Ich kann's ja mal versuchen.
1. Planung:
Wir haben die Charaktere der Runde relativ ausführlich geplant und aufeinander abgestimmt. Das verwendete Regelwerk kam uns dabei sehr entgegen, es sollten ja hinreichend kaputte Noir-Charaktere entstehen, was dank des angepassten DRYH-Charakterbogens mit seinen zentralen Fragen auch recht gut gelang.
Dann haben wir die Charaktere verknüpft, entweder durch Beziehungen oder durch Ereignisse. Ich habe, basierend auf den Charakterbeschreibungen zudem noch eine R-Map gebaut, in der neben den NSC auch die SC eingebettet waren und auf dieser Basis weitere Verbindungen gezogen, wo diese meiner Meinung nach gefehlt haben. Alle NSC haben dann noch ein paar Traits und eine Motivation von mir verpasst bekommen. Insgesamt waren meine Notizen damit immer noch recht leichtgewichtig, aber das war ausreichend.
2. Spiel:
Die "Startszene" war, ganz an Max Payne angelehnt, die letzte Szene des Szenarios: Ein Mexican Stand-off zwischen allen Beteiligten, kurz vor der Auflösung. Hierhin sollten wir dann zum Schluß zurück kehren, aber jetzt spulten wir erst einmal zum Anfang.
Jeder Charakter bekam seine (diesmal chronologisch gesehen) Startszene (die netterweise durch den Spieler definiert wurde - das Regelwerk erleichtert auch das enorm).
Und ausgehend davon und von den Ereignissen im Spiel haben wir uns immer halbwegs gemeinsam auf die nächste zu spielende Szene geeinigt - im Prinzip stand immer einer der SC im Vordergrund, und es wurde ein spezielles Thema beleuchtet. Die Spieler konnten dabei relativ frei erzählen und Details einfügen, die wir dann später aufgelöst haben. Der Grantige Urbayer hat zum Beispiel für seinen Charakter in einer Szene eines Schußwunde herbei erzählt, auf die wir dann (spieltechnisch) später in einer (storytechnisch) früheren Szene zurück gekommen sind - da wurde dann eine Verfolgungsjagd erspielt und es kam zu einer Schießerei, die der Grund für die Wunde war.
Als Spielleiter hatte ich dabei eigentlich nur vier Dinge zu tun, was aber sicherlich auch an den sehr aktiven Mitspielern lag:
- Den Überblick behalten, was bei einer extrem nichtlinearen Erzählweise nicht immer so einfach war. Der grantige Urbayer hat alle Ereignisse netterweise in der chronologisch richtigen Reihenfolge mitgeschrieben, und so konnte man sich gut orientieren.
- Dazu gehörte auch die "Zeit" (also in der Geschichte, nicht am Spieltisch - das muss man ja eh immer) im Auge zu behalten. Die Geschichte dauerte ja nur eine Nacht und hatte ein definitives Ende, dementsprechend musste ich bei einigen Szenen subtiles Framing betreiben, damit die Geschichten nicht über ihr Zeitfenster hinaus schossen.
- Die Charaktere pushen. Die Charaktere hatten recht starke Flags (wieder ein positiver Aspekt des Regelsystems), die man als SL relativ leicht anspielen und herausfordern konnte. Zusammen mit der R-Map ging mir hier eigentlich nie der Stoff aus.
- Die Charaktere miteinander verstricken. Wie es das Schicksal, also in dem Falle ich, so will, mussten sich die Charaktere natürlich ständig über den Weg laufen. Hier konnte man aber super mit dem arbeiten, was die Spieler im Vorfeld an Verbindungen ausgearbeitet hatten. Nur selten musste da ein Umweg über ein verbindendes Element wie ein Ort oder ein NSC gemacht werden.
3. Fazit:
Das ganze ist echt anstrengend, aber es ist eine Anstrengung, die sich lohnt. Gegen die Anstrengung helfen auch Pausen, die wir selber zwei oder dreimal gemacht haben.
Mit größeren Gruppen (mehr als 3 Spielern + SL) wird es meiner Meinung nach nicht funktionieren, weil die Zahl der Verbindungen zwischen Charakteren und Ereignissen exponentiell steigt und da zu groß werden würde. Die Gruppe muss auch extrem diszipliniert sein, damit alle die Übersicht behalten. Für Leute ohne Hang zu starkem Metagaming ist das auch nichts, zumindest nicht, wenn man die Ereignisse offen halten möchte. Ich denke dass eine zeitlich nichtlineare Erzählung sonst nur mit echtem Railroading von vorne bis hinten machbar ist.