Vielleicht solltest Du die Beschimpfung Imaginärer-GURPS-aus-Ingnoranz-Verächter dann weniger mißverständlich formulieren, oder am Besten gleich ganz aus Informations-/und Werbeposts herauslassen.
Mir geht es ehrlich nicht darum, jetzt explizit Gurps zu bewerben. Mir geht es um eine weitaus größere Problematik - nämlich die grassierende Borniertheit und anti-intellektuelle Haltung, die leider immer noch vehement von vielen Rollenspielern (die es eigentlich besser wissen müßten) vertreten wird. Dieses Krakeele nach einfacheren, möglichst wenig fordernden Spielen, die Glorifizierung der Mittelmäßigkeit ist ein Syndrom genau dieser Anspruchslosigkeit.
Anspruchslosigkeit ist eine super Eigenschaft für Esel und andere Pack- und Zugtiere. Wer sich da einordnen will, bitte.
Nichtsdestotrotz gibt es wenig was ich persönlich so traurig finde wie verschwendetes Potential, insbesondere wenn aus reiner Faulheit oder Trägheit heraus reichhaltige Möglichkeiten ungenutzt bleiben, aber man trotzdem erahnen kann, was möglich gewesen wäre. Und genau diese Gegenüberstellung eines enormen Potentials und des doch reichlich ernüchternden Ist-Zustands kommt als Tragödie der Verschwendung und der ungenutzten Möglichkeiten als leider oft viel zu genau zutreffende Beschreibung des Status Quos der Rollenspielszene daher.
Und ja, es gibt genug Leute, die das gebotene Potential nicht ausschöpfen, und das ist nichts anderes als Verschwendung. Klar, warum die Nudeln kochen, wenn man sie auch roh essen kann. Warum sich überhaupt Mühe geben? Schliesslich ist das bloß "elitär".
Vor Knapp 30 Jahren mußten sich Autoren wie Will Eisner oder Art Spiegelmann auch damit auseinandersetzen, dass sie verdammt noch mal keine Künstler sind, sondern
nur Comic-Zeichner. Comics als Medium war schliesslich viel zu frivol und ordinär, um als Literatur oder gar Kunst zu gelten, und alle Versuche, die in die Richtung gingen (z.B. Eisners
A Contract with God) konnten nicht mal den Begriff
Comic verwenden, um nicht von vorneherein als Kinderkram abgetan zu werden.
Vor knapp hundert Jahren war es beim Medium Film übrigens ganz genauso. Das Medium war offensichtlich so frivol und albern und eben nur für Unterhaltungszwecke gedacht, dass man es nicht ernstzunehmen brauchte. Es gab ja schliesslich Theate, wo die richtige Kunst stattfand, also konnte man Film getrost den Pornokraten, zwielichtigen Gestalten und Amateuren überlassen. Und wer was anderes behauptete, wurde lange, lange nicht für voll genommen.
Rollenspiel als Medium befindet sich in einer ähnlichen Situation, die aber auf Grund der relativ kleinen Bezugsgruppe und Auflagen etwas problematischer ist, denn sowohl Comics oder Film hatten als Medium den Vorteil des einfachen Zugangs. Rollenspiel erfordert zwangsläufig aktive Beteiligung. Das macht es schwieriger, aus dem eigenen Saft herauszukommen. Wobei genau das aber wiederrum nötig ist, wenn das Medium Rollenspiel mittelfristig Bestand haben soll - denn beim jetzigen Stand der Dinge werden immer weniger Spieler immer älter, und bleiben schön im eigenen Saft stecken. Gelebte, glorifizierte Mittelmäßigkeit. Ein möglicher Zuwachs an neuen Spielern erfolgt nicht über Selbstverkrüpplung und Marginalisierung der eigenen Interessen.
Warum nicht mal mit breiter Brust und etwas Sendungsbewußtsein auftreten? Was wir hier machen ist Kunst; wir praktizieren eine einmalige, vielseitige und interaktive Kunstform. Also hört verdammt noch mal auf, das ganze ständig klein zu reden und das Licht des eigenen Potentials ständig unter den eigenen Scheffel zu stellen. Dafür sollte sich nämlich eigentlich jeder hier zu Schade sein.
Ich zu Mindest werde nicht anfangen, Pisse zu schlürfen und es Champagner zu nennen, weil genug Leute mit der Pisse zufrieden sind. Das ist dann plötzlich elitär?
Jetzt mal ganz ehrlich: Wie soll jemand Aussenstehendes das Medium ernst nehmen, wenn die Hälfte der Beteiligten und Mitspieler sich so große Mühe geben, es selbst nicht wirklich ernstnehmen, oder schlimmer noch, aktiv versuchen alle Bemühungen in Richtung eines intellektuellen Diskurses und einer entsprechenden Auseinandersetung abzuwürgen? Denn genau das geschieht immer wieder. Für jeden Rollenspieler, der sich hin stellt und das Offensichtliche bekundet- nämlich dass es sich bei Rollenspiel um ein literarschies Medium und eine Kunstform handelt, kommt einer, der das Gegenteil behauptet, und ein weiter, der sich drüber lustig macht. Und diese Mischung aus der Marginalisierung der eigenen Interesssen und Borniertheit auch als Borniertheit zu titulieren, ist also elitär? Wenn das der Fall ist, ist die Rollenspielszene verdammt noch mal nicht elitär genug.