Ich baue ein für die Gruppe interessantes Szenario mittlerweile in wenigen Minuten, nach einem Standardmuster:
Ich sammle zu Beginn des Abends Themenwünsche, für die sich die Spieler (nicht zwingend die Charaktere) interessieren. Je nach dem, wie kreativ ich an dem Abend bin und wie viele Spieler tatsächlich Themenideen haben, reichen zwei bis fünf Durchläufe, in denen jeder Spieler der Reihe nach ein Stichpunkt nennt, der auf meine Liste kommt.
Themen können alles Mögliche sein, Spielanteile wie "Kampf", Ambiente-Elemente wie "Finsternis", Plotideen wie "Mein verschollener Bruder", Locations wie "Ein altes Schloss", charakterpsychologische Themen wie "moralische Zwickmühle", alle denkbaren InWorld-Begriffe,... was immer den Spielern einfällt.
Die Idee dahinter: Selbst wenn sich die SCs eigentlich nicht für ein Thema interessieren, wird der Spieler trotzdem anbeissen & die Sache interessant finden. Wenn die SCs irgendwelche Dinge erledigen, für die sich der Spieler eigentlich gar nicht interessiert, reicht ein schneller Würfelwurf völlig aus, um das Ganze ab zu kürzen.
Dann vergreif ich mich an meinen Namenslisten und verteile willkürlich Bezeichnungen für NSCs, besondere Objekte und Locations auf einem Blatt. Dazwischen ziehe ich Striche, so dass eine Art Social Map entsteht.
Jedem NSC, jedem Objekt und jeder Location ordne ich, je nach gewünschter Wichtigkeit, 1-5 Themen aus der Liste zu. Dabei entsteht eine kurze Geschichte in meinem Kopf.
Beispiel: in einem Steampunk-Setting könnte "Lord Ervin Wellington" mit den Themen "Kampf, Jagd und Geheimnis" ein ehemaliger Kavallerie-Offizier mit großer Kampferfahrung und einer Leidenschaft für die Jagd sein, der ein dunkles Geheimnis hat. Wenn er eine Verbindung zu "Lady Margoth Crumshire" hat, könnte es vielleicht sie betreffen... usw.
Auch die Beziehungen der NSCs/Locations/Objekte zueinander werden beschriftet.
Beispiel: Lord Wellington zu Margoth Crumshire und umgekehrt: "teilen ein Geheimnis", Lord Welligton zu Altes Schloss: "Besitzer", Steven Smith zu Lord Wellington: "hegt Rachegelüste", umgekehrt: "beachtet ihn nicht einmal".
Altes Schloss hat auch eine Verbindung zu Weinkeller: "im Gewölbe". Dazu hat der Weinkeller eine Verbindung zu Dämonenbeschwörungsbuch: "in einer Kiste". Und eine von Lady Crumshire ausgehend: "schätzt guten Wein".
Wenn die SCs mit Locations oder NSCs interagieren, lese ich an der Social Map ab, welche NSCs eine Verbindung dazu haben, wie viel diese mitbekommen können und wie sie reagieren.
Beispiel: Die SCs suchen das Alte Schloss auf. Ich schaue auf die Karte und beschließe, dass sie dort Lord Welligton oder einen seiner Bediensteten treffen. Steven Smith sieht das und fragt die SCs aus, wenn sie zurückkehren, und versucht, sie gegen Lord Wellington aufzubringen.
Damit ich nicht den Überblick verliere, notiere ich mir auf einem weiteren Blatt, was bereits passiert ist - auch wenns die Spieler gar nicht mitbekommen haben.
Beispiel: Während die SCs im Alten Schloss sind, notiere ich mir, mit wem sie sprechen, und dass Steven Smith gesehen hat, wie sie zum Alten Schloss gingen.
Falls benötigt, bekommen die NSCs und Locations während des Spiels(!) irgendwelche Standardwerte, gemäß dem bespielten System. Meist gibts im Regelwerk ne Liste, welche Attributs- und Fertigkeitswerte "große Kampferfahrung" bedeuten.
Falls ich auf dem Schlauch stehe, frage ich einfach den regelsichersten Spieler, welche Werte angemessen für "ein ehemaliger Kavallerie-Offizier mit großer Kampferfahrung" wären.
Alle im Spiel festgelegten Werte wandern ebenfalls auf den zweiten Zettel.
Beispiel: Ein erfahrener Kämpfer hat einen Wert von 4 in der passenden Kampffertigkeit. Attribute rangieren auf der selben Skala. Lord Wellington hat also Musketen auf 4 und Degen vielleicht auf 5. Zu beiden Fertigkeiten gehört das Attribut Agilität. Das hat er also auch auf 4.
Das brauche ich nicht weiter vorbereiten, sondern während des Spiels festlegen.
Je nach Bedarf starte ich ggf. mit einer Kennenlernszene.
Beispiel: "Die Schänke Swords And Anchors im Dorf Upperfalls. Überlegt euch, wie ihr dort hingekommen seid und was ihr da wollt. Außer dem Wirt seid nur ihr da. (Kurze Pause, damit die Spieler nachdenken können & während der ich ein paar letzte Notizen ergänze.) Es ist abends. Was macht ihr?"
Das Szenario endet, wenn die Charaktere den Schauplatz verlassen.
Da diese Art von Szenario etwas Eigeninitiative fordert, nimmt die Spielqualität mit steigender Spieleranzahl zu. Falls der Stein gar nicht ins Rollen kommt, ergreift halt irgendein NSC die Initiative.
Eine spärliche Skizze, die reicht, um einen Abend zu spielen, bekomm ich in einer Zigarettenlänge hin. Gründlichere Vorbereitungen können auch schonmal ein paar Stunden dauern. Die erledige ich dann natürlich vor dem Spielabend, mit Themen, die ich bereits im Voraus gesammelt habe. ("Frische" Themen sind allerdings besser.)
Jede Session endet mit einer Feedback-Runde, in der die Spieler ihre Meinung zum Szenario und ihren Lieblingsszenen des Abends kundtun, aber auch, was sie doof fanden. Das hilft mir, die nächsten Sessions besser zu gestalten.
Bedien dich ruhig an diesem Konzept oder der einen oder anderen Technik.