Nur damit ich das hier richtig verstehe...
1) Wenn die Spieler schlüssige, coole und interessante Ideen haben, wer der Mörder sein könnte, aber der SL einen anderen vorgesehen hat, dann ist der SL angehalten, den Mörder zu ändern - er nimmt die Ideen der Spieler auf!
2) Wenn die Spieler durch gutes Raten oder von mir aus auch durch das Lesen des Musters des SLs sofort den Mörder finden, den der SL vorgesehe hat, dann ist der SL angehalten, den Mörder nicht zu ändern - sonst entwertet er ja die Ideen der Spieler!
Ist es denn wirklich so einfach?
Gerade im Falle eines nicht zureichend vorbereiteten Abenteuer ist das doch so 'ne Sache. Ich frage mich ab welchem Zeitpunkt der Mörder so fest im Abenteuer steht, dass es Beschiss wäre ihn zu ändern. Gestern habe ich zum Beispiel auf unserem Vereintreffen eine Partie "Engel" geleitet - es war auch ein Detektivabenteuer und ich habe auch erst in den letzten Szenen des Abenteuers entgültig festgelegt, wer der Drahtzieher und wer der Mitläufer ist (entweder der Prior eines Klosters oder der falsche Templerarmatura). Ich habe bis auf einer R-Map, die ich letztendlich auch nur in Auszügen benutzt habe, einfach nichts festgelegt. Was passiert ist, war klar, aber wie es letztendlich ausging eben nicht... Eigentlich hatte ich zu Beginn aber durchaus vor, dass der Prior der Bösewicht ist und am Ende habe ich umdispuniert, weil die Spieler in andere Richtungen geforscht haben und ich wollte ihren Aufwand und ihre Mühe belohnen.
Ab welchem Zeitpunkt war denn nun fest, dass der Prior der Bösewicht zu sein hat? Als ich zum ersten Mal drüber nachgedacht habe? Als ich ihn in die R-Map eingetragen habe? Als das Spiel losging? Als die SCs ihm zum ersten Mal begegnet sind?
Ich bin mir auch sicher, dass ich unter vielen SLs gespielt habe, die nachträglich im Abenteuer die NSC-Rollen munter durchgetauscht haben - aus welchen Gründen auch immer. Und aufgefallen ist es mir als Spieler nicht. Weil ich den vom SL konstruierten Plot ja im Vorfeld nicht kenne. Problem: Wie können wir denn als Spieler nachprüfen, ob ein SL sich nicht gedacht hat, dass es doch besser wäre, wenn nicht der Prior sondern der Armatura der Böse ist? Oder meinetwegen hat ein Spieler den SL im Verdacht, da etwas gedreht zu haben... sagt der dann "Zeig mir deine Unterlagen, SL! Ich bin sicher du hast gemogelt!" Und dann hat der SL seinen Plot aber nur im Kopf ausgearbeitet und der Spieler kann da nicht Einsicht erhalten. Ist es tatsächlich so, dass der SL, sobald er irgendeinen Namen auf ein Blatt schreibt und daneben "Schurke", das dann eine gesetzesartige Verbindlichkeit hat, an die er sich gefälligst halten muss.
Ich halte mich hier mit meiner Meinung zurück, weil ich gerade diese Situation doch hochgradig problematisch finde... Kein SL hat alle Details, Irrungen, Wirrungen seines Abenteuers im Kopf. Und die Spieler ermitteln vielleicht drei Spielabende in der Gegend herum, befragen NSCs, durchsuchen Orte, um die Schuld des Priors zu beweisen etc., aber alles ergebnislos, weil auf dem Zettel des SLs eben steht, dass der Armatura der Mörder ist. Und das ist ja auch megafrustrierend.
Hat sich der SL also grundsätzlich den Ideen der Spieler zu beugen, ob sie nun jetzt den Mörder in den ersten fünf Minuten finden oder nach vier Abenden noch nicht drauf gekommen sind?
Auch nicht einbezogen wurde bislang wohl die zeitliche Disposition: Ich glaube, dass es viele Spieler gibt, die einem SL schlechtes Spielleiten unterstellen würden, wenn der sagt: "Okay, ja, der Typ mit der Leiter ist der Bösewicht, ihr habt das durch "Lügen erkennen" direkt rausgefunden und das Schwert des Kriegers an der Kehle hat ihn zum Geständnis gebracht. Wir haben jetzt 10 Minuten gespielt. Mehr habe ich nicht vorbereitet... bis nächste Woche!" Ich glaube dass genug Spieler sich da aufregen würden und frustriert wären, weil man zwar einen Plot schnell gelöst hat, aber eben nicht sonderlich dramatisch und langwierig. Klar, die Spieler stehen genauso in der Verantwortung für die Dramaturgie wie der SL.
Ich bin geneigt als Spieler mehrere vom SL vorgesehene Möglichkeiten, wer der Mörder ist, zu akzeptieren, solange der SL sich dann den Ermittlungen der Spieler anpasst und nicht den Ermittlungen der Spieler gegenarbeitet. Wenn er möchte, dass jemand anderes der Mörder ist, als der, den die Spieler verfolgen, dann sollte er die Entscheidungen der Ermittlungen der Spieler nicht entwerten, sondern als wichtige Schritte im Ermittlungsprozess einbauen, die den Spielern Vorteile bei der Überführung des anderen Mörders einräumen. Oder vielleicht auch nicht. Und einfach jemand Neues erfinden, der der Mörder ist, ist wohl auch nicht okay... Ich habe dazu erstmal gar keine Meinung, bis ich die Argumente nicht ausreichend geprüft habe, doch ich bin der Ansicht, dass man es nicht mit Sicherheit sagen kann.
Wie gesagt, ich finde, dass es mit Kampfbegriffen wie "Spielerverarsche" hier nicht getan ist: Dieser spezielle Fall ist doch wesentlich komplexer...