eure Beschreibung passt - diesen Weg zur Aboraz-Ruine genommen habe. Komme ich ungelegen?"
Stian strahlte die Elfin offen an. "Wie? Oh nein. Nein! Ganz im Gegenteil. Ich bin beinahe fertig hier."
"Dann helfe ich Euch beim Rest Eurer Aufgabe."

Dieses Angebot nahm der Schurke gerne an, und mit Rinás Hilfe waren die letzten beiden Proben von Zanzils Mixtur schnell gefunden. Anschließend wollten die beiden Sin'dorei eigentllch nach Booty Bay zurückkehren, aber unterwegs wurde Stian von einem jungen Paladin angesprochen, ob er diesem vielleicht gegen die Küstenpiraten helfen könne.
"Geht Ihr nur", sagte Riná, "ich reite solange schon voraus nach Booty Bay. Ich warte im Gasthaus auf Euch."

Die Hilfe war recht schnell gewährt - zu zweit ging es einfach wesentlich schneller, die Piraten zu besiegen -, und nachdem der Paladin sich von Stian verabschiedet hatte, ritt dieser im Eiltempo zurück nach Booty Bay.
In der Gaststube der Taverne zum Salzigen Seemann war die junge Elfin nicht, aber er fand sie zwei Etagen höher vorne auf dem Vorderdeck des ehemaligen Schiffes.
"Nun, wie lief es?", erkundigte sich Riná, und Stian berichtete kurz. Gemeinsam lehnten sie an der Reling und blickten hinaus auf die sonnenbeschienene Bucht und das bunte Treiben auf den hölzernen Planken des Seemannsstädtchens unter ihnen.
Sie redeten nicht viel - Worte schienen kaum nötig, wie sie da so einträchtig nebeneinander standen -, bis Riná unvermittelt sagte: "Würdet Ihr mir bitte folgen, Stian?"
"Barfuß durch die Wüste", erwiderte er prompt, und Riná lachte. "Ganz so weit müssen wir nicht", erklärte sie und führte den Schurken aus dem Gasthausschiff hinaus bis zum Haus von Grarnik und Xizk Goodstitch, wo die beiden Goblin-Brüder eine Schneiderwerkstatt und einen Handel in Schneidereibedarf betrieben.

Als sie das Geschäft betraten, wurde Stian endlich so ungefähr klar, was die ganze Aktion bezwecken sollte. Denn schon bei einem ihrer letzten gemeinsamen Abende in Silvermoon hatte Riná ihn irgendwann gefragt, ob er denn keine andere Kleidung besäße als die Kluft, in der er auf Abenteuer auszog. Stian, dessen Vorstellung von "Feinmachen in der Hauptstadt" bislang hauptsächlich darin bestanden hatte, Waffen, Umhang, Schulterstücke, Handschuhe und Armschienen abzulegen und nach einem ausgiebigen Bad natürlich  Unterwäsche und Hemd zu wechseln, aber ansonsten anschließend wieder in seine übliche Ledermontur zu steigen, hatte verlegen gegrinst und verneint. Eigentlich, fand er, standen ihm seine dunkelblauen Ledersachen recht gut...

Riná allerdings schien offenbar anderer Ansicht - oder zumindest schien sie zu denken, dass ein Satz Lederkleidung, selbst wenn diese farblich aufeinander abgestimmt war und noch so gut an ihm aussehen mochte, nicht reichte.
Und so bat sie den jungen Schurken zu warten, während sie mit den Brüdern Goodstitch sprach und sich dann an Grarniks Arbeitstisch mit Schere, Nadel und Faden zu schaffen machte. Einige Zeit später überreichte die Priesterin Stian ein ganzes Bündel mit Kleidern: einen richtigen Smoking, komplett aus Hemd, Hose und Jackett, ein weißes Leinenhemd, ein formelles weißes Hemd, eines, dessen Bezeichnung "stilvolles rotes Hemd" lautete, eines, das offiziell"orangefarbenes Kampfhemd" hieß, obwohl es mehr braun und weiß als orangefarben war, und schließlich ein schwarzes Schwadroneurshemd - auch wenn das eigentlich nicht als schwarz, sondern als dunkelblau bezeichnet werden musste.
Natürlich musste der Blutelf die Sachen gleich anprobieren: Ein Stück nach dem anderen zog er hinter Grarniks Webstuhl an und kam wieder heraus, um sich bewundern - oder auslachen? - zu lassen.

Aber letzteres hätte er nicht zu befürchten brauchen. Riná sah ihn mit jedem neuen Kleidungsstück am Körper lange prüfend an und bedeutete ihm dann, sich im Kreis zu drehen. Das tat Stian langsam und mit einem Lächeln im Gesicht (auch wenn ihm eine solche Modenschau zutiefst fremd war und er sich mehr als nur etwas seltsam dabei fühlte), und als er das letzte Stück - den Smoking in seiner Kombination - auf diese Weise vorgeführt hatte, bedachte er die Priesterin mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue. "Und?"
Riná lächelte. "Stian, Ihr seht wirklich toll aus!" befand sie - und wurde blutrot, kaum dass sie es gesagt hatte.

Der Schurke grinste sie breit an - auch wenn ihm persönlich der Smoking viel zu formell und das Schwadroneurs- und das Kampfhemd viel eher seine Kragenweite waren - und nickte nachdenklich.
"Jetzt muss sich nur noch eine Gelegenheit finden, bei der ich diesen ganzen feinen Zwirn auch tragen kann... Im täglichen Leben sehe ich mich noch nicht so recht darin."
Aber vor Stians geistigen Auge blitzte tatsächlich ein passender Anlass auf - so ziemlich der einzige Anlass, zu dem er sich in einem solchen Anzug halbwegs wohlfühlen würde... Die Bilder wirkten fast real, er im Smoking, Riná neben sich, in einem weißen Kleid, einen Strauß Blumen in der Hand...
Aber diesen Gedankengang verdrängte der junge Elf ganz schnell. Das war eine Sache, von der er nicht einmal zu träumen wagte...
Riná schien zu ahnen, welche Vorstellung er da gerade mit solcher Macht unterdrückt hatte, denn ihre Röte vertiefte sich noch.

"Ich danke Euch", sagte Stian einfach, aber von Herzen. "Ich danke Euch sehr. Ich habe leider nichts, mit dem ich mich gebührend revanchieren kann... Aber wenigstens eine Kleinigkeit kann ich Euch doch geben."
Denn die trug er schon eine ganze Weile mit sich herum und wartete nur auf eine passende Gelegenheit.
Als Riná ihn fragend ansah, drückte Stian ihr ein kleines Medaillon in die Hand. "Ein Glücksbringer. Ich habe ihn in Stonetalon gefunden. " (Einem Arbeiter der Venture Company aus der Tasche stibitzt, um genau zu sein, aber das musste Riná ja nicht wissen.) "Ich glaube zwar nicht an diesen ganzen Kram, aber nehmt ihn einfach als wertfreies Andenken. Und vielleicht bringt es ja doch ein wenig Glück und beschützt Euch, wenn ich nicht da bin, um es selbst zu tun."

Die Priesterin nahm das Geschenk lächelnd entgegen, und der Schurke sprach weiter. "Und das hier..."
Mit einer schwungvollen Bewegung holte er eine langstielige rote Rose hervor und überreichte sie der Sin'dorja mit einer galanten Verbeugung. "Auch nichts von materiellem Wert, fürchte ich. Aber von ideellem, wie ich hoffe. Eine wunderschöne Rose für eine wunderschöne Dame."

Der Blutelf wunderte sich flüchtig über sich selbst - so eloquent war er wirklich nur in Rinás Gesellschaft.
Er hatte kein allzu schlechtes Gewissen ob der Tatsache, dass sie ihn so reich beschenkt hatte und er sie nicht: Zum einen hatte er seinem allerersten Brief an sie - dem Entschuldigungsbrief nach dem kurzen, missglückten Treffen beim Kloster - als Zeichen seiner Zerknirschung einen selbstgefertigten Ring beigefügt, und zum anderen war, seit Riná ihn gefragt hatte, ob er das "edelsteinbesetzte Band" beherrsche (denn dieses könne sie, wie alle Gegenstände, die ihre Heilkünste unterstützten und verstärkten, gut brauchen) und er bedauernd hatte verneinen müssen, Stians ganze Juwelierskunst darauf ausgerichtet, diese Anleitung irgendwo zu erstehen und die Herstellung des Ringes zu lernen. Gut genug dazu war er, jetzt musste er nur noch irgendwo die Anleitung finden. Leider gab es diese nur so selten zu kaufen - aber eines Tages, schwor er sich, eines Tages würde er für Riná ein edelsteinbesetztes Band anfertigen. Das oder auch alles andere, was ihr beim Heilen nützen würde, ob Ring oder Kette. Irgendwann...
Zitat von: Dark_Tigger
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Inzwischen war es Abend geworden. Die beiden Sin'dorei setzten sich in die Gaststube des "Salty Sailor", nahmen ein kräftiges Abendessen aus Booty Bays Spezialitäten zu sich und plauderten noch ein Weilchen.
Aber irgendwann begann Riná zu gähnen, Stian nicht viel später, und so erhob sich die Elfin, um mit dem Wirt zu sprechen. Eine Minute später kam sie zurück und machte Anstalten, die Treppe hinaufzugehen. Stian begleitete sie nach oben, wo die Priesterin auf eine Kajüte mit zwei einzelnen Betten deutete.
"Es ist nur noch dieses Zimmer frei", erklärte sie knapp.
Das war's, dachte Stian traurig, jetzt wird sie abreisen. Nein, natürlich werde ich das Anständige tun, ihr die Kajüte überlassen und mir selbst anderswo eine Unterkunft suchen. Im Zweifelsfall oben beim Windreitermeister im Stroh. Oder vielleicht teilt ja Ian Strom nebenan für eine Nacht das Zimmer mit einem Schurkenbruder...
"Nun gut", sagte er laut. Er war an der Tür stehengeblieben, während die Blutelfin die Kajüte schon betreten hatte. "Dann wünsche ich Euch eine angenehme Nacht, werte Riná." Schon setzte er zu einer Abschiedsverbeugung an...
"Stian."
"Ja?"
"Das Zimmer hat doch zwei Betten..."
Halb zweifelnd, halb hoffnungsvoll blickte der Elf zu der Priesterin hinüber.
"Es macht Euch nichts aus, das Zimmer mit mir zu teilen?"
Die Heilerin schüttelte lächelnd den Kopf. "Ich vertraue Euch doch."
Des Schurken Antwortlächeln flog ihr froh entgegen. "Das könnt Ihr auch."
Während sie noch da standen, erklangen Schritte hinter Stian im Gang. Der Blutelf blickte sich um und sah einen rotgewandeten Priester der Forsaken - einen Priester, mit dem er noch vor wenigen Wochen zusammen in Warsong Gulch die Flagge der Horde gegen die Allianz verteidigt hatte.
"Thyler", grüßte Stian ihn - im exakt selben Moment, wie auch Riná den Forsaken mit Namen ansprach.
"Ihr kennt euch?", fragten sie einander dann fast ebenso gleichzeitig, und der Schurke lachte und durchbrach die Symmetrie, indem er Riná mit einer auffordernden Handbewegung den Vortritt ließ.
"Ja, wir durchstreiften letztens gemeinsam die Blackrock Depths", erklärte die Priesterin.
"Und wir kennen uns aus Warsong Gulch und den Razorfen Downs. Wie geht es Euch, werter Thyler?"
"Danke schön, ich kann nicht klagen", war dessen Antwort, und es folgte ein wenig belangloses Geplauder zwischen den drei Abenteurern, bis Thyler schließlich sagte: "Ich gehe dann wohl mal. Ich glaube, ich störe hier."
"Aber nicht doch", wollte Stian den Priester noch aufhalten, aber da war der Verlassene schon verschwunden.
Einerseits war der Schurke froh darum, denn eine gewisse Störung hatte Thyler tatsächlich dargestellt, aber andererseits war er jetzt mit Riná alleine, alleine in einem Zimmer... Natürlich würde Stian sein Versprechen halten, selbstverständlich würde er sich ehrenhaft benehmen, gar keine Frage, aber oh, die knisternde Spannung, die er fühlte, war kaum zu ertragen.
"Würdet Ihr mich wohl einen Moment alleine lassen, bitte?" drang die Stimme der Heilerin in seine Gedanken. "Ich möchte mich gerne umziehen."
"Aber natürlich", nickte Stian. "Ich wollte meinen Kollegen Ian Strom ohnehin noch etwas fragen."

Als Stian aus der Kajüte des Schurkenlehrers nebenan zurückkehrte, saß Riná im Nachtgewand auf dem hinteren der beiden Betten.
Er selbst entledigte sich seiner Kleider bis auf Hemd und Hose und ließ sich dann auf das freie Bett im vorderen Teil der Kajüte sinken. Er war sich Rinás Nähe nur allzu bewusst, und er machte sich darauf gefasst, dass es lange dauern würde, bis er würde einschlafen können.
Stian legte sich auf die Seite, zog wärmesuchend die Decke hoch bis über die Schultern und versuchte, seiner Stimme möglichst wenig von seinen Gefühlen anmerken zu lassen, als er sich zu der Sin'dorja hinüberwandte.
"Also dann... Schlaft gut, liebe Riná."

Von der Priesterin kam erst keine Antwort. Dann... ein tiefer Seufzer.
Stian richtete sich besorgt wieder auf. "Was habt Ihr?"
Es folgte erneut ein langes Schweigen. Schließlich, zögernd, ganz leise: "Ach, Stian..."
"Ja, Riná? Was ist denn?" Wollte sie etwa doch, dass er die Nacht anderswo verbrachte? Vielleicht wäre das besser: All seine Nervenenden standen in Flammen...
"Ach, Stian... ich würde mich sehr über einen Kuss von Euch freuen..."
Stians Herz schlug plötzlich bis zum Hals.
"Aber... aber gerne doch", stotterte er verlegen, schon auf den Beinen, "nichts lieber als das! Ich... ich dachte nur..."
Doch dann machte er keine weiteren Worte. Vorsichtig, wie um einen Zauber nicht zu durchbrechen, ging er die wenigen Schritte zu Riná hinüber und kniete sich neben ihr Bett. Riná war wieder errötet, und ihr schönes Gesicht zeigte eine Spur von Angst, aber auch ein warmes Lächeln. Die Priesterin beugte sich ihm entgegen, als er die Arme um sie schlang, einen forschenden Blick in ihre Augen warf, dann die seinen schloss und sie zärtlich küsste. Ein winziges Zögern noch, dann erwiderte die Heilerin den Kuss hingebungsvoll.
Der Moment schien ewig zu dauern, doch schließlich ließen die beiden Sin'dorei atemlos voneinander ab.
"Schatten und Licht, wie habe ich mir das gewünscht!", entfuhr es dem Schurken, und Riná lächelte ihn an. "Ich mir auch", flüsterte sie.
Stian küsste sie erneut, kürzer diesmal und mit nur halb geschlossenen Augen, dann noch einmal, lang und genüsslich.
"Ah, Riná", war alles, was er herausbekam, als sich ihre Lippen wieder voneinander getrennt hatten. Das und ein glücklicher Seufzer. "Riná, Riná, Riná." Er hielt die Priesterin fest, als wolle er sie nie wieder loslassen. Hatte er zuvor gedacht, all seine Nervenenden stünden in Flammen? Jetzt brannten sie lichterloh.
"Stian...?" fragte Riná leise.
"Hmmm?", machte er zufrieden, das Gesicht in ihrem Haar verborgen.
"Stian... meint Ihr es ernst?
Er löste sich von ihr, legte ihr die Hände auf die Schultern und sah ihr tief in die Augen.
"Ob ich es ernst meine? Oh, Riná, und wie ich es ernst meine! Du hast vorhin gelacht, als ich es sagte - aber es war mir mit jeder Silbe ernst. Ich würde für dich barfuß durch die Wüste gehen. Ich würde für dich bis ans Ende dieser Welt gehen und zurück. Ich würde für dich mein Leben geben, wenn es sein müsste." (Auch wenn er natürlich hoffte, dass es nie so weit kommen würde.) "Also ja, Riná, liebste Riná: Ich meine es ernst mit meinem ganzen Herzen."
Die Priesterin lachte erleichtert, und nun war sie es, die sich vorbeugte und ihm einen innigen Kuss gab. Dann zog sie ihn zu sich auf das Bett hinunter und kuschelte sich eng an ihn. Stian legte die Arme um die Heilerin, vergrub erneut das Gesicht in ihrem Haar und schloss selig die Augen.

"Ihr müsst doch müde sein", meinte sie kurze Zeit später - verlegen? Ein wenig ängstlich vielleicht auch, weil sie sich nicht sicher war, wie weit er jetzt zu gehen gedachte?
Ja, Stian war tatsächlich müde, sehr sogar, aber das war nicht der Hauptgrund, warum er sich an diesem Abend keine weiteren Freiheiten herausnahm. Es wäre einfach falsch, würde Riná mit ziemlicher Sicherheit wieder verschrecken. Überdies war der junge Schurke sich seines eigenen Glückes noch gar nicht so sicher - er konnte kaum glauben, dass er Riná tatsächlich im Arm hielt, dass sie es gewesen war, die nach der größeren Nähe gesucht hatte. Und außerdem war diese langsame Entwicklung auch einfach wunderschön. Er hätte gar kein schnelleres Vorgehen haben mögen.
Stian brummte eine schläfrige Zustimmung und konnte Rinás Lächeln beinahe spüren, bis er kurz darauf in den Schlaf hinüberdriftete. In dieser Nacht würde er keine Alpträme haben, das wusste er.
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Von Riná war in der Kajüte nichts mehr zu sehen, als der Sin'dor am nächsten Morgen erwachte. Ein kurzes Briefchen hatte sie ihm aber immerhin hinterlassen, dass sie dringend nach Silvermoon zurück müsse. Nun ja, wenigstens etwas. Stian verbrachte den Tag mit der Erledigung von Aufträgen in Stranglethorn, aber gegen Abend zog es auch ihn in die Hauptstadt zurück. Er hatte einige Schmuckstücke hergestellt und war bereit, Meisterin Kalinda für die nächste Stufe seiner Juweliersausbildung aufzusuchen. Außerdem stattete er Yhaddar einen Besuch ab, ebenso wie der Schurkenbruderschaft, um sich über die neuesten Ereignisse und Gerüchte zu informieren und seinen Vorrat an Blitzpulver aufzufrischen.
Anschließend nahm er Boneshade noch auf einen kleinen Ritt vor die Stadt hinaus. Der blaue Hengst drängte mit Macht an den Elrendar-See; Stian nahm an, weil er einfach Durst hatte. Aber als sie an dem hinteren Teil des Sees mit dem Wasserfall angekommen waren, erkannte der Schurke einen wohlbekannten blonden Kopf im Wasser. Reiner Zufall - oder hatte Boneshade irgendwelche Forsaken-Sinne, von denen Stian nichts wusste? Wie dem auch sei, hier war Riná, und der Sin'dor würde sich bestimmt nicht beschweren, dass er sie gefunden hatte.

Als er sie ansprach, erschrak sie zuerst, schien sich dann aber zu freuen. Instinktiv war die Priesterin tiefer untergetaucht, als sie gemerkt hatte, dass sie nicht mehr alleine war, und nun wandte Stian ihr den Rücken zu und entfernte sich etliche Schritte, bis sie aus dem Wasser gekommen war und sich angekleidet hatte.
Nachdem Riná sich von der Überraschung erholt und Stian ihr die glücklichen Umstände von Boneshades Dickkopf erklärt hatte, sah der Schurke sie lange wortlos an, ehe er unvermittelt fragte: "Gestern abend... habe ich das nur geträumt, oder ist das wirklich passiert?"
Die Priesterin lächelte. "Das ist wirklich passiert, Stian."
Er musste vor Freude breit grinsen und konnte nicht an sich halten. Mit einem fröhlichen Ausruf fasste er Riná um die Hüfte und wirbelte sie herum. "Ja!!!"

Die beiden verbrachten noch einige Zeit im Park vor der Stadt. Doch als Stian dann vorschlagen wollte, sich in eines der beiden Gasthäuser Silvermoons zurückzuziehen, lehnte Riná bedauernd ab. "Ich muss noch einmal fort", erklärte sie in fast kläglichem Tonfall. "Es gäbe nichts, was ich lieber täte, als die Nacht mit Euch zusammen hier zu verbringen, aber ich habe es meinen Priesterkollegen versprochen..."
Stian versteckte seine Enttäuschung, so gut es ging. "Ich verstehe schon", antwortete er. "Ich warte noch eine Weile, aber ich verstehe es, wenn es nicht geht." Riná lächelte dankbar und verabschiedete sich mit einem innigen Kuss von ihm, was dem Schurken zwar kein großer Trost war, ihm aber immerhin die Furcht nahm, er könne sie irgendwie verletzt oder verärgert haben.


Riná kam an diesem Abend nicht zu ihm zurück, und auch in den nächsten Tagen sah Stian sie nicht, aber der intensive Briefwechsel ging weiter. Einige Zeit später - sie hatten es nach dem Abend in den Eversong Woods noch immer nicht geschafft, einander wiederzusehen - fragte die Priesterin in einem ihrer Briefe rundheraus, wann und wo sie Stian treffen könnte, und daraufhin verabredeten sich die beiden Sin'dorei in Grom'Gol.
Stian war glücklich und aufgekratzt wie ein kleiner Junge: endlich wieder ein Treffen! Er hatte seine Riná so unerträglich lange nicht mehr gesehen!

Als der Schurke zur vereinbarten Stunde in Grom'Gol eintraf, fand er die Priesterin draußen vor der Befestigung: Sie stand am Ufer und blickte versonnen auf das Meer hinaus.
Nach der Begrüßung und einigen Minuten der Unterhaltung merkte Stian, dass Riná irgendwie einen traurigen Eindruck machte. Nein, traurig war nicht das richtige Wort; die Heilerin wirkte zwar bedrückt, aber war da nicht auch irgendetwas anderes, ein Hauch von Spannung und Erwartungsfreude?
"Stian...", begann sie zögernd.
Eine seltsame, undefinierbare Angst beschlich den Schurken. Sie war so ernst, ernster noch als sonst...
"Ja, Riná?"
"Ich... ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen."
Die undefinierbare Angst wurde zu einer eisigen Klammer um sein Herz. Was sagte sie da?
Eine Sekunde lang blieb Stian sprachlos, bis das Unfassbare eingesackt war. Dann brach es aus ihm heraus.
"Nein", rief er entsetzt. "Nein, nein, nein!"
"Doch, Stian", versetzte die Priesterin bedauernd, "ich muss Euch verlassen."
"Nein...", stammelte der Sin'dor erneut. Kein anderer Gedanke hatte in seinem Kopf Platz. "Nein, Riná, bitte, tut mir das nicht an..."
Impulsiv fiel er vor ihr auf die Knie.
"Riná, ich bitte Euch - wir haben uns doch gerade erst gefunden..."
Die Heilerin griff nach seiner Hand.
"Stian, bitte, steht doch auf."
Er schüttelte heftig den Kopf. "Riná... verlasst mich nicht, ich flehe Euch an! Ich kann Euch nicht verlieren!"
Riná machte ein verwundertes Gesicht, dann flog Verständnis über ihre Züge.
"Ach Stian, ich meine doch nicht für immer!"
"Nicht für -" Der Schurke stutzte und ließ die Worte der Sin'dorja noch einmal im Geist an sich vorübergehen. Langsam löste sich die Kralle um sein Herz wieder. "Nicht für immer?"
"Nein." Riná lächelte leicht. "Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht erschrecken - ich wurde in die Scherbenwelt gerufen, und dem Ruf muss ich folgen. Man braucht mich dort..."
Stian schloss die Augen und atmete einmal schwer durch. Dann zog er die Heilerin impulsiv an sich und drückte sie fest. Mit einem erleichterten Halblacher schüttelte er den Kopf. "Ich dachte wirklich... Tu' mir das nie wieder an, Liebste, ich bitte dich von Herzen!"

Aber dennoch. Auch wenn es kein Abschied für immer war, es war dennoch schwer zu ertragen. Wer wusste schon, wie lange Riná sich in Outland aufhalten würde, wann er sie wiedersehen würde, und vor allem, welche Gefahren dort lauerten? Ja, natürlich konnte die Priesterin gut auf sich selbst aufpassen, das wusste der junge Schurke wohl, aber trotzdem kam es ihn hart an, dass er sie nicht begleiten, ihr nicht folgen, ihr nicht zur Seite stehen konnte...

Ursprünglich hatte Stian überlegt, ob er bei dieser Begegnung um Rinás Hand anhalten sollte. Aber unter diesen Umständen war das unmöglich. Verlegen spielte er mit dem Gegenstand in seiner Tasche herum, den er eigens für sie angefertigt hatte. Dem edelsteinbesetzten Band, dessen Herstellungsweise er vor einiger Zeit gelernt hatte, war sie in der Zwischenzeit entwachsen, doch der Elf hatte noch ein anderes nettes Design gelernt, einen Citrin-Anhänger, und den hatte er für sie gemacht.
"Riná", begann er nun unsicher.
"Was ist denn, Stian?", fragte sie sanft.
"Ich... eigentlich wollte ich...", druckste er und setzte dann von neuem an, "Ich habe etwas für dich. Und wenn du jetzt weggehst, dann ist es mir um so wichtiger, dass du es mitnimmst, wenn ich schon nicht bei dir sein kann."
Die Sin'dorja sah ihn erwartungsvoll an. "Was ist es denn?"
Sie zeigte sich von dem Anhänger, den er ihr hinhielt, ebenso begeistert, wie er das gehofft hatte. "Oh, Stian, der ist wunderschön! Würdet... würdet Ihr ihn mir anlegen?"
"Aber mit dem größten Vergnügen!"
Stian nahm die Kette wieder an sich, trat hinter die Priesterin und schob sachte ihr blondes Haar beiseite. Er konnte es nicht lassen: Er musste einfach ihren Nacken küssen, ehe er ihr die Kette umlegte und den Verschluss zunestelte. Er konnte spüren, wie sie ein Schauer durchlief, dann drehte Riná sich um und küsste ihn innig auf die Lippen. Nun war der Schurke es, dem wohlige Schauer den Rücken hinunterrannen, und der Kuss vertiefte sich, wurde inniger, drängender, hungriger. Er wollte, nein konnte sie nicht gehen lassen; es war dem Elfen im wahrsten Sinne des Wortes fast körperlich unmöglich, sich aus der Umarmung mit der Frau, die er liebte, zu lösen.

"Danke, Stian, er ist wirklich wunderschön!", sagte Riná schließlich noch einmal, als sie sich endlich doch wieder voneinander getrennt hatten, dann lächelte sie schelmisch. "Ich habe auch etwas für Euch."
"Oh? Was ist es denn?", fragte Stian nun seinerseits und machte die Augen weit auf, als die Heilerin ihm ein Stoffbündel hinhielt. Es war ein Umhang, ein wunderbarer, wärmender Umhang, der auch noch so verzaubert war, dass er seine Beweglichkeit stärken würde. Stian war sprachlos. "Danke!", brachte er schließlich hervor.
"Aber nein", lächelte Riná, "nichts zu danken. Ich will doch, dass Ihr mir bald folgen könnt..."

"Wenn ich doch nur erfahrener wäre!" fluchte der Schurke unterdrückt vor sich hin, "wenn ich doch nur mit dir kommen könnte! Ich wollte so gerne gemeinsam mit dir durch das Portal gehen..."
Riná lächelte wieder und gab ihm einen Kuss. "Ich werde auf der anderen Seite auf Euch warten, wenn Ihr bereit seid. Das verspreche ich."

Die Priesterin löste sich von ihm und verabschiedete sich. Dann ging sie davon.
Stian sah ihr nach, Kopf und Herz voll verwirrender Emotionen - und diesmal war er es, einige Momente später, als sie schon fast die Umfriedung erreicht hatte, der ihr aus voller Kehle hinterherrief. "RINÁ!!!"
Sie drehte sich um und wartete, bis er sie erreicht hatte. "Ja?"
"Riná... Ich liebe dich! Das musst du wissen, ehe du gehst."
Die Heilerin lächelte. "Und ich Euch."
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline sindar

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Das fragt der nicht-WoWler Sindar.
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Offline Timberwere

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Stian hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht Stufe 58 erreicht. Outland, oder die Scherbenwelt, war/ist das Gebiet der ersten Erweiterung des Spiels, "The Burning Crusade", und während es im ursprünglichen Spiel nur 60 Stufen gab, ging es mit "Burning Crusade" dann bis Level 70. Die Scherbenwelt ist im Warcraft-Universum ein eigener Planet, zu dem man nur auf magischem Wege überhaupt kommt, und um durch das Portal in die Scherbenwelt gehen zu dürfen, muss man eben Stufe 58 erreicht haben. Stian war im Spiel immer einige Stufen hinter Riná hergehinkt, deswegen war sie jetzt schon "outland-tauglich", Stian aber noch nicht.

(Dasselbe Prinzip verfolgt Blizzard übrigens weiterhin. Die nächste Erweiterung, "Wrath of the Lich King", ermöglichte Charakterstufe 80, und in den neuen Kontinent Northrend durfte/darf man ab Stufe 68. Ebenso muss man Stufe 78 erreicht haben, um in die neuen Gebiete von "Cataclysm", der aktuellsten Expansion, geschickt zu werden. Allerdings geht Cataclysm nur bis Stufe 85 statt 90 - Blizzard hat irgendwann beschlossen, die Kuh noch etwas länger zu melken und in 5er-Stufen-Schritten weiterzumachen. Die nächste Erweiterung, "Mists of Pandaria", die vermutlich zum Weihnachtsgeschäft rauskommt, wird dann bis 90 gehen, und auf diese neue Insel wird man dann vermutlich ab 83 dürfen. Oder so.)
« Letzte Änderung: 29.06.2012 | 16:18 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Offline Timberwere

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In den kommenden Tagen und Wochen war Stian wie besessen. Auftrag um Auftrag nahm er an, halste sich die unmöglichsten Missionen auf, nur um so schnell wie möglich so viel Erfahrung zu sammeln, dass auch er den Bemühungen der Horde in Outland nützen würde, statt nur eine Belastung zu sein.

An die unterschiedlichsten Orte führten ihn seine Reisen: Stian erkundete Tanaris, Feralas, das Hinterland und den Un'Goro-Krater mit nahezu unerschöpflicher Energie. So versessen war er darauf, Aufgabe um Aufgabe abzuarbeiten, dass sein bester Freund und Schurkenbruder Hârfagre, der immer ein klein wenig erfahrener als Stian gewesen war, den er aber in diesen frenetischen Wochen weit hinter sich ließ, schon anfing, sich Sorgen zu machen.

Unterbrochen wurden des Schurken hektische Aktivitäten in dieser Zeit von zwei wunderbaren Abenden mit Riná in Silvermoon.
Bei der ersten dieser Gelegenheiten war die Priesterin so aufgekratzt, wie er sie noch kaum erlebt hatte. Die Erklärung dafür bekam der Schurke umgehend geliefert, denn mit dieser Neuigkeit konnte seine Liebste nicht hinter dem Berg halten:
"Oh Stian, ich habe sie gesehen! Ich habe Haniko wiedergetroffen!"
Der Blutelf wollte natürlich alles ganz genau wissen, hatte er doch ein nicht ganz unbeträchtliches Interesse daran, wie das Verhältnis zwischen Riná und ihrer Zwillingsschwester aussah. Doch seltsamerweise war die Heilerin gar nicht so erzählbereit, wie er das gedacht oder zumindest gehofft hätte; sie wirkte seltsam widerstrebend, über die Begegnung mit ihrer Schwester zu sprechen.
Immerhin, dass die beiden sich versöhnt hätten und dass alles gut sei, das bekam er heraus, aber viel mehr auch nicht. Und so drang der Schurke auch nicht weiter in die Sin'dorja, sondern wechselte taktvoll das Thema und genoss einfach die Zeit in der Gesellschaft seiner Herzdame.

Der zweite gemeinsame Abend fand nicht zu zweit, sondern zu dritt statt. Ja, Stian und Riná hatten sich eigentlich zu zweit verabredet, doch in Silvermoon angekommen, fand Stian die Priesterin im Gespräch mit der jungen Hexerin Manami, die der Schurke noch von dem Tag kannte, als er Riná die Nachricht überbracht hatte, dass Haniko am Leben war. Offensichtlich hatten die beiden Frauen sich nach dieser Begegnung angefreundet, denn Riná hatte den Namen 'Manami' auch schon das eine oder andere Mal erwähnt, hatte der Hexerin zum Beispiel vor einiger Zeit dabei geholfen, ihren Voidwalker zu zähmen.
Jedenfalls gesellte Manami sich an diesem Abend zu den beiden älteren Sin'dorei und lauschte gespannt deren Erzählungen: Stian ließ sich von Riná die Scherbenwelt in so vielen Einzelheiten beschreiben wie möglich, auch wenn es der Sin'dorja schwer fiel, die Fremdheit jenes Landes, oder zumindest des Teils, den sie schon davon gesehen hatte, in Worte zu fassen - die zwei Monde, der ewige Nachthimmel und das unglaubliche Farbenspiel der Schleier darin, die rote Ödnis des Landes, seine Gefährlichkeit...
Der Schurke hatte es da einfacher, waren seine Erlebnisse doch mundanerer Art gewesen. Ausführlich und mit dem ihm eigenen trockenen Humor berichtete Stian von seiner Suche nach dem Schatz des berüchtigten Piraten Cuergo. Dessen Schatzkarte war ihm bei den Freibeutern der Lost Rigger Cove von Tanaris in die Hände gefallen, und nachdem er die drei Teile der Karte erst einmal zusammengepuzzelt hatte, führte ihn das Pergament an die südlichste Südspitze des Kontinents. Zu Cuergos geheimem und eigentlich nur von See aus zu erreichenden Schlupfwinkel zu gelangen, war alles andere als leicht: Es erforderte eine lange Schwimmeinlage an schroffen, ungastlichen Klippen vorbei, durch Gewässer, die zu allem Übel noch von aggressiven Riesenschildkröten bewohnt waren. Der vergrabene Schatz wurde markiert vom Mast eines alten Schiffes, und wie der Zufall es so wollte, trafen just in dem Moment, in dem der Sin'dor auf das Versteck stieß, noch weitere Interessenten ein: Angehörige zweier verfeindeter Piratenbanden, die auch von Cuergos Gold erfahren haben und auf anderem Wege bis hierher gelangt sein mussten.
Die sechs Freibeuter waren ebensowenig wie der Blutelf bereit, auf den Schatz zu verzichten. Und so kam es zu einem wilden Handgemenge jeder gegen jeden und alle gegen Stian, aus dem dieser, hauptsächlich dank seiner Fähigkeit des Anschleichens von hinten, dem altbewährten Klingenwirbel in Kombination mit einigen geschickten Ausweichmanövern und der wohldosierten Anwendung einer Portion Blitzpulver zum richtigen Zeitpunkt, schließlich siegreich hervorging.
Stian hatte sich so viel von dem vielgerühmten Schatz erhofft: einen hübschen Schmuck für Riná vielleicht, Ohrringe zum Beispiel oder eine Halskette, oder auch ein edles Kleid, das er ihr würde überreichen können, wenn sie sich am Abend trafen, aber diese Hoffnung war vergebens. Die so mühselig erworbene Schatztruhe enthielt eine mit "Cuergos Gold" beschriftete, eingestaubte Flasche mit einer klaren, goldgelben und ziemlich starken Flüssigkeit, dazu - oh Freude! - ein Holzbein und ein Papageienskelett und immerhin - immerhin! - ein paar Armschienen aus Stoff. Aber hatte der Schurke nicht munkeln hören, dass Cuergo mehr als nur einen Schatz vergraben hatte, dass es mehrere solcher Schatzkarten gab? Wenn dem so war, dann würde er vielleicht eines Tages wieder auf die Suche gehen. Aber andererseits, war es das wert? Ach, das würde die Zukunft zeigen. Er wollte sich da jetzt nicht festlegen.

Jedenfalls erzählte Stian von diesem Abenteuer ebenso wie von dem verlassenen Zwergenhaus im Hinterland, das ihm in einem bitteren Gebirgssturm Zuflucht geboten hatte - überhaupt von seinen Erlebnissen in jener Gegend und im Un'Goro-Krater. Manami hörte gespannt zu und schien sich ehrlich mit den beiden älteren Sin'dorei zu freuen, auch wenn es fast wehmütig aus ihrer Stimme klang, als sie auf Stians enttäuschte Bemerkung, er habe sich Schöneres aus dem Schatz erhofft, antwortete: "Aber Ihr habt wenigstens gesucht, für Eure Riná..."
Stian nickte lächelnd zu diesen Worten, denn Manami hatte ja recht. Und irgendwann, hoffentlich sogar mehr als einmal, würde er seiner Riná schon noch einmal ein schönes Geschenk machen können, da war er sich sicher.


Die Gelegenheit zu einem Geschenk für seine Liebste kam sogar recht bald. Stian lernte zwei neue Schmuckdesigns, die perfekt zu Riná passten und die er natürlich für sie anfertigte, sobald er die benötigten Materialien zusammen hatte. Das eine war ein Ring aus Thorium, das andere eine Thorium-Tiara, die ebenfalls Rinás heilende Kräfte verstärken würde und seltsamerweise den völlig unpassenden Namen 'Smaragdkrone der Zerstörung' trug.
Eigentlich hätte der Blutelf Riná die Schmuckstücke am liebsten persönlich übergeben, doch sie hielt sich ja in der Scherbenwelt auf, und er wusste nicht, wann er sie wiedersehen würde. Und weil er so ungeduldig war – und damit sie sobald wie möglich von den beiden Gegenständen würde profitieren können –, gravierte er eine Widmung in die Tiara und ihrer beider Initialen in den Ring und schickte ihr die beiden Dinge dann stattdessen mit der Post.
Einige Tage später kam ein Brief zurück, in dem Riná sich überschwenglich bedankte und von ihren weiteren Erlebnissen in Outland berichtete. Die Nachricht stachelte den Schurken noch weiter an: Er wollte endlich wieder bei ihr sein können!
Stian legte sich noch mehr ins Zeug als zuvor, wagte sich in den Norden von Felwood, nach Winterspring und in die Brennende Steppe und nahm immer anspruchsvollere Aufträge an. Den Versunkenen Tempel hatte er inzwischen auch aufgesucht und dort für den Herrn der Assassinenliga, Lord Jorach Ravenholdt, zusammen mit einer Gruppe unerschrockener Abenteurer den grünen Drachen Morphaz getötet. Das wiederum hatte zuvor Ausflüge nach Aszhara, Zul'Farrak und Jintha'Alor bedeutet, und auch Maraudon hatte der Blutelf mit einer Gruppe mutiger Mitstreiter aufgesucht. Oh, wie hatte auf dem Weg in die Höhlen von Maraudon sein Herz geklopft, als er am anderen Ende des Zentaurendorfes die aufgeschüttete Rampe gesehen hatte, wo Riná und er ihren Kampf gegen Khan Hratha und seine Schergen ausgestanden hatten; und dort, auf dem offenen Platz dort oben, hatte er sie zum ersten Mal geküsst... Die Erinnerungen drohten ihn beinahe zu überwältigen, und erst die Anstrengungen in Maraudon selbst lenkten ihn ein wenig ab.

Als er in der Brennenden Steppe war, stattete Stian auch dem Blackrock Mountain einen Besuch ab, genauer gesagt, dem Lower Blackrock Spire. Eigentlich verfügte er noch nicht ganz über genug Erfahrung, um sich mit den Blackrock-Orcs anzulegen, und schon gar nicht alleine, aber ein Goblin namens Kibler hatte ihm von den Worgs erzählt, die die Orcs im Spire züchteten, und dem Sin'dor damit einen gehörigen Floh ins Ohr gesetzt. Was, wenn er den Blackrocks einen kleinen Worgwelpen unter der Nase wegstibitzen und zähmen könnte? Wäre das nicht ein Schelmenstück, das eines Stian Skyggvandre angemessen wäre? Außerdem fehlte ihm ein Haustier. So sehr er Boneshade auch liebte, treuer Gefährte, der dieser war, mit dem blauen Hengst ließ sich nun einmal schlecht kuscheln, und manchmal war dem Schurken einfach danach, ein kleines, pelziges Wesen zu knuddeln. Wenn er schon nicht mit Riná zusammen sein konnte...

Ja, je länger Stian darüber nachdachte, um so mehr verfestigte sich die Idee. Den Versuch war es wert!
Zitat von: Dark_Tigger
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Offline Timberwere

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Ein anständiges Zittern im Bauch hatte der Sin'dor natürlich dennoch sehr wohl, als er einige Tage später zum Blackrock Mountain aufbrach. Schließlich wollte er nicht einfach eben mal in Brill oder Fairbreeze Village einen Einkauf erledigen. Die Blackrock Orcs waren übelst berüchtigt, und Stian hatte nicht vor, sich auch nur mit einem einzigen von ihnen anzulegen. Nein, das Ganze musste völlig lautlos von sich gehen, sonst konnte er gleich aufgeben und sich von den Blackrocks abschlachten lassen. Er hatte sich mit ausreichend Blitz- und Blendepulver eingedeckt und etliche Bandagen und Heiltränke eingepackt, aber wenn es soweit kam, dass er letzteres würde anwenden müssen, wäre es wahrscheinlich ohnehin schon zu spät. Und dennoch, dennoch... Trotz der Gefahr, oder vielleicht gerade wegen ihr, fühlte der Schurke sich auf seiner Schleichtour durch den Blackrock Spire seltsam beschwingt. Etliche Male musste er dicht an feindlichen Orcs vorbei, und etliche Male hielten diese inne und wandten lauschend den Kopf, doch Stian verhielt sich in diesen Fällen totenstill, wagte nicht einmal zu atmen, und nach einer Weile drehten sie sich wieder weg und nahmen ihre vorigen Tätigkeiten wieder auf. Alle... bis auf einen besonders gründlichen Krieger, der sich nicht beruhigte, sondern nachsehen kam... und Stian in der dunklen Ecke entdeckte, in der er zur Bewegungslosigkeit erstarrt war. Natürlich schlug der Orc Alarm und stellte sich dem Blutelfen zum Kampf, und als dieser sah, dass etliche andere Gegner angerannt kamen, blieb ihm nichts anderes übrig, als das Blitzpulver anzuwenden und sich auf gut Goblinisch zu empfehlen. Glücklicherweise klappte der Trick: Die Orcs starrten ausnahmslos in den hellen Schein und den Rauch, und Stian konnte indessen an ihnen vorbei in eine andere dunkle Ecke verschwinden. Wie nicht anders zu erwarten, bliesen die Blackrocks sofort zur Jagd auf den Eindringling, aber ihre Suche brachte nichts ein, und irgendwann gaben sie es auf. Puuuh. Das war gerade noch einmal gutgegangen...

Hinter den Wohnstätten der Ocrs begann Spinnengebiet. Das war sogar noch schwieriger zu durchquerendes Gelände als die Orc-Behausungen, denn die riesigen Arachniden huschten auf völlig unvorhersehbare Weise hin und her, und es bedeutete keine geringe Anstrengung, ihnen so aus dem Weg zu gehen, dass sie den schleichenden Schurken nicht bemerkten und somit auch nicht angriffen. Eine auffällig große Spinne im Besonderen versperrte Stian den Weg: 'Mother Smolderweb' sollte dieses Riesenvieh heißen, hatte Kibler ihm erzählt, und ihn ausdrücklich vor ihr gewarnt. Nun, dieser Warnung hätte es kaum bedurft, denn die gigantische Arachnide jagte dem Sin'dor gewaltigen Respekt ein, und er machte einen so großen Umweg um sie herum, wie es in der beengten Höhle nur irgendwie ging.
Aber endlich war er hindurch, hatte das Spinnengebiet hinter sich gelassen. Hier patrouillierten jetzt Oger, denen es sich leichter ausweichen ließ als den Orcs, und dann, nach einigen weiteren Gängen und Treppen und hastig durchquerten Kreuzungen hatte er es geschafft: Der Worgzwinger lag vor ihm. Es war ein großer, offener Raum, in dem die Tiere frei herumliefen, aufmerksam beobachtet von einem mächtigen Worgweibchen. 'Halycon' werde es von den Blackrock-Orcs gerufen, hatte Kibler Stian anvertraut. Auch um die Wölfin machte der Blutelf einen großen Bogen und schlich sich dicht an der Wand entlang in den hinteren Teil des Zwingers. Dort hatte er einen kleinen Welpen ausgemacht, der ein Stück entfernt von seinen Wurfgeschwistern und seiner Mutter für sich allein im Stroh herumtapste - da war es ja, das perfekte Ziel. Stian pirschte sich an das kleine Tier heran, wartete den, wie er meinte, richtigen Augenblick ab und warf dann in einer schnellen, von sofortigem Zupacken gefolgten Bewegung seinen Mantel über den Welpen. Der kleine Worg fiepste und kläffte erschrocken auf, und dieses Geräusch alarmierte die anderen Wölfe im Zwinger. Wie von einem einzigen Willen beseelt, stürzten sie sich laut knurrend auf Stian, der ein weiteres Mal schleunigst zu einer kräftigen Dosis Blitzpulver griff. Und wieder hatte der Schurke Glück: Der stechende Rauchgeruch verwirrte die feinen Nasen der vierbeinigen Jäger und lenkte sie dermaßen ab, dass sie seine Spur verloren und er sich aus dem Zwinger davonmachen konnte.

Der Rückweg war ein Kinderspiel. Stian hatte den kleinen Wolf fest unter seinem Mantel geborgen, und, vielleicht eingelullt von der Wärme und der Dunkelheit darin, war dieser eingeschlafen und gab keinen Laut von sich. Außerdem kannte der Sin'dor den Weg nun schon und wusste, wo und wie man am besten den Orcs auswich - und es gelang ihm sogar noch, unterwegs die Spinneneier einzusammeln, nach denen Kibler gefragt hatte. Auf einer wahren Woge des Hochgefühls schlich Stian sich aus dem Berg, brachte dem Goblin triumphierend die Spinneneier vorbei und kehrte dann der Brennenden Stepppe den Rücken, um sich eine Weile lang der Erziehung seines neuen vierbeinigen Freundes zu widmen. Diese ging schneller vonstatten als erwartet: Der kleine Worg erwies sich als überaus zutraulich, anhänglich und lernbegierig, und schon bald folgte Jinn, wie Stian den braunen Welpen nannte, dem Schurken überall hin und gehorchte brav aufs Wort.


All diese Dinge, die Beschäftigung mit Jinn, die zahlreichen Missionen, die Stian erledigte, füllten seine Zeit so aus, dass er kaum registrierte, wie er mit jedem Tag, der verging, an Erfahrung gewann. In seinen wachen Stunden kam er kaum zum Nachdenken; nur nachts, wenn er wieder einmal in einem Gasthausbett lag und nicht einschlafen konnte, vermisste er Riná mit einer Intensität, die ihn beinahe körperlich schmerzte.
Aber endlich, endlich war es soweit: Als der Sin'dor wieder einmal in Ravenholdt Schatullen ablieferte, an deren Schlössern sich die jungen Nachwuchs-Schurken würden versuchen können, teilte Lord Ravenholdt ihm höchstpersönlich und hochoffiziell mit, dass er in Outland verlangt werde.

Stian war überglücklich und sandte umgehend eine Nachricht an Riná. Dass es soweit sei und dass er gerne mit ihr zusammen die Scherbenwelt betreten wolle, und wo und wann sie sich treffen könnten. Doch eine Antwort erhielt er nicht. Nun, es war ja in der Vergangenheit auch schon vorgekommen, dass Riná in der Wildnis unterwegs gewesen war und keinen Zugang zu einem Briefkasten gehabt hatte, aber als der Blutelf nach über einer Woche noch immer keine Antwort erhalten hatte, fing er langsam an, sich Gedanken zu machen. Mit jedem Tag, an dem er nichts von Riná hörte, wuchs seine Unruhe, seine Besorgnis. Über die Orc-Kriegerin Waraka kontaktierte er nach einer Weile Rinás Zwilling Haniko, die sich auch tatsächlich bei ihm meldete, aber ihn wissen ließ, dass sie selbst schon länger nicht mit ihrer Schwester in Kontakt gewesen sei. Stian schrieb seiner Liebsten erneut, dann ein drittes Mal, diesmal über den besonderen Zustelldienst, bei dem die Postreiter die Nachricht nicht einfach an einem Briefkasten ablieferten, sondern den Adressaten tatsächlich körperlich aufsuchten, aber wieder ohne Erfolg.

Stians Sorge war indessen ins Unermessliche gewachsen, so sehr, dass er sich kaum auf seine neuen Missionen in den Pestländern und Silithus konzentrieren konnte. An nichts anderes konnte er denken als an die Priesterin und ihr Schweigen. Und als sein erster Brief schließlich ungeöffnet zurückkam und die anderen beiden kurze Zeit darauf folgten, da traf der Schurke eine Entscheidung. Ja, er hatte versprochen, dass er nur mit Riná zusammen in die Scherbenwelt aufbrechen würde. Und eigentlich hatte er fest vorgehabt, sich an dieses Versprechen zu halten. Aber sie war verschollen, das hier war ein Notfall. Und er hielt die Untätigkeit einfach nicht länger aus. Er musste etwas unternehmen.

Jetzt würde er selbst nach Outland aufbrechen. Er würde Riná finden!
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Und so machte Stian sich auf den Weg. Wo es zum Dunklen Portal ging, das hatte er ja schon herausgefunden, als er in den Blasted Lands all das Viehzeug gejagt hatte, das sich dort in Massen herumtrieb. Es, und Dämonen, das schien alles zu sein, was diese Ödnis hervorbrachte. Und das zugehörige Gesindel, die Dämonenbeschwörer, nicht zu vergessen natürlich.
Trotz der Dämonenplage schaffte der Sin'dor es vergleichsweise unbehelligt bis zum Dunklen Portal. Es war ein erhebender Moment, vor dem massiven Bauwerk zu stehen und in das grüne Leuchten zu treten - oder wäre es zumindest gewesen, wenn Stian einen anderen Gedanken hätte fassen können als den, dass eigentlich Riná in diesem Augenblick hätte neben ihm stehen sollen.

Stian schloss einen Moment lang die Augen, verdrängte den schmerzhaften Gedanken und trat durch das Portal. Ein kurzer Moment der Desorientierung, in dem der grüne Schein sein Inneres komplett zu durchdringen schien, dann ein weiterer Schritt, und der Schurke befand sich zum ersten Mal in seinem Leben in einer anderen Welt. Sein erster Eindruck war der vom verschleierten, sternenübersäten Himmel, den Riná ja bereits zu beschreiben versucht hatte. In Natura war es ein überwältigendes Schauspiel, und Stian hätte sich gerne länger davon verzaubern lassen. Doch zu bald schon wurde sein Blick auf die Ereignisse vor ihm am Fuße der Treppe gezogen - und die ließen ihm beinahe das Blut in den Adern gefrieren: Vor dem Dunklen Portal tobte eine erbitterte Schlacht. Auf dem ersten Treppenabsatz war ein Lager eingerichtet worden, oder besser gesagt zwei. Denn obwohl Horde und Allianz hier gemeinsam und verbissen das Portal gegen die vordringende Höllenbrut verteidigten, waren die Animositäten zwischen den beiden Fraktionen doch so groß, dass man weiter oben, wo keine direkte Gefahr bestand, doch besser voneinander Abstand hielt.

Mit großen Augen stieg Stian langsam hinab zum Hordelager, orientierte sich dort erst einmal und erstattete dem Orc-Kommandanten Bericht, wie dessen Gegenpart auf der anderen Seite des Portals - in einer anderen Welt,  wie der Sin'dor sich immer wieder sagte; in einer anderen Welt, die nun hell und voll am Nachthimmel zu sehen war - es erbeten hatte. Der Soldat schickte den Schurken weiter nach Thrallmar, der größten Horde-Ansiedlung hier auf der Höllenfeuerhalbinsel, doch ehe er sich dorthin auf den Weg machte, begann er gleich hier seine Nachforschungen nach Riná. Ja, die Heilerin war hier durchgekommen, beschied man ihm, anscheinend sogar mehr als einmal. Doch ihre letzte Ankunft in der Scherbenwelt war offensichtlich schon einige Zeit her, zumindest hatte sie seither niemand gesehen. Zwar kamen jeden Tag etliche Abenteurer durch das Portal, doch es gab hier kaum einen Weg durch die Schlachtlinien außer auf den Windreitern von Meisterin Frayfeather, und diese hatte ein ziemlich gutes Gedächtnis. Damit war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass seine Liebste sich tatsächlich noch hier in Outland aufhielt, überlegte Stian. Es sei denn, sie war auf einem anderen Weg nach Azeroth zurückgekehrt - aber darauf hatte der Blutelf keinen Einfluss. Nein, er würde hier suchen, die ganze Scherbenwelt auf den Kopf stellen, wenn es sein musste, bis er herausgefunden hatte, was aus Riná geworden war. Und gnade demjenigen, der ihr etwas angetan hatte, wenn er, Stian, ihm auf die Schliche kam! Aber, Schatten und Licht, das durfte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein! Er wusste nicht, wie er ohne sie weiter... Nein. Diesen Gedanken konnte der junge Schurke nicht zuende denken. Es musste Riná einfach gutgehen, und er würde keine Ruhe geben, bis er sie gefunden hatte.

In Thrallmar war sie gewesen, erfuhr er auf seine Nachfrage dort, und auch in Spinebreaker Post, einem kleinen Außenposten in den südlichen Bergen. In Falcon Watch, einem etwa in der Mitte der Halbinsel gelegenen Posten der Sin'dorei, konnte man sich nicht an die Priesterin erinnern, aber das hatte nicht viel zu sagen, hieß es. Hier kämen zwar jeden Tag zahllose Blutelfen vorbei, auch Angehörige anderer Völker, aber da Falcon Watch direkt an der Straße lag und die Zangarmarsch nicht weit war, ritten viele auch einfach ohne Halt weiter, bis sie die öde Höllenfeuerhalbinsel hinter sich gelassen und die Zuflucht der Cenarion-Expedition direkt hinter der Grenze erreicht hatten.

Folglich ritt auch Stian in Richtung Zangarmarsch, aber schon die Cenarier kurz vor der Grenze konnten ihm mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Riná hier nicht entlang gekommen war, zumindest nicht auf der Straße - und die Straße war der einzige Weg durch die Schlucht; ohne Flugtier war es völlig unmöglich, über die hohen Berge zu beiden Seiten des Passes zu gelangen. Dennoch legte der Schurke auch noch den Rest des Weges bis zur Cenarion-Zuflucht zurück, wo er tatsächlich bestätigt bekam, dass keine Sin'dorja, auf die Rinás Beschreibung passte, dort angekommen sei.

Also gut. Wenn sie nicht doch irgendwie nach Azeroth zurückgekehrt war, dann befand Riná sich noch auf der Höllenfeuerhalbinsel. Das war doch schon einmal etwas. - Wenn Stian zu diesem Zeitpunkt schon gewusst hätte, dass auch ein Weg über den Razorthorn Trail von hier weg in den Wald von Terokkar führte, wäre er vielleicht verzweifelt, aber so überkam ihn fast etwas wie Hoffnung. Eine einzige, wenn auch von Dämonen nur so wimmelnde Halbinsel... Das sollte seine Suche doch überschaubar machen...

Aber so sehr Stian sich auch bemühte, die Frau seines Herzens schien wie vom Erdboden verschluckt. Unermüdlich verfolgte der Sin'dor eine Spur nach der nächsten, sprach mit jedem halbwegs freundlich gesinnten Geist in diesem öden Land und schlich sich in jedes feindliche Lager, von dem er nur irgendwie erfuhr. Wenn zufällig jemand dort eine Mission erfüllt haben wollte, dann nahm der Schurke diese an und erledigte sie bei seiner Suche nebenbei mit, aber in dieser Zeit konnte und wollte er sich nicht auf irgendwelche unwichtigen Aufgaben konzentrieren, während seine Liebste vielleicht in Feindeshand gefangen war!

Die ganze Höllenfeuerhalbinsel suchte Stian ab, war von morgens bis abends und oft auch nachts auf den Beinen. Er übernachtete fast immer draußen, wo er gerade noch ein Lagerfeuer zustande bekam, wenn er abends zu erschöpft war, um seine Suche fortzusetzen, und das Risiko, dass er einen fatalen Fehler beging, wenn er sich in diesem Zustand auf Feindesgebiet wagte, einfach zu hoch war. Nach Thrallmar oder Falcon Watch begab er sich nur, wenn er wieder einmal nachfragen wollte, ob Riná inzwischen gesichtet worden sei. Die Gastwirte dort kannten ihn bald mit Namen, und er hatte ihnen natürlich - wie all seinen anderen Gesprächspartnern, den Händlern und Greifenmeistern und Wachtposten an den Toren, auch - eine Nachricht für die Sin'dorja aufgegeben, aber die Antwort war leider immer wieder dieselbe: Die Priesterin hatte sich nicht blicken lassen.
Was ihn selbst anging, so kümmerte Stian sich nur um das Nötigste. Er verschwendete keine kostbare Zeit auf Unwichtigkeiten wie Rasieren oder Ähnliches - oder wenn, dann nur, weil er wieder einmal in einer Ansiedlung vorsprechen und keinen allzu verlotterten Eindruck machen wollte. Er nahm immer nur dann schnell etwas zu sich, wenn es gerade passte und er sich stärken musste, damit er nicht unaufmerksam wurde. Seine sonst durchaus gepflegte Kleidung wies inzwischen deutliche Spuren von den zahllosen Klettertouren über rauhes und felsiges Gelände auf; kurz, der junge Schurke war in diesen Tagen - nein, Wochen! - ein getriebener Mann, viel mehr noch als zuvor in Azeroth, als er lediglich Rinás Maß an Erfahrung hatte einholen wollen.

Erfahrung... davon sammelte er eine Menge in dieser Zeit, obwohl er es darauf gar nicht anlegte. Denn obgleich Stian nur dann Aufträge annahm, wenn diese ihm nicht bei seiner Suche in die Quere kamen, konnte er doch die eine oder andere Sache nebenbei erledigen, und allein die Tatsache, dass er sich für die Suche nach Riná mit jedem einzelnen Gegner auf der Höllenfeuerhalbinsel anlegte, ließ ihn sehr viel lernen. Ehe der Blutelf es sich versah, hatte sein Schurkenlehrer ihn in den sechzigsten Zirkel erhoben. Nun verkaufte ihm der Pferdehändler in Brill auch endlich die magische Satteldecke, auf die der Schurke schon lange ein Auge geworfen hatte. Wann immer Stian Boneshade diese Decke auflegte, beschleunigte sich der Galopp des blauen Skeletthengstes beträchtlich , so dass der Sin'dor schon bald gar nicht mehr auf diese neue Errungenschaft verzichten wollte.

Die grüne Satteldecke erlaubte es ihm, die Halbinsel noch schneller und effizienter zu durchstreifen als bisher, doch nicht einmal das half. Riná war und blieb verschwunden. Stian gab nicht auf, suchte verbissen weiter, folgte jeder noch so kleinen Spur, wagte sich in die entlegensten Ecken des Landes, und er gewann immer weiter an Erfahrung.

Mit jedem Tag, der ergebnislos verging, wuchs Stians Kummer, seine Verzweiflung, seine hilflose Wut. Und als er bei seinen immer ausgedehnteren Streifzügen dann auch noch die allerletzte Ecke der Höllenfeuerhalbinsel erkundete und dabei auf den Razorthorn Trail stieß, war dem Schurken, als habe man ihm einen vergifteten, mit Widerhaken bewehrten Dolch ins Herz gestoßen und diesen mehrfach in der Wunde herumgedreht. Wenn Riná hier entlang gekommen war, dann konnte sie wirklich überall sein. Und falls sie auf ihrem Weg hier entlang den Ravagern zum Opfer gefallen war, von denen es in der Gegend nur so wimmelte... Gebleichte Knochen hatte er hier schon einige gesehen, aber - oh, Schatten und Licht, nein. Nein! - falls der Heilerin wirklich etwas zugestoßen war, wenn sie wirklich... Stian schluckte. Jedenfalls müsste dann noch mehr zu erkennen sein als nur Knochen, dann hätte er einen Hinweis gefunden, ein Stück ihrer Kleidung, ihren Stab, den Schmuck, den er für sie angefertigt hatte... Er hatte so gründlich gesucht; wenn es etwas zu finden gegeben hätte, dann hätte er es gefunden, da war er sicher. An dieser Hoffnung klammerte Stian sich fest.

Es war weit und breit keine Seele zu sehen, die er hätte fragen können, ob eine Sin'dorja von Rinás Beschreibung hier entlanggekommen war, weder hier, noch auf der anderen Seite im Wald von Terokkar. So ungern er sich das auch eingestehen wollte, er hatte die Spur verloren... Stop. So durfte er gar nicht erst denken. Wenn er jetzt seine Suche auf die ganze neue Welt ausdehnen musste, dann würde er das eben tun. Und wenn ihn sein Weg wieder nach Azeroth zurückführte, dann würde er eben auch ganz Azeroth auch noch einmal absuchen...

Der Tag war schon weit fortgeschritten, und der Sin'dor beschloss, zunächst nach Thrallmar zurückzukehren, sich dort neu zu verproviantieren und dann zu überlegen, wo und wie er seine Suche am besten fortsetzen sollte.
Er erreichte die Orc-Festung nicht mehr am selben Tag, sondern musste wieder einmal im Freien ein Lager aufschlagen, aber das hatte dem Schurken noch nie etwas ausgemacht, und in seiner derzeitigen Stimmung war ihm seine Umgebung sowieso herzlich egal. Rasiert hatte er sich ebenfalls schon über eine Woche lang nicht mehr, aber auch das kümmerte den Blutelfen momentan nicht im geringsten.

Am nächsten Vormittag kam Stian in Thrallmar an - und bemerkte sofort, dass in Floyd Pinkus, dem Gastwirt, eine Veränderung vorgegangen war. "Gut, dass Ihr kommt, Elf", begrüßte ihn der Forsaken eilig, "es wurde vorgestern ein Brief für Euch abgegeben. Ich sagte dem Postreiter, er solle ihn hierlassen und nicht nach Falcon Watch weiterreiten, weil Ihr hier öfter vorbeischaut als dort, stimmt doch, oder?"
Der Schurke hatte schon die Hand ausgestreckt, kaum dass Pinkus das Wort 'Brief' ausgesprochen hatte.
"Eine Nachricht für mich? Rückt schon raus, Mann!"

Die Handschrift auf dem Umschlag kam ihm vage bekannt vor, doch im ersten Moment konnte der Blutelf sie nicht einordnen. Ungeduldig brach er das blutrote Wachssiegel auf der Rückseite.
Dieselbe schwungvolle Hand hatte auch die eigentliche Nachricht eilig auf das Pergament geworfen:


Schnell, kommt nach Silbermond... Ihr müsst mir helfen... Ich habe Riná gefunden... beeilt Euch...
Lady H. Sanemúra

Stians erste Reaktion war unendliche Erleichterung, und er spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Schatten und Licht sei Dank, Riná lebte! Doch ein neuerlicher Stich der Angst um seine Liebste folgte dem ersten Aufatmen auf dem Fuße. Denn 'kommt schnell', 'Ihr müsst mir helfen' und 'beeilt Euch' klang gar nicht gut. Das klang sogar verdammt besorgniserregend...
Mit einem extrem knappen Wort des Dankes an den Forsaken wandte Stian sich ab und raste förmlich zu Barley, dem Windreitermeister. Er würde schneller an seinem Ziel ankommen, wenn er sich nach Shattrath fliegen ließ und dort das Portal nach Silvermoon durchschritt, als wenn er seinen Herdstein benutzte, sich nach Grom'Gol zurückversetzte, von da aus den Zeppelin nach Undercity nahm und dort den Teleporter aktivierte.

Auf dem Windreiter, dessen Geschwindigkeit er nicht beeinflussen konnte, hatte der Schurke unangenehm viel Zeit zum Grübeln. Mit Macht versuchte er sich von dem immer wiederkehrenden Gedanken abzulenken, was die kryptischen Worte aus dem Brief wohl bedeuten mochten.
Lady H. Sanemúra - das musste Haniko sein, Rinás Zwillingsschwester. Damit kannte er jetzt endlich Rinás Nachnamen... Denn den hatte er bisher nie erfahren: Selbst bei ihrer ersten Begegnung in Hammerfall damals, als er sich selbstverständlich mit vollem Namen als Stian Skyggvandre vorgestellt hatte, war seine Gesprächspartnerin bei einem einfachen "Ich bin Riná" geblieben. Fast so, als wolle sie nicht über ihre Familie sprechen... - und später hatte Stian dann ja auch erfahren, dass es um Rinás familiäre Beziehungen wirklich nicht zum Allerbesten bestellt war. Sanemúra also. Riná Sanemúra... schön klang das... Hinterrücks überfiel ihn der Gedanke wieder. Oh bitte, lass es ihr gut gehen!
« Letzte Änderung: 9.07.2012 | 13:46 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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In Shattrath angekommen, sah Stian nicht nach rechts noch links, achtete nicht auf das bunte Treiben aus Allianzlern und Angehörigen der Horde, aus Flüchtlingen, zwielichtigen Gestalten und den seltsamen Vogelwesen namens Arakkoa, sondern stürmte umgehend zu den Portalen im Stadtzentrum. Er trat durch das entsprechende Tor... und fand sich einen Atemzug später in der Magierenklave von Silvermoons Sunfury Spire wieder.
Jetzt erst fiel dem Schurken auf, dass Haniko in ihrer Nachricht gar nicht geschrieben hatte, wo in der Hauptstadt er die Blutelfin treffen solle. Er wusste nicht, ob die Schwestern Sanemúra Familie in Silvermoon hatten oder gar selbst hier eine Wohnung unterhielten - er wusste überhaupt ziemlich wenig über Rinás private Verhältnisse, dachte er flüchtig bei sich. Aber gut, ihr Vater war verschwunden, das hatte die Heilerin ihm ja schon ganz am Anfang erzählt, mit ihrer Zwillingsschwester war sie bis vor kurzem zerstritten gewesen, und eine Mutter schienen die beiden nicht mehr zu haben, zumindest hatte Riná nie von einer Mutter gesprochen. Und immer, wenn sie in Silvermoon übernachten wollten, hatte die Priesterin sich ein Zimmer in einem der Gasthäuser genommen... Wenn nicht Haniko über eine eigene Bleibe in der Stadt verfügte oder die beiden Frauen bei Freunden untergekommen waren, in welchem Fall er nichts, aber auch gar nichts tun konnte, mussten sie sich wohl an einem öffentlichen Ort befinden. Von denen gab es zwar etliche in der Stadt, aber irgendwo musste er ja anfangen.

Die beiden Gasthäuser waren der offensichtlichste Ort dafür. Stian eilte zum ersten, dem Silvermoon City Inn, das nur wenige Schritte neben Yhaddars Haus lag, und ging ungeduldig hinein. Beide Cousins waren hier wohlbekannt, und Vinemaster Suntouched begrüßte den Schurken mit einem fröhlichen Winken. "Seid gegrüßt, Freund Stian. Sind dem ehrenwerten Herrn d'Vadheon die Weinvorräte ausgegangen? Oder ist Euer Vetter nur wieder einmal zu faul - verzeiht, zu beschäftigt! -, um selbst zu kochen?"
Stian, der normalerweise sofort auf das launige Geplänkel eingegangen wäre, verzog das Gesicht und winkte ab. "Entschuldigt, Vinemaster, ich bin in Eile. Ich suche jemanden: eine Sin'dorja, blond, Priesterin, mit Namen Riná Sanemúra. Ihr kennt sie bestimmt; wir waren einige Male gemeinsam hier."
Der Weinmeister runzelte beim Nachdenken die Stirn, dann machte er ein bedauerndes Gesicht. "Ich weiß, wen Ihr meint, glaube ich, aber ich habe sie nicht gesehen. Nicht, seit sie das letzte Mal mit Euch hier war, jedenfalls, wenn ich mich nicht irre. Du, Velandra?"
"Sie war vielleicht mit einer anderen Dame zusammen", warf Stian noch ein, "ihrer Schwester", aber die Gastwirtin, die dem Gespräch mit halbem Ohr gefolgt war, schüttelte dennoch verneinend den Kopf. "Nicht dass ich wüsste. Es tut mir leid, Meister Skyggvandre. Aber seht Euch trotzdem gerne oben um - vielleicht ist sie ja hereingeschlüpft, ohne dass wir es bemerkt haben?"
Obwohl der Sin'dor bezweifelte, dass den wachsamen Augen der Tavernenwirtin und ihres Gefährten ein Gast entgangen sein könnte, befolgte er ihren Rat tatsächlich, doch leider war von Riná auch im Obergeschoss nirgendwo etwas zu sehen.

Einen unterdrückten Fluch auf den Lippen, machte Stian sich wieder auf den Weg. Er war gerade die Treppenstufen zum Wayfarer's Rest heraufgestiegen und wollte eben in den gardinenbehangenen Flur zur Wirtsstube einbiegen, da kamen zwei junge Frauen aus der Tür: dunkelhaarig und braungebrannt die eine, ein wenig blasser und blond die andere, die gerade in indigniertem Tonfall zu ihrer Begleiterin etwas sagte, das der Schurke nicht mitbekam. Stian blieb wie angewurzelt stehen. "RINÁ!"
Die beiden Sin'dorjei wandten sich zu ihm um. Riná hatte eine distanziert-höfliche, halb interessierte Miene aufgesetzt, die so gar nicht zu seiner Liebsten passen wollte, aber das fiel Stian im ersten Moment gar nicht richtig auf.
"Und Ihr müsst Haniko sein."
Rinás Begleiterin machte ein erleichtertes Gesicht.
"Und Ihr Stian. Gut, dass Ihr endlich da seid..."
Der Schurke nickte knapp. "Es dauerte etwas, bis ich Eure Nachricht bekam. Aber sagt, wie habt Ihr Riná gefunden? Und wo?" Dann musterte er die Priesterin besorgt. "Aber wie geht es dir, Riná? Bist du in Ordnung?" Schon wollte er sie in eine Umarmung ziehen, doch die Heilerin werte ihn brüsk ab.
"Entschuldigt bitte, ich kenne Euch nicht! Wer seid Ihr, und woher wisst Ihr meinen Namen?"

Stian erstarrte. "Aber Riná, ich bin es doch... Stian..."
"Wer?"
"Stian... Stian Skyggvandre..."
Mit einem vagen Stirnrunzeln schenkte die Frau seines Lebens ihm einen abwesenden Blick, der sein Herz mit seiner Beiläufigkeit beinahe zum Stillstand brachte. "Nein, tut mir leid. Und nun muss ich fort, meine Pflichten erwarten mich." Sie wandte sich ab und begann gemessenen, aber bestimmten Schrittes die Straße hinaufzugehen.

Eine Sekunde lang stand der Sin'dor stumm da, zu geschockt, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, dann begann sein Verstand förmlich zu rasen. Sie hat ihr Gedächtnis verloren. Egal jetzt, warum. Ich muss sie dazu bringen, dass sie sich erinnert...
"Riná, warte... wartet!"
Die Heilerin hielt inne und wandte sich mit kühler Höflichkeit zu ihm um,
"Was gibt es denn noch?"
Wie kann ich sie überzeugen...? Stians Blick fiel auf das zierliche weiße Kätzchen, das brav neben Riná herlief und gelegentlich leise maunzte.
"Shiee", sagte er laut zu dem Tier gewandt, "na Kleine, wie geht es dir?"
"Woher kennt Ihr Shiee?", fragte Riná sofort in anklagendem Tonfall. Sehr gut. Genau das hatte er erreichen wollen...
Stian lächelte beschwichtigend. "Ich sagte doch: Wir kennen uns. Wir lieben uns sogar. Das ist Shiee, und ich kenne sie ebensogut wie Rendarei, deinen Hawkstrider."
Ein durchdringender Pfiff durch die Zähne, und sein blauer Skeletthengst kam mit klappernden Hufen angetrabt. "Und du kennst Boneshade hier."
"Boneshade..." Die Priesterin klang zögerlich.
"Genau. Erinnere dich... Erinnere dich an die Zeit, kurz bevor ich ihn bekam. Du hast mir dabei geholfen, ihn zu erlangen; ohne dich wäre Boneshade heute nicht mein Pferd. Erinnere dich: Desolace... der Deepstrider... Und apropos Desolace: die Zentauren... Khan Hratha... unser erster Kuss..."

"Ich war in Desolace...", murmelte Riná, "aber..." Sie überlegte. "Nein. Wirklich nicht." Die Priesterin schüttelte unwirsch den Kopf. "Ich liebe niemanden, ich habe gar keine Zeit, jemanden zu lieben. Ich bin für das Volk da. Und jetzt entschuldigt mich bitte."
Wieder wandte sie sich ab und bewegte sich die Straße hinauf in Richtung des Royal Exchange.
Stian stand einen Moment wie gelähmt, ehe er ihr nachlief. Für das Volk dasein... "Kan'krek, Riná, das hatten wir doch alles schon mal. Ich dachte, darüber sind wir weg, verdammt!"
Riná sah ihn kühl an und machte eine abfällige Handbewegung. "Ich weiß nicht, wovon Ihr redet."
Bei diesen kalten Worten konnte der Schurke nicht verhindern, dass es ihm die Kehle zuschnürte und Tränen in seinen Augen aufzusteigen drohten. Haniko, die ebenfalls weiterhin neben ihrer Schwester herlief, warf ihm einen verärgerten Blick zu. "Reißt Euch gefälligst zusammen, Mann."
Stian biss die Zähne aufeinander. "Keine Sorge", knurrte er die Hexerin grimmig an. "Ich bin zusammengerissen."
"Riná", sagte diese gerade, "kommt wenigstens mit zum Brunnen, wie Ihr es mir vorhin versprochen habt. Ich will Euch etwas zeigen."
Begeistert war die Priesterin nicht, doch sie rang sich ein "Na gut, aber nur bis zum Brunnen, und nur, weil ich ohnehin in diese Richtung unterwegs bin" ab, setzte die Miene einer huldvollen Dulderin auf und ging dann schweigend weiter den Walk of Elders hinauf.
"Was wollt Ihr ihr denn am Brunnen zeigen?" flüsterte Stian, an Haniko gewandt. "Na unser beider Spiegelbild natürlich", schoss die dunkelhaarige Sin'dorja zurück. "Vielleicht kommt sie dann zur Besinnung."

Ach so. Natürlich. Darauf hätte er auch selbst kommen können...
Der Schurke nickte leicht und verfiel in ein grüblerisches Schweigen. Seine Gedanken überschlugen sich. Wenn Hanikos Plan mit dem Brunnen nicht klappte, was könnte er dann tun? Wie konnte er Riná noch dazu bringen, dass sie sich erinnerte? Oh, Schatten und Licht, das konnte doch alles nicht sein...
Zitat von: Dark_Tigger
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Unterdessen hatten sie die Murder Row hinter sich gebracht und den großen Platz mit dem Brunnen erreicht. Haniko tat einen Schritt an den Brunnenrand und winkte Riná zu sich. "Da", brummte sie ihre Schwester an, "sieh her!"
Die Heilerin tat, wie ihr geheißen, und beugte sich über die Wasseroberfläche; Haniko tat es ihr gleich. Nach einigen Sekunden richtete Riná sich wieder auf. "Wir sehen uns etwas ähnlich", sagte sie mit einem fast anklagenden Ton in der Stimme und einem Achselzucken. "Na und?"
"Etwas ähnlich?" Haniko war empört. "Das ist die Untertreibung des Jahres!"
Und tatsächlich: Jetzt, wo er die Gesichter der beiden Sin'dorjei viermal vor sich sah, zweimal im Wasser gespiegelt und zweimal in Fleisch und Blut, fiel Stian erst so richtig die unglaubliche Ähnlichkeit der Zwillinge auf. Sie sahen wirklich absolut gleich aus, wenn man die unterschiedliche Färbung einmal außer Acht ließ.
"Das hat nichts zu sagen", winkte Riná heftig ab. Kam es dem Schurken nur so vor, oder wehrte seine Liebste sich mehr, als normal gewesen wäre, gegen die Erkenntnis?
Ob sie mit einem Zauber belegt worden war? Stian knirschte mit den Zähnen. "Schatten und Licht, Riná, wer hat dir das angetan?" Oh warte nur, wenn er denjenigen erwischte... Wenn er denjenigen in die Finger bekam...

"Niemand hat mir irgendetwas angetan." Die Priesterin klang zunehmend verärgert. "Ihr irrt Euch einfach; ich bin nicht diejenige, die Ihr sucht."
Stian warf in einer hilflosen Geste die Arme hoch, dann nahm er Rinás Hände in die seinen und sah ihr eindringlich in die Augen.
"Ich irre mich nicht. Woher kenne ich sonst deinen Namen? Woher weiß ich, dass du das Mal auf deiner Stirn" - er deutete auf die kleine, federförmige Narbe - "seit deiner Geburt trägst? Woher kenne ich Shiee und Rendarei? Ich liebe dich, Riná Sanemúra. Und du liebst mich... wenn du es nur wüsstest..."
Rinás Gesicht hatte während seiner Worte einen seltsamen Ausdruck angenommen. War er dabei, zu ihr durchzudringen? Sollte er es tatsächlich geschafft haben?
"Das... das..." Die Heilerin zögerte. "Das könntet Ihr sonstwo erfahren haben..."

"Jetzt reicht es." Haniko drängte sich brüsk zwischen die beiden. "Wie du willst. Wenn du ihn nicht liebst, wenn du ihn nicht mal kennst, dann wird dir ja das hier auch nichts ausmachen..."
Ehe Stian sich rühren, ehe er reagieren konnte, war die dunkelhaarige Hexerin auf ihn zugetreten, hatte die Arme um ihn geschlungen und gab ihm einen tiefen, leidenschaftlichen Kuss.
Eine Sekunde lang stand der Schurke völlig erstarrt, zu geschockt von dem unerwarteten Angriff, dann schob er Haniko von sich - in genau demselben Moment, in dem Riná ihrer Schwester eine schallende Ohrfeige versetzte, einen Laut zwischen Schluchzen und empörtem Aufschrei losließ, sich umdrehte und davonrannte.

Stian funkelte Haniko an und rannte seiner Liebsten hinterher, vorbei am Brunnen und den roten Teppich hinauf durch das Ehrenspalier aus Silvermoons Wachen (die wie immer gemäß Order völlig regungslos ihren Dienst versahen und sich mit keinem Wimpernzucken anmerken ließen, falls das seltsame Verhalten der beiden Sin'dorei sie verwunderte) hinein in den Sunfury Spire. Gehetzt sah der Elf sich um. Wo war Riná? Links hatten die Priester ihre Enklave, rechts die Magier. Geradeaus ging es in den Thronsaal von Lord Lor'themar Theron, und dort hinten war auch der Translokator nach Undercity zu finden. Wenn Riná den nähme, dann könnte sie überall untertauchen...
Nein. Da links sah der Schurke gerade einen blonden Kopf im Eingang verschwinden.
"Riná, warte! Bitte warte!"
Am hinteren Ende des Raumes, wo die Heilerin sich gegen ein Regal mit priesterlicher Literatur drückte, als wolle sie damit verschmelzen, holte er sie ein. Stian konnte hören, wie sie leise weinte.
"Riná..."
"Geht weg!"
"Bitte... Riná... lass mich erklären..."
"Geht weg! Es gibt nichts zu erklären! Ihr... Ihr sprecht von Liebe, und... und dann..."
Rinás Schluchzen wurde lauter.
"Riná." Stian hielt ihre bebenden Schultern fest und fing ihren zu Boden gerichteten Blick ein. "Riná, es ist die Wahrheit. Ich liebe dich. Das eben... das eben sollte wohl eine Schocktherapie sein. Und sie hat gewirkt, wie mir scheint. Aber... ich war davon ebenso überrascht wie du. Und es..." Stian verzog angewidert das Gesicht. "Dieser Kuss eben... er war wie Asche in meinem Mund. Ist es noch. Riná, es gibt für mich keine andere Frau als dich."

Die Sin'dorja tat seine Worte nicht ab, schrie ihn nicht wieder an, er solle verschwinden, sah den Schuken jedoch weiterhin aus verzweifelten Augen an. "Aber ich kenne Euch nicht!"
Stian spürte, wie sich sein Herz erneut zusammenkrampfte. Er hielt Rinás Schultern noch immer umfasst, aber ihr trostloser Blick sagte ihm, dass er nicht zu ihr durchdrang. Nichts, was er versuchte, brachte etwas... Die Priesterin hatte die Fäuste geballt, aber eher in einer Geste der Hilflosigkeit, nicht der Wut, und der Ring an ihrem Finger blitzte im sanften Licht der blauen Lampen leise auf.

Der Ring an ihrem Finger... der grünlich schimmernde Ring an ihrem Finger... ebenso aus Thorium gefertigt wie die Tiara, die sie trug und die ihr nun nach all der Aufregung ein wenig schief auf dem Kopf saß...

Den Schurken durchfuhr ein heißer Stich neuer Hoffnung. "Riná! Ich kann es beweisen!"
Aufgeregt deutete er auf ihre blonden Haare. "Dein Kopfschmuck - ich habe ihn für dich gemacht, ebenso wie den Ring hier..." - bei diesen Worten nahm er ihre Hand und berührte das Schmuckstück leicht - "und ich habe dir eine Widmung hineingraviert!"
Die Priesterin legte den Kopf schief, kniff die Augen zusammen und sah ihn zweifelnd an.
"Es stimmt! Ich kannn es dir genau sagen! Der Ring trägt unsere Initialen, und in der Krone steht: 'Für meine Riná. Ewig, Stian.'"
Zögernd, langsam, noch immer einen Ausdruck tiefsten Misstrauens auf dem Gesicht, zog die Sin'dorja erst den Ring vom Finger und sah ihn sich schweigend an, ehe sie langsam die Tiara abnahm und hineinspähte. Mit stockender, belegter Stimme las sie vor: "Für meine Riná. Ewig, Stian..."

Mit gerunzelter Stirn stand die Heilerin da. Ihr Gesicht trug einen Ausdruck der Verwirrung, die grünen Augen waren nach innen gerichtet, und Stian konnte förmlich spüren, wie es in ihr arbeitete. Erneut durchfuhr ihn dieses Gefühl der Hoffnung.
"Ich war auf der Höllenfeuerhalbinsel... ich habe auf jemanden gewartet..."
"Ja!" Der Blutelf lächelte seiner Liebsten aufmunternd zu. "Das war ich, auf den du gewartet hast. Wir wollten zusammen durch das Portal gehen..."
Rinás Stirnrunzeln verstärkte sich, als sie tiefer in die verschütteten Erinnerungen einzudringen versuchte.
"Ich war auf der Halbinsel... da war ein Geräusch..." - sie schüttelte sich unwillkürlich, als sie das sagte, und ihr liebliches Gesicht wandelte sich einen Moment lang in eine Maske des Entsetzens - "...und dann... dann war ich hier, in Silbermond..."
"Und davor?" drängte Stian. "Was war, ehe du nach Outland kamst? Vielleicht fällt dir ja davon etwas ein..."
Die Priesterin zögerte wieder. "Der Orden hat mich in die Scherbenwelt geschickt", sagte sie schließlich langsam. "Und so bin ich gegangen. Aber... ich wollte mich von jemandem verabschieden..."
Mit brennenden Augen sah der Sin'dor sie an. "Ja?"
"Ja..." Riná versenkte sich noch tiefer in den verlorenen Teil ihres Gedächtnisses. Ihre Stimme kam fragend, leise, stockend, ihr Blick lag auf Stians Gesicht und war doch völlig nach innen gewandt. "Ich reiste nach... Stranglethorn... Dort... traf ich jemanden... am Meer... vor Grom'Gol... Er... war... traurig... sagte mir... dass er... dass er mich liebe..." Mit einem Mal strahlten Rinás Augen auf, und ihr Blick kehrte zurück aus den Tiefen ihrer Erinnerung und richtete sich voll auf ihn.
"Oh, Stian, Stian, Ihr wart das!"
Und dann lag sie in seinen Armen.
Zitat von: Dark_Tigger
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Zitat von: ErikErikson
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Offline sindar

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Was is'n da eigentlich passiert? *wirr* (Oder kommt das noch? Dann ignoriere meinen Einwurf einfach. :))
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Kommt noch. Zumindest hoffe ich, dass das dann die Fragen klären wird. :)
Zitat von: Dark_Tigger
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"Ach Stian, ich weiß so vieles nicht mehr!"
Nach dem ersten Kuss, der einen zeitlosen, ewigen Moment gedauert hatte und doch viel zu kurz gewesen war, stand er noch immer da und hielt sie fest, konnte noch immer kaum glauben, dass er sie endlich wiederhatte.
Nun lächelte der Elf Riná beruhigend an und strich ihr sanft über das Haar. "Ich bin sicher, das kommt alles wieder." Ganz so zuversichtlich war der Schurke in Wahrheit zwar doch nicht, aber er konnte es kaum ertragen, seine Liebste trotz der Wiedersehensfreude so niedergeschlagen über ihren Gedächtnisverlust zu sehen. "Bestimmt."
Riná kuschelte sich vertrauensvoll an ihn. "Meint Ihr?"
Stian nickte wieder. "Ganz bestimmt."
Er hatte der Heilerin in kurzen Worten von seiner Suche berichtet - für alles andere, Ausführliche, würde später der richtige Moment kommen - und auch noch einmal Rinás Version der Ereignisse gehört. Aber es stimmte schon, sie wusste wirklich etliches nicht mehr, vor allem, was diese letzten Wochen in Outland betraf. Der Schurke kochte innerlich: Wenn er je herausfinden würde, was geschehen war, und wenn es einen Schuldigen gab... wehe ihm. Oh ja. Aber zunächst würde er alles tun, was in seiner Macht stand, damit die Frau seines Herzens ihr Gedächtnis vollständig wiedererlangte.

Nun holte Stian tief Luft und lächelte die Priesterin liebevoll an. "Riná... bitte entschuldige, dass ich so plötzlich davon anfange - ich müsste eigentlich einen besseren Moment, einen passenderen Ort dafür abwarten... Aber ich muss einfach jetzt fragen: Ich wollte es schon zuvor, und dann bist du verschwunden, und... ich kann einfach nicht länger warten."
Riná sah ihn gespannt-fragend an. "Ja?"
Stian atmete noch einmal durch und holte aus der Tasche ein kleines, in Geschenkpapier gewickeltes Päckchen, das er schon lange, lange für genau diesen Augenblick mit sich herumtrug. Das Geschenk hatte ihn in den letzten Wochen über Stock und Stein begleitet; oft hatte er abends am Lagerfeuer gesessen und das Gebinde gedankenverloren wieder und wieder in den Händen gedreht; es war abgewetzt, zerknautscht, das Geschenkpapier an den Ecken abgestoßen. Doch das war nur das Äußere; das, was sich darin befand und was Stian mit viel Herzblut schon vor langer Zeit für seine Liebste angefertigt hatte, war in all den Mühen unversehrt geblieben, und es bedeutete dem jungen Schurken alles auf der Welt, genau diesen Gegenstand Riná jetzt zu überreichen.
Mit einem hoffnungsvollen Lächeln sank Stian vor seiner Liebsten auf ein Knie nieder und hielt ihr das kleine Päckchen hin. Die Heilerin nahm es mit einem neugierigen Ausdruck auf dem Gesicht entgegen und nestelte das Geschenkband auf. Zum Vorschein kam ein kleines Kästchen, und gleich darauf hielt die junge Sin'dorja einen schmalen, mit einem einzelnen, klaren Diamanten besetzten Ring in der Hand.
Stian sah ihr tief in die Augen. "Riná Sanemúra... willst du meine Frau werden?"
Sie schwieg einen Moment lang, einen entsetzlichen, ihm den Atem raubenden Moment lang. Dann lächelte sie strahlend. "Ja, Stian, ich will liebend gerne Eure Frau werden."
Der Schurke spürte, wie ein beglücktes Lächeln über seine Züge flog. Freudig fasste er Riná um die Hüfte und wirbelte sie herum, ehe er ihr einen innigen Kuss gab und ihr liebevoll den Diamantring an den Finger steckte. "Danke dir... Du machst mich zum glücklichsten Sin'dor der Welt. Dieser Welt und aller anderen..."

Hinter sich hörte Stian leichte Schritte, die sich vorsichtig entfernten. Aus dem Augenwinkel warf er einen Blick zurück und sah Haniko eben noch aus seinem Sichtfeld verschwinden, ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. Die dunkelhaarige Hexerin musste ihnen wohl gefolgt sein und alles mit angehört haben. Stian lächelte leise und zog Riná enger an sich. Es war ihm egal, dass die gesammelte Priesterschaft hier in der Halle dem Geschehen mit großen Augen folgte. Und in dem Moment, als ihre Lippen wieder auf den seinen lagen, vergaß er ohnehin vollkommen, dass sie nicht alleine waren.

Nach einigen Minuten atemlosen Küssens musste Stian plötzlich schmunzeln. "Was?" fragte Riná neugierig. "Was habt Ihr?"
Die Frage ließ den Schurken laut herauslachen.
"Was ist denn?" Die Priesterin wirkte nun beinahe besorgt.
"Genau das", japste Stian, "haargenau das. Riná, liebste Riná, Frau meines Herzens, würdest du mir einen großen Gefallen tun?"
Sie sah ihn mit großen Augen an und nickte. "Wenn ich kann?"
Stian musste wieder grinsen. "Es ist nichts Schlimmes. Nur... Rina, liebste Rina... jetzt, wo wir verlobt sind - meinst du nicht, du könntest dich langsam dazu durchringen, mich zu duzen?"
Nun musste Riná selbst lachen. "Oh Stian, ich werde mich bemühen. Es ist nur so ungewohnt. Ihr müsst... du musst mir einfach etwas Zeit geben. Geht das?"
Stian nickte lächelnd. "Aber natürlich."

Schließlich fiel den beiden Sin'dorei ein, dass sie ja gemeinsam durch das Dunkle Portal hatten gehen wollen, wenn Stian so weit wäre. In den Wochen seiner Suche hatte der Schurke Riná an Erfahrung zwar eingeholt und sogar übertroffen, aber es war gar keine Frage, dass sie diesen bedeutenden Moment jetzt nachholten.
Gemeinsam ließen sie sich vom Translokator nach Undercity teleportieren, gemeinsam nahmen sie den Zeppelin nach Grom'Gol und flogen von dort aus nach Stonard. Der Ritt durch die Blasted Lands ging schnell, und dann standen sie ehrfürchtig vor dem Großen Portal. Stian nahm Rinás Hand, und gemeinsam schritten sie hindurch.
Zitat von: Dark_Tigger
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Der Kampf um den Treppenabsatz tobte noch immer so heftig wie eh und je, aber die beiden Blutelfen waren sich dessen kaum bewusst, schauten statt dessen eine Weile stumm und ehrfürchtig auf den verwunschenen Himmel. Irgendwann nahmen sie einen von Meisterin Frayfeathers Greifen nach Thrallmar, aber dort war es ihnen zu laut, zu hektisch, und so schwangen sie sich auf ihre Reittiere und ritten in Richtung Falcon Watch. Dort ging es ruhiger zu, und die beiden Sin'dorei verweilten einige Zeit lang dort im Gasthaus. Aber es herrschte doch auch hier ein eifriges Kommen und Gehen, und so begaben sie sich schließlich auf einen der Hügel vor dem Außenposten. Riná kuschelte sich eng an ihn, Stian legte den Arm um sie und zog sie an sich. So saßen sie eine Weile schweigend, dann begannen sie zu erzählen: Stian in aller Ausführlichkeit von den letzten Wochen, von seiner Suche und seinen Erlebnissen, und Riná, so gut sie es eben vermochte. Einige Einzelheiten waren ihr schon wieder eingefallen, und so hoffte der Sin'dor, dass die Heilerin tatsächlich nach und nach ihr Gedächtnis wiedererlangen würde.

Langsam wurde es Abend. Der Schurke und die Priesterin saßen eng beieinander auf dem Hügel und blickten in das rote Land hinein; tauschten immer wieder zärtliche Küsse aus und unterhielten sich leise.
Mit einem Mal durchbrach ein Ton die andächtige Stille, ein metallischer, gleichzeitig irgendwie heller, dumpfer, scheppernder und durchdringender Ton, der einherging mit einem schweren Stampfen, das die Erde erbeben ließ. Stian sah auf. Diesen Ton kannte er: Das war ein Fel Reaver, oder Teufelshäscher, wie diese mechanischen Riesen auch genannt wurden. Fürchterliche Monstren waren das, die auf einem anscheinend willkürlich programmierten Kurs über die Höllenfeuerhalbinsel stapften. Mehr als einmal wäre er in den letzten Wochen beinahe von einem überrascht worden, und nicht einmal seine Schleichkünste schienen gegen die Kerle zu helfen. Glücklicherweise war dieser hier ein gutes Stück von der Falkenwacht entfernt, stellte also keine unmittelbare Gefahr dar. Der Schurke fluchte leise. Verdammte Viecher!
Riná aber - Riná erstarrte, stieß einen leisen Angstschrei aus und klammerte sich an ihm fest wie eine Ertrinkende. "St... Stian... D... dieses Geräusch..."
Der Elf strich ihr beruhigend über das Haar. "Pssst, er ist weit weg. Er kann uns nichts tun."
Riná schüttelte mit angstgeweiteten Augen den Kopf, klammerte sich weiter an ihn. "Stian... dieses Geräusch! Das war es!" Sie hatte Tränen in den Augen. "Das war es!"
Die Priesterin zitterte. "Ich war gerade unterwegs zur Falkenwacht, da hörte ich diesen Ton. Rendarei erschrak, warf mich ab und rannte davon, und dann war er über mir... dieses... Ding..."
Sie weinte nun offen, und Stian konnte nichts tun, als sie weiter festzuhalten, sie zu streicheln, sanfte Worte des Trostes zu sprechen.

Der Teufelshäscher wanderte weiter, und langsam beruhigte Riná sich wieder. Stian hielt sie im Arm, während sie berichtete. Offensichtlich hatte der Fel Reaver seine Liebte schwer verletzt, so schwer, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. Ein wahres Wunder, dass das Monstrum sie nicht totgetrampelt hatte...  Jemand hatte die ohnmächtige Priesterin gefunden, verarztet, auch ihren Falkenschreiter wieder eingefangen und Sin'dorja und Reittier nach Shattrath und von dort nach Silvermoon gebracht. Als Riná wieder zu sich kam, war ihr Retter verschwunden... und der größte Teil ihres Gedächtnisses ebenfalls.
Nun aber hatte der Anblick des Riesen und der damit einhergehende Schock alles wiedergebracht, stellte der Blutelf mit Erleichterung fest. Er gab seiner Verlobten einen weiteren liebevollen Kuss und lächelte sie froh an.
Aber im Inneren tobte er. Einer der Teufelshäscher war es also gewesen. Oh, warte nur, warte! Eines Tages... eines Tages würden die mechanischen Monster dafür büßen, was sie Riná angetan hatten.

Der Schreck und der Ansturm ihrer verlorenen Erinnerungen hatten die Elfin emotional vollständig verausgabt. Sie lag erschöpft in seinen Armen, und Stian stützte sie, ja trug sie fast zurück nach Falcon Watch, wo sie für die Nacht eines der leerstehenden Zelte dort in Beschlag nahmen. Riná schlummerte nach einigen innigen Küssen ein - eigentlich viel zu schnell für Stians Geschmack. Aber auch er war völlig ausgelaugt von den Ereignissen dieses unendlich langen Tages, und so war auch er bald eingeschlafen, den Arm um Riná geschlungen, als wolle er nicht einmal im Traum das Risiko eingehen, sie wieder zu verlieren.
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Offline Timberwere

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Am nächsten Morgen war es die reine Seligkeit, aufzuwachen und Riná neben sich zu finden. Die beiden Sin'dorei ließen sich ein wenig länger Zeit mit dem Aufstehen, als streng genommen notwendig gewesen wäre, aber dann rafften sie sich doch auf und beschlossen, den Anstrengungen der Horde ein wenig dienlich zu sein, wo sie schon einmal hier waren. Riná erinnerte sich, dass sie in Thrallmar einige Pflichten übernommen hatte, ehe der Fel Reaver sie überfiel, und so wollte sie dorthin zurückkehren und erstens ihre Auftraggeber wissen lassen, dass es ihr gut ging, und zweitens herausfinden, ob die Aufgaben noch aktuell waren oder ob jemand anderes sie inzwischen erledigt hatte.
Die meisten der Missionen standen tatsächlich noch aus, und so machten der Schurke und die Priesterin sich an die Arbeit. Die meisten davon waren recht schnell erledigt und stellten - vor allem zu zweit und beschwingt, wie die beiden Blutelfen waren - kein großes Problem dar, aber eine Pflicht war nicht nur unangenehm, sondern geradezu ekelhaft. Ein Goblin namens Razelcraz, der ein Stück außerhalb von Thrallmar ein Lager aufgeschlagen hatte und Teufelshunde als Wachtiere hielt, beschwerte sich, einer seiner vierbeinigen Schützlinge habe den Schlüssel zu seiner überaus genialen Erfindung gefressen, und nun gebe es nur eine Art, wieder an den Schlüssel heranzukommen - auf natürlichem Wege. Also sollten sie, verlangte der Goblin, den Hund Gassi führen, einige Hölleneber erledigen, ihn fressen lassen und dann seine ... Exkremente durchsuchen. Bäääh.
"Kein Wunder, dass sich an diesen Job sonst niemand rantraut," fluchte Stian unterdrückt. "Pfui Spinne!"

Aber was wollten sie tun? Natürlich hätten sie ablehnen können, aber Vorarbeiter Razelcraz wirkte fast rührend in seiner Verzweiflung und seinem Verlangen, die Scherbenwelt endlich wieder verlassen zu können, und zumindest Riná, wenn schon nicht Stian, der liebend gerne den Goblin selbst die Geschäfte seiner Wachhunde hätte durchwühlen lassen, hatte ein gutes Herz, und so sagten sie zu. Mit dem Teufelshund an der Leine machten sie sich auf in das rote Land, und bald war der erste Hölleneber erlegt. Wie prophezeit, machte der Hund sich über die Tierleiche her, und ebenfalls wie prophezeit, schlug sich die Mahlzeit kurz darauf in einem übelriechenden Haufen nieder. Riná rümpfte die Nase und wollte sich schon auf die Suche begeben, aber Stian fiel ihr in den Arm. "Lass mich das machen."
Er krempelte die Ärmel hoch, hielt den Atem an und fischte angewidert, aber entschlossen, in der braunen Masse herum.
Offensichtlich hatte allerdings der Verzehr dieses einen Höllenebers die Verdauung des Hundes noch nicht genug angekurbelt, denn der Schlüssel war trotz allen Suchens nicht zu finden. Stian brummte missmutig. Also weiter.

Es brauchte noch drei weitere Schweinekadaver, bis der Schredderschlüssel endlich zum Vorschein kam. Erleichtert kehrten die beiden Sin'dorei zu Vorarbeiter Razelcraz zurück und lieferten Schlüssel, Leine und Hund wieder bei ihm ab. Sollte das Vieh doch ihn beißen; Schurke und Priesterin waren neben der unappetitlichen Pflicht zu allem Überfluss auch noch mehrere Male nur knapp einem Schnappen des übellaunigen Tieres entgangen.
Aber wenigstens hielt der Goblin sein Versprechen und zahlte gut.
Das  erste, was der Sin'dor tat, als sie den Auftrag endlich fertig abgewickelt hatten, war, sich gründlich die Hände und Unterarme zu waschen. Dennoch machte Riná eine klägliche Miene. "Stian... wie soll ich es sagen... Ihr riecht noch immer..."
Der Schurke zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Seine eigene Nase hatte abgeschaltet, er bemerkte den Gestank schon gar nicht mehr. Schon wollte er etwas sagen, da lächelte seine Liebste ihn an. "Aber ich beschwere mich ja gar nicht... ich muss mich bedanken! Sonst würde ich jetzt so duften..."
Stians klägliches Gesicht stand dem der Priesterin in nichts nach. "Besser geht es leider nicht..."
Plötzlich lachte Riná. "Ich habe eine Idee. Was haltet Ihr von einem Bad?"
"Ein Bad? Eine ausgezeichnete Idee ist das! Nur wo? Hier auf der Halbinsel ist alles tot und trocken..."
Riná überlegte und lächelte dann wieder. "Was hältst du von Booty Bay? Ein sonnenbeschienener Ort, nicht dieses ewige düstere Rot, das ist genau das, was ich jetzt brauche."
Der Schurke nickte. "Perfekt. Ich habe sogar meinen Heimatstein noch...", setzte er an, aber Riná sprach schon atemlos weiter.
"Lasst uns ein Wettrennen machen. Wer zuletzt in Booty Bay ist, ist eine lahme Ente!"
"... in Grom'Gol", beendete der Elf seinen Satz, aber die Heilerin war schon losgerannt zum Windreitermeister und hörte ihn nicht mehr.
Ein langsames, spitzbübisches Lächeln breitete sich auf Stians Gesicht aus, während er seiner Liebsten nachsah. Ein Wettrennen nach Booty Bay wollte sie? Na, das konnte sie haben!

Als Riná in dem Piratenstädtchen atemlos vom Windreiter sprang, saß Stian seelenruhig auf den Holzplanken der unteren Ebene, ließ die Beine Richtung Wasser baumeln und angelte. Der mehr als halbvolle Eimer neben ihm bewies, dass er schon eine ganze Weile mit dieser Tätigkeit beschäftigt war.
Die Sin'dorja trat hinter ihn und gab ihm einen spielerisch-ärgerlichen Knuff.
"Das war unfair! Du... du... du Schurke!"
Er grinste sie frech an. "Hey... was hast du erwartet?"

Trotz ihrer vorigen Pläne war Booty Bay doch nicht so ganz der geeignete Ort, um schwimmen zu gehen. Und so begaben sich die beiden Sin'dorei wieder nach Grom'Gol, wo ein viel einladenderer Strand sie erwartete.
In ihrem Unterzeug planschten und tauchten sie nach Herzenslust, und Stian fühlte sich wie ein übermütiger Junge. Geschwind schwamm er unter Riná weg und zog sie an den Beinen, wofür die Priesterin sich mit einem kräftigen Spritzen revanchierte, als sie beide wieder an der Wasseroberfläche waren.

Über ihrem heiteren Toben wurde es langsam dunkel, das Wasser kühler, und nach einer Weile schwammen sie müde, aber glücklich, ans Ufer. Stian schnüffelte misstrauisch an seinen Armen, doch Riná bestätigte ihm, dass der unangenehme Geruch vollständig verschwunden sei. Na welche Erleichterung! So konnte er doch wenigstens darauf hoffen, dass die Priesterin ihn über Nacht in ihrer Nähe dulden würde.
Gastwirt Thulbek kannte den Schurken natürlich, und es war diesem ein ausgesprochenes Vergnügen, dem Orc nun endlich Riná vorzustellen, von der er ihm schon oft und viel erzählt hatte.
Der Wirt bereitete ihnen ein einfaches, kaltes Abendessen aus Käse, Fleisch und Brot, das sie hungrig verschlangen, ehe sie sich in Stians Stamm-Hängematte im hinteren Teil des Gasthauses, dort, wo die durchkommenden Reisenden vom Zeppelin einen Schläfer am wenigsten störten, zur Ruhe begaben. Zuerst war Stian ein wenig besorgt, ob die orkische Hängematte nicht vielleicht zu unbequem für Riná wäre, aber die Priesterin lächelte ihn nur an und kuschelte sich zufrieden an ihn. Einige Male noch ertönten Schritte vom oder zum Zeppelin, doch je später es wurde, um so mehr ließ der Durchgangsverkehr nach, und bald schliefen die beiden Sin'dorei ein.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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Zitat von: Shield Warden
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"Ah, Stian, es hat mich schwer erwischt", lächelte Yhaddar. Wieder einmal saßen die beiden Vettern in dem kleinen Haus in Silvermoon bei einem Glas Suntouched Reserve zusammen. "Es kam wie der Blitz aus heiterem Himmel..."
Der ältere Schurke zog fragend eine Augenbraue hoch. "Ach ja? Erzähl schon, wer ist es?"
"Du kennst sie. Medolie."
Stian, der eigentlich mit den Namen "Lynxia" oder "Lairynn" gerechnet hatte, war einen Moment lang verblüfft, wusste aber natürlich sofort, wen sein Cousin meinte; schließlich kannte er die Dame tatsächlich. Er lächelte dem Jüngeren anerkennend zu, konnte dann aber nicht verhindern, dass er amüsiert losprustete.
"Was?" fragte Yhaddar belustigt.
Stian schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. "Musst du mir eigentlich alles nachmachen, Yhaddi? Ich beschließe, Schurke zu werden und bei Meister Zelanis in die Lehre zu gehen - du tust es mir gleich, zum ewigen Kummer deiner Eltern, die dich wohl lieber als Paladin oder Priester gesehen hätten und jetzt, zumindest im Scherz, mich verantwortlich machen für deinen 'Fall'. Ich verliebe mich unsterblich in eine Priesterin - du suchst dir auch eine. Jetzt sag' bloß noch, deine Medolie frönt auch dem Schneidern und Verzaubern wie Riná..."
Yhaddar grinste breit. "Warum soll ich es dir sagen, wenn du es ohnehin schon weißt? Aber ernsthaft, Medolie ist eine Wucht. Sie ist unglaublich. Ich kann mein Glück kaum fassen, dass sie sich mit mir abgibt. Sie..." Er brach ab, unfähig, seinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Stians Lächeln nahm einen abwesenden Charakter an, als er seines Vetters Worte mit seinen eigenen Empfindungen verglich. "Ich weiß nur zu gut, was du meinst."
Yhaddars schwärmerische Züge wurden wieder ein wenig ernster. "Aber sie ist auch ein wandernder Geist. Mal sehen, wie lange sie es mit mir aushält."
"Ich wünsche dir jedenfalls alles Glück der Welt, Yhaddar. Das weißt du."
Der Jüngere nickte. Dann lachte er. "Du bist schuld, Sti, das weißt du doch, oder? Also nicht du direkt, aber ihr Skyggvandres? Mit zwei Priesterinnen in der Familie..."
"Ha. Ja." Stian grinste schief. "Schieb nur immer alles auf Shayariél und Veloria. Als ob Tante Arlissa nicht selbst dem Orden angehört hätte, ehe sie deinen Vater heiratete... Und du hast Shay und Vel seit ewigen Zeiten nicht gesehen, genauso wenig wie ich."
Aber unter dem Grinsen war dem Schurken ein wenig traurig zumute. Er hatte seine ältere Schwester Shayariél und seine Ziehschwester Veloria wirklich schon sehr lange nicht mehr gesehen. Die beiden Sin'dorjei waren schon in sehr jungen Jahren auf Abenteuer ausgezogen und ließen nur äußerst selten Nachricht von ihrem Wohlbefinden nach Hause durchdringen. Liliwyn war da anders - Shays Zwillingsschwester war zwar auch ständig unterwegs, aber sie stand wenigstens in regelmäßigem Kontakt mit Zuhause, kehrte auch des öfteren in die Geisterlande - oder besser das, was später die Geisterlande werden würden - zurück. Aber mit Liliwyn hatte den Schurken ohnehin schon immer ein engeres Band verbunden als mit Shayariél. Die beiden braunhaarigen Geschwister waren als Kinder, nicht zuletzt wegen ihrer ähnlichen Interessen und Vorliebe für das Herumtoben draußen in der Natur, unzertrennlich gewesen und Stian dementsprechend untröstlich, als Liliwyn bei den Farstriders ihre Ausbildung zur Waldläuferin begann und ihn alleine zurückließ. Etwa zur selben Zeit waren Shayariél und Veloria in den Priesterorden aufgenommen worden und eine Weile danach aufgebrochen in die Weiten der Welt, doch das hatte den jungen Sin'dor nie so geschmerzt wie die Trennung von Lili. Ihr Abschied war es auch gewesen, der den jungen Stian zur Rebellion getrieben und ihn einige Zeit später die Schurkenlaufbahn hatte einschlagen lassen - von seiner Assoziation mit den allzu dunklen Elementen Silvermoons, denen er zu Beginn seiner Ausbildung beinahe verfallen wäre, hielten ihn dann aber glücklicherweise doch sowohl sein Lehrer Zelanis als auch Liliwyn mit ihren regelmäßigen Besuchen zuhause ab. Über die Jahre hatte die Verbundenheit der beiden Geschwister dann eher noch an Stärke gewonnen, als dass sie abgenommen hätte, und auch heute noch tat Stian, was er konnte, um seine Schwester so häufig wie möglich zu sehen.

Nun lächelte der Sin'dor seinen jüngeren Cousin an, der nachdenklich nickte und dann fragte: "Wo wir gerade von Priesterinnen sprechen - wie läuft es mit Riná?"
Der Ältere lachte. "Großartig. Ganz großartig. Wir sind zwar bisher noch nicht dazu gekommen, Riná der Familie vorzustellen, aber das kommt bald, hoffe ich. Und wir sind am Überlegen, wann die Hochzeit stattfinden soll. Und wen wir alles einladen..."
"Oh? So weit ist es schon?"
"Oh ja." Stian machte ein zutiefst zufriedenes Gesicht. "So weit ist es." Er grinste schief. "Und ich kann es kaum erwarten."
Zitat von: Dark_Tigger
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Die kommenden Wochen waren herrlich, einfach weil die beiden Sin'dorei sie zusammen verbrachten. Zwar hatte Stian seine Liebste während seiner Suche nach ihr an Erfahrung überholt, aber der Unterschied war nicht so gewaltig, dass sie nicht gemeinsam die Höllenfeuerhalbinsel und die nahegelegene Zangarmarsch durchstreifen konnten. Der Schurke liebte es, Riná zum Lachen zu bringen, vor allem mit seinen trockenen Kommentaren, die ihr immer wieder ein Kichern und ein "du bist unmöglich" entlockten. Oder auch ein "Ihr seid unmöglich", denn noch immer tat sich die Priesterin ein wenig schwer damit, ihn zu duzen, schwankte ständig zwischen dem vertraulichen Du und dem formellen Ihr hin und her. Aber das störte Stian kaum: Es war einfach eine ihrer Eigenarten, und die Gelegenheiten, zu denen sie ihn förmlich mit "Ihr" ansprach, wurden auch langsam weniger.

Ihre Wege führten sie unter anderem in den Süden der Halbinsel, wo ein Schwarm der Arakkoa-Vogelwesen hauste; Arakkoa allerdings, die anders als die Ausgestoßenen, die in Shattrath lebten, allen Fremden feindlich gesinnt waren. Dort fanden die beiden neben dem jungen Kaliri-Weibchen, das sie für Drenna Riverwind in der Falkenwacht besorgen sollten, auch eine gefangene Sin'dorja, die sie befreiten und zurück nach Falcon Watch begleiteten.
Auch einen abgestürzten Zeppelin entdeckten sie, dessen aus zwei Goblins bestehende Besatzung sie ebenfalls um einige Gefallen bat. Zur Belohnung brachte einer von ihnen, ein Koch namens Legassi, den Elfen bei, wie man das Fleisch der örtlichen Geier zu butterweichen Bussardbissen verarbeiten konnte, während der andere, Screed Luckheed mit Namen, sich mit zwei Meisterwerken goblinscher Ingenieurskunst bedankte: einer Taschenuhr für Riná und einem Glücksbringer für Stian.
Ebenso brachte das Paar die Geister des Rüstlagers zur Ruhe, indem sie ihnen zu ihrer Rache gegen die Höllenorcs verhalfen. Urspünglich hatte eine Forsaken im Spinebreaker Post sie aufgefordert, etliche der Unerschütterlichen, wie sie auch genannt wurden, zu erschlagen, um den Geistern die Stärke der Horde vor Augen zu führen und sie entsprechend zu beeindrucken und zur Kooperation zu zwingen. Doch ein Tagebuch, das die Verlobten am Rüstlager fanden und das Althen, der Historiker, am Spinebreaker Post entziffern konnte, zeigte einen anderen Weg auf. Es sprach von einer Schlacht an einem alten Belagerungsturm der Allianz, geführt gegen Urtrak den Höllenorc, und von einem mächtigen Relikt: einem Horn, das die Herzen der Menschen im Kampf gestärkt hatte. Dennoch hatten sie die Schlacht verloren, waren von den Orcs niedergemetzelt worden, und so suchten seither die Unerschütterlichen die Expedition Armory heim, wo sie den Tod gefunden hatten, unfähig, Ruhe zu finden. Stian und Riná suchten und fanden dieses Relikt und riefen an dem besagten Belagerungsturm sowohl Urtrak und seine Bande als auch die Geister der Unerschütterlichen mit dem Horn zurück in den Kampf. Das Unterfangen war ein Erfolg: Gemeinsam gelang es den Lebenden und den Toten, den Höllenorcs beizukommen.
Es war ein erhebender Moment für den Schurken und die Priesterin, in das Rüstlager zurückzukehren und dem Schatten von Kommandant Hogarth den Beweis für ihren Sieg vorzulegen. In seiner gespenstischen Stimme rief der Hauptmann etwas über den Platz, und schon drifteten alle Geister herbei. Einen Moment lang waren die Elfen besorgt, ob sie nun von allen Unerschütterlichen auf einmal angegriffen werden würden, und Stian spannte sich schon an und griff an seine Dolche, doch es bestand kein Grund zur Sorge. Die Schemen lächelten das Paar an und verbeugten sich vor ihnen, und Kommandant Hogarth erklärte, dass die Unerschütterlichen nun endlich Frieden finden könnten. Dann wurden die Geister immer durchsichtiger und lösten sich schließlich ganz in Luft auf. Doch ehe der letzte von ihnen verschwand, eine menschliche Kriegerin, winkte diese den beiden Sin'dorei mit einem dankbaren melancholischen Lächeln zu. Es war ein wunderschöner, trauriger, bewegender Moment, und Stian und Riná standen noch eine Weile regungslos und in ihren Emotionen versunken in dem verfallenen Turm, ehe sie zum Spinebreaker Post zurückkehrten, um dort Bericht zu erstatten.

Und sie legten sich in der Großen Kluft mit den Schindern an, die dort hausten. Ranger Captain Venn'ren, der Hauptmann der Falkenwacht, hatte sie losgeschickt, um einige Felsklauen zu erlegen, und während sie dort waren, erforschten sie auch die große Höhle am südlichen Ende der Schlucht. Earthcaller Ryga, eine Schamanin des Orc-Clans der Mag'har, der im Geheimen in den schwer zugänglichen Bergen im Norden lebte, hatte von der Höhle gesprochen und sie gebeten, ihr einen seltenen Pilz zu besorgen, der nur dort zu finden sein sollte. Dummerweise stellte sich heraus, dass die Höhle nicht nur die Pilze beherbergte, sondern auch weitere Felsklauen - und vor allem deren Matriarchin, eine gefährliche, riesige Felsklaue namens Blacktalon.
Rinás Augen waren voller Besorgnis, als sie den Tunnel entlangspähte und Blacktalon erblickte; all ihre Tapferkeit unbenommen, war es doch eine ganz andere Sache, sich dieser Bestie zu stellen statt der gewöhnlichen Angehörigen ihres Rudels.
Stian ergriff die Hand seiner Liebsten. "Das schaffen wir. Zusammen schaffen wir das,"
Die Heilerin lächelte ihn an. "Ja, zusammen..."

Sie schafften es tatsächlich. Es stellte sich noch nicht einmal als besonders schwierige Aufgabe heraus. Blacktalons Klaue als Beweisstück für Hauptmann Venn'ren und die eilig eingesammelten Pilze für Earthcaller Ryga in der Tasche, kehrten die beiden Verlobten nach Falcon Watch zurück, nur um von dem Hauptmann auf eine weitere Mission geschickt zu werden. Diesmal, verlangte der Sin'dor, sollten sie in der frisch von den Schindern geräumten Kluft die Leuchtfeuer entzünden, die den Weg von Falcon Watch nach Süden und heraus aus der Höllenfeuerhalbinsel weisen sollten für die Flüchtlinge, die seit einiger Zeit immer häufiger durch das Portal nach Thrallmar und Falcon Watch kamen und weiter wollten nach Terokkar und Shattrath.

Die Leuchtfeuer zu finden, war kein Problem, sie zum Leuchten zu bringen hingegen durchaus. Denn die großen Bronzepfannen befanden sich allesamt ein gutes Stück über der Erde, und die beiden Sin'dorei mussten sich gewaltig strecken, um an das aufgeschichtete Brenngut heranzukommen.
"Weißt du was", sagte der Schurke schließlich, "komm her, ich hebe dich hoch. Dann geht es leichter."
"Würdet Ihr das für mich tun?" Die Heilerin klang fast erstaunt.
"Ich habe es dir schon einmal gesagt: ich würde für dich barfuß durch die Wüste gehen." Stian hielt inne und sah sich in der roten Einöde um. "He, warte, wir sind in der Wüste. Soll ich es dir beweisen?" Der Schurke ließ sich auf den Erdboden nieder und machte Anstalten, die Stiefel auszuziehen.
Riná lachte. "Du bist unmöglich."
Wieder einmal musste der Sin'dor grinsen. "Ich weiß."
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Über all diesen Erlebnissen wurde es Herbst. Der Schurke und die Priesterin kehrten häufig nach Silvermoon zurück und verbrachten dort, abseits von den Gefahren der Scherbenwelt, so manchen idyllischen Abend miteinander, den einen oder anderen davon auch zusammen mit Stians Cousin Yhaddar. Der jüngere Schurke schloss die blonde Heilerin gleich als zukünftige Schwägerin ins Herz, vertraute Stian aber in einem stillen Moment an, dass er froh war, doch einige Unterschiede zwischen Riná und seiner Medolie entdeckt zu haben.

Eine Weile nach ihrem letzten Besuch bei Yhaddar verschlug es die beiden Sin'dorei wieder einmal nach Falconwing Square. Es war die Zeit von Hallow's End, einem Fest, das vor allem von den Verlassenen begangen wurde und auch als "die Schlotternächte" bekannt war. Es war ein ausgelassen fröhliches Fest, aber fast schon zu ausgelassen, mit einem deutlich erkennbaren gruseligen Unterton, und eine Zeit, in der sich die Lebenden, wenn auch mit einer lachenden Miene, um ihre Unsicherheit zu überspielen, mehr als sonst vor Geistern und Gespenstern zu schützen versuchten.
Stian und Riná hatten sich eigentlich nicht sonderlich um die Bräuche der Schlotternächte gekümmert, doch als sie nach Falconwing Square kamen, fanden sie dort die Anwohner in heller Aufregung. Ein Geist in der Gestalt eines kopflosen Reiters hatte in den letzten Nächten das Dorf unsicher gemacht, hatte auch bereits mehrmals versucht, die Häuser im Ort anzuzünden, zum Glück bislang ohne Erfolg - oder besser, den Dorfbewohnern war es in einer heldenhaften Anstrengung beim ersten Mal gelungen, die Flammen schließlich zu löschen, und nun standen große Fässer mit Wasser bereit, um eine ähnliche Beinahe-Katastrophe bereits im Ansatz verhindern zu können.
An den vorigen Tagen war der Reiter immer zu einer bestimmten Stunde aufgetaucht, und diese Stunde war nun nicht mehr weit entfernt. Angespannt warteten der Schurke und die Priesterin mit den Einheimischen, und wirklich - zum erwarteten Zeitpunkt ertönte zuerst ein überirdisches Heulen, dann ein lautes, unheimliches Gebrüll, und dann erschien er selbst im Abendhimmel über dem Falkenplatz: eine geisterhafte, tatsächlich kopflose Gestalt auf einem ebenso geisterhaften, fliegenden Ross, dessen Hufe in Flammen loderte. Mit einem hässlichen Lachen warf der Kopflose unzählige Fackeln in das Dach des Gasthauses, und die glühenden Hufe seines Pferdes taten ihr Übriges. Im Nu brannte das Gebäude lichterloh.
Stian fackelte nicht lange, sondern rannte zu den Fässern, schnappte sich einen Eimer und stürzte sich gemeinsam mit den Dorfbewohnern in die Löscharbeiten. Riná tat es ihm gleich, sah er, ebenso wie ein fremder Sin'dor, ein Paladin, der eben erst im Dorf angekommen war. Ein weiterer Fremder jedoch, ein junger Magier, wie es aussah, stand wie versteinert da und starrte in die Flammen.
"Steht nicht herum!", herrschte Stian den Magier an, während er eilig den nächsten Eimer füllte, "Helft lieber!"
Der Angesprochene gaffte noch einen Moment lang weiter, dann griff er endlich ebenfalls ein.

Schließlich waren die Flammen gelöscht. Der Kopflose war irgendwann verschwunden, nachdem er noch einige weitere Runden über dem Dorf gedreht hatte und feststellen musste, dass seine Brandstiftungsversuche letztendlich zum Scheitern verurteilt waren.

Die Helfer wurden, rußgeschwärzt, wie sie waren, von den dankbaren Einwohnern im Gasthaus zu einem Umtrunk eingeladen. Zwar roch es überall nach Rauch und verkohltem Holz, doch einige der Zimmer im oberen Stockwerk sowie die Gaststube im Erdgeschoss waren größtenteils unversehrt geblieben. Das Ausmaß der Zerstörung veranlasste den Gastwirt, während des Servierens der Getränke unablässig vor sich hin zu brummen. "Das war es. Jetzt reicht es. Geister... Feuersbrünste... Ich bin ruiniert! Genug! Ich gehe nach Silvermoon und fange dort neu an. Ich verkaufe das Gasthaus..." Der Wirt ließ sich frustriert bei den Gästen auf einen Stuhl fallen und stützte die Hände in den Kopf. "Ich meine es ganz ernst, wirklich. Will nicht einer von Euch ein Wirtshaus in bester Lage erwerben?"

Der widerwillige Magier war wortlos verschwunden, sobald die Löscharbeiten beendet waren, doch mit dem Paladin sowie seinem Bruder, einem jungen Schurken, der ebenfalls zu der Gruppe stieß, unterhielten die beiden Verlobten sich eine ganze Weile sehr angeregt. Der Paladin stellte sich als Candúin vor; sein Bruder hieß Celahir.
Candúin musste irgendwann nach Silvermoon zurückkehren, dringende Angelegenheiten erwarteten ihn, wie er sagte, und auch Riná entschuldigte sich nach einige Zeit später. Die Heilerin war müde von den Anstrengungen und zog sich in das  Gastzimmer zurück, das am wenigsten beschädigt worden war und das sie schon früher am Abend für sie beide reserviert hatte. Stian hingegen war noch hellwach und aufgekratzt, und so gab er seiner Verlobten einen liebevollen Kuss. "Ich bleibe noch ein wenig auf und komme dann nach."

Die beiden Schurken saßen noch lange zusammen. Celahir war voller Fragen, und Stian tat sein Bestes, sie alle zu beantworten und dem Jüngeren wertvolle Ratschläge zu geben. Mit einem Mal ertönte draußen das missmutige Krächzen eines rennenden Falkenschreiters, der vor dem Gasthaus jäh durchpariert wurde, und unmittelbar darauf kam ein Meldereiter in die Gaststube gestürzt.
"Ich suche einen Stian Skyggvandre, ist der zufällig hier? Sonst muss ich sofort weiter..."
Der Sin'dor sah argwöhnisch auf. "Wer will das wissen?"


------


Meine liebste Riná,

bitte vergib mir, dass ich nicht auf Dich gewartet habe. Aber gerade
erreicht mich ein Bote meiner Familie - es gibt Neuigkeiten, sehr
schlechte Neuigkeiten. Es geht um meine Schwester Liliwyn...

Sie lebt, Schatten und Licht sei Dank, aber es geht ihr nicht gut. Ich muss fort...
Du schläfst oben friedlich im Gasthaus. Zum Glück ist es hier sicher
- ich bete, dass der Reiter nicht wiederkommt...

Liebste, ich küsse dich. Und ich melde mich, sobald ich Näheres weiß.

Ewig, S.
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Stian jagte Boneshade den ganzen Weg zum Haus seiner Eltern. Dort angekommen, ließ er den blauen Hengst, nachdem er ihm eilig Sattel und Zaumzeug abgenommen hatte, einfach frei laufen und stürmte ins Haus. "Wo ist sie? Was ist geschehen?"
Seine Mutter Ranissa nahm ihn stumm in den Arm, während Stereyn, sein Vater, ihm bedeutete, leise zu sein. "Sie schläft gerade."
Dann erstatteten die älteren Skyggvandres abwechselnd Bericht. Liliwyn war – bei Bewusstsein, aber völlig hilflos und ohne jede Orientierung - von einer Tauren-Schamanin nach Silvermoon gebracht worden. Die Schamanin war in den Badlands auf sie gestoßen, wo Liliwyn ohne ein erkennbares Ziel willkürlich und völlig verwirrt herumirrte. Die Sin'dorja konnte der Taurin nicht sagen, wer sie war, woher sie kam, wie es sie dorthin verschlagen hatte. Nur dass sie eine Jägerin sein musste, das war sofort klar, denn Bo, Liliwyns treuer Luchs, wich ihr nicht von der Seite.
Die Taurin kümmerte sich um die Verwundete und brachte sie nach Silvermoon in der Hoffnung, dass dort jemand die Elfin erkennen würde. Und Liliwyn hatte Glück: Auf dem Basar liefen sie und ihre Retterin einem Bekannten der Familie über den Weg, der umgehend Yhaddar informierte – und der wiederum sorgte dafür, dass seine Cousine nach Hause gebraucht wurde und die Schamanin den Dank der Familie erhielt.

Und das war der Stand der Dinge. Liliwyn begann langsam, sich wieder an das eine oder andere zu erinnern, ihre Eltern beispielsweise und Bo, ihren Luchs, doch sie war im wahrsten Sinne des Wortes hilflos wie ein kleines Kind. Hilfloser noch, denn all ihr Wissen, all ihre Fähigkeiten als im höchsten Grade ausgebildete Jägerin und Waldläuferin hatte sie vollständig verloren. Und sie war blind, gestand Lili ihrem Bruder, als die beiden Geschwister am nächsten Tag allein miteinander waren. Nicht einmal den Eltern hatte die Sin'dorja das bisher anvertraut, doch Stian erfuhr es, nachdem die junge Frau ihn nach einigem Zögern und Überlegen doch erkannt hatte.

Er war außer sich. Wenn diese Sache Riná getroffen hätte, dann wäre ihm noch schlimmer zumute gewesen, aber hier ging es um Liliwyn, um seine geliebte Schwster Lili, und der junge Blutelf war von einer wilden, rastlosen Wut erfüllt. Er würde herausfinden, was da geschehen war! So etwas wie das, was Lili widerfahren war, konnte einfach nicht passieren, ohne dass irgendwelche Spuren zurückblieben.
Und Spuren entdeckte Stian tatsächlich. In den Falten und Taschen der Kleidung, die Liliwyn bei ihrer Rettung getragen hatte und die der Schurke durchsuchte, ehe seine Eltern sie wegwarfen, verdreckt und zerlumpt, wie die Sachen waren, fand er winzige Mengen eines seltsamen metallischen Staubes, der dem Sin'dor vage bekannt vorkam, den er aber auf Anhieb nicht einordnen konnte. Und die Taurin hatte berichtet, Lili habe, als sie auf die Schamanin gestoßen war, ein Stück Metall umklammert, vielleicht den Teil eines Werkzeugs oder einer Waffe. Auch dieses Stück Metall sah Stian sich genau an, aber bis auf dasselbe Gefühl der vagen Bekanntheit und dass es ihm eigentlich mehr sagen müsste, als es tat, fiel ihm im Moment nichts dazu ein.
Er selbst kannte sich ja mit Metallen aus, war in der Kunst ihres Abbaus und Einschmelzens bewandert, aber dieser Werkzeugkopf, oder was es nun darstellen sollte, war aus keinem Metall gefertigt, mit dem er schon gearbeitet hatte. Dennoch blieb das Gefühl der Vertrautheit bestehen. Er müsste es eingentlich einordnen können, aber es wollte ihm einfach nicht einfallen. Kan'krek!

Also stellte Stian Nachforschungen an. Mit dem Staub und dem Stück Metall suchte er zunächst die Schmiede, dann die Alchimisten der Hauptstadt auf, doch die wussten damit auch nicht wirklich etwas anzufangen. Orkische Arbeit sei es vielleicht, sagte einer von ihnen zögernd, es sehe aus wie von Orc-Hand gefertigt. Oder? Hmmm… Der Experte war sich alles andere als sicher.
Nicht sonderlich ermutigend, aber es war alles, was Stian hatte. Er reiste nach Orgrimmar und suchte dort seinen Bekannten Kreokk Krukkenssohn auf, einen erfahrenen Krieger mit einem langen Zopf aus vorzeitig ergrautem Haar, mit dem der Sin'dor schon einige Male durch die Lande gezogen war und dem er unter anderem einige seiner ausgewählteren orkischen Flüche zu verdanken hatte. Krukkes Sohn war zwar in der Kunst der Alchimie bewandert, nicht der Metallurgie, aber er konnte vielleicht das Pulver identifizieren. Und wenn der Werkzeugkopf wirklich orkische Arbeit war, musste sich das doch in Orgrimmar herausfinden lassen.

Kreokk konnte mit dem Stück Metall tatsächlich nichts anfangen, und auch seine alchimistische Analyse des Staubes blieb erfolglos, doch der Orc versprach, sich für Stian in der Stadt umzuhören.
Während der Krieger unterwegs war und der Blutelf rastlos in Kreokks kleinem Haus im hinteren Teil der Stadt auf und ab wanderte, drehten sich seine Gedanken fortwährend im Kreis.
Liliwyn war in den Badlands aufgefunden worden, das war das erste. Dort musste er ansetzen. In Kargath selbst würde man sich vermutlich noch an die verwirrte Sin'dorja erinnern, die von einer Taurin dort angebracht worden war, aber mehr konnte Stian sich von dem Außenposten nicht erhoffen. Sie waren ja nicht involviert gewesen. Hmmm. Was lebte in den Badlands? Jede Menge Wildgetier, aber das benutzte keine Werkzeuge. Die Elementare, die sich in den Bergtälern fanden, ebenfalls nicht. Die Troggs und Oger allerdings wären eine Möglichkeit. Oder die Dunkeleisenzwerge aus der Festung Angor.
Moment mal... Dunkeleisenzwerge... Das war es!
Aufgeregt stürmte Stian zur Bank und durchwühlte den Kasten, der dort auf seinen Namen aufbewahrt wurde und alles enthielt, was er von früheren Reisen mitgebracht und dort hinterlegt hatte, weil er es fürs erste nicht brauchen konnte.
Er war doch in der Brennenden Steppe und der Sengenden Schlucht gewesen... Und hatte dort mehrfach ein Erz gefunden, das er trotz aller Anstrengungen bisher nicht hatte einschmelzen können. Irgendwann würde er noch herausfinden, wie das ging, da war er sich sicher, aber bislang lagen die Klumpen noch immer in seinem Bankfach und warteten darauf, dass er lernte, wie sie sich schmelzen ließen. Dunkeleisenerz hatte sie der Bergbau-Experte genannt, als der Schurke sich danach erkundigte, aber nicht einmal er wusste um das Geheimnis. Das bewahrten die Dunkeleisenzwerge eifersüchtig für sich, hatte der Lehrer missmutig geknurrt.
Nun also kramte Stian wie wild in seiner Banktruhe herum und hielt bald darauf einen der Erzklumpen in der Hand. Ja... Er hatte dieses Erz zwar noch nicht in Barren- oder bearbeiteter Form gesehen, doch die schattenhafte dunkelgraue Farbe, die rauchige Anmutung der Oberfläche, die das Stück fast wie Kohle erscheinen ließ... Ja, er war sich ziemlich sicher, dass das Stück Metall, das Lili bei sich gehabt hatte, aus demselben Stoff gemacht sein musste, aus dem auch diese Erzklumpen bestanden.
Dunkeleisenzwerge! Eine Spur!

Am liebsten wäre der Blutelf sofort zum Zeppelin gerast, doch Kreokk würde sich wundern, dass er verschwunden war, wenn der Krieger seine Nachforschungen beendet hatte. Also wartete Stian ungeduldig auf die Rückkehr seines Freundes, doch zum Glück dauerte es nicht zu lange, bis der grauhaarige Orc wiederkam. Und er hatte Neuigkeiten. Ein orkischer Metallurge bei den Schmieden im Tal der Ehre war ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei dem Metall und dem Staub um Dunkeleisen beziehungsweise um Dunkeleisenrückstände handelte. Diese Rückstände, habe der Metallurge erklärt, entstünden übrigens, wenn das Metall mit falsch angewandter Magie zusammentreffe. Wenn der Zaubernde nicht ganz genau wisse, was er tue, zerfalle Dunkeleisen einfach zu Staub.
Mit diesen Informationen gewappnet, hielt es den Schurken gar nicht mehr in der Stadt. Von Zeppelin-Ingenieur Krixx erfuhr er, dass der nächste Zeppelin zum östlichen Kontinent in kurzer Zeit ablegen würde. Keine Zeit also zu verlieren. Aber einige wenige, hastige Zeilen an Riná brachte er trotz seiner drängenden Unruhe doch zustande, die er eilig hinkritzelte und auf den Weg schickte:


Meine liebste Riná,
ich habe nicht viel Zeit; gleich geht der Zeppelin.
Liliwyn hat alles verloren. Alles. Wenn ich herausfinde,
wer ihr das angetan hat... Eine Spur gibt es, eine kleine.
Wünsch' mir Glück...
Liebste, ich melde mich bald wieder. Ich schließe Dich in die Arme...
Ewig, Stian


Was der Blutelf nicht wusste, war, dass Riná auf seine konfuse Nachricht umgehend antwortete, als sie diese erhielt. "Warte auf mich, Stian", schrieb sie, "geh nicht ohne mich. Lass mich deine heilende Hand sein..." Doch dieses Schreiben erreichte ihn nicht mehr. Der Zeppelin war bereits abgeflogen, und von Grom'Gol aus machte der Schurke sich sofort auf in die Wildnis, wo kein Postdienst verkehrte. So wartete der Brief den obligatorischen Monat auf Abholung und wurde dann mit Unzustellbarkeitsvermerk an die Priesterin zurückgesandt. Aber auch davon wusste Stian nichts, bis Riná es ihm später, viel später, erzählte.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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In der Zwischenzeit jedenfalls durchstreifte der Sin'dor die unwirtlichen Lande im Zentrum des Kontinents auf der Suche nach Hinweisen. Er schlich sich erneut ins Angor Fortress, doch alle Aktivitäten der Zwerge dort richteten sich auf die Erforschung der Ausgrabungsstätte von Uldaman, und nichts in der Festung deutete darauf hin, dass die Angehörigen des Shadowforge-Clans mit dem, was Lili zugestoßen war, etwas zu tun hatten oder Näheres darüber wussten. Uldaman selbst, in das Stian sich noch einmal wagte, ergab auch keine näheren Aufschlüsse - dort fanden einfach Ausgrabungen statt, das war alles. Und das Erz, das sich dort finden ließ, ähnelte zwar dem Dunkeleisenerz ein wenig, aber es war nicht dasselbe. Also Fehlanzeige.

Die Sengende Schlucht war des Schurken nächste Station. Hier, wo fast das ganze Gebiet von einem riesigen Canyon durchzogen war, beschäftigten sich die Dunkeleisen-Zwerge vor allem mit ausgedehnten Minen- und Bergarbeiten der unterschiedlichsten Art; zu mehr schien das tote Land nach der Beschwörung von Ragnaros und der damit einhergehenden Zerstörung auch nicht zu taugen. Die Dunkeleisen setzten zum Schutz und für die unangenehmeren Arbeiten schwere Golems ein, und zuerst dachte Stian, dass seine Schwester vielleicht mit einem dieser mechanischen Monstren aneinander geraten war, ganz ähnlich wie Rinás Erlebnis mit dem Teufelshäscher auf der Höllenfeuerhalbinsel. Doch nähere Untersuchungen ergaben, dass diese Riesen gar nicht so gefährlich waren, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte - mit denen wäre Liliwyn spielend fertig geworden. Aber der Blutelf brachte etwas anderes in Erfahrung: Für ihre Minenarbeiten unten im Canyon, in einem streng bewachten Gefängnis, das einfach nur "die Schlackegrube" hieß, setzten die Darkirons vor allem Sklavenarbeiter ein, und bei diesen Sklaven handelte es sich fast ausschließlich um gefangene Feinde. Dies war der erste richtige Hinweis, den Stian hatte, und so schlich er sich eines Nachts in die Schlackegrube, um Näheres herauszufinden.

Wie nicht anders zu erwarten, waren die Bedingungen, unter denen die Sklavenarbeiter in der Schlackegrube gehalten wurden, entsetzlich. Der Sin'dor knirschte mit den Zähnen und nahm sich vor, den Unglücklichen so bald wie möglich zu helfen. Doch zunächst war er aus einem anderen Grund hier.
In der Nacht schlich er sich in die Mine hinein und versuchte, mit den Gefangenen zu sprechen. Die Mehrheit von ihnen waren Zwerge, und etliche von ihnen sprachen nur ihre eigene Muttersprache oder waren in einem derart abgestumpften Zustand, dass sie gar nicht mit ihm sprechen wollten.
Stian war sich entsetzlich der wachsenden Gefahr bewusst, in der er schwebte: Mit jeder Ecke, die er in der Schlackegrube betrat, mit jedem neuen Sklaven, den er unendlich vorsichtig ansprach, mit jeder Minute, die er hier länger verbrachte, stieg das Risiko, dass er entdeckt oder gar von einem der Gefangenen verraten werden würde. Doch er machte weiter – irgendetwas musste sich doch herausfinden lassen!

Was er letztendlich herausbekam, war jedoch nicht sonderlich viel. An diesem Ort, wo die gesamte Belegschaft - Sklavenarbeiter wie Wachen -  fast ausschließlich aus Zwergen bestand, wäre eine Sin'dorja aufgefallen wie ein wilder Drachenfalke in Tirisfal. Liliwyn war nicht hier gewesen, soviel wurde dem Schurken relativ bald klar, als er erst einmal in den Tiefen des Gefängnisses den einen oder anderen Unglücklichen gefunden hatte, der bereit war, mit ihm zu reden, und als sich dann auch noch bei allen, die er befragte, die Aussage deckte. Aber, so erfuhr Stian, die Dunkeleisen unterhielten auch Minenoperationen im Blackrock Mountain selbst, und während früher ein durchaus reger Verkehr zwischen den beiden Orten geherrscht hatte, bei dem Gefangene ebenso wie Aufseher aus dem Blackrock in die Schlackegrube kamen und vermutlich auch umgekehrt, war dieser Austausch inzwischen fast völlig zum Erliegen gekommen. Bei den  Neuankömmlingen der letzten Zeit handelte es sich immer um Feinde, die in den Scharmützeln im Grenzland zwischen der Sengenden Steppe und Loch Modan gefangengenommen worden und ohne Umweg über die Minen im Schwarzfels direkt hierher gebracht worden waren. Aus dem Blackrock selbst: gar nichts mehr. Irgendetwas schien dort vorzugehen, und Stian, der als Blutelf unter all diesen Zwergen selbst auffiel wie ein Drachenfalke in Tirisfal und sein Glück hier schon mehr als überstrapaziert hatte, zog sich mit einiger Mühe und unter größter Vorsicht aus dem Gefängnis zurück und machte sich auf den Weg.

Den riesigen Lavaspinnen, die in der Sengenden Schlucht ihr Unwesen trieben, konnte er größtenteils ausweichen oder wurde schnell mit ihnen fertig, und so erreichte der Sin'dor kurz vor Morgengrauen den Schwarzfels. Den Tag verbrachte Stian gut versteckt in der Nähe des Eingangs, schlief und sammelte Kräfte im Vertrauen darauf, dass Boneshade und Jinn ihn warnen würden, sollte sich eine Gefahr nähern.
Als es dunkel geworden war, stärkte der Schurke sich mit Brot und kaltem Braten, dann streichelte er den Worgwelpen und gab seinem Pferd einen liebevollen Klaps auf den knochigen Hals. "Wartet hier auf mich", befahl er beiden Tieren. "Jinn, du passt auf meine Sachen auf, ja?" Denn seine Schlafrolle, die Satteltaschen und ihren Inhalt nahm er wie immer nicht mit, sondern hatte sie mit Boneshades Sattel und Zaumzeug zu einem ordentlichen Stapel aufgeschichtet und mit Geröll und Gestrüpp so gut es ging getarnt.

Den Weg in die Blackrock-Spitze kannte Stian ja von seinem Ausflug damals, als er Jinn gezähmt hatte. Doch nun wandte er sich in die andere Richtung, in die Tiefen des Berges hinein, wo weder Orcs noch Oger hausten, sondern die Darkirons lebten.
Das Gebiet der Dunkeleisen begann mit einer weitläufigen Mine, in der - ganz ähnlich wie in der Schlackegrube - mit Horden von Sklavenarbeitern ausgedehnte Bergarbeiten betrieben wurden. Doch diesen Gefangenen ging es deutlich schlechter als ihren Leidensgenossen draußen in der Brennenden Steppe: Sie sahen elender aus, arbeiteten fast rund um die Uhr und wurden schärfer bewacht. Stian fand kaum eine Chance, mit ihnen zu sprechen; zu dicht hingen den Inhaftierten die Wachen auf den Fersen. Trotz allem gelang es Stian, das eine oder andere Wort zu wechseln und einige wenige Informationen aufzuschnappen: Es wurden ständig neue Gefangene tiefer in den Berg gebracht, sehr viele sogar, und nicht nur Zwerge, sondern Angehörige aller Völker. Und diese kamen nicht mehr zum Arbeiten heraus, wie das früher der Fall gewesen war, sondern blieben verschwunden.  Was es auch war, was dort drinnen mit ihnen passierte, die Dunkeleisen machten diese Gefangenen offensichtlich nicht, um ihre Minenarbeiten zu beschleunigen…

Und was es auch war, in Stian verdichtete sich immer mehr das Gefühl, dass er auf der richtigen Spur war, dass genau dies auch Liliwyn geschehen sein musste.
Aus den unglücklichen Zwangsarbeitern war ohnehin nichts weiter herauszubekommen, also arbeitete der Sin'dor sich weiter in den Berg hinein. Durch enge Gänge schlich er, vorbei an unzähligen Wachleuten und einem vor einer besonders engen Stelle patroullierenden, ziemlich furchteinflößenden Flammenwesen, einem Feuer-Elementar offensichtlich, der, wie Stian flüchtig hörte, von den Zwergen 'Aufseher Pyron' gerufen wurde, dessen glühender Aufmerksamkeit der Schurke aber glücklicherweise entging. Am Ende dieses Ganges befand sich ein aus dem rohen Stein gehauener Torbogen, und hinter diesem lag die eigentliche Stadt der dunklen Zwerge.
Oder besser, dort lag zunächst einmal ein weiterer Gefängnistrakt. Zu seiner Linken konnte Stian ein schmiedeisernes, fest verschlossenes Tor sehen, das wohl in die zivileren Gefilde der Darkiron-Stadt führen musste. Vor ihm erstreckte sich eine weitläufige Höhle, in der Aufseher mit ihren Hunden patrouillierten und Gruppen von zwergischen Soldaten Wache standen. Mehrere schlecht beleuchtete Gänge führten von der Höhle fort; auch dort gingen Dunkeleisenzwerge auf und ab. In einem der Gänge hingen Käfige von der Decke, zum Teil leer, zum Teil mit hohläugigen Gefangenen besetzt.

Der Schurke verschmolz förmlich mit den Schatten, während er seine Optionen überdachte. Dann sondierte er seine Umgebung und passte den Moment ab, in dem alle Wachen sich gerade anderswo befanden oder anderswo hinsahen, ehe er geduckt und eng an die Wand gedrückt zu dem ersten der Käfige huschte.
Dessen Insasse lag reglos da und reagierte auch nicht, als Stian ihn leise ansprach. Der Sin'dor sah genauer hin und stellte fest, dass es diesem Zwerg gar nicht mehr möglich war, zu reagieren. Tote Augen stierten leer zu ihm herab. Oh verdammt… Mit einem Seufzer und einem leisen Kopfschütteln wandte der junge Elf sich zum Käfig daneben. Darin befand sich ein Mensch, der trotz seines abgemagerten Zustandes definitiv noch lebte, denn er spuckte nun trocken aus und bedachte Stian mit einem Blick, in dem alles Misstrauen und alle Erschöpfung dieser Welt lagen.
"Und was willst du, Blutelf? Soll ich vielleicht die Wachen rufen, dass sie dich anhören?"
"Was ich will?" Stian sah sich angewidert um und knurrte. "Den Darkirons das verdammte Handwerk legen. Euch alle hier rausholen. Aber zuerst brauche ich Informationen. Eine braunhaarige Sin'dorja... Blutelfin - die Haare ein etwas helleres Braun als meine, aber mit einer gewissen Ähnlichkeit im Gesicht - war sie hier? Sie hätte Jägerkleidung getragen, vermutlich bequemes Leder, aber mit Kette besetzt. Vielleicht lief zu der Zeit auch ein Luchs hier herum... Wobei, vermutlich nicht", murmelte der Schurke dann, "er hätte nicht zugesehen, wie seine Herrin gefangen genommen worden wäre, sie muss ihn draußen gelassen haben... Wie dem auch sei: Habt Ihr so jemanden gesehen?"
Der Gefangene spuckte wieder aus, oder versuchte es, denn erneut blieb der Käfigboden vor ihm trocken.
"Hier gibt’s einige von eurer Sorte, Elf. Und so verrückt, wie du bist, hierherzukommen, gibt es vermutlich bald einen mehr."

Verrückt? Ja, vermutlich war es verrückt. Doch der Sin'dor befand sich im Griff seiner Wut über das, was er hier sah, über das, was man Lili angetan hatte, und es war ihm in diesem Moment herzlich gleichgültig, ob es verrückt war.
"Ihr habt also niemanden gesehen, der so aussah?"
"Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wie ich sagte, es kommen viele Gefangene hier vorbei. Auch Langohren dabei. Tiefer hinein in den Berg. Raus kommt kaum mehr einer. Vielleicht haben sie Glück, dass sie nicht hier sind, wo wir sind. Aber vielleicht haben auch wir das Glück, dass wir nicht dort sind. Irgendwas machen die da drin mit denen." Der Mann hustete heister. "Glück. Pah." Wieder versuchte er auszuspucken. "Ich habe nicht mehr lange, dann verrecke ich. Und ich hoffe nur bei allem, was mal recht war, dass es jemand diesen Bastarden heimzahlt. Aber was willst du eigentlich von dem Mädel, hm? Deine Geliebte? Wenn sie hier ist, lebt sie nicht mehr. Oder wünscht sich, sie würde nicht mehr leben. Du bist besser dran, wenn du dich an sie erinnerst, wie sie war. Glaub mir."
"Meine Schwester", knurrte Stian leise, aber heftig. "Und ich will wissen, was mit ihr geschehen ist. Und ja, ich will die Bastarde büßen lassen."
"Tja, viel Erfolg, Langohr." Das klang alles andere als ernst gemeint. "Falls du die Kerle erwischst, denk an mich, wenn du sie umbringst. Arrius Valen heiß' ich."
Der Schurke nickte. "Stian Skyggvandre. Und das werde ich tun. Aber ich hoffe, ihr Leute haltet durch, bis ich wiederkomme - ich bringe Verstärkung und hol' euch hier raus..."
Arrius Valen hatte sich schon abgewandt. "Sicher, Elf. Sicher. Das tust du. Ich werd' mich nicht drauf verlassen, wenn's dir nichts ausmacht."
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!