Autor Thema: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge  (Gelesen 31906 mal)

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Offline Jiba

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #25 am: 23.11.2010 | 13:10 »
Und selbst dann: Ich glaube kaum, dass keine Gruppe alle verfügbaren Regeln zu allen Zeiten in allen Spielsituationen anwendet... zumindest nicht bei den großen Systemen wie SR oder DSA.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Merlin Emrys

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #26 am: 23.11.2010 | 13:18 »
Da es recht viele Goldene Regeln gibt wirst Du wohl kein eindeutiges Ergebnis erhalten.
In diesem Fall gibt es aber eine Art "Referenztext", der sich - wenn ich meine Internetauslese richtig gedeutet habe - in einem Regelwerk von White Wolf findet, und zwar vermutlich einem (dem ersten?) Band von "Hunter: The Reckoning". Solange (und sofern) man sich darauf einigen kann, zunächst einmal diesen Text für die Diskussion zugrundezulegen, gibt es keine Uneindeutigkeit. Es wäre allerdings sehr hilfreich, den Text und ggfs. erläuternde Hinweise aus dem Kontext zu haben.

Edit:
Jede Spielrunde verwendet die Goldene Regel.
Nein, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Gerade in dem Bereich, der "ARS gemäß der Definition von Settembrini" genannt werden kann, wäre die Goldene Regel selbstwidersprüchlich. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es dort darum, daß Spielleiter und Spieler sich bemühen, unter Beachtung aller Regeln möglichst "gute" Ergebnisse zu erzielen. Die Beachtung der Regeln ist also ein Grundelement, aus dem sich der Spaß beim Spielen ergibt. In solchen Fällen kann ein Mißachten der Regeln nicht förderlich sein, weil es in dieser Spielweise ein Regelbruch und grundsätzlich unerwünscht ist.
« Letzte Änderung: 23.11.2010 | 13:22 von Merlin Emrys »

alexandro

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #27 am: 23.11.2010 | 13:30 »
Es wäre allerdings sehr hilfreich, den Text und ggfs. erläuternde Hinweise aus dem Kontext zu haben.
Biddeschön:
Zitat von: Vampire:the Masquerade
This is the most important rule of all, and the only real rule worth following: There are no rules. This game should be whatever you want it to be, whether that's a nearly diceless chronicle of in-character socialization or a long-running tactical campaign with each player controlling a small coterie of vampires. If the rules in this book interfere with your enjoyment of the game, change them. The world is far too big - it can't be reflected accurately in any set of inflexible rules. Think of this book as a collection of guidelines, suggested but not mandatory ways of capturing the World of Darkness in the format of a
game. You're the arbiter of what works best in your game, and you're free to use, alter, abuse or ignore these rules at your leisure.
Kontext

Klartext:
- jede Runde setzt einen anderen Fokus im Spiel.
- nicht jede Regel ist diesem Fokus zuträglich.
- man soll sich die Regeln aussuchen, welche den Fokus unterstützen

alexandro

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #28 am: 23.11.2010 | 13:34 »
Edit:Nein, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Gerade in dem Bereich, der "ARS gemäß der Definition von Settembrini" genannt werden kann, wäre die Goldene Regel selbstwidersprüchlich. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es dort darum, daß Spielleiter und Spieler sich bemühen, unter Beachtung aller Regeln möglichst "gute" Ergebnisse zu erzielen. Die Beachtung der Regeln ist also ein Grundelement, aus dem sich der Spaß beim Spielen ergibt. In solchen Fällen kann ein Mißachten der Regeln nicht förderlich sein, weil es in dieser Spielweise ein Regelbruch und grundsätzlich unerwünscht ist.

Sie nennen es nicht so, aber die ARSler verwenden auch spontane Regelerweiterungen, ad-hoc SL-Regelungen oder Ignorieren von Regeln die keinen Sinn machen (auch ohne Konsultation mit den Spielern).

Offline Crimson King

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #29 am: 23.11.2010 | 14:06 »
Und selbst dann: Ich glaube kaum, dass keine Gruppe alle verfügbaren Regeln zu allen Zeiten in allen Spielsituationen anwendet... zumindest nicht bei den großen Systemen wie SR oder DSA.

Da steckt vermutlich ein Tippfehler drin. Eigentlich müsste das heißen:

Ich glaube kaum, dass jede Gruppe alle verfügbaren Regeln zu allen Zeiten in allen Spielsituationen anwendet... zumindest nicht bei den großen Systemen wie SR oder DSA.

Systeme, die auf Verhandeln setzen, nehmen wir mal raus. Tatsächlich kann man bei Spielen wie Fiasco oder Polaris davon ausgehen, dass die gut ohne irgend eine Anpassung oder das Weglassen durchzuspielen sind.

Einen Beweis für meine These (etwas schwächer formuliert: alle Runden, die im weiteren Sinne klassisches Rollenspiel betreiben, verwenden die Goldene Regel) zu erbringen, dürfte sich als problematisch erweisen. Ich versuche aber mal, meine Gedankengänge nachvollziehbar zu machen.

Die Goldene Regel ist kein Zwang. Sie besagt lediglich: wenn du etwas am Regelwerk ändern willst, dann darfst du das jederzeit machen. Selbst wenn man nichts ändert, verwendet man die Goldene Regel, solange man die Möglichkeit, jederzeit etwas zu ändern, grundsätzlich zulässt.

Der Gedanke kam mir während der Diskussion über die Rule of Cool und vergleichbare Dinge. Der Kern der Rule of Cule lautet: du darfst Regeln (der Spielwelt, nicht des Spiels) brechen, solange es die Suspension of Disbelief der Mitspieler nicht zerstört, und je cooler die Aktion ist, umso unwahrscheinlicher ist es, dass die Suspension of Disbelief eines Mitspielers zerstört wird. Da hört es aber nicht auf. Wenn ich Spielregeln (ohne "welt" in der Mitte) breche, und es die Suspension of Disbelief nicht zerstört, d.h. dass alle es akzeptieren, ist das offensichtlich auch ok. Genauer: es wird nicht nach den explizit bekannten Regeln gespielt, sondern es wird immer nach den Regeln gespielt, die alle zu akzeptieren bereit sind.

Mit anderen Worten: jeder Mitspieler darf immer alles tun, das alle anderen akzeptieren.

Dabei ist zu beachten, dass man, je weniger weiche Faktoren im Spiel sind, d.h. je taktischer und brettspieliger man spielt, je weniger Raum für freie Aktionen da ist, umso schneller sich jemand daran stört, dass man mal eine Probe weglässt. In dem Moment, in dem die Möglichkeiten nur noch von den Regeln vorgegeben werden und man seine Entscheidungen nur noch nach den Regeloptionen ausrichtet, verlässt man allerdings aus meiner Sicht das Rollenspiel und befindet sich in der Welt der Brettspiele.

Ich persönlich bezweifle auch, dass es eine ARS-Runde gibt, in der immer alles nach Regeln gespielt wird, d.h. z.B. man unterschlägt niemals eine Probe. Was macht man da eigentlich, wenn es für eine Handlung, die nach gesundem Menschenverstand plausibel und möglich ist, keine Regel gibt?
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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #30 am: 23.11.2010 | 15:08 »
Gerade die beiden genannten Mechanismen erfreuen sich (ich glaube nicht nur in diesem Forum) einer ziemlich wilden Undefiniertheit.
Und genau hierdrin liegt der Hund (der Diskussion) begraben.

Was macht man da eigentlich, wenn es für eine Handlung, die nach gesundem Menschenverstand plausibel und möglich ist, keine Regel gibt?
Nun, da gibt es sicherlich mehrere Möglichkeiten, die man da(für) in Betracht ziehen kann. Bevor ich dies jedoch tue: Kannst du mal ein Beispiel für eine solche "ungeregelte" Handlung bringen?
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Offline SeelenJägerTee

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #31 am: 23.11.2010 | 16:29 »
Ich kenne die Regelpassage auf die sich hier bezogen wird nicht, daher liegt meiner Aussage folgende Annahme zugrunde:
"Wenn es der Geschichte förderlich ist, dann ignoriere die Regeln."

Das kann man jetzt aber aggressiv oder moderat auslegen:
Aggressive Auslegung:
  Wenn ein SC dem Bösen Nekromanten durch einen krit. Treffer den gar aus macht, es aber geplant war, dass er dem Kampf entfliehen kann, so ignoriere man den Treffer (oder setze die HP des Nekromanten hoch oder .... tue irgendwas).

Milde Aulgegung:
  Nach Kampfregeln macht eine Waffe maximal 2w10 Shaden. Ein Charakter hat aber zwischen 25 und 50 Trefferpunkte, dies ist so, damit SC nicht nach einem Treffer zu Boden gehen.
Wenn man jetzt allerdings für ein Szenario einen Scharfschützen braucht, der einen NSC mit einem Schuss umnietet, so ignoriere man hier die Regel und löse das ähnlich einer Cutscene wie im PC-Spiel.


Es wäre u.U. denkbar, dass es einem Designer selbsverständlich erscheint dass man Auslegung 2 anwendet aber niemals 1 (weil er selber gar nicht auf die Idee gekommen wäre).
Jetzt will er die Regeln nicht mit extra Mookregeln belasten (die außerdem das Spielgefühl ändern) und auch nicht extra eine erklärende Passage schreiben, wie man verfahren soll, wenn man eine Abenteueridee hat, aber der Aufhänger regeltechnisch nicht herbeiführbar ist. Also setzt er die "goldene Regel" rein.

Anmerkung: Mir war die "Goldene Regel" allerdings als "Sei stets gerecht!" geläufig.

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #32 am: 23.11.2010 | 16:42 »
Ich glaube kaum, dass jede Gruppe alle verfügbaren Regeln zu allen Zeiten in allen Spielsituationen anwendet... zumindest nicht bei den großen Systemen wie SR oder DSA.

Man darf sich aber m.E. nicht darauf zurückziehen, um die GR als allgemein praktiziert zu erklären, denn das ist ein Trugschluss. Eine Regelanwendung erfolgt doch immer aktiv, nicht passiv. Insofern ist z.B. das fahrlässige Missachten von Regeln nicht gleichzeitig eine aktive Anwendung der GR. Es gibt einen großen Unterschied zwischen "oh, die Regel haben wir vergessen zu beachten" und "oh, die Regel ist blöd, die beachten wir nicht".

Die Goldene Regel ist kein Zwang. Sie besagt lediglich: wenn du etwas am Regelwerk ändern willst, dann darfst du das jederzeit machen. Selbst wenn man nichts ändert, verwendet man die Goldene Regel, solange man die Möglichkeit, jederzeit etwas zu ändern, grundsätzlich zulässt.

Der zweite Satz ist vor dem Hintergrund der aktiven Verwendung einer Regel sinnfrei. Zudem schränkst du ja selbst bereits ein: die Gruppe entscheidet sich bewusst dafür, Änderungen der Regeln zuzulassen. Eine Gruppe, die also beschlossen hat, den Regeln jederzeit zu folgen ohne sie zu ändern, dann jedoch mal eine Regel unabsichtlich vergisst, ändert dennoch nicht aktiv die geltenden Regeln, fällt also raus. Jetzt könnte man behaupten, es gäbe keine Gruppen, die die Regeln nicht bewusst verändern. Aus eigener Erfahrung kann ich dem jedoch widersprechen: es gibt sehr wohl Spieler und Gruppen, die keinerlei Regeländerungen haben wollen, selbst wenn sie dann mit "schlechten" Regeln spielen müssen.

Darüber hinaus: Regellücken zu "füllen" ist keine Änderung der Regeln in dem Sinne, sondern eine Ergänzung. Da sehe ich einen Unterschied.

Mit anderen Worten: jeder Mitspieler darf immer alles tun, das alle anderen akzeptieren.

Dabei ist zu beachten, dass man, je weniger weiche Faktoren im Spiel sind, d.h. je taktischer und brettspieliger man spielt, je weniger Raum für freie Aktionen da ist, umso schneller sich jemand daran stört, dass man mal eine Probe weglässt. In dem Moment, in dem die Möglichkeiten nur noch von den Regeln vorgegeben werden und man seine Entscheidungen nur noch nach den Regeloptionen ausrichtet, verlässt man allerdings aus meiner Sicht das Rollenspiel und befindet sich in der Welt der Brettspiele.

Zustimmung zum oberen Satz. Was nicht verboten wird, ist erlaubt. Zum dann folgenden Absatz kann ich dir aber nicht zustimmen. Zumal er einen Widerspruch enthält: Die GR stützt sich ja im Prinzip auf die Aussage, dass Regeln niemals perfekt sein können, und kaum alle denkbaren Spielereignisse und -vorlieben abbilden können, und es daher sinnvoll scheint, bei Abweichungen des Regelergebnisses vom gewünschten Ergebnis die Regel(n) zu ändern. WENN aber ein perfektes Regelsystem existieren würde, hätte es ja für alle diese gewünschten Ereignisse passende Regeln, d.h. alle Möglichkeiten werden von den Regeln erfasst. Diesen Fall erklärst du aber dann zum Brettspiel, womit du die GR als unausweichlich festlegst. Die Aussage "das perfekte Rollenspielsystem ist kein Rollenspiel mehr" ergibt aber in meinen Augen wenig Sinn.

Schließlich lehne ich die GR auch ab, weil sie in ihrer Existenz jedes Regelsystem untergräbt. Für "Mach es so, wie du willst" sind alle Regeln obsolet. Die Existenz ausgefeilter Regelsysteme zeigt aber doch, dass grundsätzlich Regeln erwünscht sind. Um aber die Fälle, wo Regeln im Weg sind, von solchen, wo Regeln erwünscht sind, zu trennen, liefert die GR keinerlei greifbares Kriterium. Eine Regel, die sagt "wende mich an!", zugleich aber sagt "wann du mich anwendest, musst du entscheiden!" ist m.E. wertlos. Außerdem torpediert die GR noch jede Art von Regelbalance, weil sie einfach sagt "Mach es, wie du willst". Bei sorgfälltig aufeinander abgestimmten Regeln ist das aber eine Aufforderung, das System einfach mal so aus dem Gleichgewicht zubringen. Das kann weder im Sinne der Autoren noch im Sinne der Spieler sein. Für ein solches System braucht es dann auch kein Design, keine Entwicklung, keine Tests, keine Mathematik usw., weil man sich diese Mühe sparen kann, sobald die GR angewendet wird und das getestete funktionierende System dadurch in ein ungetestetes und eventuell nicht funktionierendes System überführt.
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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #33 am: 23.11.2010 | 16:50 »
Eine Gruppe, die also beschlossen hat, den Regeln jederzeit zu folgen ohne sie zu ändern, dann jedoch mal eine Regel unabsichtlich vergisst, ändert dennoch nicht aktiv die geltenden Regeln, fällt also raus.

Einer der zentralen Punkte, auf die ich hinaus wollte, ist, dass jede Gruppe bereit ist, Regeln zu ändern, hinzuzufügen oder zu missachten, auch wenn sie etwas anderes von sich behauptet.

Ein weiterer zentraler Punkt ist, dass kein Regelwerk vollständig ist (bzw. wenn es das ist, ist es kein Rollenspiel). Sobald ich etwas tue, das durch die Regeln nicht abgedeckt ist, muss ich sowieso eine Entscheidung darüber treffen, wie ich damit umgehe. Das muss man aber nicht unter Goldener Regel abdecken.
« Letzte Änderung: 23.11.2010 | 16:53 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #34 am: 23.11.2010 | 16:57 »
Das ist aber banal und schon immer so gehandhabt worden, alleine schon, weil die ersten Regeln halt noch sehr grob waren.

Also wäre die GR in der Form mehr als überflüssig und nur Verwiirung stiftend oder es steckt eben doch mehr dahinter.

Ich kenne die Regel auch nur mit Zusätzen wie "wenn es eine besere Geschichte ergibt" oder "DU darfst ändern, wenn es dem Spielspaß im Wege steht".
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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #35 am: 23.11.2010 | 17:34 »
Einer der zentralen Punkte, auf die ich hinaus wollte, ist, dass jede Gruppe bereit ist, Regeln zu ändern, hinzuzufügen oder zu missachten, auch wenn sie etwas anderes von sich behauptet.

Und woher nimmst du diese Gewissheit? Ich sage dir: ich kenne persönlich Spieler, die Regeländerungen grundsätzlich, d.h. aus Überzeugung ablehnen. Du kannst jetzt natürlich sagen, dass sie trotzdem Regeln ändern, den Beweis dafür wirst du wohl aber kaum erbringen können. Daher ist es für mich kein Fakt, sondern eine These.

Ein weiterer zentraler Punkt ist, dass kein Regelwerk vollständig ist (bzw. wenn es das ist, ist es kein Rollenspiel). Sobald ich etwas tue, das durch die Regeln nicht abgedeckt ist, muss ich sowieso eine Entscheidung darüber treffen, wie ich damit umgehe. Das muss man aber nicht unter Goldener Regel abdecken.

Also habe ich dich in dem Punkt korrekt verstanden: Je mehr Regeln, desto weniger Rollenspiel. Diese Aussage kann ich allerdings nicht verstehen, da Regeln und Rollenspiel für mich zwei völlig unabhängige Ebenen des Spiels sind. Das Rollenspiel wird m.E. durch die Entscheidungsfreiheit zwischen verschiedenen Optionen ermöglicht, wobei die Optionen derart vielfältig sind, dass sie das Gefühl von freier Hanldung vermitteln. Inwiefern die Optionen in Regeln gefasst sind, ist in meinen Augen für das Spielen der Rolle unerheblich.
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Offline Merlin Emrys

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #36 am: 23.11.2010 | 17:51 »
@ Alexandro: Vielen Dank für das Zitat und den Link!
Nur eine Frage hat er mir noch nicht beantwortet: Wer ist "you": der Spielleiter als einzelner, ein Mitspieler oder die ganze Gruppe als Gemeinschaft?

Für "Mach es so, wie du willst" sind alle Regeln obsolet.
Sie sind als "nur bei Strafe zu brechenden Gesetze" obsolet. Aber sie behalten ihren orientierungsgebenden Charakter und ihre intuitions-, imaginations- und inspirationsansregende Funktion, bieten also noch viele Vorteile.

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #37 am: 23.11.2010 | 18:18 »
Zurückkommend auf das Eingangsposting finde ich, dass Railroading und andere Dinge, die einem Spieler gefallen und einem anderen nicht, per se keine Schwächen sein müssen. Die können genauso gut Stilmittel sein, oder der Designer hat sich einfach auf eine Art, sein Ding zu positionieren, konzentriert. Was nach hinten losgehen kann (spätestens bei Markteinführung, weil die Leute es durchschauen), ist, wenn das Spiel so eng gestrickt ist, dass es "Stilmittel XY" braucht, um zu funktionieren.

Auf die goldene Regel bezogen, würde ich meinen, der Zusammenhang ist entscheidend: Ist das System z.B. ein crunchy-bit-System im Sinne Laws', das den Spielern tendenziell viel Macht gibt, dann könnte man eine Goldene Regel im Regelwerk als relativ deplaziert betrachten.
Auf Railroading bezogen: an sich wunderbar, wenn sich erzählerische Plots ergeben. Wenn die Plots aber "feste druff"-Plots sind, ist Ausrichtung auf Railroading vielleicht nicht die beste Wahl.
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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #38 am: 23.11.2010 | 19:06 »
Ich sage dir: ich kenne persönlich Spieler, die Regeländerungen grundsätzlich, d.h. aus Überzeugung ablehnen.
Und was machen diese Spieler, wenn etwas nicht durch die Regeln offiziell abgedeckt wird? Hören die dann auf zu spielen?

Dann haben wir offensichtlich das Problem, dass es für Regeländerung wohl mehr als eine Ansicht/Definition gibt-ähnlich wie bei der goldenen Regel- was es etwas schwierig macht, diese Diskussion auf einer gemeinsamen Basis zu führen.

Zudem gewinne ich, je länger der Thread wird, immer mehr die Erkenntnis, dass es nicht eine goldene Regel sondern ein paar vergoldete Regeln gibt, die sich um den Titel der goldenen Regel streiten. ;)
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Offline Falcon

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #39 am: 23.11.2010 | 19:21 »
Ich halte es für unmöglich, daß man ein Rollenspielbuch BY THE BOOK spielen kann. Jede Runde wird irgendwo Regeln ändern, erfinden, uminterpretieren oder weglassen.

Das liegt nicht unbedint an schlechtem Design (aber häufiger als es das nicht tut), sondern an der grundsätzlichen Fehlerhaftigkeit und Impotenz der Methode Rollenspiel, gegen die niemand etwas tun kann (so, wie man sich in einem PC ROllenspiel aufregen kann keine Freiheit zu haben, das wird sich nie ändern).

Aber je besser ein Rollenspielbuch mit dieser notwendigen Flexibilität umgeht, desto besser ist sein Design.


Das hat für mich aber alles nichts mit der goldenen Regel zu tun.
Erstaunlicherweise tritt das Thema ja immer wieder auf, fällt mir gerade auf
« Letzte Änderung: 23.11.2010 | 19:25 von Falcon »
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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #40 am: 23.11.2010 | 19:28 »
Ich halte es für unmöglich, daß man ein Rollenspielbuch BY THE BOOK spielen kann. Jede Runde wird irgendwo Regeln ändern, erfinden, uminterpretieren oder weglassen.

Doch das geht.

alexandro

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #41 am: 23.11.2010 | 19:42 »
@ Alexandro: Vielen Dank für das Zitat und den Link!
Nur eine Frage hat er mir noch nicht beantwortet: Wer ist "you": der Spielleiter als einzelner, ein Mitspieler oder die ganze Gruppe als Gemeinschaft?
Ich antworte dir im "Lanze für die WoD"-Thread.

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #42 am: 23.11.2010 | 22:56 »
Und was machen diese Spieler, wenn etwas nicht durch die Regeln offiziell abgedeckt wird? Hören die dann auf zu spielen?

Dann haben wir offensichtlich das Problem, dass es für Regeländerung wohl mehr als eine Ansicht/Definition gibt-ähnlich wie bei der goldenen Regel- was es etwas schwierig macht, diese Diskussion auf einer gemeinsamen Basis zu führen.

Zudem gewinne ich, je länger der Thread wird, immer mehr die Erkenntnis, dass es nicht eine goldene Regel sondern ein paar vergoldete Regeln gibt, die sich um den Titel der goldenen Regel streiten. ;)

Sie ergänzen die Regeln, idealerweise durch Analogie zu bestehenden Regeln. Wie ich schon schrieb, betrachte ich eine Ergänzung nicht in dem Sinne als Veränderung der Regeln. Darüber könnten wir jetzt sicherlich streiten, nur sehe ich darin keinen Nutzen. Insofern hast du Recht, dass es da (mal wieder) ein Definitionsproblem gibt. Ich räume daher ein, dass FALLS man eine Ergänzung als Änderung definiert, man tatsächlich kaum um eine Änderung herum kommt.  ;)

Ich bleibe jedoch dabei, dass man - eben mit Ausnahme der Ergänzung - die Regeln jedes Systrems unverändert benutzen kann.

Was die Goldene Regel betrifft, so habe ich mich seit Alexandros Beitrag, der sie wortwörtlich zitiert, auf den Wortlaut bezogen (der ja allgemein von Veränderung der Regeln spricht). Bisher hatte ich die GR allerdings auch anders verstanden, nämlich in dem Sinne, dass sie Regeln dann beugen oder ignorieren lässt, wenn es der Geschichte dienlich scheint.
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Offline Naldantis

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #43 am: 23.11.2010 | 23:15 »
Eine Regelanwendung erfolgt doch immer aktiv, nicht passiv. Insofern ist z.B. das fahrlässige Missachten von Regeln nicht gleichzeitig eine aktive Anwendung der GR.

?
PASSIVES Regelwissen leitet auch die Erwartung in die Spielwelt und die Schlüsse, die der Spieler/Charakter aus seinen Beobachtungen zieht.

Zitat
Eine Gruppe, die also beschlossen hat, den Regeln jederzeit zu folgen ohne sie zu ändern, dann jedoch mal eine Regel unabsichtlich vergisst, ändert dennoch nicht aktiv die geltenden Regeln, fällt also raus. Jetzt könnte man behaupten, es gäbe keine Gruppen, die die Regeln nicht bewusst verändern. Aus eigener Erfahrung kann ich dem jedoch widersprechen: es gibt sehr wohl Spieler und Gruppen, die keinerlei Regeländerungen haben wollen, selbst wenn sie dann mit "schlechten" Regeln spielen müssen.

Das glaube ich schlicht nicht, weil es voraussetzt, daß das Regelsystem die Spielwelt und ihre Ereignisse vollständig überdeckt, also lückenlos und ohne Brüche ist.
Wüßte ich gerne, welches Regelsystem das leisten soll, es sei denn man definiert Freeform als 'Regelsystem'.

Zitat
Darüber hinaus: Regellücken zu "füllen" ist keine Änderung der Regeln in dem Sinne, sondern eine Ergänzung. Da sehe ich einen Unterschied.

Okay, das klärt es...

Zitat
WENN aber ein perfektes Regelsystem existieren würde, hätte es ja für alle diese gewünschten Ereignisse passende Regeln, d.h. alle Möglichkeiten werden von den Regeln erfasst. Diesen Fall erklärst du aber dann zum Brettspiel, womit du die GR als unausweichlich festlegst. Die Aussage "das perfekte Rollenspielsystem ist kein Rollenspiel mehr" ergibt aber in meinen Augen wenig Sinn.

Ich würde es so formulieren, daß ein Spiel nur dann mit einem überschaubaren Regelsatz vollständig und lückenlos darzustellen ist, wenn es die Optionen der Spieler soweit einschränkt, daß es IMHO nach nicht mehr verdient, als Rollenspiel bezeichnet zu werden; es liegen doch WELTEN zwischen einem PC-Fürsten und dem König beim Schach.

Zitat
Schließlich lehne ich die GR auch ab, weil sie in ihrer Existenz jedes Regelsystem untergräbt. Für "Mach es so, wie du willst" sind alle Regeln obsolet. Die Existenz ausgefeilter Regelsysteme zeigt aber doch, dass grundsätzlich Regeln erwünscht sind. Um aber die Fälle, wo Regeln im Weg sind, von solchen, wo Regeln erwünscht sind, zu trennen, liefert die GR keinerlei greifbares Kriterium.

Naja, eben so greifbar wie z.B. die SCRUM-Regeln auch...
...wenn es die Beteiligten als notwendig erachten, dann nutzt man die Option, sonst auch.

Zitat
Für ein solches System braucht es dann auch kein Design, keine Entwicklung, keine Tests, keine Mathematik usw., weil man sich diese Mühe sparen kann, sobald die GR angewendet wird und das getestete funktionierende System dadurch in ein ungetestetes und eventuell nicht funktionierendes System überführt.

Oh doch, je ungetesteter das System ist, desto öfter muß die GR als Flickwerk oder Überbrückung dienen; aber kein System ist so perfekt und entspricht den Anforderungen der Nutzer so gut, daß sie nie benutzt würde.


« Letzte Änderung: 23.11.2010 | 23:17 von Naldantis »

Offline Naldantis

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #44 am: 23.11.2010 | 23:23 »
Doch das geht.

Okay, es geht, solange man keine speziellen Anforderungen an die Resultate stellt...
...dummerweise spielt kaum eine Gruppe um genau dieses System Vanilla zu erlebne, sondern um ihre eigenen Vorstellungen zu erleben.
Und die Leute alle zur Anwendung kommenden Regeln aus dem Effeff fehlerfrei reproduzieren können, so daß keiner aus Zeitersparnis oder fehlenden Regelwerken eine Faustregel nutzt.
 
« Letzte Änderung: 23.11.2010 | 23:29 von Naldantis »

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #45 am: 23.11.2010 | 23:32 »
Und woher nimmst du diese Gewissheit? Ich sage dir: ich kenne persönlich Spieler, die Regeländerungen grundsätzlich, d.h. aus Überzeugung ablehnen. Du kannst jetzt natürlich sagen, dass sie trotzdem Regeln ändern, den Beweis dafür wirst du wohl aber kaum erbringen können. Daher ist es für mich kein Fakt, sondern eine These.

Deshalb habe ich gesagt, das ist schwer zu beweisen. Die Nichtexistenz von etwas ist generell schwer zu beweisen.

Je mehr Regeln, desto weniger Rollenspiel. Diese Aussage kann ich allerdings nicht verstehen...

Die habe ich auch so nicht getroffen. Ich habe gesagt, je weniger Raum die harten Regeln einem lassen, umso weniger Rollenspiel hat man. Mit Descent hat man dann effektiv kein Rollenspiel mehr.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Ludovico

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #46 am: 23.11.2010 | 23:34 »
So, erstmal zur Ordnung rufen:
Leute, über Sinn und Unsinn der Goldenen Regel und auch anderer Sachen will ich hier gar nicht diskutieren. Wenn das jemanden interessiert, dann macht doch dafür einen neuen Thread auf aber bitte müllt das hier nicht zu.

@Schlachter
Ich gebe zu, dass ich falsch argumentiert habe und eine Sache verteidigen wollte, der ich wenn auch nicht ablehnend, so zumindest indifferent gegenüberstehe (sie macht gute Regeln nicht schlechter und schlechte Regeln nicht besser. Sie nimmt eher nur Platz weg.). Außerdem ein dickes Sorry dafür, dass ich Dich falsch verstanden habe. Ich dachte, Dein Kommentar bezieht sich nicht nur auf die GR.

Was ich Dich fragen möchte:
Angenommen, Du gehst in ein Forum eines Rollenspiels, dass diese Regel beinhaltet und beschwerst Dich über sie, so kriegst Du vor allem von den Spielern Gegenargumente. Dass dieses Tool Dich als Designer wurmt, verstehe ich, aber wie kommt es, dass ausgerechnet jene, für die Rollenspiele konzipiert werden, solch eine Regel verteidigen, wenn sie erstmal da ist?
In den jeweiligen Verlagsforen gibt es für die einzelnen RPGs nicht so viel Feuer, weshalb ich den Beissreflex ausschließen kann. Mangelnde Bildung will ich einer ungewissen aber meiner Meinung nach nicht gerade kleinen Zahl Rollenspieler nicht unterstellen, ebensowenig wie Desinformation angesichts des Internet-Zeitalters.
Indifferenz zum Hobby oder gar Faulheit halte ich angesichts der Zeit, die DSAler in das Studium des Regelwerks investieren, ebenso für unwahrscheinlich.

@All
Ich weiß jetzt nicht mehr, wer das schrieb, aber zur Klärung: Railroading, Spielerkleinhalten, etc. kann durchaus in ein Rollenspiel Einzug halten und zwar in den SL-Tipps. Hier wäre auch Kiesows Manifest, ein Hassrelikt für jeden ARSler, auch noch nennenswert.

Auch dass sich solche Rollenspiele verkaufen, weil halt vor allem dafür Gruppen vorhanden sind, glaube ich nicht. Es sind vor allem die SL, welche die Regelwerke anschaffen (darüber lasse ich auch nicht mit mir diskutieren). Entweder sie kaufen sie in Online-Shops oder in den normalen Fantasy-Läden. So oder so stehen andere RPGs daneben. Im Internet finden sich alternative Ansätze zum Spielen und Leiten. Wenn sie was neues einführen wollen, kriegen sie vor allem von den Spielern Gegenwind (behaupte ich mal), die weiter ihre alten Charakter auf die alte hier so verachtete Weise spielen wollen.
« Letzte Änderung: 23.11.2010 | 23:39 von Ludovico »

Offline Sixt

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #47 am: 24.11.2010 | 02:17 »
Der Grundaussage von Ludovico möchte ich von ganzem Herzen beipflichten: Auch und gerade Railroading, als prominentes Beispiel eines weithin verhassten Konzepts, hat Wert und Berechtigung. Man liest oft: "Jede Gruppe hat halt ihren eigenen Spielstil und muss ihren Weg finden." Ich würde sogar noch weiter gehen: Jedes Abenteuer kann seinen eigenen Stil haben und muss seinen eigenen Weg finden.
Das letzte längere Szenario, das ich mir ausgedacht und geleitet habe, war eine riesige Sandbox - Startsituation, massig Karteikarten, und los gings. Auf der anderen Seite haben vielleicht ein paar Leute mein Abenteuer "Soweit die Träume tragen" in der vorletzten Cthuloide Welten gelesen; das ist wahrscheinlich eine der gerailroadetsten deutschen RSP-Veröffentlichungen überhaupt. Und wisst ihr was? Das Spiel dieses Szenarios vor vielen Jahren ist bis heute für mich das Schönste, was ich je im Rollenspiel erlebt habe. Meine Spieler, die aus einigen meiner besten Freunde bestanden, wollten diesen Spielstil und wären über einen anderen enttäuscht gewesen. Sie haben die goldene Regel damals nicht akzeptiert, sondern gefordert.

Wenn ich einen Film anschaue, habe ich (außer ausschalten) überhaupt keine Einflussmöglichkeit auf die Story. Spiele ich in einem Theaterstück, kann ich meine Rolle unterschiedliche Prägungen geben, bin aber an das Stück gebunden. Warum sich dieses Kontinuum der partizipativen und erzählerischen Freiheit nicht durch verschiedene Spielstile im RSP bis zum Extrem einer durchweg simulatorischen Sandbox erstrecken kann, darf und sogar soll, ist mir ein Rätsel. Kino ist gut, Theaterspielen ist gut, railroaden ist gut, sandboxen ist gut. Wenn man es deshalb tut, weil man es will. Wenn man nur eine der vielen Ausprägungen erzählerischer Medien nutzt, verpasst man vielleicht etwas.
Oder, etwas prosaischer gesagt: Das in Foren und auf Cons zehn Jahre jüngere Leute rumlaufen, die mir als einem RSP-Autor erklären wollen, dass ich falsch rollenspiele - weil ich seit 1986 DSA geil finde, z.B. - nervt.
« Letzte Änderung: 24.11.2010 | 04:00 von Sixt »
Mér er kalt í höfuð.

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #48 am: 24.11.2010 | 04:17 »
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

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Re: RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge
« Antwort #49 am: 24.11.2010 | 07:28 »
* zu Railroading gibt es denke ich genug Diskussionen um zu zeigen, dass die Meinung das wäre so schon OK als nicht unumstritten zu bezeichnen ist.

* Regeln sollen ja nicht primär einschränken, sondern den Spielraum in einer Art und Weise beschreiben und strukturieren, welche es mehreren Leuten in Relation einfach macht ihre Vorstellungen zumindest soweit zu koordinieren, dass sie gemeinsam darin spielen können, d.h. Situationen bewerten können und entsprechende qualifizierte Entscheidungen treffen.
Ein mehr an Regeln ist daher kein Widerspruch zum Rollenspiel, der liegt dann höchstens in der Qualität derselben. (oder der Fähigkeit des einzelnen Betreffenden diese Regeln zu verstehen und zu benutzen, jeder hat irgendwo ein Limit wie viel er mental verwalten kann oder will, die einen früher, die anderen später)

* Dass die goldene Regel nicht universell verpönt ist, glaube ich gerne,gibt es doch Leute welche dadurch die Möglichkeit sehen ihre Vorstellungen entgegen den eigentlichen Regeln durchzusetzen.
Wobei cih immer noch gern wüßte, wo dieses "Wenn es eine bessere Geschichte ergibt" bzw. " wenn es den Spielspaß(tm) fördert" herkommt, denn das ist meines erachtens der Knackpunkt, wo aus dem üblichen gemeinsamen Regeländern im mehr oder weniger Konsens die willkürliche Regeländerung kraft der Autorität eines äußeren Standards eingerissen ist.

* Man kann auch zu Unselbstständigkeit und Unterwerfung erzogen werden.

* Leute (d.h. primär Fans) verteidigen auch offensichtlichen Mist, solange es IHR Mist ist.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...