Ich mache mal wieder das Spielchen "Originale neu hören". Diesmal mit "Light my fire" von den Doors.
Habe ich schon ewig nicht mehr aufgelegt. Und bewusst zugehört habe ich dem Song vielleicht noch nie.
Also los, ich starte mit dem Text.
Zunächst fordert Morrison ein Mädchen zu gemeinsamer Extase auf, die Metapher dafür ist das entzündete Feuer. Warum? Nicht nur, weil es eine heiße Angelegenheit ist. Das Feuer besitzt auch eine verzehrende Kraft, die alles zu Asche verbrennt. Dadurch wird der Song auch zum Statement gegen Spießerroutine. Es wird vom intensiven Leben und der schnellen Extase gesungen. Darin schwingt aber bereits das Ende mit, denn nach der Aufforderung zur Extase ist vom Scheiterhaufen (funeral pyre) der Liebe die Rede. Das Ganze ist natürlich sehr Sechziger Jahre, auch ein bisschen einfach, ein bisschen albern, ein bisschen pennälerhaft. Interessant finde ich aber, wie die Gefahr bezeichnet wird: "No time to wallow in the mire". Das ist der Gegenentwurf zur brennenden Extase: Suhlen im Morast. Ein schönes Bild, wie ich finde: Der Morast hält seine Opfer gerne fest, er ist feucht und klebrig, oft auch kühl, in vielerlei Hinsicht das Gegenteil vom Feuer. Dennoch ist der Morast ein Bild, das auch eine positive Interpretation erlaubt: Wie ist das beispielsweise mit den Schweinen, die sich gern im Schlamm wälzen? Da geht es um die Kühlung, die der Schlamm verschaffen kann. Bei der Frage "Feuer oder Schlamm?" hängt wohl auch viel von der Umgebungstemperatur ab, der jemand ausgesetzt ist.
Und die Musik? Das Intro finde ich knackig: Kurz, auf den Punkt, einigermaßen originell, wesentliche Bestandteile des Songs werden vorweggenommen: Ein Erkennungszeichen.
Dann kommen zwei Strophen und Refrains. Es ist bereits der gesamte Text, der am Ende lediglich noch einmal wiederholt wird. Wie ein Jazzthema. Ansonsten ist das musikalisch gesehen ein ziemlich normaler Song. Die Strophen pendeln etwas minimalistisch zwischen zwei Akkorden, der Refrain bringt als Kontrast dazu ein bisschen Bewegung. Die nudelnde Orgel nervt mich etwas, ist aber Geschmackssache.
Im Zentrum des Songs stehen aber zwei lange Soli.
Das Orgelsolo ist absolut klassisch aufgebaut, fast wie aus einem Rezeptebuch: minimalistischer Beginn, Steigerung durch Erweiterung des Tonraumes, gegen Ende quasi-Extase durch Aufbrechen des Grundtempos (durch Triolen). Ich habe ein paar Liveaufnahmen des Songs gehört. Ray Manzarek hat dieses Solo immer wieder gleich - oder doch fast gleich - gespielt. Das passt zum Klangeindruck. Hier hat jemand versucht ein perfektes Solo zu komponieren und ist dann dabei geblieben.
Das Gitarrensolo endet auch mit einem Aufbrechen des Grundtempos durch Triolen. Bis es aber soweit ist, unterscheidet es sich doch ziemlich stark vom Orgelsolo: Es ist ziemlich fragmentartig, vertraut mehr auf den spontanen Einfall, probiert auch ein paar Spieltechniken aus (Slides, parallel hin und hergeschobene Doppelgriffe). Folgerichtig unterscheidet sich dieses Solo bei den Liveaufnahmen auch stärker. Robbie Krieger improvisiert. Sein Solo läuft nicht in Gefahr auseinanderzufallen, weil seine Ideen doch recht begrenzt sind, außerdem werden sie auch durch die als Backing dazu dudelnde Orgel zusammengehalten.
Nach Abschluss der Soli erklingt erneut das Intro - etwas ungewöhnlich, etwas Come together, etwas mehr als 7 Minuten eben. Das Erkennungszeichen signalisiert uns: Jetzt kommt der ganze Song nochmal. Unverändert? Nein, die beiden Strophen sind vertauscht. Diesmal beginnt der Song mit dem Scheiterhaufen und endet mit dem extatischen Feuerzauber (und einem letzten, abschließenden Intro). Diese Spiegelung zeigt für mein Verständnis, dass diese Extase in zyklischen Verläufen immer wieder zu bekommen ist. Fire und funeral pyre folgen stetig wiederkehrend aufeinander. Ein bisschen Phönix, Wiedergeburt, Transzendenz, ein bisschen Unendlichkeit also. Insgesamt wirkt das auf mich heute zwar etwas wie Klangschalen aus dem Esoterikshop, aber ich lebe auch in einer anderen Zeit und ich mag immerhin, dass Morrison für seine "großen Ideen" so einfache Mittel verwendet. Manchmal mag ich sogar diesen naiv-sympathischen Mystizismus ...manchmal allerdings sehne ich mich auch mal nach einem kühlen, feuchten Schlamm.
The Doors: Light My Fire