@Thot
In der Definition liegt aber (wie so oft) der Schlüssel zur Antwort.
Sogenannte "Universalsysteme" versuchen, Alleskönner zu sein.
Wenn man nur das Setting betrachtet, kann das auch klappen. Sogar verschiedene Themen (innere und äußere Konflikte, Aufbau und Wettbewerb etc.) können durch ein und das selbe Regelbuch bedient werden, wenn modular aufgebaut ist.
Für Vampirintrigen benutzt man vielleicht detailliertere Statusregeln, für Fantasyquesten eher ein detailliertes Kampfsystem, wobei man das jeweils andere weglässt bzw. durch vereinfachte Regelvarianten ersetzt.
Aber wie wir spätestens seit den Forge-Theorien wissen, können Rollenspiele in der Spielweise aber so grundverschieden sein wie Volleyball und Poker.
Vergleiche mal Fiasco und Gurps. Die Spielmechaniken unterscheiden sich so grundlegend, dass Konvertierung von Spielmaterial nicht mehr in dem Sinne möglich ist. Es ist zweifelhaft, ob beide Spiele überhaupt der selben Spielegattung angehören.
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Vereinfacht lassen sich Regeln in drei Regelarten unterteilen: Kernsystem, Settingregeln und thematische Regeln.
Ein Kernsystem beinhaltet grundsätzliche Resolutionsmechaniken (Würfeln, Diskutieren, Ablesen), Werteklassen (Attribute, Fertigkeiten, Themenbatterien), Teilnehmerrollen (Spielergruppe, Spielleiter, Spieler-der-am-Zug-ist, dessen-linker-Nachbar) und deren Verknüpfung. Das Kernsystem definiert, was das Spiel ist und was die Teilnehmer zu tun haben. Prinzipiell lässt sich mit jedem Kernsystem jedes Setting und die meisten literarischen Genres (Epos, Tragödie, Komödie) spielen. Es legt jedoch das Spielegenre (Simulation, Erzählung, Wettbewerb) fest.
Beispiel: Ein Rollenspiel, das auf Attributen, Fertigkeiten und einer Spielleiterrolle basiert, funktioniert anders als eines, das auf Charakterthemen und "Spielerwillkür" basiert.
Thematische Regeln bauen auf dem Kernsystem auf und füllen diese mit Inhalt (Charisma, Stärke, Schwerter, Schiedsrichterfunktion (gehört idR zur Rolle "Spielleiter"), Hoffnung, Tugend, W6). Dadurch erhält das System einen Fokus.
Beispiel: Ein Rollenspiel mit den Attributen "Ausstrahlung", "Anmut", "Coolness" und "Heldenmut" hat einen anderen thematischen Fokus als eines mit den Attributen "Körperkraft", "Wahrnehmung", "Widerstand", "Geschicklichkeit" und "Charisma".
Ein Rollenspiel mit Themenbatterien für "Erzfeinde", "Fähigkeiten", "Magie" und "Persönlichkeit" hat einen anderen Fokus als eines mit Themenbatterien für "Soziales", "Superkräfte" und "Ängste".
Settingregeln definieren Stil und Rahmenbedingungen des Spiels. Preis- und Waffenlisten und verbindliche Beschreibungen ("Feuermagier (Batterie: Superkraft) stammen ausschließlich aus der Oberschicht (Batterie: Soziales)") gehören dazu, eventuell auch einzelne Fertigkeiten, Zauber etc.
"Universalsysteme" können flexible Settingregeln haben.
Begrenzt können auch thematische Regeln flexibel sein, wenn sie modular aufgebaut sind. Die Settingregeln, die darauf aufbauen, fliegen dann raus.
Das Kernsystem lässt sich niemals gravierend ändern, weil alle anderen Regeln darauf aufbauen.
Die Idee, ein einziges System könne alle anderen ersetzen, kommt daher, dass alle "großen" Systeme sehr ähnliche Systemkerne haben. "Forgige" Indie-Rollenspiele waren in ihrer ersten Edition aber keine D&D-Klone & passen deshalb nicht in diese Schiene.
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Ein generische Setting ist was Anderes als "kein Setting".
Beispiel D&D: Dies ist ein Fantasyspiel, in dessen GRW eine generische Fantasywelt anskizziert wird. Es gibt Elfen, Schwertkämpfer, Monster und Magie. Alle D&D-Kampagnenbände (sprich: Settings) sind ebenfalls Fantasywelten. Es gibt Zusatzregeln (z.B. für neue Rassen oder Magotech), vereinzelt fliegt auch mal ein Spielinhalt raus (wenns z.B. ein bestimmtes Monster in der Welt nicht gibt), aber im Wesentlichen bleibts immer Fantasy, immer kampforientiert, immer D&D - nur halt nicht mehr ganz so generisch.
"Kein Setting" trifft z.B. auf Gurps zu. Im GRW gibt es keine Regeln, die bestimmte Settings unterstützen. Ohne zusätzliche Settingregeln (aus Zusatzbüchern oder aus dem Netz) ist es kaum spielbar. D&D schon.
Du, das Wort "universell" ist so selbsterklärend, dass ich die Frage nicht ernst nehmen kann.