Mal abgesehen davon würde ich mich wirklich freuen, den Thread ohne Nazivergleiche weiterführen zu können (nicht bös' gemeint).
In meinem sozialen Umfeld wird das Wort "Nazi" sehr frei gebraucht und hat keinen direkten Bezug zum Nationalsozialistischen Regime des Dritten Reiches oder zu rechtem Gedankengut, sondern ist aus einer amerikanischen Verwendung entlehnt und bedeutet soviel wie "sinnlos reglementierend", "freiheitseinschränkend" und "autokratisch". Ich habe bei der Verwendung nicht nachgedacht und hätte natürlich wissen müssen, dass ich nicht davon ausgehen kann, dass es überall so ankommt. Ich entschuldige mich für die unbedachte Verwendung des Ausdrucks und werde mich bemühen, ihn zukünftig aus öffentlichen Diskussionen herauszuhalten.
Nochmal zu der FATE-Punkt-Übergabe:
Scimi, wenn du nach den Regeln spielst, wie wirkt sich das auf die FATE-Punkte-Ökonomie aus? Werden dadurch FATE-Punkte inflationär, Würfe ständig hochgetrieben (was ich befürchte, siehe ein paar Beiträge weiter oben) und Compells fast unnötig (was eine Katastrophe wäre)?
Hmm, das System, mit dem ich die meiste Erfahrung habe, ist im Augenblick SotC, wo jeder Charakter mit 10 FP ins Spiel geht und das führt natürlich schon dazu, dass am Anfang jeder FP zu verbrennen hat. Für ein Dark Fantasy-Setting würde ich den Refresh Pool auf jeden Fall geringer ansetzen (5 oder weniger), andererseits ist es für ein erstes Spiel gar nicht schlecht, wenn die Spieler mit einer größeren Menge an FP starten, denn das ermutigt sie, die ganzen Mechanismen einmal ohne Scheu auszuprobieren. Ich würde mit einer großen Action starten, wo sich alle ein wenig austoben können und (hoffentlich) merken, wie toll FP sind, danach aber den Nachschub einschränken, damit sie lernen, die Punkte zu verdienen.
Generell muss ich aber sagen, dass es selbst beim großzügigen SotC (zehn Aspekte pro Char, Refresh von zehn) bisher relativ selten dazu gekommen ist, dass die Spieler einmal wirklich groß ausgeholt haben. Wenn ein Charakter interessant und vielseitig gebaut ist, besteht selten die Möglichkeit, all seine Aspekte gleichzeitig zu zünden. Was natürlich vorkommt (und eigentlich auch erwünscht ist) ist, dass Charaktere sich bestimmte Signature-Handlungen aufgrund ihrer Aspekte angewöhnen.
Auch haben die Spieler durchaus zahlreiche Aspekte gewählt, die zum Charakter passen, in keiner Weise irgendwie effektiv sind und daher teilweise bis jetzt nicht einmal vorgekommen sind. Ich werde bei zukünftigen Abenteuern darauf achten, dass diese Aspekte auch eine Chance haben, zur Geltung zu kommen.
Szenenaspekte versuche ich so zu setzen, dass die Szene eine gewisse Richtung bekommt und bestimmte Aktionen suggeriert. Aber auch hier achte ich darauf, dass die Aspekte sich so unterscheiden, dass sie nicht automatisch zusammen verwendet werden und dass die Gegner von ihnen genauso profitieren können wie die SCs.
Ein Charakter in der Runde ist allerdings fast voll auf Wissensfähigkeiten ausgelegt und ich kann fast sicher damit rechnen, dass im Verlauf einer Szene ein paar Aspekte declared werden...
NSC-Aspekte haben bisher direkt noch keine große Rolle gespielt (vor allem, weil die Spieler diesen Teil der Regeln noch nicht so richtig für sich entdeckt haben), Aspekte mit Manövern auf Gegner zu legen und sie so für den KO-Schlag vorzubereiten ist aber gerade groß im Kommen. Das mit den Free Tags spricht sich auch langsam herum.
Compels tauchen weniger auf, als man vielleicht meinen könnte. Ich versuche sie immer einzusetzen, wenn es sich anbietet, aber üblicherweise läuft es so ab, dass
ein Charakter durch seinen Aspekt die ganze Gruppe in Schwierigkeiten bringt, aber natürlich nur er einen FP dafür bekommt. Wenn es dann so richtig rundgeht, werden tendenziell mehr FP ausgegeben als gewonnen. Dadurch kommt es häufiger dazu, dass Spieler knapp bei Kasse sind, und sich von selbst in Komplikationen stürzen, um sich etwas dazu zu verdienen. Auch beliebt sind Minor Consequences, weil die bei SotC nach der Szene verschwinden, aber einen FP einbringen. Da werfen sich am Ende eines Conflicts Leute gern noch in eine Kugel, um noch schnell abzukassieren (wenn ich auch fairerweise sagen muss, dass es auch richtig viele soziale Konflikte bei uns gibt).
Generell versuche ich, den Austausch von FP so stetig wie möglich am laufen zu halten. Auf keinen Fall dürfen die Spieler längere Zeit auf dem Trockenen sitzen, weil dann sehr schnell eine Hamstermentalität einsetzt. Im Idealfall haben sie immer ein, zwei Punkte zum Verschwenden, um einfach unterhaltsame Aktionen durchführen zu können, ohne nachher die Punkte zu vermissen und sozusagen für ihre Kreativität und die Unterhaltung der Gruppe bestraft zu werden. Aber tendenziell werden die anfänglich vielen FP über den Verlauf der Sitzung weniger...
Eine gute Methode, Spielern FP zuzuschanzen ist es immer, Gegner Aspekte auf sie setzen zu lassen und diese dann zu compelen. Eine gute Methode, Spielern FP abzunehmen ist es, sie zu Aktionen zu zwingen, bei denen sie schlechte Skills haben und davon möglichst viel abhängen zu lassen. Auch vergebe ich an und ab für das Spiel besonders bereichernde Aktionen mal einen FP als "Zückerchen", auch für gewisse OT-Dinge (zum Beispiel wenn ein Spieler uns bekocht oder Futter holen fährt).
Wie gesagt, ein richtig hohes Stacken von Aspektboni habe ich bisher noch nicht oft gesehen, weil es selten genug ist, dass die Aspekte sich für eine gegebene Aktion optimal vertragen. Wenn es einmal dazu kommt, ist es dann auch wirklich ein "die Planeten stehen günstig"-Moment, wo durch einen irren Zufall mehrere Faktoren begünstigend zusammenkommen und wo ein Charakter dann auch wirklich einmal glänzen kann. Eine Ausnahme bilden allerdings "Bossgegner" am Ende von Abenteuern. Da ermutige ich meine Spieler, vorher ein paar FP zu sammeln und den Fiesewicht mit Manövern zuzupflastern, um ihm dann spektakulär den Rest zu geben - der Kampf wird dadurch nicht kürzer (wegen der ganzen Manöver), aber der Verlauf ist irgendwie spektakulärer als ein langwieriges Herunterkratzen von Stress Tracks.
Was man auch nicht vergessen sollte ist, dass normale Invokes NACH dem Würfeln stattfinden. Der Charakter versucht etwas, von dem der Spieler denkt, dass er es schaffen könnte und erst wenn er mies würfelt oder der Gegner ein überraschend gutes Ergebnis hat, kommt die Frage auf: Sollte mein Charakter es nicht eigentlich doch geschafft haben, weil er diesen oder jenen Aspekt hat? Und dann müssen auch noch die Aspekte stimmen und genug FP vorhanden sein. Auch das lässt im normalen Spiel selten hohe Aspektboni auftauchen.
Das ist jetzt alles ein rein subjektiver Erfahrungswert nach relativ kurzer Spielzeit (ich bin erst vor ein paar Monaten mit dem DFRPG auf FATE gestoßen, habe mich aber für SotC entschieden, weil keiner meiner Spieler die Dresden Files auch nur vom Hörensagen kennt und ich einen schnellen Einstieg ins Spiel wollte). Ich würde behaupten, wir sind immer noch in einer Lernphase, denn die Konditionierung von 15 Jahren DSA lässt sich ohne weiteres nicht so einfach abschütteln. Und gerade am Anfang habe ich mich auch ein paarmal fies vertan.
Die größte Hürde für die Gruppe war es, den Spielern einzubleuen, dass die (am Anfang eher wenig beachtete) FATE Point Economy ein wichtiges, wenn nicht das dominierende Spielelement ist. Und der Lernprozess hält noch an. Das ist der Hauptgrund, warum mir die einschränkende Regel aus Diaspora missfällt - ich will, dass die Spieler noch mehr mit den Aspekten spielen als jetzt und daher habe ich zu Aspekteinsätzen eine unbedingte "Yes, we can!"-Einstellung.
Das größte Hindernis für mich als SL war und ist immer noch, den Spielern viel Freiheit zu lassen. Ich komme von DSA her, wo ich detailliert ausgearbeitete Plots gewohnt bin. Die Spieler einfach einmal machen zu lassen und davon auszugehen, dass sie den Plot nicht kaputt, sondern besser machen, wenn sie einfach Spaß haben ist etwas, woran ich hart arbeiten muss - gerade weil ich mit PE bisher eher schlechte Erfahrungen gemacht habe (Inspectres - welch ein Horror)...
Es kann natürlich sein, dass deine Gruppe ganz anders drauf ist und deine Erfahrungen da sehr anders sind. Aber wenn ihr vorher konventionelle Systeme gespielt habt, ist eine gewisse Umstellungszeit zu erwarten. Schreib mal drüber, wenn du es hinter dir hast, würde mich sehr interessieren.
Für die "Begegnung mit der Finsternis" brauche ich vielleicht noch ein drittes Stresspolster neben Sozial und Physisch?
Normalerweise steht Stress für eine Form von Konflikt, die in der Geschichte eine Rolle spielen soll. Dresden hat ja als dritten Stress Track "Mental", um Dinge wie geistige Beeinflussung, Magierduelle im Geiste und den Feedback von magischen Anstrengunge wie mächtigen Zaubern oder die Nutzung der "Sight" zu modellieren. Auch etwa geistige Stabilität wie bei Cthulhu wird so gut abgebildet.
Aber natürlich könnte man auch so etwas wie die Moralsysteme der WoD verwenden, wo der Konflikt eher mit dem eigenen Gewissen oder übernatürlichen Zwängen stattfindet.
Oder man könnte einen Integritäts-Track verwenden, um abzubilden, wie lange sich ein Charakter im Griff hat, bevor er zu extremem Verhalten neigt.
Auch mystischere Varianten sind vielleicht angebracht, etwa ein Stress Track, der anzeigt, wie ein Charakter in der Gunst der Götter steht und dessen Überschreitung göttliche Flüche als Consequences hat. Oder einfach ein Magic Stress Track, der durch magische Angriffe und Handlungen gefüllt wird und in magischen Mutationen endet.
Die Frage ist vor allem, ob der Stress Track relevant ist und ob er mit dem System funktioniert (im Prinzip, ob durch gegebene Mechanismen Schaden auf diesem Gebiet entstehen kann).
Ansonsten besteht ja immer noch die Möglichkeit, sich ein eigenes Minisystem um den Stress Track herum zu bauen. Beim DFRPG haben etwa ausschließlich Vampire einen eigenen "Hunger" Stress Track, der sich nicht durch Schaden füllt, sondern immer dann, wenn ein Vampir in einer Szene Vampirkräfte eingesetzt hat und der sich auch nicht von selbst heilt, sondern nur durch das Trinken von Blut/Emotionen... Ähnlich könnten Magier auch einen einzigartigen "Taint of Magic"-Stress Track haben, der sich durch Zaubern füllt (etwa analog zum mentalen Schaden bei DFRPG-Magie) und sich erst durch, wasweißich, Reinigungsrituale (oder Blutopfer an dunkle Mächte) regeneriert...