Soweit ich hier die Diskussion verfolgt habe, sprechen folgende Argumente für den Metaplot (ich ordne nach Möglichkeit jedem Argument einen Namen zu, basierend auf meinem sehr subjektiven Eindruck, wer es eingebracht hat bzw. am deutlichsten vertritt):
1. Wirtschaftliches Argument: Der Metaplot verkauft sich gut und hilft dem Rollenspiel DSA, wirtschaftlich zu überleben (TAFKAKB).
- Mag stimmen oder auch nicht. Sicherlich wäre es ein wirtschaftliches Risiko, den Metaplot komplett zu verwerfen und auf eine "Warhammer"-Richtung umzusteigen. So von Verlagsseite keine Notwendigkeit angesichts sinkender Umsatzzahlen o.ä. besteht, gibt es ohnehin keinen Grund zur veränderung: warum eine trächtige Kuh schlachten?
2. Stilvorliebe: "klassisches" Erzählspiel* braucht einen Metaplot zum funktionieren (evtl Teylen).
- Das Argument ist nicht so explizit geäußert, schwingt aber m.E. in einigen Punkten mit. Es stimmt bloß nicht, man kann ohne Metaplot erzählspielen, nämlich dann, wenn der SL - und nicht ein offzieller DSA-Autor - die unausweichliche Geschichte schreibt.
Ob man trotz Metaplot offen spielen kann, ist eine andere Frage (um die sich ja einige Posts drehen). In Grenzen gibt es wohl Möglichkeiten, z.B. durch eine Verhaltene Aufweichung des Metaplots (der AB berichtet nur über das Problem, stellt aber mehrere Ergebnissmöglichkeiten als unbestätige Gerüchte vor, wie in einem Beitrag # 114 von
korknadel vorgeschlagen wird).
Mir würde noch vorschweben, dass Metaplotevents als Abenteuerhintergrundsrauschen in publizierten offenen Modulen verwendet werden - also Abenteuer, deren Ergebnisse zwar keinen bedeutenden Einfluss auf die Spielwelt nehmen, dafür aber die Charaktere und ihr nahes Umfeld betreffen. Beispiel: Im publizierten Abenteuer reist der Kaiser in die Stadt X, wo er einem Attentat zum Opfer fällt. Der AB berichtet darüber, das Ereignis gehört zum Metaplot - aber das publizierte Abenteuer, das zu dieser Zeit in X spielt, nimmt die Ereignisse um den Kaisermord nur als Hintergrundrauschen für eine offene Story um
Kuhdiebstahl
)
in der Region wahr.
(Klar, wäre eine weitere Variante des aventurischen Wasserträger-Helden, aber wenigstens ein offenes Abenteuer!)
Eine dritte Möglichkeit wäre ein offener Wettbewerb mit einer NSC-Gruppe. Der Mord am Kaiser wird aufgeklärt, die Organisation dahinter enttarnt, der AB berichtet. Im publizierten Abenteuer wird eine Timeline veröffentlicht, wann welche NSCs der Stadtwache/KGIA welche Spuren aufgreifen, welche Verdächtigen einkassieren, welche Unterschlupforte aufspüren usw. Ob die Spielercharaktere schneller ermitteln und aufklären als die Stadtwache, ist komplett offen. Keine Deus ex machina, kein Würfeldrehen oder RR nötig - der Metaplot bleibt gewahrt, aber die Handlungend er Spieler haben trotzdem für sie Konsequenzen. Entweder sie sind hinterher Volkshelden oder
Inspector Lestrade.
3. Immersion: Der Metaplot erleichtert dem Spieler die Illusion, sein Charakter habe an wichtigen Entwicklungen Aventuriens teilgenommen (Xemides).
- Hier ist eine Verständnisgrenze zwischen den beiden Parteien wohl einfach gegeben. Anti-Mataplottler sind der Überzeugung, dass dieser "Glaube an die Spielwelt" noch verstärkt würde, wenn die Charakterhandlungen erfolgsabhängig unterschiedliche Ergebnisse in der Spielwelt zufolge hätten, während Metaplottler befürchten, die zunehmende Auseinanderentwicklung des "heimischen" Aventuriens am Spieltisch und des "offiziellen" Aventuriens in den Publikationen würde das Versinken in der Spielwelt erschweren.
4a. Fernsehen: Dank Metaplot kann man mit anderen Aventurien-Spielern einen Kontinent teilen wie eine Fernsehserie. Es besteht, selbst wenn man nicht gemeinsam gespielt hat, eine gemeinsame Geschichte. Man kann zwischen Gruppen wechseln, ohne dass die Serienkontinuität beeinträchtigt wird (Teylen).
- Zugegebenermaßen ein starkes Argument. Wenn man einen Warhammercharakter von einer Gruppe mit zerstörtem Bögenhaven in eine Gruppe mit gerettetem Bögenhaven übertragen möchte, hat man größere Probleme, als wenn es minimale Unterschiede in der "Erinnerung" gibt, wie denn nun genau die "Verschwörung von Gareth" aufgedeckt wurde.
4b) Fernsehen: "Guck mal, ich bin im
Fernsehen Aventurischen Boten!" Ein Spieler fühlt sich "heldenhafter", wenn die Taten seines Charakters in einem überregionalen Medium beschrieben werden - eben im AB, der die Erlebnisse der Charaktere dokumentiert. (Merlin Emrys, der das Problem von verschiedenen Perspektiven beleuchtet.)
- Hier unterscheiden sich die Wahrnehmungen der Anti-Metaplottler und der Metaplottler wieder gewaltig. Der Anti-Metaplottler wendet ein: "Aber wenn man genau darüber nachdenkt, dann wird einem doch klar, dass gerade so ein Bericht im AB ein Beweis dafür ist, dass der Charakter in Wirklichkeit gar nichts gemacht hat, sondern nur Zuschauer einer vorbereiteten Geschichte war. Viel "heldehafter", wenn die tatsächliche Möglichkeit des Scheiterns bestünde." Worauf der Metaplottler erwidern könnte: "Wenn man genau darüber nachdenkt, platzt die ganze Spielillusion ohnehin." (Was stimmt: jedes Setting, über das ich zu lange nachdenke, kommt mir wie eine schlechte Parodie vor - Shadowrun, Vampire, Torg - selbst Earthdawn kann ich nur noch mit starken Einschränkungen "ernst" nehmen, und bei Warhammer 40K versuche ich es garnicht erst.)
4c) Fernsehen: Der Metaplot ermöglicht gemeinsames Tratschen von Spielern unterschiedlicher Gruppen über die Ereignisse und NSCs in Aventurien. Er stellt gewissermaßen eine atmosphärische Aventurien-Soap bereit, über die alle Spieler Klatsch und Tratsch austauschen können. (Der AB als "Aventurische Bravo".)
- ist eine vielleicht abgeschwächte Spielart von 4a). Hier wurde der Vergleich mit Trekkies gezogen, der aus meiner Sicht durchaus seine Berechtigung hat. Allerdings ist es ja nicht so, dass die Spieler von metaplotarmen oder weitgehend metaplotfreien Rollenspielen sich nicht über ihre gemeinsamen Settings oder gemeinsamen Systeme austauschen. Auf Cons kann man ja gelegentlich auch darüber diskutieren: "Was ist denn bei euch während der Enemy Within Kampagne passiert?" (oh Gott ist das schon lange her) oder was macht ihr in Bretonia.
*"klassisches" Erzählspielen in Abgrenzung zu dem von TAFKAKB in die Diskussion geworfenen modernen oder aufgeklärtem Erzählspielen, das sich seiner Erzählgrenzen bewusst ist und keinen Illusionismusanspruch hat.