@Naga: Das ist eine interessante Analyse, die ich im Hinterkopf behalten werde. Dazu gehört übrigens auch der DSA-typische Einfluss des Geburtsmonats auf die Werte. Ich sehe das allerdings nicht als unbedingt notwendig für das Spielgefühl an: Eine enge Verzahnung des Charakters mit dem Setting geschieht ja vor allem durch die Hintergrundgeschichte, die Erlebnisse und Abenteuer, also in Bereichen, die den Charakter neben den Regeln definieren - und dies erlaubt eine viel stärkere Bindung des Charakters an das Setting als der regeltechnische Hintergrund. Insofern ist diese Verzahnung, wenn auch nicht derart mit den Regeln verquickt, durchaus vorhanden.
Um das ganze aus der DSA-Perspektive zu kommentieren:
DSA hat den großen Vorteil, dass das Heranführen an die Spielwelt schon mit der Charaktererschaffung beginnt:
- Ich erstelle mir einen Charakter, und er ist spielweltkompatibel.
- Ich lese mir die Charaktererschaffungs-Optionen durch, und ich kriege einen guten Eindruck der Spielwelt und der Rolle des Charakters darin.
Das ist jetzt nichts, worauf DSA das Patent hätte. Aber es ist in diesem Bereich besonders gründlich. Auch wieder im Gegensatz zu D&D - hier sind Charaktererschaffung und Charakterhintergrund zwei weitgehend getrennte Paar Schuhe; und ob der Charakterhintergrund zum Setting paßt ist auch wieder ... "freier".
Das heißt nicht, dass man Aventurien nicht mit anderen Regeln spielen könnte. Oder dass das schlecht wäre. Aber es hat wohl seinen Grund, dass die meisten solcher Projekte sich an DSA-Kenner richten, und nicht versuchen die recht umfangreiche Charakter-Erschaffungs-Vorgehensweise auf andere Regeln umzustellen.
Oder anders ausgedrückt:
- DSA als Kenner des Settings mit anderen Regeln zu spielen ist einfach. (Probleme machen da eigentlich nur die Zauber, die teils stark mit dem Setting verwoben sind, und in der Form nicht in jedem Regelwerk vorkommen.)
- Eine Charaktererschaffung hinzubekommen, die gleichermaßen an das Setting heranführt, ist schwer oder zumindest aufwändig.
Das ist glaub auch das, was vielen Kritikern des DSA-Regelwerks entgeht: Die Regeln sind vielleicht mechanisch unhandlich, mit viel Klein-Klein das am Spieltisch stört. Aber sie sind sehr gut darin, Charaktere mit eigenem Flair zu erzeugen. Ein Weidener Krieger hat ist spürbar anders als ein Schwertgeselle. Nicht weil sich wie bei SaWosein einer Special-Move unterscheidet, sondern wegen vielen Kleinigkeiten, die eben ein entsprechend anderes Gesamtbild ergeben. Ein Druide unterscheidet sich auch spürbar von einer Hexe.
Eine solche "ausgefeilte" Unterscheidung innerhalb von "Krieger" oder "Naturmagier" haben andere Systeme nicht. Dabei ist der gamistisch-taktische "Spielgewinn" durch diese Unterscheidung recht gering, und ich kann nachvollziehen, wenn Leute sie für sich unwichtig halten. Gleichzeitig ist der Unterschied aber im Setting gegeben, und unter DSA-Spieler gibt es wohl auch solche, die diese Verknüpfung von Spielwelt und Regeln "um der Spielwelt willen" oder "um der Charaktere willen" wertschätzen. Für jene ist Vorhandensein und Stimmigkeit der Charakterprofile wichtig, nicht deren taktische Relevanz oder mechanische Eleganz.
Für DSA kann man schlicht feststellen: Die Spielwelt gibt die Regeln vor. Da muss man glaub nicht viel diskutieren. (Bei vielen D20-Konversionen - hab ich schon "Oriental Adventures" erwähnt
- habe ich den Eindruck, dass genau das nicht der Fall ist, sondern die Spielwelt auf das D20-System zurechtgebogen wird. Auch von der Schwerpunktsetzung in Abenteuern und Kampagnen, die auf einmal mehr Wert auf Moschen und Beute legen.)
In welchem Detailgrad die Regeln die Spielwelt abbilden sollen, und wo man da bei DSA kürzen/zusammenlegen könnte, oder mit anderen Mechanismen mehr mit weniger erriecht, ist letztlich die Gretchenfrage des DSA-Systems.