Aber ansonsten verstehe ich die sogar sehr heftige Reaktion auf die Darlegung der quasi "theoretischen" Grundlagen von RPäd und klendathu nicht.
Naja, ich habe schon auch mit einem Stirnrunzeln reagiert. Erstens, weil mir Dinge unterstellt wurden - gut, das sollte geklärt sein, aber da hat im ersten Moment eben der Ton die Musik gemacht. Und "jeder von uns jeden Tag" ist eben unter anderem eine Unterstellung.
Zweitens ist ein "Zuviel" eventuell heimtückischer in seiner Schadenswirkung als ein "Zuwenig": Es erzeugt eine Form von "Immunisierung" bei dem, der damit konfrontiert wird. Das ist mein (in der Tat pedantisch aufgefasster) "Kreis", den ich angemahnt habe: Wenn ich aufgefordert werde, eine Handlung zu unterlassen oder zu unternehmen, von der mir zugleich vermittelt wird, daß alle Anstrngungen in die Richtung vergeblich sind.. dann
kann ich es eigentlich auch gleich lassen. Wenn selbst
ich - mit meiner Herkunft, meinen Überzeugunge und meinen Verhaltensweisen - ein verkappter Rassist bin, dann lohnt es nicht, sich dagegen aufzulehnen, denn dann ist die Aufgabe, etwas gegen Rassismus zu tun, ohnehin nicht zu bewältigen. Und ich
kann mit meiner Zeit auch etwas anderes anfangen.
Es ist eben nicht so, als ob es ein richtiges Maß an Sensibilität nur in einer Richtung gibt. Man kann immer noch auch auf der andern Seite vom Pferd fallen. Nötig ist eine Wortbedeutung für Rassismus, die nicht zuwenig abdeckt, aber doch
auch nicht zuviel. Für mich tut es die Definition "Vermischung von quasi-biologischen Behauptungen mit einer Abwertung" ganz gut. Damit muß nicht jedes Klischee über Personengruppen gleich "rassistisch" sein. "Rhytmus im Blut" etwa wäre als Aussage in meinen Augen nicht abwertend, daher unverdächtig - ob sie
stimmt, ist dann ja noch mal etwas ganz anderes! Aber "krauses Haar, krauser Sinn" (nebenbei, als ich es gehört habe, auf eine Europäerin gemünzt) ist schon grenzwertig; "krauser Sinn" ist wohl kein Kompliment mehr.
Eine praktische Gefahr dabei ist, daß ich Rassismus nicht heraushöre, wenn der andere ihn eigentlich gemeint hat - aber da sind glücklicherweise andere sensibler als ich, und ich bin ja glücklicherweise nicht dafür verantwortlich, die Welt zu retten. Es reicht, wenn ich mich da zu Wort melde, wo ich merke, daß jemand Dinge zusammenwirft, die man besser trennen sollte.
Insofern zurück zu diesem Strang:
Du sagst, Wissen über eine Gruppe sei immmer auch schon "Wissen" über eine bestimmte Person dieser Gruppe, "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit". Aber eben, weil es nur um Wahrscheinlichkeiten geht, sehe ich darin nur eine Vermutung, d.h. nichts, was ich behaupten würde "sagen" zu können.
Nein, du hast mich falsch verstanden. Ich sprach von Korrelationen und nicht von Wissen.
Zwischen Korrelationen und Wissen besteht ein großer Unterschied.
In der Tat, zwischen Korrelationen und Wissen besteht ein großer Unterschied! Und deshalb halte ich diese Aussage für unsinnig:
Wenn ich weiß, dass jemand eine schwarze Haut hat, kann ich zum Beispiel sagen, dass er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schwarze, gekräuselte Haare besitzt und Laktoseintolerant ist.
Was ich sagen würde, ist, daß er vermutlich (aber nicht sicher!) einer Personengruppe angehört, bei der auch kurze, schwarze, zuweilen gekräuselte Haare und Laktoseintoleranz verbreitet sind. Der Unterschied ist vermutlich nicht augenfällig, aber ich trenne zwischen der Personengruppe und der Person und wende Korralationen ausschließlich auf die Personengruppe an. Für die Personengruppe kann ich Wahrscheinlichkeiten angeben. Für die Person würde ich das nur tun, wenn es aus medizinischen Gründen erforderlich ist, es in allen anderen Fällen aber tunlichst lassen, eben weil es um ein Individuum geht. Das ist oder ist nicht laktoseintolerant, das ist oder ist nicht schwarzhaarig, und solange ich nicht weiß, was davon jeweils zutrifft, mag ich mein Nichtwissen nicht durch Stereotypen oder Wahrscheinlichkeiten ersetzen. Korrelationen haben ihren Platz nicht da, wo eine konkrete Person im Blick ist. Wenn ich weiß, daß jemand wie-auch-immer-farbige Haut hat - dann stelle ich deswegen eben gerade tunlichst
keine Vermutungen an, weil schon die Vermutungen von Voreingenommenheit sprechen.