Autor Thema: Die Sache mit der Spielerfreiheit  (Gelesen 7130 mal)

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Offline 1of3

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Die Sache mit der Spielerfreiheit
« am: 13.02.2011 | 21:06 »
Guten Abend.

Es war einmal eine Zeit, da war ich neu im Internetz und zählte wohl die 15 Sommer. Ich stieß auf eine Ort im Netz, Grofafo mit Namen, und hörte Beachtliches: Spieler tun unerwartete Dinge.

Beachtlich schien mir dies, weil ich mich nicht entsinnen konnte, dass meine Spieler je wirklich Unerwartetes getan hätten. Genausowenig hatte ich je von einem Spielleiter gehört, dass ich meinen SC solches habe tun lassen. Ich dachte also über dieses Phänomen nach und fand für lange Zeit keine rechte Erklärung. War es denn so, dass meine Mitspieler so fürchterlich berechenbar sein sollten? Träte dieses Unerwartete vielleicht nur auf, wenn man mit weniger vertrauten Personen spielte?

Nach langjähriger Untersuchung kann ich sagen: Nein, das hat damit nichts zu tun. Vielmehr ist es so, dass man seine Erwartungen unterbewusst kommuniziert. D.h. sobald ich einen Fortgang im Kopf habe, werden die Spieler ihn mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit verfolgen. Schließlich will ja auch niemand "das Abenteuer kaputt machen" bzw. für gewöhnlich achtet man darauf, nicht dahinzugehen, wo möglicher Weise der Spielleiter nichts vorbereitet hat.

Dieser Reflex tritt sogar bei Spielen auf, die Erzählrechte untypisch verteilen. Für gewöhnlich werden Erzählrechte hochgradig konservativ angewendet werden. Bei Spielen mit SL und "Player Empowerment" erlebe ich es regelmäßig, dass ein Spieler das veranlasst, was ich als SL wahrscheinlich auch gleich getan hätte. Der Spieler hatte zwar alle Freiheiten, nimmt mir aber eigentlich nur die Umsetzung ab.

Ich machte auch mal eine Runde auf, mit dem Anspruch auf klassiche Sandkiste zu machen, denn das war grade groß in Mode. Es ging los in einer Stadt, die Charaktere erhielten verschiedene Plothaken und suchten sich welche aus. Gespielt wurde ganz normal und große Überraschungen gabs eigentlich nicht: Man erschlug die Monster, die dazu ausersehen waren, man stellte sich den Bangs, die kamen usw.

Dann liefen das erste mal in meiner Rollenspielkarriere Spieler von der Weltkarte, will sagen: Sie gingen über die Grenzstadt, in der sie sich befanden raus in die Wildnis. "Moment! Also lieber Stefan das zeigt doch, dass diese Sandbox-Kampagne eine ganz andere Qualität haben muss." Naja, schauen wir mal, was als nächstes passierte. Ich äußerste also meine Überraschung und warnte die Mitspieler, dass ich mich darauf nun gedanklich gar nicht vorbereitet hätte. Das sei gar kein Problem, meinten die. Ich würde das schon machen.

Das tat ich dann auch und handelte auf die einzig mögliche Art und Weise: Ich ließ die Charaktere etwas finden. Gut, dass ich tags zuvor eine Sache im Netz gelesen hatte, die ich denn schlicht ins Spiel setzte. Was dann kam war wieder ganz das Gewohnte und alle waren glücklich.

Fazit: Für gewöhnlich will niemand, dass das Spiel von der Weltscheibe kippt. Man achtet also darauf, was die Mitspieler als sicher ausweisen. Das können nur bestimmte Dinge sein, deshalb wird das Spiel für gewöhnlich konservativ und ohne große Sprünge von Statten gehen. Da Menschen auch unbewusst kommunizieren, ist es gar nicht nötig Mitspieler absichtlich in eine Richtung zu treiben. Sie werden sie werden mit guter Chance Entsprechendes tun, wenn nur eine Vorstellung davon existiert. Als Alternative bliebe nur, nichts in der Fiktion zu etablieren, was aber nicht funktionieren, wenn die Mitspieler Inhalte abfordern, und auch irgendwie nicht Sinn und Zweck der Übung ist.

Wie kam es dann aber, dass die Spieler einmal doch ganz unerwartet in die Wildnis gestiefelt sind? Das lässt sich leicht erklären, hatte ich doch die Stadt als Außenposten vorgestellt, von dem regelmäßig Abenteurergruppen aufbrachen, um in der Wildnis Schätze zu finden. Was lag da also näher?


Offline Whisp

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #1 am: 13.02.2011 | 21:16 »
Meine Erfahrungen mit Grenzüberschreitungen zeigen mir, dass das Verhalten ganz deutlich auf die Spielerfahrung ankommt.
Junge RPGler leben gern mit den vorgefertigten Plots und warten darauf dafür ihre Leckerlis zu bekommen. Wie ein junger Hund irgendwie nur ohne größere Neugier (Außer: Schätze udn Power-ups).
Mittelalte RPGler beginnen dann den SL zu fordern und auszutesten (wie weit kann ich gehen?), fügen sich dann meist aber seinen Entscheidungen und den gegebenen Beschränkungen.
Ältere RPGler sehen sowas erst gar nicht ein. Sie strapazieren die Grenzen und fordern den Sl gewissermaßen heraus (was auch auf die Erfahrung des SLs ankommt). Und die alten weisen und grauen RPGler kehren zum Rollenspiel zurück. Ihnen liegt nicht daran, den Sl zu fordern oder auszustechen. Sie finden in der Präsentation ihrer Rolle Erfüllung.

Und irgendwo zwischen diesen Extremen bewegt sich wohl jeder Spieler...
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Offline Retronekromant

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #2 am: 13.02.2011 | 21:22 »
Hm, sowas ist mir noch nie in der Form jedenfalls passiert, und ich habe schon etliche Sandbox-Campaigns geleitet.

Wie ich meistens vorgehe ist so:
Anfangs arbeite ich nur das Startgebiet aus (ca. 60 km^2), der Rest ist wenn überhaupt grob skizziert.
Die Gerüchte, Hooks und Quests sind auch zu 99% auf die Lokalitäten innerhalb des Startgebietes bezogen, und sorgen dafür, dass die SC quasi "automatisch" innerhalb des Gebietes bleiben, wenn sie ihnen folgen wollen. Gleichzeitig ist auch die Mobilität der Spieler noch stark eingeschränkt
Dann wird die Welt von Spielsitzung zur nächsten weiter "geschnitzt", und zwar quasi radial vom Startgebiet ausgehend. Natürlich nicht immer streng nach dem Schema - je weiter die Campagne fortschreitet, desto eher muss ich "Sprünge" machen, weil sich dann Verpflechtungen und Beziehungen ergeben, die nichtmehr proportional zur Geographie verlaufen (etwa zwischen NPC-Adeligen/Landeignern, Teleports, Freistädten, Handelswegen, magische Portale usw), zumal die Spieler auch immer stärker in der Welt verwurzelt werden.

Aber es ist mir zumindest noch nie passiert, dass sie irgendwann mal "über den Weltrand" gelaufen sind ;-)
Höchstens mal in ein Gebiet, wo ich noch keine Details ausgearbeitet hatte.
Sollte es doch mal passieren, würde ich vermutlich:
-> erstmal aufs Klo gehen und dort etwas improvisieren. (Meistens habe ich sowieso schon konkrete Ideen, wie es weitergeht "hinter" den ausgearbeiteten Gebieten)
-> "Trickkiste" mit knackigen Kurzabenteuern, thematisch eng fokussierten Mini-Dungeons, etwa Spukhäuser oder sowas. Am Besten etwas, wo man hinterher noch Bezüge herstellen kann.

Sowas benutze ich auch öfters, und es fällt selbst erfahreneren Spielern nicht (mehr) auf, welche der Abenteuer jetzt "vorbereitet" und welche "improvisiert" waren
« Letzte Änderung: 13.02.2011 | 21:44 von Retronekromant »
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oliof

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #3 am: 13.02.2011 | 21:40 »
Frage an den OP: Wo ist jetzt der Diskussionsbedarf?

Offline 1of3

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #4 am: 13.02.2011 | 21:50 »
Ich sehe keinen. Wenn aber jemand meint, dass Bedarf bestünde, ist er mir willkommen.

Offline Oberkampf

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #5 am: 14.02.2011 | 14:11 »
Spieler, die einem vertraut sind, tun, glaube ich, wirklich selten gänzlich unerwartete Dinge. Aber mir ist es trotzdem schon mehrmals passiert, dass selbst Spieler, die ich glaubte, ganz gut zu kennen, plötzlich ganz andere Wege einschlugen, als die, mit denen ich gerechnet habe. Mittlerweile kann ich damit auch ganz gut leben.
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Offline Teylen

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #6 am: 14.02.2011 | 14:24 »
Also ich habe als Spieler schon Dinge getan welche mein Spielleiter nicht erwartete.
Umgekehrt taten auch Spieler in Runden die ich leitete Dinge die ich nicht erwartet haette.
Das es einen Imperativ gibt der sagt: "Handle unerwartet" waere mir neu.
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Offline Hotzenplot

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #7 am: 14.02.2011 | 14:40 »
Interessante und witzige Betrachtung. Kann ich teilweise nachempfinden. Man will zu Person A nicht sagen: "Geh zu Punkt B". Man überlässt Person A die Entscheidung. Person A entscheidet sich zu Punkt B zu gehen.

Ich glaube, der Unterschied liegt einfach in der gefühlten Freiheit. Kann schon sein, dass sich die Geschichte im Nachhinein nicht so sehr anders liest als ein vorgefertigter Plot, aber als Spieler mag ich einfach das Gefühl, mich frei entscheiden zu können. Kann sein, dass ich das tue, was der SL auch getan hätte, wenn er einen RR-Plot gebastelt hätte, aber das stört mich nicht. Ich will entscheiden können.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #8 am: 14.02.2011 | 14:41 »
Also ich habe es schon sehr oft erlebt, dass ich von dem Verhalten eines Spielers bzw. Charakters vollkommen überrascht war, sowohl positiv als auch negativ.
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Offline Beral

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #9 am: 14.02.2011 | 14:45 »
Vielmehr ist es so, dass man seine Erwartungen unterbewusst kommuniziert. D.h. sobald ich einen Fortgang im Kopf habe, werden die Spieler ihn mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit verfolgen. Schließlich will ja auch niemand "das Abenteuer kaputt machen" bzw. für gewöhnlich achtet man darauf, nicht dahinzugehen, wo möglicher Weise der Spielleiter nichts vorbereitet hat.
Dazu ein konkretes Beispiel. Der SL hat einen Plot vorbereitet und wir folgen willig. Woran merken wir aber, wo der Plot entlangläuft? Zum Beispiel an der Reaktionszeit des SL auf die Frage nach einem Namen. Ein NSC erzählt irgendwas über irgendwen. Wir hacken nach: Wie heißt er? Der SL muss kurz überlegen, nennt dann einen Namen. Wir wissen, dass das nicht der Plot ist. Der SL hat den Namen improvisieren müssen, also ist es nicht Teil des Plans.
An anderer Stelle passiert etwas Ähnliches. Wir fragen nach einem Namen, der SL blättert in seinen Unterlagen auf eine bestimmte Seite und nennt einen Namen. Das ist der Plot, diese Person suchen wir auf.

Das läuft sehr subtil ab. Mir ist es bewusst geworden, als wir eine Sitzung mit Zeitdruck hatten und vom besagten Mechanismus verstärkt und unverhohlen Gebrauch gemacht haben. Der SL zögerte kurz mit dem Namen - "ja, bla, wir gehen weiter".
Das ist Railroading, bei dem die Spieler bereitwillig mitmachen.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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Offline Eismann

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #10 am: 14.02.2011 | 19:28 »
Klappt nur dann nicht, wenn entweder noch NSCs ausdefiniert sind, die nicht plotrelevant sind, oder der SL eine Namensliste verwendet und die Namen dann beliebig auf die NSCs verteilt. Letzteres handhabe ich zumindest oft so beim leiten.

ash70

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #11 am: 14.02.2011 | 20:54 »
Mich würde es überraschen, wenn meine Spieler mal nichts unerwartetes tun würden. Im großen und Ganzen folgen sie schon dem Plot den ich mir ausgedacht habe (z.T. vermutlich unbewusst), bzw. reagieren wie ich es von ihnen erwartet habe, aber es kommt doch bei jedem Abenteuer mind. einmal vor, dass sie etwas völlig unerwartetes tun, z.T. unerwartet genial, z.T. leider auch unerwartet dumm.

Offline Retronekromant

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #12 am: 14.02.2011 | 21:28 »
Zitat
NSC erzählt irgendwas über irgendwen. Wir hacken nach: Wie heißt er? Der SL muss kurz überlegen, nennt dann einen Namen. Wir wissen, dass das nicht der Plot ist. Der SL hat den Namen improvisieren müssen, also ist es nicht Teil des Plans.
An anderer Stelle passiert etwas Ähnliches. Wir fragen nach einem Namen, der SL blättert in seinen Unterlagen auf eine bestimmte Seite und nennt einen Namen. Das ist der Plot, diese Person suchen wir auf.

Na ja, das ist aber sicher noch ein etwas unerfahrener SL.

Tools/Techniken, um das zu "kaschieren", gibt es wie Sand am Meer, seien es Namens- und Eigenschaftenlisten, Karteikarten, Generatoren... und/oder die Tatsache, dass man von vornherein ergebnisoffen spielt (das ist imo der Königsweg)
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Offline Boba Fett

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #13 am: 14.02.2011 | 21:52 »
Ich habe dazu ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Je eingespielter eine Runde ist, desto mehr Erfahrungswerte bezüglich der Art und Weise der optimierten Wege im Spiel existieren. Der Spielleiter weiss, was seine Leute erwarten, die Spieler kennen die Maschen des SpL. Unerwartetes kommt ebenso selten vor, wie bei einem eingespielten Ehepaar... ;)
Da die letzten 25 Jahre durch einschlägige Literatur die Rollenspieler in synchron geprägt wurden (um mal etwas zu pauschalisieren), herrscht auch nicht wirkliche Artenvielfalt, sondern viel mehr geprägter Konsens-Mainstream in wenigen Ausprägungen... (was ja nichts schlechtes bedeuten muss)

Deswegen Spiele ich so sehr gerne auf den Treffen oder mit neuen Runden, insbesondere mit vollständigen Neulingen.
Denn dort existieren die üblichen, ausgetretenen Pfade eben noch nicht und man hat die Chance echte Alternativen zu erleben. Sofern der SpL nicht selbst bestrebt ist, diese wieder beheb zu müssen.

Genau dabei sind mir schon sehr erstaunliche Spielmoment in Erinnerung geblieben.
Insbesondere, wenn man sich auch mal frei von den Systemkonventionen und -Konsensen machen kann, die einen eben auch oft auch auf die ausgetretenen Pfade des "Üblichen" lotsen.

Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Tim Finnegan

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #14 am: 14.02.2011 | 22:38 »
Ich konnte mich gestern ja königlich Amüsieren. Mit vier Spielern die ich bis dato noch nie gesehen habe, eine neue Pathfinder Runde gestartet und zum Anfang einfach mal einen schlichten Dungeon Crawl rausgesucht, um zu sehen wie es denn menschlich so passt, ob die Leute sich nett nebenbei unterhallten, ob Teamwork da ist, etc.
Und immer wieder Sätze gehört wie "Der Spielleiter lacht, das kann nicht gutes geben.", "Oh, er muss den Namen des NSC nachschlagen, der wird wohl wichtig sein." und "Wir spielen einen Dungeon Crawl, da wird von uns erwartet dies oder das zu machen."
Inhalltsstoffe dieses Beitrags: 50% reine Polemik, 40% subjektive Meinung, 10% ungenau recherchierte Fakten.
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Offline Nocturama

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #15 am: 15.02.2011 | 03:29 »
Zitat
Das ist Railroading, bei dem die Spieler bereitwillig mitmachen.

Railroading würde ich das nicht nennen - dass man unbewusst auf die Ideen des Spielleiters eingeht, heißt ja noch lange nicht, dass man es nicht anders machen könnte (und beizeiten macht). Da sehe ich absolut keine Einschränkung meiner Spielerfreiheit. Jetzt mal ehrlich: In der Regel mag ich den SL und wenn ich merke, der hat diesen Dungeon ausgearbeitet oder macht heute beim tiefen Dramaspiel nur halbherzig mit, warum sollte ich dann etwas gegen seine Vorlieben erzwingen?
Dass der Spielleiter immer irgendwie die Handlung lenkt, sollte eigentlich klar sein. Schon alleine durch die Informationen, die er rausgibt. Ein Problem sehe ich darin nicht.

Zitat
Tools/Techniken, um das zu "kaschieren", gibt es wie Sand am Meer, seien es Namens- und Eigenschaftenlisten, Karteikarten, Generatoren... und/oder die Tatsache, dass man von vornherein ergebnisoffen spielt (das ist imo der Königsweg)

Meinst du damit, dass es solche Techniken nicht braucht, wenn man Ergebnisoffen spielt? Da wäre ich bei dir. Mir ist es ehrlich gesagt egal, ob die Spieler merken, dass ich gerade improvisiere. Was gerade improvisiert wurde, darf natürlich trotzdem ordentlich bespielt werden und wichtig sein.
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Offline Beral

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #16 am: 15.02.2011 | 08:16 »
Railroading würde ich das nicht nennen - dass man unbewusst auf die Ideen des Spielleiters eingeht, heißt ja noch lange nicht, dass man es nicht anders machen könnte (und beizeiten macht).
Du hast Recht, ein hinreichendes Kriterium ist das nicht. Ich habe speziell an unsere Gruppe gedacht, und bei uns ist es Railroading, weil wir es nicht anders machen können. Wenn man schon im Tunnel gefangen ist, sieht man zu, dass man nicht links und rechts mit dem Kopf gegen die Wand läuft, sondern sauber geradeaus vorwärts geht.
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Offline Pesttanz

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #17 am: 15.02.2011 | 08:51 »
Dazu ein konkretes Beispiel. Der SL hat einen Plot vorbereitet und wir folgen willig. Woran merken wir aber, wo der Plot entlangläuft? Zum Beispiel an der Reaktionszeit des SL auf die Frage nach einem Namen. Ein NSC erzählt irgendwas über irgendwen. Wir hacken nach: Wie heißt er? Der SL muss kurz überlegen, nennt dann einen Namen. Wir wissen, dass das nicht der Plot ist. Der SL hat den Namen improvisieren müssen, also ist es nicht Teil des Plans.
An anderer Stelle passiert etwas Ähnliches. Wir fragen nach einem Namen, der SL blättert in seinen Unterlagen auf eine bestimmte Seite und nennt einen Namen. Das ist der Plot, diese Person suchen wir auf.

Das läuft sehr subtil ab. Mir ist es bewusst geworden, als wir eine Sitzung mit Zeitdruck hatten und vom besagten Mechanismus verstärkt und unverhohlen Gebrauch gemacht haben. Der SL zögerte kurz mit dem Namen - "ja, bla, wir gehen weiter".
Das ist Railroading, bei dem die Spieler bereitwillig mitmachen.

Ich z.B. schaue bei jeder Frage wie denn der Name des Ortes, des NSC´s ist in meine Unterlagen. Völlig egal, ob da was steht, oder nicht. Außerdem benutze ich meistens noch eine Liste mit Orts und NSC Namen.
Ich stimme dir aber in sofern zu, dass ich es auch schon genau so erlebt habe wie du beschreibst. Da sind dann die Spieler gefragt, was man mit diesem Wissen macht. (Spielerfreiheit)
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Offline Dragon

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #18 am: 15.02.2011 | 08:58 »
Zitat
Der SL hat den Namen improvisieren müssen, also ist es nicht Teil des Plans.
ich improvisiere ständig Namen, weil mir in Punkto Namen nie etwas einfällt und mir meine Zeit meistens zu schade ist um stundenlang x Namen zu suchen und Zettel zum wühlen hab ich auch selten. Letztens sogar den Namen des Magiers den die SC's letztendlich retten sollten
und ja DER war wichtig! ;)
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"äh... Martin sag mal einen Namen..."
"äh... Archibald."
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und nur weil ein NSC vorher nicht geplant gewesen war, kann er ja trotzdem noch wichtig werden...

Edit:
Darüber hinaus hatten wir erst gestern so eine Situation, wo mir wieder klar geworden ist, dass die Sache mit der Freiheit eben so eine Sache ist...
Die SC's haben Wind davon bekommen, dass Händler entführt wurden und sich auf in die nächste Stadt gemacht um nach Spuren zu suchen.
Dann kam die Frage auf:
SC1: "Was ist, wenn die gar nicht in die Stadt sind, wir könnten ja auch vorher abbiegen und die Stadt links liegen lassen, außerdem geht uns das ja strenggenommen gar nichts an..."
SC 2: "Nein, die nächste Stadt ist zu weit weg, das lohnt nicht die dahin zu schaffen und außerdem sprengen wir dann wahrscheinlich den Plot"
Dann kam von mir der Hinweis, das sie machen können was sie wollen und es ganz alleine ihre Entscheidung ist und sie damit nicht die Spielsitzung frühzeitig beenden (es sei denn sie wollten das tun).
Und am Ende sind sie doch in die Stadt gelaufen und haben die Händler befreit, obwohl es dafür gar nichts gab, außer einem "Danke".
« Letzte Änderung: 15.02.2011 | 09:03 von Dragon »

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #19 am: 15.02.2011 | 09:34 »
... Je eingespielter eine Runde ist, desto mehr Erfahrungswerte bezüglich der Art und Weise der optimierten Wege im Spiel existieren. Der Spielleiter weiss, was seine Leute erwarten, die Spieler kennen die Maschen des SpL. Unerwartetes kommt ebenso selten vor, wie bei einem eingespielten Ehepaar... ;) ...

Den Vergleich finde ich ziemlich treffend, und er entspricht auch absolut meinen Erfahrungen. Vor allem lösungs-orientierte Spieler analysieren jede Kleinigkeit, ob ich würfle, ob ich einen Namen improvisiere und ihn mir dann aufschreibe, usw. Viel zu viel Meta-Ebene für meinen Geschmack, aber so ist es nunmal.
Meine 10 Jahre alte Runde kennt meinen Leitstil fast schon besser als ich selbst; und es wird auch immer schwerer, sie zu überraschen bzw. zu "bluffen".
www.aceofdice.com - mehr Abenteuer, weniger Vorbereitung | Destiny Dungeon | Destiny Beginner | Flucht von Valmorca | Portal | Araclia | Destiny Space

Offline Dragon

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #20 am: 15.02.2011 | 09:47 »
Zitat
wie bei einem eingespielten Ehepaar...
und wenn einer der Spieler dann auch noch der eigene Freund ist, ist alles aus  ~;D

Offline Retronekromant

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #21 am: 15.02.2011 | 11:50 »
Zitat
Meinst du damit, dass es solche Techniken nicht braucht, wenn man Ergebnisoffen spielt? Da wäre ich bei dir. Mir ist es ehrlich gesagt egal, ob die Spieler merken, dass ich gerade improvisiere. Was gerade improvisiert wurde, darf natürlich trotzdem ordentlich bespielt werden und wichtig sein.

Ich persönlich finde es schon wichtig, dass die Spieler keinen Unterschied zwischen...

- geplanten/getriggerten Begegnungen (das ist ja nicht unvereinbar mit ergebnisoffenem Spiel. Solche Ereignisse/Begegnugen benutze ich auch - jedoch sparsam - in Sandboxes)
- Zufallsbegegnungen (gehören für mich grundsätzlich dazu...hier is ganz besonders wichtig, dass sie nicht als solche zu erkennen sind)
- und Impro (etwa, wenn ein Hex noch nicht ausgearbeitet ist, oder sie auf einen reinen "Fluff"-NSC anspielen (jaja ich weiß, es gibt keine reinen Fluff-NSCs werden jetzt manche lamentieren^^))

..merken.

Allerdings brauche ich dazu nicht unbedingt diese Tools. Oft "bluffe" ich auch absichtlich, und sage bei einem relevanten NSC etwa "öhm..ähm...ach die heißt jetzt einfach mal xxx"
Oder das hier:
Zitat
Ich z.B. schaue bei jeder Frage wie denn der Name des Ortes, des NSC´s ist in meine Unterlagen. Völlig egal, ob da was steht, oder nicht. Außerdem benutze ich meistens noch eine Liste mit Orts und NSC Namen.
Mach ich auch mit sehr großer Vorliebe  ;D

Aber: Was Boba schreibt stimmt. Je länger man zusammenspielt, desto schwerer wird es, das zu verbergen.
« Letzte Änderung: 15.02.2011 | 11:55 von Retronekromant »
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Offline Yehodan ben Dracon

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #22 am: 15.02.2011 | 11:54 »
Allerdings brauche ich dazu nicht unbedingt diese Tools. Oft "bluffe" ich auch absichtlich, und sage bei einem relevanten NSC etwa "öhm..ähm...ach wie hieß die noch..."

Das mache ich auch. Entweder bei allem improvisieren oder aber viel vorbereiten, kleine Zufallsbegegnungen auf Karteikärtchen parat haben, ebenso wie die Hauptantagonisten. Ich habe mir für DSA eine Sammlung an NSC gemacht, die ich ständig mit Ideen erweitere und mit denen ich Tavernen und Märkte bei Bedarf fülle. Die Spieler haben sich durchaus schon mal auf die wandernde Zimmersfrau versteift, die ihnen (völlig normal) auf der Straße hinterhergewandert ist und im gleichen Gasthaus einkehrte. (Paranoia?)
Ich hatte natürlich einen Namen, eine Beschreibung und zwei drei Hintergrundinfos zu ihr notiert, so dass ich bei einem Gespräch mithalten konnte. Hat sie echt verwirrt, die sonst immer gerailroadeten Spieler  >;D
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Offline Beral

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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #23 am: 15.02.2011 | 20:48 »
Railroading ist hier zwar verpönt, aber in der Praxis mit großer Sicherheit der weitverbreiteteste Spielstil. Nicht weil er der beste ist, sondern weil er am leichtesten zu kontrollieren ist. Andere Spielstile sind schwieriger und wir hinken mit vernünftigen Anleitungen, wie man das macht, hinterher.

Mein Beispiel mit den Namen ist übrigens nur ein Beispiel aus unserer Gruppe. Das ist keine allgemeine Regel, ihr müsst es also nicht entkräften. ;)
In anderen Gruppen gibt es andere Mechanismen, mit denen die Spieler nach dem Plot tasten. Der Ausgangspunkt war doch, dass das sehr subtil und zu großen Teilen unbewusst abläuft. Falls euch solche unbewussten Mechanismen bewusst werden, schreibt sie hier rein. Das ist ein Feld, das wir noch nicht beackert haben und daher recht interessant.
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Re: Die Sache mit der Spielerfreiheit
« Antwort #24 am: 15.02.2011 | 21:58 »
Lang lebe das Railroading! Railroading ist die einzig wahre Technik!

Wir verwenden oft folgende Technik, um am Plot zu bleiben: Ich sage den Spielern, was ich erreichen will, bsp. sitzen sie gerade in den Schwarzen Landen und laufen ständig meinen völlig harmlosen Begegnungen davon. Also hab ich ihnen gesagt, das sie das bitte bleiben lassen sollen. Mal sehen, obs wirkt.