Autor Thema: Fate / Gaslight - London 1888: Tagebuch Cyrus Cavendish  (Gelesen 713 mal)

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Offline Fire

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Nach den Ereignissen in Afrika, kam ich nicht umhin, mir meine eigenen Notizen zu machen. Diese könnten für die Zukunft ja hilfreich sein, und wer weiß, vielleicht lässt sich daraus ja auch mal Kapital schlagen.

Wir hatten also nach einem harten Kampf einen Dämon zurück in die Hölle geworfen. Nicht etwas, was man alle Tage macht!

Umso mehr erschütterte mich aber das Telegramm, dass uns erreichte, in dem stand das unser Hauptquartier und Residenz abgebrannt war.  War der Verlust des Hauses schwerwiegend, so war doch der Tod unserer Bediensteten umso verheerender für mich! Es galt also schnell unsere Habseligkeiten einzupacken und uns auf den Heimweg zu machen. Das wir dabei noch 3 unscheinbare, wenngleich wertvolle Gegenstände zurückbringen sollten, schien nur recht und billig.

10 Tage durch eine endlose Savanne, die nur durch gelangweilte Löwen und Horden von Mücken bestimmt wurden. Schon das Schaukeln auf den Kamele verwies auf die endlosen Wochen an Bord eines Schiffes, dass mich in mein geliebtes London bringen sollte. Auch die Freude, diese Wochen in seligen Opiumrauchs zu verbringen, brachte mich in Verzückung.
Als ich noch diesen Gedanken nachhing, wurde unsere Gesellschaft abrupt angehalten, als man uns versuchte Lady Barker abzukaufen! Diese Wilden wollten mir doch glatt 25 Kamele, einige Ziegen und 3 Nebenfrauen für Lady Barker anbieten! Ein Angebot, dass für den Bruchteil einer Sekunde durchaus interessant klang, aber dann doch abwegig erschien. Ein Gentleman wie ich ist doch kein Bauer und schon gar nicht ein Sklavenhändler! Ich entschied mich also freundlich aber bestimmt das Angebot abzulehnen.

An Bord angekommen, begab ich mich in meine Kabine um mir etwas Ruhe zu gönnen. Diese ganze Höllengeschichte und Brände waren doch etwas viel für mich in den letzten Tagen. Da half mir mein Opium doch durchaus über diese schwierigen Tage hinweg.
Immer wenn ich mich dann doch mal an Deck sehen ließ, waren Lady Barker und dieser „Priester“ Galloway dabei die diversen Gegenstände zu studieren. Scheinbar hatten Sie gerade an der Figur eines abscheulich grotesken Oktopus ein Narren gefressen. Immer wieder starrten sie die Figur an und immer wieder tuschelten sie geheimnisvoll. Vor allem Galloway schien sich kaum von der Figur trennen zu wollen. Okkultisten waren mir schon immer suspekt!
Dr. Copper, immerhin ein Mann der Wissenschaft (auch wenn ich ihn persönlich für etwas zu exzentrisch empfinde), habe ich kaum gesehen. Er schien sich aber bei Nachfragen auch um die von uns mitgebrachten Exponate zu kümmern.

Nun da ich nicht wirklich von Nutzen war, während dieser Studien (ich bin schließlich ein Mann der Tat und nicht der Bücher) und das Abenteuer an Bord eher Mangelware war, ergab ich mich immer mehr des wollüstigen Opiumrauschs. Ich kann mich kaum an diese Visionen erinnern, aber sie waren sehr erotisch, wenn nicht sogar vulgär. Immer wenn ich kurz aus meinem Dämmerzustand erwachte, lag schon ein gedeckter Teller vor mir, so dass ich kaum meine Kajüte verlassen musste. Welch eine Wonne! Ich glaube, an einem Abend sogar Besuch von Dr. Copper bekommen zu haben. Aber zu welchem Zweck weiß ich nicht mehr und als ich erwachte, war niemand mehr in meiner Kajüte. Seltsam, dass ich Visionen von Dr. Copper habe……ich bin scheinbar schon zu lange fort aus der Großstadt!

Wie lange ich in diesem Zustand war, kann ich nicht sagen, aber es müssen Wochen gewesen sein!
Mein Opium hätte die Fahrt durchaus reichen sollen, aber ich merkte schnell, dass meine Vorräte verschwindend gering wurden. Meine Versuche, mein verbleibendes Opium noch zu rationieren waren nicht von Erfolg gekrönt und umso mehr überraschte es mich, dass wir kaum vor Italien waren, als meine Vorräte ausgingen. Es dauerte noch einige Wochen bis wir nach London kommen würden, und ich wusste, dass ich bis dorthin niemals würde aushalten können.
Die ersten 1-2 Tage ging es sogar! Ich konnte mich beherrschen, dachte ich, doch danach konnte ich nicht mehr schlafen. Die Wellen hielten mich wach, die Geräusche des Schiffes waren unerträglich! Mir war warm und kalt gleichzeitig. Ich hatte Schmerzen und nur meine Erfahrungen in Indien ließen mich nicht aufschreien, sondern nur mein Kissen wurde Zeuge meiner Qualen. Ich konnte meinen Zustand auch den anderen gegenüber nicht mehr verbergen. Lady Barker schien sehr besorgt und ich hatte den Eindruck, dass sie wusste, warum ich nur ein erbärmlicher Schatten meiner Selbst war. Welch eine Schmach!

Meine einzige Rettung war, in Sizilien anzulegen und meinem Drachen hinterherzujagen! Es kostete mich einige Überredungskunst und eine Menge Geld dem Kapitän klarzumachen, dass wir SOFORT anlegen müssten. Angekommen in Terranova di Sicilia , war ich schon beinah von Bord gesprungen, als wir anlegten, als mich Lady Barker bat, sie mitzunehmen. Sie wollte doch allen Ernstes in diesem heruntergekommen  Dorf einen Einkaufsbummel machen. Nur meine ausgezeichnete Erziehung ließ mich nicht vergessen, wer ich war. Ich war also ein ganzer Gentleman und schlenderte mit ihr die einzige interessante Straße entlang, die dieser Ort zu bieten hatte (allerdings hätte ich sie gern hinter mir hergezerrt, um die typischen Händler meines Drachens zu finden!).

Nach Stunden wurde ich endlich fündig. Ein Mann sprach mich einem Kauderwelsch von Englisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch an und konnte mir gerade so verständlich machen, dass er etwas Opium zur Verfügung stellen könne. Einen Seitenblick auf Lady Barker später war ich schon in dem Etablissement, dass nicht mal einen Namen trug aber ansonsten typisch war für Klienten mit meinem „Leiden“.
Lady Barker wurde sehr bestimmt in den Vorraum verwiesen und mich lotste man zu einem sehr bequemen Divan.
Natürlich waren Frauen hier drinnen nicht gern gesehen, und auch wenn ich mir Sorgen machte, ob der Ehrhaftigkeit ihrer „Bewacher“, war Lady Barker doch geschult im Umgang mit Menschen.
So verfiel ich in einem Dämmerzustand, als der erste Luftzug der Opiumpfeife meine Lungen füllte. Ich fühlte mich sofort besser! Das Brennen, das Zittern, all das ließ nach und ich entspannte.
Dafür waren die Visionen umso verstörender. Ich sah diese Oktopusfigur, wie sie mich anstarrte. Ich versuchte aus Ihrem Blickfeld zu verschwinden, doch schienen diese Augen mich zu verfolgen. Alles war umgeben von grünem Nebel und ein Ächzen und Stöhnen in tiefem Bass war zu hören. Es klang fast wie eine Sprache, aber eine Sprache, die ich noch nie gehört habe.
Ich merkte, wie ich unruhig wurde und doch konnte ich mich kaum von dieser Figur abwenden, als ich mehrere Hände spürte!
Etwas griff nach mir und nur meiner Erfahrung als Jäger verdanke ich es, dass ich diese Zeilen noch schreiben kann. Instinktiv zog ich meinen Revolver und schoß!

Kein Schrei war zu hören, obwohl ich mir sicher war, jemanden getroffen zu haben! Kurz danach wurde die Tür aufgerissen, das Licht der Straße blendete mich und ein Engel schien in der Tür zu stehen. Erst als der Engel einen Schritt in den Raum tat, sah ich, dass es Lady Barker war. Ich blickte mich um, es waren einige Menschen im Raum, die versuchten nach mir zu greifen. Sie hatten ganz glasige Augen und schienen fast durch mich hindurch zu sehen! Doch Ihre Arme waren auf mich gerichtet! All das wirkte sehr feindselig. Auf einen Blick von Lady Barker hin, wendet sich einer dieser Menschen von mir ab und wankt in eine Ecke (aber seine Augen…..sie verfolgen mich immer noch!)! Endlich eine Lücke! Ich sprinte durch meine Häscher, greife Lady Barker und ziehe sie hinter mir her ins Freie! Bei einem kurzen Blick zurück sehe ich noch, wie einige meiner „Bewacher“ eine Horde dieser glasig-dreinblickenden Menschen zurückhalten muss, mir zu folgen. Teilweise mit schlimmen Hieben auf den Schädel! Und da drin hab ich Opium geraucht! Womit haben die das hier denn gestreckt???


(mehr in meinem nächsten Eintrag)
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Offline Jahleesu

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Re: Fate / Gaslight - London 1888: Tagebuch Cyrus Cavendish
« Antwort #1 am: 12.11.2010 | 10:19 »
Super  :D
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—    Adam Gnade