Jamie T. hatte 2006 mit "Sheila" seinen Durchbruch. Der Song erzählt:
- von einer Frau, die in der Themse ertrinkt
- von einem Drogendealer, der in einem Schusswechsel stirbt
- von einem Mädchen, das an einer Überdosis stirbt.
Ein Teil der Story über die Frau in der Themse stellt den Refrain dar. Wir hören, dass Sheila betrunken und über die Männer schimpfend nachts durch London schwankte. Wir erfahren auch, dass der Tod der jungen Frau niemanden interessiert hat.
So weit, so schlimm... interessant finde ich zunächst, dass dieser Refrain auch nach den anderen Minitragödien erklingt. In gewisser Weise ist Sheilas Geschichte also exemplarisch für den ganzen Mist, der sich eben immer wieder ereignet: Ohnmacht und Einsamkeit, so lässt sich vielleicht sagen.
Wer in die Strophen hineinschaut, sieht noch mehr. Jamie T. zeigt uns, dass die Katastrophe allein nie die ganze Wahrheit ist.
Wir erfahren, dass Sheila um Anerkennung gekämpft und ein handfestes Alkoholproblem hatte.
Wir erfahren, dass dem Drogendealer die Frau weggelaufen ist und er alleinerziehender Vater war.
Wir erfahren, dass das Mädchen sich eine Weile gegen seinen Vater gewehrt hat, der es so lange im Rausch mit seinem Gürtel verprügelt hat, bis er an einem Herzinfarkt gestorben ist. Statt sich befreit zu fühlen, hat sich das Mädchen daraufhin mit Drogen umgebracht.
Und die Musik?
Wir hören einen gutgelaunt rollenden Beat mit ein wenig Ska-Einschlag und einer Art Kirmesorgel, die vielleicht etwas allzu angestrengt eine nicht enden wollende Groove-Schleife vor sich hin dudelt. Die vier Akkorde in wohlbekannter Folge (I-VI-V-IV) verstärken den Eindruck eines Gute-Laune-Songs, der aber eben auch reichlich simpel gestrickt und einfach ein bisschen doof ist... vielleicht so wie die Typen, die an Bob Hoskins vorbei an der Themse entlang spazieren und alle ihre eigenen Tragödien erleben, die sich aber nie mit anderen darüber austauschen und deshalb in Gefahr laufen ähnliche Schicksale wie Sheila zu erleben.
"Sheila" ist ein bitterer Song über einsame, verstummte Menschen, über die sonst niemand spricht.
Jamie T.: Sheila