Ich höre "The Blank Generation" von Richard Hell & The Voidoids, einen der großen, ikonischen Generationensongs der Rockgeschichte.
Auch wenn die Harmonien einfach nur aus einem weiteren Aufguss der andalusischen Kadenz besteht (wie z. B. auch "Hit the road, Jack"), wartet der Song mit ein paar interessanten Extras auf:
- dieser weitgehend vom Takt befreite, schrille Sprechgesang. Richard Hell klingt, als würde er sich nur schwer in die Songstruktur einpassen lassen und stehe ständig kurz davor, in Panik zu verfallen.
- eine schwer dissonante Lead-Gitarre, die in ihrem kurzen Solo die ganze Krankheit der Moderne zum Ausdruck bringt
- und dann natürlich der Text. Er handelt davon, dass für den Sänger das Leben eigentlich schon von Geburt an verloren war, weil er niemanden gekümmert hat. Selbst der Arzt nennt ihn bei seiner Geburt: "God's consolation prize!" Im Refrain wird das auf seine gesamte Generation bezogen, eine Generation der Leere, die niemanden kümmert, die deshalb aber auch machen kann, was sie will und sich daher leicht aus der Realität verabschieden kann, wenn ihr danach ist ("I can take it or leave it each time"). Richard Hell ist so cool, dass er sogar seine Band eine Pause machen lässt, wenn er "blank" singt. Und später lässt er selbst das Wort auch weg. So entsteht eine kleine Leerstelle, wenn er über die leere Generation singt.
Ich finde Generationensongs spannend. Musiker machen eine Aussage über ihre Sicht auf die Generation, in der sie aufwachsen. Bei "The Who" steht die Absage an das Establishment und der Ausstieg aus dem Spießertum im Zentrum. Die Zeichen stehen auf Rebellion. ("My Generation", 1965), Richard Hell geht es weniger um die Aggression. Er ist bereits Außenseiter von Geburt an und äußert eine hysterische Art von Freude darüber, dass er sich den Spießern immer wieder entziehen kann. ("The blank generation", 1975). Vierzehn Jahre später veröffentlichen The The mit dem Song "The beat(en) generation" die Klage über eine phantasielose Jugend, die von Vorurteilen, engstirnigen Idealen und Falschinformationen geprägt ist. Eine Generation, die sich zwar eigentlich ganz gern um den schlechten Zustand der Welt kümmern möchte, die aber stattdessen so sehr Teil von ihr ist, dass sie dazu gar keine Möglichkeit hat. Von Ausbrechen ist keine Rede mehr, auch die brave Popmusik mit dem dezenten Retroswing spiegelt das nicht wieder. Es ist schon schwer genug, die Augen aufzumachen und Ideen zu entwickeln. Der Song gipfelt in den Worten: "But can you still walk back to happiness / When you've nowhere left to run?" Das war im Prinzip eine Kapitulation - die Kapitulation meiner Jugend.
Und heute? Gibt es neue Generation Songs? Ich werde mich mal auf die Suche machen.
The Who: My generationRichard Hell & The Voidoids: The Blank GenerationThe The: The Beat(en) Generation