Und selbst dann: Ich glaube kaum, dass keine Gruppe alle verfügbaren Regeln zu allen Zeiten in allen Spielsituationen anwendet... zumindest nicht bei den großen Systemen wie SR oder DSA.
Da steckt vermutlich ein Tippfehler drin. Eigentlich müsste das heißen:
Ich glaube kaum, dass
jede Gruppe
alle verfügbaren Regeln zu
allen Zeiten in
allen Spielsituationen anwendet... zumindest nicht bei den großen Systemen wie SR oder DSA.
Systeme, die auf Verhandeln setzen, nehmen wir mal raus. Tatsächlich kann man bei Spielen wie Fiasco oder Polaris davon ausgehen, dass die gut ohne irgend eine Anpassung oder das Weglassen durchzuspielen sind.
Einen Beweis für meine These (etwas schwächer formuliert: alle Runden, die im weiteren Sinne klassisches Rollenspiel betreiben, verwenden die Goldene Regel) zu erbringen, dürfte sich als problematisch erweisen. Ich versuche aber mal, meine Gedankengänge nachvollziehbar zu machen.
Die Goldene Regel ist kein Zwang. Sie besagt lediglich: wenn du etwas am Regelwerk ändern willst, dann darfst du das jederzeit machen. Selbst wenn man nichts ändert, verwendet man die Goldene Regel, solange man die Möglichkeit, jederzeit etwas zu ändern, grundsätzlich zulässt.
Der Gedanke kam mir während der Diskussion über die Rule of Cool und vergleichbare Dinge. Der Kern der Rule of Cule lautet: du darfst Regeln (der Spielwelt, nicht des Spiels) brechen, solange es die Suspension of Disbelief der Mitspieler nicht zerstört, und je cooler die Aktion ist, umso unwahrscheinlicher ist es, dass die Suspension of Disbelief eines Mitspielers zerstört wird. Da hört es aber nicht auf. Wenn ich Spielregeln (ohne "welt" in der Mitte) breche, und es die Suspension of Disbelief nicht zerstört, d.h. dass alle es akzeptieren, ist das offensichtlich auch ok. Genauer: es wird nicht nach den explizit bekannten Regeln gespielt, sondern es wird immer nach den Regeln gespielt, die alle zu akzeptieren bereit sind.
Mit anderen Worten: jeder Mitspieler darf immer alles tun, das alle anderen akzeptieren.
Dabei ist zu beachten, dass man, je weniger weiche Faktoren im Spiel sind, d.h. je taktischer und brettspieliger man spielt, je weniger Raum für freie Aktionen da ist, umso schneller sich jemand daran stört, dass man mal eine Probe weglässt. In dem Moment, in dem die Möglichkeiten nur noch von den Regeln vorgegeben werden und man seine Entscheidungen nur noch nach den Regeloptionen ausrichtet, verlässt man allerdings aus meiner Sicht das Rollenspiel und befindet sich in der Welt der Brettspiele.
Ich persönlich bezweifle auch, dass es eine ARS-Runde gibt, in der immer alles nach Regeln gespielt wird, d.h. z.B. man unterschlägt niemals eine Probe. Was macht man da eigentlich, wenn es für eine Handlung, die nach gesundem Menschenverstand plausibel und möglich ist, keine Regel gibt?