Also zuvor wurde hervorgehoben das die Charakter Gestaltung bereits teil des Spiel ist.
Sowohl bei Wuerfel basierter als auch bei Punkte basierter.
Jau, für Dich vielleicht. Von meinen Versuchen mit FATE abgesehen ist/war das Charaktererschaffen
für mich immer eher ein Prozeß der Spielvorbereitung, also wie wenn man den Platz vor dem Kicken auf Schlaglöcher absucht. Wenn die Charaktererschaffung für dich schon zum "Hauptspiel" gehört, schlägt dein Argument natürlich ein, und man müsste das Nachwürfeln mit einer verbindlichen Hausregel begrenzen.
Allerdings, wenn ich mir ein wirklich miserabel designtes Rollenspiel mit Würfelerschaffung vorstelle, quasi Feuersängers Alptraum (man würfelt alle Attribute der Reihe nach 'runter) mit einer linear verteilten Wahrscheinlichkeit (z.B. 1w12 statt 2w6), einem festen Klassensystem (Krieger, Magier, Schurke, "Abenteurer") wo man sich für eine brauchbare Klasse mit zwei festen Werten qualifizieren muss (z.B. Krieger: Stärke und Konstituion 8 oder mehr), dann ist so eine Charaktererschaffung am Ziel (Inspiration für interessanten Charakter) wahrscheinlich vorbei designt.
Die Wirkung auf die Spielhandlung ist, meiner Meinung nach, keine "ganz andere" sondern das beschei.. wuerfeldrehen wirkt sich wesentlich drastischer aus. Davor hat man nur einmal den Wuerfel gedreht und dem Charakter damit das Leben gerettet oder etwas anderes verhindert beziehungsweise ermoeglicht.
Danach ist noch ein regelgerechtes Spiel moeglich.
Das ist jetzt zwar schon ein bisschen OT, aber ich versuch mal, meine Position zu erklären.
Natürlich sehe ich ein, dass man durch ein Neuwürfeln des Charakters gravierend an den Erfolgswahrscheinlichkeiten seiner Handlungen ändert. (Beispiel: ein Kämpfer, der vorher zu 40% getroffen hätte, trifft nachher zu 60%.) Insofern ist das massive Beeinflussung. Mir geht es aber darum, welche Rolle der Würfelwurf bei der Charaktererschaffung einnimmt, und welche Rolle der Würfelwurf im laufenden Spiel einnimmt.
Bei der Charaktererschaffung dient der Würfelwurf folgenden Zwecken: Inspiration, rollenspielerische Herausforderung, Erschaffen eines unkonventionellen Charakters, Beschleunigung der Charaktererschaffung, Limitierung des Powergamings (PG lehne ich nicht grundsätzlich ab, aber es ist nunmal so, dass man aus Zufallswerten weniger leicht ein One Trick Pony bauen kann, als aus gezielt gesetzten Werten).
Kurzum, der Würfelwurf dient dazu, dass für den Spieler ein Charakter mit Ecken und Kanten erschaffen wird, an dem er Spaß haben kann. Wenn die Würfelergebnisse jetzt aber etwas ergeben, aus dem der Spieler keine Inspiration ziehen kann, dann wäre es quasi eine Strafe, wenn er dazu gezwungen würde, trotzdem diesen Charakter zu spielen. Und erfahrungsgemäß würden viele Spieler den Charakter an die Wand fahren, evtl. sogar zum Nachteil der gesamten Gruppe.
Der Würfelwurf im Spiel ist dagegen eine Weiche zwischen zwei (oder mehr) interessanten weiteren Verläufen des Abenteuers. Da ich die Woche über viel FATE angeguckt habe und es da gut ausgedrückt wird: Dresden Files YS, p. 192: "The dice only come out, when there is an interesting challenge with meaningful consequences."; DFYS p. 309: "Before you call for a die roll, it is critically important that you stop an do two things: 1. Imagine Success 2. Imagine Failure"
Aus dem Grund würfelt man: weil nicht genau feststeht, wie das Abenteuer weiter verläuft.
Der Würfelwurf während des Spiels stellt also die
grundsätzliche Offenheit des Abenteuerverlaufs sicher, während der Würfelwurf der Charaktererschaffung eine
untergeordnete andere Funktion hat. Hätte der Würfelwurf beim Erschaffen die gleiche
grundsätzliche Bedeutung, müsste man ja daraus folgern, dass das Setzen von Werten die Offenheit untergräbt. (Und das ist nicht der Fall, man kann auch mit Setzsystemen offen spielen.)
Was ist jetzt mit den Systemen, wo im Spiel nicht gewürfelt (und auch kein anderer Zufallsgenerator eingesetzt) wird? Natürlich gibt es die auch, man kann, anstatt nach Fortune/Glück zu entscheiden, nach Karma oder Drama entscheiden, wie ein Abenteuer weitergeht. Was man ja auch oft tut, selbst bei Rollenspielen mit klarer Betonung des Würfelns. Die Probleme von Rollenspielen, die auf Zufallsgeneratoren verzichten, sind hier völlig irrelevant (zu weit OT). Ich ging in meinen Überlegungen (für den Thread) davon aus, dass die Absprache einer Gruppe (vollmundig: der Gruppenvertrag) ist, dass der Würfel eine große Bedeutung zugesprochen bekommt. Konsens: man würfelt so viel als nötig.
Wenn man bei der Charakter Erschaffung Wuerfelergebnisse ignoriert oder veraendert zieht sich der Betrug doch schliesslich von A bis Z durch das gesammte Spiel. Weil der Wert ja nun ueberall besser ist. Nun und es fuehrt auch ein Stueckweit ad absurdum das ueberhaupt gewuerfelt wurde.
Genau das ist der Punkt, wo ich anders denke. Natürlich verändert man die
Erfolgswahrscheinlichkeiten des Charakters durch eine willkürliche Handlung (die von der Designschwäche des Systems notwendig gemacht wurde). Aber das Ändern der Erfolgswahrscheinlichkeiten unterläuft die Zufallsgenerierung von Resultaten niemals
grundsätzlich. Um bei dem Ritterbeispiel zu bleiben: klar, er trifft jetzt öfter - aber er muss immer noch würfeln.
Und wenn man bei der Charaktererschaffung ein durch eine Zufallsmechanik definiertes Resultat veraendert so das das grundlegende Element des Spiels - die handelnen Charaktere - nicht mehr die selben sind, ist es etwas anderes?
Meiner Meinung nach schon. Die handelnden Charaktere werden zwar verändert, ihre Chancen auf Handlungserfolge dadurch ebenso, aber niemals wird der Zufall bei der Ermittlung eines Resultats grundsätzlich ausgeschaltet. Bei "klassischen" Würfeldrehen passiert aber genau das: ein Resultat wird zufällig ermittelt (Fortune), aber dann verworfen und stattdessen von einer dramatischen Entscheidung bestimmt (Drama). Im günstigsten Fall war das schlicht und ergreifend ein Würfeln zu viel, wo eigentlich eine Karma- oder Dramaentscheidung fällig gewesen wäre. Im ungünstigsten Fall, wenn das heimlich und/oder gegen die Absprache der Spielteilnehmer geschieht, die sich darauf verlassen, dass Würfel Weichen oder Kreuzungen sind, kann man das harte Wort mit R verwenden.
Imho ist der Abenteuerverlauf da nicht mehr so offen wie er eigentlich mal gewesen sein koennen wuerde.
Ja und Nein.
Nehmen wir mal ein schlecht designtes Abenteuer mit Flaschenhals: "Wenn die Charaktere die Spur des Skaven (Rattenmenschen) am Tatort nicht finden (Spurenlesen), können sie nicht das Skavenlager in der Kanalisation entdecken und den McGuffin erhalten."
Völlig offener Abenteuerverlauf (wenn auch schlecht designt, vielen Dank WHFRPG.)
An dieser Offenheit ändert sich
grundsätzlich nichts, wenn der Fährtensucher der Gruppe (dank Charakterneuwürfeln) eine 40% oder eine 60% Chance hat, die Spur zu entdecken. Auch das Grundprinzip des Auswürfelns wird dadurch nicht untergraben.
Wenn der Spielleiter (oder der Spieler des Fährtensuchers) aber den Würfel bei der Probe dreht, ist es mit der grundsätzlichen Offenheit des Abenteuers vorbei, und auch Auswürfeln hat keine Bedeutung mehr (weil angenommen werden kann, dass Würfelergebnisse zurechtgebogen werden).
Anm.: Einen interessanten Sonderfall hat in einem anderen Thread mal Ein vorgestellt, wo in Konsens mit der Gruppe einzelne unerwünschte Würfelergebnisse ausgeschlossen werden, z.B. kritsche Fehlschläge. Kurz gesagt, ich sehe darin a) keinen Bruch des Gruppenvertrags, keine betrügerische Absicht (da nicht heimlich) und auch keine Absage an das Zufallsprinzip (da nur einzelne Möglichkeiten ausgeschlossen werden, aber immer noch ein Möglichkeitshorizont bestehen bleibt).