Ich muss mich Horatio, Athair, aber irgendwie auch Xemides anschließen:
Mit 15 habe ich DSA1 gespielt und sogar mal eine Runde D&D. Das hat damals viel Spaß gemacht, vor allem, weil es immer gleich zur Sache ging. So haben wir es geschafft, die Orkland-Trilogie in Hohlstunden und Großen Pausen zu zocken.
Dann wurde man älter und wollte mehr Stimmungs-/Erzählspiel, mehr "Drama". Zunächst taten die Regeln (zumindest bei DSA) so, als würden sie das unterstützen: Es gab Talente für Überzeugen, Betören, Bekehren, Singen, Musik, na, wenn da mal keine Stimmung aufkommt!
Und ich kann mich erinnern, dass es eine Phase gab, wo das ganz wunderbar geklappt hat. Aber dann ging es immer mehr in die Richtung, und weil man es irgendwie geil fand, dass Regeln und Settings einem da immer mehr Zeug geliefert haben, wollte man immer mehr und immer mehr. Ausgefeiltere Magieregeln mussten her, schließlich war es ja ach so interessant, auf welche Akademie das zaubernde Bürschchen einst gegangen ist (Hintergrund fürs Rollenspiel!), da griff man doch gern zu immer dicker und ausführlicher werdenden Folianten, denn schließlich diente doch alles diesem tollen, lockenden Spielgefühl, das sich immer seltener einstellte, aber als Verheißung immer heißer wurde (siehe Horatios Post). Und wie neidvoll hat man zu den richtigen Erzählspielern der WoD hinübergelinst ...
Und das ging in meiner Gruppe irgendwann mal so weit, dass uns Rollenspiel viel zu aufwendig und schwerfällig wurde. Für jeden Mist war man nur noch am Nachschlagen oder Diskutieren und hat dann lieber handgewedelt, der SL hat Würfel gedreht oder gar nicht mehr gewürfelt, Hauptsache Drama, Feeling ....
Selbst Kurzabenteuer waren nicht mehr unter drei Sitzungen zu bewältigen, und Kampagnen wurden aussichtslos.
Erst seit Jaspers Simyala-Kampagne (die nichts mit meiner alten Gruppe zu tun hatte) wurde mir allmählich bewusst, wie geil die Herangehensweise zu Zeiten von DSA1 eigentlich war (obwohl wir mit einer abgespeckten DSA3-Version gespielt haben). Und seither kann ich den Reiz von Retro-Klonen auch gut verstehen. Es geht einfach darum, wenige, simple Regeln zu haben, um die man sich beim Spielen kaum kümmern muss (und die einen auch nicht zum handwedeln und Würfeldrehen nötigen) und in Situationen so reinzugehen, wie man mit 15 ins Orkland marschiert ist (auch wenn ich es nie mehr so ausspielen würde wie mit 15, in diesem Punkt stimme ich mit Xemides überein). Ohne diesen Bremsblock aus tausend Regeln und Hintergrundinformationen, die den Charakter ach so lebendig machen. Statt vier Seiten Char-Bogen nur eine.
Es geht irgendwie um die Erfahrung (bei mir eine viel zu späte Erkenntnis), dass das Spielerlebnis nicht unbedingt reizvoller, besser, intensiver wird, wenn ich eine rororo-Monografie über das Vorleben meines Chars, einige tausend Seiten Spielwelt- und Metaplotkenntniss und für jedes Fingerschnippen eine eigene Regel an den Spieltisch schleppe. Auch mit einem oldschoolig, d.h. in vielerlei Hinsicht eher flüchtig skizzierten Char in einem simplen Dungeon-AB lassen sich während des Spiels ganz spontan ebenso dramatische, stimmungsvolle Momente erleben.
Und der Effekt ist dabei manchmal sogar noch größer, denn nach dem angestrengten, sorgfältigen Ausklamüsern eines "vollwertigen" Chars besteht immer auch ein gewisser Druck, dass nachher auch ein entsprechendes Rollenspielerlebnis rausspringen muss. Beim Oldschool-Char, den ich mir in fünf Minuten zusammenwürfle und dem ich nicht mehr als zwei drei Stichworte als Hintergrund an die Hand gebe, ist dieser Druck nicht vorhanden, und sollte es im "Dungeon" nicht zu großartigen "Stimmungs"-Szenen kommen, dann habe ich immer noch Spaß mit der zumeist tödlichen Action.
Ich finde und benutze den Begriff Dungeon im Zusammenhang mit einer Oldschool-Philosophie weniger als Bezeichnung für ein Verlies/Labyrinth, sondern für die Herangehensweise an Abenteuer allgemein, nämlich diese: "Hic Rhodos, hic salta! Scheiß auf Vorgeschichte und abendelange Einleitung: Das ist das Problem, hier ist das Abenteuer -- was macht Ihr? (Mal sehen, was dabei und ob Ihr wieder rauskommt
)" (Auch ein Konzept, das ich wiederentdecken musste.)
Vor allem wegen der Regelleichtigkeit und des subito-Effekts bin ich dankbar für Retro-Impulse. Wobei ich gewiss kein puritanischer Verfechter bin. Aber den Reiz der Retro-Welle kann ich aus genannten Gründen nachvollziehen.