Objektive Kriterien für Bennie-Vergabe?
Ich weigere mich nur, das irgendwie als Mittel zur Dramaturgieförderung oder als bewusstes Steuerungsinstrument ("das war ja eigentlich einen Bennie wert, aber weils jetzt spannend werden soll gibt es keinen") zu benutzen.
Mit "das war ja eigentlich einen Bennie wert, aber weils jetzt spannend werden soll gibt es keinen" implizierst Du, daß es irgendwelche OBJEKTIVEN Kriterien gibt, nach denen man als Spielleiter AUF JEDEN FALL sagen kann, ob etwas einen Bennie wert ist, oder ob nicht.
Gäbe es diese OBJEKTIVEN Kriterien, und würde der Spielleiter den nach diesen Kriterien dem Spieler eigentlich ZUSTEHENDEN Bennie verweigern, dann würde der Spielleiter BESCHEISSEN!
Interessanterweise sind mir solche "objektiven Kriterien" zur zweifelsfreien Bennie-Zuweisungsentscheidung NOCH NIE untergekommen.
Keine Regeln nur EMPFEHLUNGEN für die Bennie-Vergabe
Auch in den Regeln gibt es nur Empfehlungen, die einem Spielleiter helfen sollen so nach und nach DAS GEFÜHL für die FÜR SEINE RUNDE PASSENDE Bennie-Vergabe zu entwickeln. - Empfehlungen, KEINE hart belastbaren Regeln, keine unbestreitbaren Kriterien, kein ZWANG und keine PFLICHT zur Bennie-Vergabe.
Und das ist auch gut so!
Denn wenn man sich mal die vielen verschiedenen Genres anschaut, in denen SW funktioniert, so sieht man allein schon über das jeweils unterschiedliche Genre KRASSE Unterschiede an ZAHL und an SITUATIONEN für Bennie-Vergaben.
Zwei 30er-Jahre-Settings - immer dieselben Bennie-Vergabe-Kriterien?So bekommt man bei Daring Tales of Adventures die Bennies nur so nachgeschmissen, weil die Charaktere Über-Helden sein sollen UND die Spieler zu mehr Style-over-Substance-Aktionen mit hohem Risiko (gemildert durch die allzeit verfügbaren Bennies) motiviert werden sollen.
Bei Realms of Cthulhu bekommt man hingegen nicht nur weniger Bennies (je nach Härtegrad der Kampagne), sondern die Bennies sind auch noch in ihrer Funktion beschränkter als üblich.
Ein 30er-Jahre-SC könnte in BEIDEN Settings, also in DTA und RoC, DIESELBE durchaus kinomäßig coole Aktion durchgeführt haben. - Bekommt er dann in BEIDEN Setting dafür einen Bennie?
NEIN!
Solch ein Stunt ist in DTA PASSEND und in RoC mehr als nur FEHL am Platze. - Daher ist im ersten Falle DIESELBE Aktion einen Bennie wert, im anderen nicht. Hier wird die Bennie-Vergabe STEUERND auf das Spielen entlang der Genre-Konventionen eingesetzt.
Genre-Konventionen und Bennie-VergabeGäbe es nur genau EINE EINZIG "RICHTIGE" Bennie-Freigabe-Möglichkeit, die besagt, daß ein Charakter IMMER, wenn er Stunt XYZ ausführt einen Bennie bekommen MUSS, dann wären die Aussagen, daß SW "nur Pulp" unterstützt vermutlich sogar zutreffend.
Wie sehr sich das Spiel in einer Runde entlang der Genre- und der Setting-Konventionen bewegt, das ist per Bennie-Fluß-Steuerung ganz bewußt lenkbar.
In beiden obigen 30er-Jahre-Settings gibt es jeweils ANDERE Gründe Bennies zu vergeben. Qualitativ andere, die aus den Genre-Konventionen (Pulp-Action-Kino vs. Pulp-Horror-Kurzgeschichten) und den Setting-Konventionen (DTA impliziert eine bestimmte "saubere" 30er-Jahre-Schwarz-Weiß-Kinowelt, Realms of Cthulhu in der harten Form impliziert eine "dreckige" und "verzweiflungsreiche" Welt der Chancenlosen und Bedeutungslosen) erwachsen.
Allein schon hier an diesem recht einfachen Beispiel zeigt sich die STÄRKE von SW als generisches Regelsystem. - Hätte es HARTE Regeln für Bennie-Vergabe, so müßten diese bei jedem Setting aufwendigst angepaßt werden und - ganz wichtig - ALLE ERDENKLICHEN Situationen abdecken. - Durch die Verlagerung der Ad-Hoc-Anpassung auf die Person in der Rolle, welche in klassischen Rollenspielen sowieso IMMER SCHON für solche Feinabstimmungen im Spielverlauf zuständig ist - den Spielleiter - erlangt SW erst die für diese erwiesenermaßen breite Genre-Abdeckung notwendige Flexibilität.
Der Spielleiter als "Bühnenbildner" und "Regisseur"
Es ist der SPIELLEITER, der letztlich mittels seiner BEWUSSTEN Steuerung des Bennie-Flusses aus JEDEM Setting etwas anderes für seine Gruppe herausholen kann. So kann man Sundered Skies mit einem pulpigen "Regen" an Bennies spielen und macht daraus ein risikoarmes, nicht wirklich düsteres Abenteuer-Setting. Oder man bietet statt eines steten, mächtigen Stroms an Bennies nur ein Rinnsal an, so daß jede einzelne Aktion, die tatsächlich mit einem Bennie belohnt wird, UMSO MEHR HERAUSSTEHT, mit der Folge, daß das gesamte Setting weit härter und brutaler rüberkommt und die Spieler VIEL VORSICHTIGER mit ihren Charakteren umgehen müssen.
NATÜRLICH ist das eine BEWUSSTE Steuerung!
Was sonst?
Kommunkation der Vorstellung von der SpielweltWer eine Settingbeschreibung liest, der filtert sie, der entwickelt eine eigene Vorstellung davon. - Als Spielleiter, der die gesamte Welt den Spielern zu spielen hat, INTERPRETIERT man daher IMMER die jeweilige Spielwelt nach der eigenen Vorstellung. Und hier kommt es zur KOMMUNIKATION mit den Spielern. - Man gibt via Bennies für bestimmte Dinge, die in die Vorstellung des Spielleiters zur Spielwelt passen, positives Feedback und sagt: "Genau so stelle ich mir das hier vor. Weiter so!". Das führt dazu, daß die Spieler auf die individuelle Interpretation der Spielwelt dieses einen Spielleiters "einschwingen". - Bei einem anderen Spielleiter liegt dessen Interpretation der Spielwelt SICHER anders und man kann als Spieler NIE davon ausgehen, daß man von dem anderen Spielleiter für dieselben Aktionen, für die man bei dem einen Bennies bekommen hat, nun auch welche erhält.
Die Bennie-Vergabe ist HOCHGRADIG SPIELLEITER-INDIVIDUELL.
Das ist ein Teil des Kommunikations-Stils des Spielleiters mit seiner Gruppe.
Durch diese SL-individuelle Art der Bennie-Vergabe bringt der Spielleiter die Spieler auf SEINE Linie.
Auch der Spielleiter möchte seinen Spiel-Spaß haben!Hier kann man jetzt mit der forge-geprägten Anti-SL-Ideologie kommen und herumweinen, oder man kann auch einfach mal akzeptieren, daß AUCH DER SPIELLEITER seinen Spaß aus SEINER Kampagne ziehen möchte. Und um dies zu tun, möcht er, daß die Aktionen der Spieler/SCs in SEINER Spielwelt zu SEINER Vorstellung der Welt passen. Ein Spielleiter ist kein interessensloser, willenloser, willfähriger Spielerwünscheerrater und -erfüller. Er ist ein MITSPIELER, der auch auf SEINE Spaßfaktoren Wert legt.
Und um nun die ganze Arbeit, den Aufwand, den ein SL auch bei SW immer noch betreibt, um DIE GESAMTE WELT den Spielern zur interaktiven Bühne zu machen, nicht von vorneherein zu entwerten, ist es eine SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT, daß der SL ein INTERESSE daran hat, SEINE Welt mit SEINER Kampagne auf SEINE Weise bespielen zu lassen.
Ein Beispiel:
Sieht der Spielleiter seine Interpretation des Weird-West-Settings in DL:R so, daß die SCs als HELDEN gegen die Schreckensbringer der Abrechner gestellt werden, um den Untergang der Welt, wie wir sie kennen, zu verhindern, dann wird er entsprechende Aktionen BELOHNEN.
Wenn nun die Spieler aber anfangen Leute zu verängstigen, zu foltern, zu quälen, den Outlaw-Trail zu reiten, und letztlich den Abrechnern in die Hände zu spielen, dann ist das NICHT das, was dem Spielleiter SEINEN Spaß mit dem Weird-West-Setting bietet. Eher im Gegenteil. Es macht ihm UNSPASS - Mißvergnügen, schlechte Laune. Er WILL NICHT nur NSCs zum Foltern, Vergewaltigen und Quälen spielen, sondern möchte die SCs als HELDEN sehen.
Hier ist KOMMUNIKATION mit den Spielern angesagt. - Man kann und SOLLTE als Spielleiter direkt ansprechen, wenn einem etwas nicht paßt, was die Spieler veranstalten. Und umgekehrt sollten die Spieler direkt ansprechen, wenn sie die Welt anders sehen bzw. haben wollen, als der Spielleiter.
Aber nicht immer sind die Differenzen so groß, daß man die Runde abbrechen muß, daß man sie umbesetzen muß, daß ein MITEINANDER nicht mehr geht.
Für das FEIN-Abstimmen bei grundsätzlich vorhandenen GLEICHARTIGEN Interessen, braucht es nicht ständige "gruppentherapeutische Gesprächskreise", sondern das steuert der Spielleiter als GRUPPENFÜHRER via Bennie-Fluß-Steuerung problemlos auch ohne viele Worte machen zu müssen.
Der Spielleiter als GruppenführerDa der Spielleiter der GRUPPENFÜHRER ist, hat er eben auch die Moderationsverantwortung hinsichtlich der Kommunikation in der Gruppe, hinsichtlich der Teilhabe ALLER Gruppenmitglieder an den Aktivitäten.
Und hier wären nämlich ebenfalls HARTE Kriterien für die Bennie-Vergabe FEHL am Platze!
Der wenig extrovertierte Spieler, der sich nach etwas Zögern zu einer Dialog-Szene überwindet, die "objektiv" vielleicht nichts Besonderes war, die aber FÜR IHN viel Mut erfordert hat, bekommt NATÜRLICH vom Spielleiter einen Bennie. Und zwar nach den GRUPPPENSPEZIFISCHEN, den INDIVIDUELLEN Kriterien, die für solch ein Engagement trotz in der Persönlichkeit des SPIELERS liegenden Hemmnissen einfach positives Feedback selbstverständlich vergeben lassen.
Das ist die Verantwortung des Spielleiters als Gruppenführer. Er KENNT seine Spieler, er REDET mit seinen Spielern. Und er sorgt dafür, daß auch weniger eloquente, weniger reaktionsschnelle, weniger findige Spieler IHREN ANTEIL am GEMEINSAMEN Spiel bekommen.
Und um bei SW seinen Anteil am Spiel zu haben, BRAUCHEN auch diese Spieler die Bennies für ihre SCs!
Wider das "Leistungsspiel"Daher lehne ich die hier im Thread mit vielen "+1"-IDIOTEN-Posts unterstützte LEISTUNGSFORDERUNG einfach grundsätzlich ab!
Ich betreibe KEINEN "Leistungssport", bei dem nur "objektive Hochleistung" mit "Bennie-Incentives" belohnt wird!
Ich spiele ZUSAMMEN mit meinen Spielern! Daher ist Leistung KEIN THEMA!
Und daher werde ich auch weiterhin für "objektiv" mäßige Ideen, Aktionen, Szenen Bennies vergeben, wenn ich das für richtig halte. - Einfach weil ich den betreffenden Spieler kenne, weil ich es aufgrund meiner Vertrautheit mit dem Spieler für angebracht halte hier positives Feedback zu sorgen. - Und ich werde auch weiterhin für noch so flüssige Szenen, eloquente Dialoge, usw. von Spielern, die damit keinerlei Schwierigkeiten haben, KEINE Bennies vergeben, weil das einfach FÜR GENAU DIESE SPIELER nichts Besonderes war.
Die "Meßlatte" für die Vergabe eines Bennies wird NICHT allein an in-game-Details, NICHT allein am "Unterhaltungswert" einer Aktion, NICHT allein aufgrund der Persönlichkeit des Spielers und des Sozialgefüges der Gruppe festgesetzt. - Sie ist eine dynamische Größe, die HOCHKOMPLEXE Einflüsse als GESAMTEINDRUCK, als GEFÜHL zusammenfasst.
Stimmt das Gefühl, dann gibt es einen Bennie.
Die Verfechter "pseudo-rationaler" Bennie-Vergabe nach neoliberaler Leistungsdenke sind hier auf einem geradezu UNMENSCHLICHEN Holzweg. So, wie von den Beitragenden und ihren "+1"-Papageien präsentiert, möchte ich mich in einer Gruppe, die sich gemeinsam zum Spielen trifft, NICHT behandeln lassen.
Ich spiele mit einer Gruppe aus Freunden. Manchmal, wie auf Cons nur "Freunden auf Zeit", aber dennoch IMMER Freunde! - Ich spiele NICHT mit einer Gruppe aus "Leistungserbringern", die sich ihre "Entlohnungsansprüche" in Form von Bennies auszahlen lassen. - Solch eine Einstellung finde ich UNMÖGLICH!