Hmm... ich würde als erstes mal die Ethik komplett umkrempeln. Mitleid z.B. galt bei den römischen und griechischen Philosophen als Laster (weil es den Gerechtigkeitssinn vernebelt), und Vorstellungen von unsterblichen Seelen sind wohl kaum sonderlich attraktiv, wenn man nur auf einen Hades / Tartarus hoffen kann. Als Tugenden des "mos maiorum" habe ich gefunden: auctoritas, constantia, cultus, dignitas, disciplina, fides, gravitas, religio, virtus. Mit auctoritas, dignitas und gravitas sind Elemente deutlich betont, die die persönliche Würde des einzelnen betreffen. Religio und cultus dürften beide die "öffentliche Teilnahme am Staatskult" betreffen, die aber nicht von innerer Überzeugung getragen sein muß. In jedem Fall war die späte römische Entwicklung von Überlegungen des Maßhaltens geprägt. Aristoteles empfiehlt in der Nikomachischem Ethik nichts mit solcher Inbrunst wie das Maßhalten.
Während das Christentum auf "Innerlichkeit" gesetzt hat (wenn auch mal mehr, mal weniger), zielt das Wertespektrum des "mos maiorum" eher auf Außendarstellung ab. Die Folge könnte sein, daß der Umgang mit der Ehrlichkeit sich anders entwickelt, parallel zur Entwicklung im asiatischen Raum etwa. Generell zählen Erfolg und, das Gesicht wahren zu können. In China und Japan haben sich daraufhin Regeln entwickelt, die darauf abzielen, jedem anderen nach Möglichkeit dabei zu helfen; im mittelöstlichen dagegen muß sich eher jeder selber vorsehen, und Ansehen hat, wer andere in die Pfanne hauen kann, aber selbst nicht in der Pfanne landet. Angesichts der Überlegungen zum Maßhalten scheint mir eher eine Tendenz zu der fernöstlichen Variante zu bestehen.
Gedanklich interessant wäre sicher, einmal zu versuchen nachzuvollziehen, wie sich eine maßgeblich von der Stoik geprägte Weltanschauung damit verbunden haben könnte.
Aber zurück zur Geschichte.
Teil 1: Konstantin, seine Söhne und Enkel
Nehmen wir an, Konstantin hat zwar die Schlacht bei der Milvischen Brücke am 28. Oktober 312 gewonnen, kann sich aber (infolge der fehlenden Basis) nicht mit Licinius auf das Toleranzedikt von Mailand einigen. Aufgrund der größeren Ressourcen dürfte Konstantin schon zu der Zeit als Sieger aus dem Krieg hervorgehen. Die Verlegung des Amtssitzes nach Konstantinopel ergibt Sinn genug, um anzunehmen, daß dies geschehen wäre.
Bleiben wir zunächst auch weiterhin der Geschichte treu: Konstantin II., Constantius II. und Constans teilten auf der Konferenz von Viminacium das Reich unter sich auf.
~ Constans: Italien und Africa und die Balkanhalbinsel;
~ Constantius II.: Gebiete östlich des Mittelmeeres bis Ägypten und südlich des schwarzen Meeres;
~ Konstantin II.: Gallien, Britannien und Hispanien.
Constantius II kämpft schwerpunktmäßig gegen die Perser. Lassen wir das mal so. Aber Constans hat kein Religionsproblem, bleibt also zunächst einmal fest im Sattel, besiegt Konstantin II und eignet sich dessen Bereich an. Damit gibt es ein Reich im Westen, das von Spanien bis zum Bosporus reicht, und eins im Osten, das flächenmäßig kleiner, aber ressourcenmäßig doch gut aufgestellt ist.
Ab jetzt also geht es mit der Phantasie weiter: Constans hält das "Weströmische Reich" zusammen, ist damit aber ausreichend beschäftigt. Er schafft es gerade noch, Britannien zu "befrieden". Philosophisch-religiös bleibt man im weströmischen Reich den römischen Traditionen halbwegs treu, allerdings unter Aufnahme philosophischer Elemente aus dem griechischem Raum und später auch aus dem Druidentum der "Nordländer" (u.a. Germanien und Britannien).
Da Constantius II sich das Westreich infolge der ausbleibenden Religionsprobleme nicht einverleibt, kann er die Perser in Schach halten bzw. die Pläne seines Vaters Konstantin weiterverfolgen, sich weiter ins Sassanidenreich auszudehnen. Die Bereiche nördlich des Schwarzen Meeres dürften verglichen damit ziemlich unattraktiv erschienen sein. Der Kaukasus als natürliche Grenze ist ganz okay, aber Constantius verschafft sich Zugang zum Kaspischen Meer, indem er "Albania" annektiert. Die Sassaniden schließen einen unsicheren Frieden mit den "Oströmern", die ich jetzt mal in "Konstantianer" umtaufe, "zu Ehren des großen Konstantin und seines mindestens genausogroßen Sohnes Constantius II" oder so ähnlich.
Philosophisch wird rasch die Alexandrinische Schule bestimmend, natürlich ohne christliche Elemente. Dafür kommen indische Elemente stärker zum Tragen. Es bildet sich ein "neuplatonistischer Monismus" aus, der das graeco-romanische Pantheon als zwischenzeitlich verehrte, machtvollere Emanationen betrachtet, über die man allmählich gedanklich hinauswächst. Der Urgrund des Seins ist nun der neue Fixpunkt der Philosophie.
Sassaniden und Konstantianer stellen derweil auch fest, daß sie einen gemeinsamen Feind haben, die Araber. Die Konstantianer kommen von der Mittelmeerküste her mit ihnen in Konflikt, die Sassaniden von Norden her. Die Araber sind dem Zweifrontenkrieg nicht gewachsen, die arabische Halbinsel wird schließlich zwischen Sassaniden und Konstantianern aufgeteilt. Der Einfluß der arabischen Philosophie wird zwar nicht so bedeutend wie der der durch die Perser vermittelten indischen, dafür bringen sie einen eminenten Praxisbezug ein. Die reine Gedankenarbeit der Philosophen soll doch auch fruchtbar gemacht werden.
Konstantinopel ist also die Regierungshauptstadt, aber Alexandria ist der neue "Mittelpunkt der Welt". In Alexandria entstehen die Baupläne für die Brücken über den Bosporus, die Gedanken für zukunftsträchtige Zoll- und Steuersysteme...
Soviel zu Teil I, Teil II (Der Beginn der Völkerwanderung) folgt bei Gelegenheit... (Falls es wen interessiert, heißt das.)