Wie ich heute in meiner eigenen Runde erfahren konnte, ist Feilschen und Hökern eben nicht abhängig davon, wie detailreich man die Regeln macht.
Ich habe einfach die oben genannten Regeln genommen und die Spieler die Streetwise und Persuasionwürfe machen lassen. Zusammen mit viel Rollenspiel haben die Würfe rund 2 Stunden Spielzeit in Anspruch genommen, und da haben sie nur neue Kleidung und ein Stachelhalsband für den Hund gekauft. Das reicht finde ich...
Aus dem obigen Zitat kann man den Eindruck bekommen, daß wir da 2 Stunden "herumgeschachert" hätten.
In dieser Zeit fanden Besuche bei diversen Tempeln, auf dem Markt, bei Handwerkern (ja, unsere Ausrüstung war nach den letzten Erlebnissen SEHR ramponiert und mußte aufwendig ersetzt werden, damit man wieder nach was (HELD!) aussah) statt.
Aber das Einkaufen war neben viel sozialer Interaktion, dem Aufbau lokaler Kontakte, wiedergetroffener alter Bekannter, dem Einholen aktueller Informationen, der Vorbereitung aufwendiger Kult-Riten, sowie einer strapaziösen Fuß-Verfolgungsjagd quer durch die Gassen und Höfe der Stadt immer hinter Seuchen-Kultisten her, eben nur eine NEBENSACHE.
Ein (nicht-vergleichender) Persuasion-Wurf oder, falls man erst noch suchen mußte, ob und wo es irgendwas Bestimmtes zu erwerben gibt, noch ein vorgeschalteter (auch nicht-vergleichennder) Streetwise-Wurf und die Handels-Transaktion war abgeschlossen.
Zumeist wurde für einfaches Ersetzen ramponierter Ausrüstung schlicht der normale, geforderte Preis gezahlt.
Ein LEGENDÄRER HELD erniedrigt sich nicht mit einem simplen Händler um ein paar Münzen zu feilschen!
Was Kardohan oben mit "2 Stunden" angab, war der gesamte "Tag in der Stadt", den wir nach Wochen in der Wildnis auch mal nötig hatten. Ansonsten haben wir die weitere Zeit damit zugebracht ein paar neue Freunde, ein paar alte Feinde und MÄCHTIG ÄRGER für die nächsten paar Spielsitzungen einzuspielen.
Mehr als die paar Würfe, abgehandelt in (gefühlt) einem Augenblick, hätte es an Handels-Regelanwendung auch nicht sein dürfen, ohne für dieses Setting, für diese Charaktere und bei deren aktuellem sozialen Status unstimmig zu sein.
Warum keine vergleichenden Würfe?Weil die Handelsregeln via nicht-vergleichenden Wurf sowieso schon das "kaufmännische Geschick" des Händlers EINGEBAUT haben!
Man muß also die NSC-Händler NICHT mit einem eigenen Wurf auf was auch immer "dagegen" würfeln lassen, sondern sie würfeln GAR NICHT! Und trotzdem können sie NICHT VERLUSTE machen. Denn die zu erwartenden Preisnachlässe sind im Bereich, in welchem sich der Händler immer noch nicht ruiniert.
Der Erfolg bei Persuasion kann nur so und so viel Prozent des geforderten Kaufpreises herunterhandeln lassen, die Steigerung nochmal so viel. - Das war's!
Man kann zwar mit +8 Charisma und Persuasion W12+2 mit W10 Wild Die (Noble, Attractive, Very Attractive, Charismatic; Professional (Persuasion), Expert (Persuasion), Master (Persuasion)) seinen Persuasion-Wurf machen. Aber das heißt NICHT, daß man mehr als eine Steigerung als ERGEBNIS erhalten wird. Man erhält die Steigerung nur fast sicher (mit 99,2%, wenn keine weiteren negativen Modifikatoren vorliegen). - Somit bekommt man für 7 Edges, davon 3 Background Edges und 3 Legendary Edges, fast sicher einen Preisnachlaß von 20%.
Das ist nichts, was die Ökonomie der Spielwelt aushebelt.
Andererseits war es in unserem Falle so, daß zwei der Charaktere Streetwise auf W4-2 (ungelernt) haben, und zwei (im Falle meines Charakters mit den obigen überlappend) Persuasion W4-2 haben. Trotz Charismatic (+2 Charisma) und Heroic Status (+1 Charisma) würfelt mein Charakter in beiden Skills mit effektiv nur W4+1 (was mich schon einen Level-Up und einen Glory Benefit gekostet hat!).
Bei diesen Persuasion-Werten ist ein UNOPPOSED-Wurf schon eine heiße Sache! (Und bis ich Charismatic wurde, war es ja mit W4-1 "noch spannender"!)
Man bedenke zudem: In abgelegenen Gegenden könnten Güter nicht nur kaum verfügbar sein, sondern sie kosten einfach MEHR als dort, wo sie reichlich vorhanden sind. Damit bewegt sich der Aufschlag oft schon bei +20%, somit für z.B. einen Heiltrank 120 GS. Mit einem Erfolg beim Feilschen (Persuasion) bekommt man den auf 108 GS runter, bei einer Steigerung auf 96 GS. Damit zahlt man letztlich in etwa den "Listenpreis". Und das paßt schon ziemlich gut so.
Ich sehe nicht, warum ich bei jedem popeligen Händler einen vergleichenden Wurf machen soll!
Das Einkaufen von Verbrauchsgütern (wie Waffen, Rüstungen, Nahrung, Reittieren, Kleidung, usw.) ist ja nun wirklich NICHT ABENTEUERLICH und somit knapp vor dem Latrinenbesuch an Wichtigkeit. - Ja, auch HELDEN gehen mal aufs Klo. Aber muß man dazu unbedingt "f.a.t.a.l.erweise" auf den Skill "Urinate" würfeln? - Ich glaube nicht, Tim.
Die Händler sind, wenn schon nicht ganz namen- und gesichtslos, doch nichts anderes als Teil des BÜHNENBILDES.
Ein Händler ist meist KEIN ANTAGONIST der Spielercharaktere!Nur in sehr speziell die Konflikte auf das ökonomische Gebiet verlagernden Settings stellen solche Handels-Aktionen WESENTLICHE Szenen dar, die mehr Aufmerksamkeit (und das heißt auch durchaus: Mehr Regeln, mehr Würfe. ) verdienen.
Gibt man dem Händler einen vergleichenden Wurf, dann macht das den Händler wichtiger. Es macht ihn statt zu einer einfachen Anlaufstelle im Bühnenbild, wo man seinen Einkauf erledigt, zu einer OPPOSITION!
Das stellt eine Aufwertung des Händler-NSCs dar. Und diese Aufwertung sehe ich in den allermeisten Savage Settings NICHT gerechtfertigt.
In modernen Settings sowieso nicht. Hier ist weniger Persuasion als Feilschen mit einem dagegen haltenden Händler relevant. In modernen Settings ist eher Streetwise als Umhören nach günstigen Angeboten, aber noch viel mehr Common Knowledge (also Smarts-Wurf) für Google-Suche, Preisvergleiche bestimmend. Über den Endpreis entscheidet im modernen Setting die persönliche Ausstrahlung und das gute Aussehen weit weniger als die schlaue Wahl des günstigsten Anbieters.
Die "fäntelalterliche" Vorstellung des um jeden öden Scheiß stundenlang herumfeilschenden Händlers ist die Ursache für NERVIG-BESCHEUERTE Feilscherei-Würfeleien, die eine kurze Einkaufs-Tour zum Aufstocken von abenteuerrelevanten Resourcen zu einer QUAL machen. - Auch mir sind schon Spielleiter untergekommen, die mir zumuteten von einem doofen, verkaufsunwilligen Händler-NSC zum nächsten zu rennen und - mangels Fertigkeit, auf die man hier einfach hätte würfeln können - ENDLOS und GEQUÄLT jedes bescheuerte Kleinteil meiner Einkaufsliste per AUSGESPIELTEM Feilsch-Dialog erwerben zu müssen.
Solch einen KRAMPF kann ich überhaupt nicht vertragen.
Bei SW gibt es glücklicherweise den NICHT-vergleichenden Wurf, den man macht, und nach dem man genau weiß, was es einen kostet einen Gegenstand oder eine ganze Einkaufsliste normaler, verfügbarer Güter zu erwerben.
Warum erst recht KEINEN Wild Die für einen Händler?Gibt man einem NSC einen Wild Die erhöht sich nicht nur die Kompetenz des NSCs und seine "Zuverlässigkeit" im Erzielen von Erfolgen (durch die Kurve statt der linearen Verteilung). - Es ändert sich noch etwas Gewichtiges: Der NSC wird den SCs GLEICHGESTELLT!
Ein Wild Die hebt einen NSC auf AUGENHÖHE mit den SCs.Daher ist das Einführen von "Henchmen" oder "Jokern" oder wie auch immer man Extras mit zugeordnetem Wild Die nennen mag, eine völlig BESCHEUERTE Idee. Damit soll das Problem "gelöst" werden, daß manche NSCs eben doch ein wenig mehr Kompetenz zeigen sollen, aber immer noch schnell ausgeschaltet werden können sollen. - Nur läßt sich dieses Problem mit den SW-Bordmitteln, genannt "Edges", die feste, positive Modifikatoren geben, auch bereits lösen, OHNE einen "Zwischen-Status" zwischen Extra und Wildcard einzuführen.
Ein NSC, der einerseits "Fallobst" sein soll, andererseits aber den SCs gleichwertige Kompetenzbreite via Wild Die erhält, ist der Versuch mit dem Schraubenzieher einen Nagel einzuschlagen.
NSCs mit Wild Die auszustatten, ohne daß diese ECHTE WICHTIGKEIT für die Kampagne mitbringen, ist eine Art "schleichende De-Protagonisierung" der SCs!Der Wild Die und die damit verbundene Kompetenzsteigerung und Zuverlässigkeit bei Handlungen ist ein Merkmal für die Protagonisten und die Antagonisten, die WICHTIGEN GEGENSPIELER.
Beim Einkaufen, wie bei vielen anderen Handlungen, in denen es KEINEN BEDEUTSAMEN KONFLIKT mit einem Gegenspieler gibt, ist das Rampenlicht ganz auf den Spielercharakteren! Das bedeutet, daß der SC seinen Wurf OHNE Opposition macht. Es ist der SC ALLEIN, der über sein weiteres Schicksal bei diesem Wurf entscheidet. KEIN NSC mischt sich hier ein, weil KEIN NSC in der aktuellen Szene wichtig genug wäre, daß ihm die Rolle der Opposition zukäme.
Ein Händler, bei dem ein SC ein Brot oder ein Schwert oder eine Legehenne kauft, der gehört zum BÜHNENBILD. Ja, er bewegt sich. Ja, er könnte auch einen Namen haben. Ja, er redet auch. NEIN, er stellt sich dem SC NICHT als GEGENSPIELER in den Weg!
Der SC will etwas kaufen, er macht seinen Wurf ALLEIN und ist so seines eigenen Geldbeutels der EIGENE HERR. Hat der SC miese Werte in Persuasion und Charisma, dann zahlt er halt mehr. Das ist die Entscheidung des Spielers, der ihm statt Attractive eben Alertness oder Berserk als Background Edge ausgesucht hat. Nun ist er ein Berserker, aber halt einer, der öfter mal ein paar Münzen mehr zahlen muß, als der "Faceman" und Schönling nebenaan.
Der Unterschied liegt IM CHARAKTER und NICHT in der Kompetenz der NSC-Händler, denen der Charakter begegnen mag. Die sind einerseits viel zu zahlreich, als daß er sich über die Jahre des Agierens in der Spielwelt auch nur deren Namen merken würde, und andererseits sind sie auch zu UNWICHTIG, als daß es sich überhaupt lohnte die Namen zu registrieren.
Daher können die Händler des täglichen Abenteurerbedarfs auch ganz ohne Namen auskommen. Man identifiziert sie über das, was man von ihnen kaufen will. So heißt der Schmied Olaf Wiglafsunu eben "der Schmied beim Nordtor" oder einfach nur "der Schmied".
Wenn nun Händler mit Wild Die (eventuell auch noch mit Edges, die feste Boni geben) in einem VERGLEICHENDEN WURF daher kommen, dann wird das simple Alltagsleben, Einkaufen genannt, zu einer als "sozialen Konflikt" hochstilisierten "Kampfszene" aufgewertet. Die Händler sind dann GEGENSPIELER, Antagonisten der SCs, und sie agieren - anders als ihnen als STATISTEN(Extras) eigentlich zukäme - mittels des Wild Die zu ihrem Wurf auch noch auf AUGENHÖHE gegenüber den SCs.
Wozu das denn?
Ist das Einkaufenspielen wirklich so WICHTIG und ist es so ein Fokus der SPANNUNG in einer Spielsitzung, daß man hier "Pseudo-Wildcard-NSCs" in der Rolle von Antagonisten mit den SCs Konflikte austragen lassen muß?
NEIN.
Die Ansicht, daß ein Wildcard-SC bei einem einfachen Wurf oder einem vergleichenden Wurf über den Wild Die (und nicht zu vergessen: Die Bennies!) ja einen Händler jederzeit "in die Pleite überreden" könne, weshalb man die Händler mit Wild Die UND hohen Eigenschaftswerten UND Edges ausstatten, ja geradezu "abhärten" müsse, geht völlig vorbei an der SC-zentrierten Sicht, welche die Savage-Worlds-Regeln konzeptuell auszeichnet.
In SW gibt es nur genau EINE wirklich bedeutsame Art Charaktere aus deren Perspektive ALLE Regeln gestaltet sind: Die SPIELERCHARAKTERE.
Die Idee Händler-Pseudo-Wildcards mit Händer-Edges und Händler-Skills gegen die meist im Schachern unerfahrenen (ausgenommen Händler-SCs) SCs aufzustellen, stellt für mich eine Art "Wirtschaftssimulation" dar.
Damit soll versucht werden die SCs von einer Rolle als HAUPTFIGUREN in deutlich (siehe Bennies, Wildcard-Status) herausgehobener Stellung irgendwie "herunterzudrücken" auf eine Rolle als normale "Rädchen" in einem simulativen Wirtschafsregelwerk, dem es EGAL ist, ob ein Protagonist einer Kampagne etwas einkaufen möchte oder ob das Standard-Statist 08/15 von nebenan ist.
Das meine ich mit DE-PROTAGONISIERUNG.
Ich hoffe, ich habe meine Sicht hier verständlich machen können.
NATÜRLICH kann man sich beliebig hochsimulative und die SCs in ihrer Rolle als Hauptfiguren im Spiel reduzierende Hausregeln ausdenken und anwenden. Das geht. Viel Spaß dabei.
Es liegt nicht an Euch, es liegt an MIR.
ICH möchte MEINE SCs nun einmal lieber als die HELDEN, die HAUPTFIGUREN, die PROTAGONISTEN der jeweiligen Kampagne spielen können, und nicht als "heruntergeregelte" Normalos, die beim Sockenkauf schon in einen sozialen Konflikt geraten.
Das bin aber NUR ICH.