Nun ja, ich war heute (gestern... ich poste ja oft nachts) auch drin. In meinem neuen Lieblingskino, leider auch für 10,90 Euro inklusive der 3D-Brille. Bin schon schockiert, wenn ich hier lese, dass viele von euch in anderen Städten mittlerweile 13 oder 14 Euro zahlen (plus Anfahrt, Essen, Trinken...? oh je, wo soll das enden?).
Ich hatte von vornherein niedrige Erwartungen, weil meine amerikanischen Bekannten den Film bereits überwiegend schwach fanden und gleich mal als erstes herausgehoben hatten, dass Chris Evans' Haare niemals echt aussahen, sondern ein computergenerierter Effekt seien. Also hatte ich einen recht glatten, gefälligen Videospiel-Look erwartet, so etwas wie gerade zuletzt bei Green Lantern.
Diese Erwartungen wurden dann jedoch glücklicherweise übertroffen. Ich fand den Cap-Film besser als seinen Ruf und besser als ich es selbst erwartet hatte: Eine wunderbare Good-Guy-Geschichte im Gegensatz zu den anderen Helden, die immer psychisch belastet, voller Konflikte und Widersprüche sein müssen. Schlüsselszene für mich - das Gespräch mit Dr. Abraham Erskine nach der Untersuchung, in der Erskine Steve Rogers fragt, ob er nach Europa möchte, um ein paar Nazis abzuknallen, und er ihm daraufhin sagt, "Ich will niemanden töten, aber ich hasse Tyrannen..." (ich glaube, im Original sagt er "bullies", was auf dasselbe hinausläuft)
Ich fand Hayley Atwell in ihrer Rolle großartig (allerdings ist ihr Lippenstift so unglaublich knallig rot, na ja), auch wenn natürlich in der deutschen Synchro nicht herauskommt, dass sie Britin sein soll.
Der Film ist insgesamt fast schon WWII-Punk oder Mechano-Punk oder wie auch immer man diese Ära nennt (ich kann ja nicht "Steampunk" sagen, da keine Dampfkraft) und damit recht retrofuturistisch-düster, sodass man immer sagen kann, "In dieser Zeit gab es noch keine bunt kostümierten, coolen Superhelden. Das war die alte Zeit." Mir hat auch gefallen, dass man in diesem Film, der auf einer Comicfigur basiert, selbst auch wieder Comics sieht, die die kleinen Jungs in den Straßen New Yorks begeistert lesen. Man sollte nicht die Symbolkraft dieser Szene vergessen: Erstens war Steve Rogers in der Geschichte früher selber einer dieser armen und idealistischen Jungs, zweitens war das in der realen Geschichte die Geburtsstunde der großen Golden-Age-Helden und des Verlags Marvel, drittens arbeitete Stan Lee selbst als junger Mann im Zweiten Weltkrieg als Autor, Werbetexter und Karikaturist für Armeepublikationen.
Genial auch der Drehbucheinfall, dass Rogers nicht direkt nach der Injizierung des Superserums als Superheld loslegt, sondern vom USO (hieß das damals schon so?) vertragsmäßig für Werbeveranstaltungen für Kriegsanleihen und für die Truppenbelustigung eingespannt wird - als Zirkusattraktion sozusagen, die keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wird. Der Gegensatz "Show-Veranstaltung" mit den Revue-Girls auf der Bühne und "echter Krieg an der Front" kommt auch in dem Film durch. Es dauert eine Weile, bis Cap richtig loslegen kann. Aber er macht sich sogar in den Truppenbelustigungsshows zum Deppen, weil das eben seine Pflicht ist und weil er ja unbedingt zur Armee wollte.
Alles in allem gucke ich sonst ja keine Filme über den Zweiten Weltkrieg und lese auch keine Comics und Geschichten, die in dieser Ära spielen, aber Captain America hat es geschafft, diese völlig fiktive Version von WWII irgendwie interessant aussehen zu lassen.
Sehr schön finde ich dann auch, wie gut der Film in das Avengers-Universum eingefügt wurde (
...ihr seid doch hoffentlich bis ganz am Ende nach den Credits geblieben, wo es noch mal fast 2 Minuten Avengers-Ausschnitte zu sehen gibt, einschließlich Hawkeye! Dort sieht man auch erstmals alle Avengers-Mitglieder zusammen auf der Leinwand, größtenteils in ihren Kostümen.
). Tony Starks Vater Howard Stark ist sehr gut gespielt und dazu geschickt in den Film eingebaut. Er kommt nicht nur in der Verwandlungsszene vor, sondern hat noch andere Momente. Dabei kann man sehen, dass der alte Stark in seinen jungen Jahren ein genauso selbstverliebter und verwegener Schürzenjäger war wie Tony Stark dann in den 2000er Jahren. Wie der Vater, so der Sohn...
Insgesamt halte ich Captain America für einen rundum gut gemachten, knackigen Superhelden-Sommer-Movie, auch wenn das 3D wieder mal überflüssiger Schnickschnack war.
Edit: Tippfehler ausgebessert.