Uri Caine ist Jazzpianist und hat sich mit Klassikadaptionen einen Namen gemacht. Er knöpft sich irgendein größeres Werk vor, verwendet ein paar Bestandteile und Formideen, baut Jazzpassagen ein bzw. verjazzt das Original und schiebt ein paar elektronische und / oder avantgardistische Elemente dazwischen.
Sein Othello (nach der Oper von Verdi, von 2008) lässt mich etwas ratlos zurück. Die emotionaleren Momente sind sehr süßlich geraten, andere scheinen ohne jeden Zusammenhang zu sein und fallen auseinander, Verdis Original klingt manchmal durch... und nicht immer passt die romantische Opernharmonik zu den Jazzklängen... vielleicht soll das so sein, aber ich kann´s oft nicht goutieren. Am seltsamsten ist aber, dass über das ganze Album hinweg Vokalisen verwendet werden, die stets im Hintergrund bleiben. Es klingt so, als seien in jedem Track irgendwelche Geisterstimmen zu hören, die leise zur eigentlichen Musik dazuhauchen.
Wenn ich mich für einen Track entscheiden müsste, wäre es die Mordszene. Bei Shakespeare und Verdi bezichtigt der rasend eifersüchtige Othello seine Desdemona der Untreue, schenkt ihren Unschuldsbeteuerungen keinen Glauben und erdrosselt schließlich die, die er liebt.
Bei Uri Caine ist in diesem Moment von Verdis Musik nichts mehr übrig. Es ist die avantgardistischste Nummer des Albums. Sie beginnt sehr geräuschhaft, mit leisem elektronisch verfremdetem Gesang und Blubbern, dann erklingen ein paar fragmentartige, zerrissene Klavierläufe. Menschen sprechen, eine Geige und eine Klarinette spielen ein paar einzelne Klänge. Der Bezug zur Handlung bleibt rätselhaft. Erst im letzten Moment werden die Elemente verdichtet, die Klarinette wiederholt einen penetranten, hohen Ton, der ebenfalls hohe, flirrende Akkord im Klavier klingt vielleicht nach einem Schrei, der leiser werdende, pulsierende elektronische Klang am Schluss mag Desdemonas Ersticken darstellen.
Ich mag die Nummer, gerade wegen ihrer Rätselhaftigkeit. Die Handlung erscheint hier für mein Verständnis nur noch als Anlass für einen gegenwärtigen Kommentar von Musikern und Publikum. Über diese Metaebene vermeidet Caine recht geschickt irgendwelche platten Klischees, die anderen Musikern möglicherweise zu Mordszenen einfallen könnten.
Uri Caine Ensemble: Murder (Othello)