Jo und abgesehen davon, dass es ja in der Tat eine Geschmacksfrage ist, finde ich es recht bemerkenswert, dass zu Anfang unterstellt wird Spieler komplexer Systeme glauben, dass auf diese Weise die reale Welt komplett simuliert würde. Dieses Thema ist doch schon so alt, dass eigentlich so ziemlich jeder schon davon gehört haben sollte, dass es ja immer nur um eine gewisse Annäherung geht, also einen angemessenen Grad von Realismus, Vereinfachung aber für ein Spielsystem immer notwendig ist.
"Ich bin froh das [...] immer mehr grobkörnige Systeme raus kommen, die alles in allem immer noch recht sinvoll versuchen bestimmte wahre Abläufe abzubilden"
Dess es "recht sinnvoll" ist, bzw. sein kann, bestimmte Mechanismen stark zu vereinfachen, ist ja grundsätzlich durchaus richtig - abhängig vom jeweiligen Fall.... Aber <wann> es "einfach genug" ist und <wann> es "zu einfach" ist, wäre ja dabei die entscheidende Frage...
Was dann "wahre Abläufe" sind, ist sowieso ne gute Frage, durch stärkere Vereinfachung (Abstraktion) werden Sachverhalte jedenfalls nicht "wahrer" im Sinne von näher an der wahrgenommenen Realität...
Für mich entscheidend ist, dass es je nach Setting auch unterschiedliche Anforderungen gibt.
Sehr einfache, abstrakte Systeme mit wenig Regeln sind manchmal geradezu notwendig... Wenn ich z.B. ein "cartoon"-style Setting spielen will, sollten die Regeln schnell&simpel laufen und komödiantische Interpretation begünstigen, während Realismus bewusst außen vorbleibt und stattdessen Übertreibung, bzw. comic-haftes Klischee vorherrscht
In einem dreckigen, düsteren Thriller-Setting Anfang der 1920er-Jahre, würde ich andererseits ne recht gute Simulation der damaligen Verhältnisse haben wollen, also z.B. was für Autos und Waffen gab es und was sind z.B. die Auswirkungen auf einen Menschen wenn er von einer .44er getroffen wird im Kontrast dazu wenn es nur nen .22er-"Mini-Kaliber" war (nen recht großer Unterschied). Wenn das Setting dreckig und tödlich ist, sowie dem historischen Hintergrund entsprechen soll, kommt es IMHO auch darauf an, dass bei bestimmten Sachen etwas genauer hinzusehen, um eine plausible Darstellung dieser Welt zu ermöglichen. (und klar, es wäre auch grundsätzlich in regelarmen Systemen möglich, sowas mittels "handwaving" irgendwie hinzubiegen, aber dann wird alles sehr stark abhängig von der SL-Willkür)
Am schönsten ist es dann halt wenn man ein flexibles, universelles System nehmen kann, wo man möglichst weitgehend dem Setting/Spielstil entsprechend die Komplexität verringern oder erhöhen kann
[auch wenn wohl kein System 100% des Spektrums wirklich sehr gut abdecken kann, kommt man doch z.T. sehr, sehr weit...]