Samstag, 28.05.2001. Ein Kellergewölbe in Aachen. Fünf tapfere Probanden, teilweise theoretisch, teilweise praktisch in FATE vorgebildet. Getränke und Knabberkram und mehr Malmsturm-Regelwerke, als ich erwartet hätte liegen auf dem Tisch. Dazu Charakterbögen, Glassteine und Karteikärtchen. Und dann ich als SL.
Erster Teil: CharaktererstellungIch gehe zum Eingang die Fertigkeiten durch. Die stehen auf dem Charakterbogen, das ist superpraktisch. Manche von denen machen was anderes als die Spieler denken. Manche von denen machen was anderes als ich denke. In Kenntnis der englischen Vorlage behelfen wir uns teils mit den Originalbegriffen, bis jeder weiß, was geht.
Die Leute sind Veteranen vieler Rollenspiele und bekommen mithilfe der Stichworte auf dem Charakterblatt die Erschaffung ziemlich flott selber hin. Die Regelwerke höchstens mal für ein, zwei Gaben und Talente angefasst. Charaktererschaffung ohne Buch, das erste Mal, dass ich sowas sehe. Die Hanutas auf dem Tisch enthalten Fußballbildchen, die zu tauglichen SC-Namen inspirieren. Das Ergebnis:
- Youssef Mohamad, berittener Steppennomade und Bogenschütze, "Der Pfeil Ammons", "Grenzräuber", "Fluch der Dunklen Mutter", Die Unbeugsamkeit des Nomaden", "Stirb, Kreatur der Finsternis!"
- Lakic das Wiesel, windiger Händler von gebrauchten Ochsenkarren und allen schönen Dingen des Lebens, "Kenne ich dich nicht?", "Profit!!!", "Ich habe nichts gemacht!", "Youssef bringt mich ums Geschäft", "Religion, Aaaaahh!"
- Simsalosch, Zwerg mit der Charakterklasse "militanter Alkoholiker" oder so... "Bier ist mein Lebenselixier", "Ein Ziel vor Augen haben", "Kanstbruder", "Money, money, money", "Nicht der Bart!"
- Toola, stereotype Amazone und Red Sonja-Klon, "Tochter des Schwertes", "Sklavenjägerjäger", "Das heilige Schwert der Z'akelaga", "Immer Ärger mit dem Zwerg!", "Frauen halten zusammen"
- Beorn der Blender, testosterongelenkter Barbarde, "Sohn des Alchimisten", "Arkane Resistenz", "Sexprotz", "Barde", "Gelehrter"
Zweiter Teil: Das SetupUm das Ganze an einem Termin durchzuboxen, aber die Handlungsmöglichkeiten der Spieler nicht einzuschränken, habe ich mir als Abenteuer eine Mini-Sandbox gebaut:
In einem Tal im Norden™ herrscht seit Jahren König Osgar. Seine Macht und der Wohlstand der Gegend fußen auf drei Dingen: Der Rinderzucht, einer Eisenmine und der übernatürlichen Schlagkraft seiner hauseigenen Berserker (aka "Stierpaladine"). Und diese wiederum sind von einem jährlichen Ritual abhängig, dem Stieropfer: In jeder Frühjahr lässt der König alle Rinder seiner Untertanen zusammentreiben, damit die Stiere... kleine Rinder machen können, anschließend opfert er zwölf Stiere den Schutzgeistern des Tals und weiht mit dem Blut seine zwölf Champions, die so zu unbezwingbaren Berserkern werden. Das Opferschwert wird dann zu einem Altar in der Eisenmine gelegt, wo die blutverschmierte Klinge für das kommende Jahr reiche Erzerträge garantiert.
Dieses Jahr jedoch ist alles anders: Der Händler Iantos vertritt seit einigen Jahren eine imperiale Handelsgilde im Tal. Durch den Reichtum der Bewohner konnte bisher König Osgar die Preise diktieren, was den Gewinn von Iantos schmälert. Die Wintervorräte gehen zur Neige, die Pässe sind wieder offen und Iantos hat unter dem Vorwand von Geleitschutz 100 Söldner ins Tal geholt, um das Stieropfer zu verhindern und die Macht von Osgar zu brechen.
Bendric, dem Sohn des Königs, sind die gierigen Fremden schon länger ein Dorn im Auge. Während des ereignislosen Winters ist in ihm und seinen Männern die Kampfeslust gewachsen und da die Nachbarn sich auch ruhig verhalten, wären die fremden Eindringlinge genau das Richtige, um sich ein wenig abzureagieren.
Marik, der jüngere Sohn des Königs, ist verstoßen worden, als er noch ein Kind war, weil seine Mutter den König beleidigt hatte. Seit Jahren nährt seine Mutter Ylvis den Hass auf Osgar und jetzt, wo er das Mannesalter erreicht hat, ist Marik an der Spitze eines Heeres von Eidbrechern und Verbannten ins Tal zurückgekehrt, um die Krone an sich zu reißen.
Die Parteien sind ungefähr gleich stark, das Stieropfer steht bevor und eine handvoll Kämpfer könnte die Sache für die eine oder die andere Seite (oder die dritte) entscheiden. Ich gebe dem ganzen den hochtrabenden Titel "Die Söhne des Stiers".
Dritter Teil:
1) [random stupid action]
2) ???
3) Profit!!!Als die Gruppe das Tal erreicht, sind sie schon mehrere Tage unterwegs, missgelaunt und hungrig. Unter ihnen leuchten in der Abenddämmerung einladend die Lichter der Festhalle des Königs und des Handelsstützpunktes von Iantos, in der Ferne hinter den Hügeln erweckt eine große Rauchsäule Neugier. Die Entscheidung fällt auf den Handelsposten, es gibt Essen und Bier, die Fuhrmänner, Lagerknechte, Dienstmädchen und Söldner freuen sich über die Abwechslung und Barde Beorn rockt die Bude mit Epen über Männlichkeit.
Vom Lärm der improvisierten Feier angelockt, taucht Bendric an der Spitze seiner Männer auf. Der nette, blonde Wikingerprinz ist beleidigt, dass die Gäste lieber die Händler als die Halle seines Vaters musikalisch unterhalten und macht Stunk. Beorns "ähm, man kann doch über alles reden..."-Ansatz geht fehl und Saufzwerg Simsalosch, dem das alles zu langsam geht, wirft Bendric einen Humpen an den Kopf.
Umschnitt: Tavernenschlägerei. Werden die SCs sich auf die Seite ihrer Gastgeber stellen? Oder unterstützen sie den Königssohn gegen die Söldner? Antwort: die Charaktere stehen auf ihrer eigenen Seite und prügeln alles um, was in ihrer Nähe ist. Besonders tut sich der Zwerg hervor, der durch ein paar Aspekte und Talente in Kneipenkämpfen unbesiegbar ist. Ich schwöre, den Handelsposten abzufackeln, um dem Zwergen den Zugriff auf diese Boni zu entziehen.
Am Ende eines echt langen Gewürfels mit gutem Aspekteinsatz gewinnen die Helden gegen die Horden von Minions, selbst der Barde, der ein paar üble Treffer abbekommen hat, ist unverletzt. Ich verfluche die kilometerlangen Stress Tracks von Malmsturm und schwöre, die nicht mehr so zu verwenden.
Die SCs verstehen sich mit den Besiegten und der Abend endet feucht-fröhlich. Man fragt beiläufig, welches Dorf denn da hinter den Hügeln eigentlich gebrannt hätte. Es stellt sich raus, das niemand davon weiß und Bendric läd die Charaktere zu einer Expedition am nächsten Tag ein.
Am nächsten Morgen reitet man zum Dorf, die Gebäude sind völlig niedergebrannt, die Verteidiger erschlagen, die Bewohner und Rinder entführt, von den Angreifern keine Spur außer der breiten Bahn, die die geklauten Rinder hinterlassen haben. Ein Überlebender sagt, dass die Angreifer Fremde waren, die sehr koordiniert vorgegangen sind. Die Gruppe beschließt, mit dem hitzköpfigen Bendric die Verfolgung aufzunehmen.
Ein Tag lang folgt man den Rindern, die Räuber haben einen halben Tag Vorsprung. Bald wird klar, dass die Feinde den Berg umrundet den Weg wieder richtung Tal eingeschlagen haben. Am Abend findet die Expedition die Kühe am Fuß des Königshofs, die Palisade ist durchbrochen, die Ställe und Wohnhäuser brennen, die Angreifer haben sich mit den Stieren aus dem Staub gemacht.
Da die Charaktere größtenteils unberitten sind, unterstützen sie Bendric bei den Löscharbeiten, nur der Nomade Youssef verfolgt die Räuber in die anbrechende Nacht.
Der Rest der Gruppe wird von König Osgar zur Feier in die unversehrte Halle geladen. Er lässt sich davon überzeugen, dass Iantos hinter den Angriffen steht und nimmt den SCs die Zusage ab, an seiner Seite zu kämpfen.
Gleichzeitig entdeckt Youssef Mariks Armee in einer Talspalte, wo sie sich, Western-Style, mit den geklauten Stieren verstecken. Nach längerem Beobachten und Beschleichen gelangt er zu der Meinung, dass die Räuber ganz vernünftig erscheinen und sucht das Gespräch mit Marik. Der erzählt, wie der König ihn im Winter mit seiner Mutter aus dem Tal getrieben hat und von seinen Racheplänen, Osgar die Krone zu rauben. Mit den Stieren kontrolliert er das halbe Stieropfer und am nächsten Tag plant er, auch noch das Opferschwert aus der Mine zu holen. Er bietet den Charakteren königlichen Lohn, wenn sie ihm helfen oder sich einfach aus der Sache heraushalten und lässt Youssef zu seinen Freunden reiten.
Am nächsten Morgen kommen alle zusammen und erfahren, dass sie jetzt zwei Seiten Zusagen gemacht haben. Um die Situation unter Kontrolle zu bekommen, beschließen sie, selbst das Schwert zu holen und als Trumpf zu behalten. Ohne Probleme gelangen sie zur Mine, aber das Schwert wird von Bendrics Leuten bewacht. Um keine Komplikationen zu bekommen, töten sie die Wachen und gehen mit dem Schwert ins Tal.
Da man sowohl mit Bendric als auch mit Marik Probleme befürchtet, ist der Beschluss gefasst, das Schwert an Iantos zu verkaufen. Man geht zum Handelsposten, wird vorgelassen und ich beschreibe Iantos als den mit allen Wassern gewaschene Fuchs, der er ist.
Barde Beorn eröffnet selbstbewusst das Gespräch: "Seid gegrüßt! Wir haben etwas dabei, was Euch sicher interessieren wird!"
Bei Iantos schleicht sich ein tückisches Lächeln ins Gesicht: "
Dabei?"
Der Rest der Gruppe hat einen Anfall von Facepalm.
Die SCs verhandeln mit Iantos und wollen Bier und Reichtum für das Schwert. Iantos bietet ihnen an, dass, wenn sie ihm helfen, das Tal in die Hände der Gilde zu bringen, er zu neuen Abenteuern aufbricht und ihnen den Handelsposten hinterlässt. "Soviel Reichtum, wie ihr imstande seid, euch hier zu erhandeln!" Die SCs wollen kein Vermögen an Rindern und keine Macht als Handelsfürsten und ziehen sich zu einer Besprechung zurück.
Die Charaktere finden heraus, dass sie bisher immer impulsiv gehandelt hatten, ohne sich klarzumachen, wo sie eigentlich hinwollten. Man einigt sich darauf, dass man möglichst viel abkassieren will. Man macht Vorschläge, was man als nächstes tun sollte. Keiner hat eine Idee, wie die Vorschläge einen irgendwie am Ende reichmachen sollen. Mir wird vorgeworfen, ich hätte die Spieler verwirrt, weil ich keine klaren Guten und Bösen präsentiert habe.
Am Ende beschließt man, Iantos auf jeden Fall eine reinzuwürgen und Marik und Bendric zusammenzubringen. Trotz einiger Fallstricke schafft man es, dass der hasserfüllte Marik und der heißspornige Bendric miteinander reden. Die Lösung ist schließlich, dass König Osgar abdankt und Bendric als König herrscht. Die SCs erhalten ihren Lohn und haben den Dank eines Königs, allerdings auch die Handelsgilde als Feind.
Fazit:Der Kampf am Anfang zog sich dank vieler Spieler und vieler Schergen ewig in die Länge, ohne besonders spannend zu sein. Ich habe den Eindruck, dass Schergen selbst in einem Verhältnis 10:1 echte Schwierigkeiten haben, den SCs bleibenden Schaden zu hinterlassen, weil die einfach viel zuviel aushalten. Auch dass ich mitten im Kampf die Regeln so umgestellt habe, dass Konsequenzen wie in anderen FATE-Systemen abgerechnet werden, hat das aufgrund der laaaaaaaaangen Stress Tracks nichts bewirkt.
Daraufhin habe ich aufgrund der hohen Spielerzahl auf Kämpfe eher verzichtet.
Was auch bemängelt wurde, war das Fehlen irgendeiner Wildnisfähigkeit, das im Verlauf des Abenteuers bemerkt wurde.
An sich konnte FATE jedoch wieder einmal das leisten, was ich an dem System so schätze: Simple Regeln, die jede Situation abdecken und die nicht unbedingt Kampf und Action den Vorzug geben. Allerdings bestanden aufgrund der Kürze des Abenteuers wenig Gelegenheite, die Regeln mal wirklich härtezutesten. Die Charaktere sind am Spieltisch so herübergekommen, wie sie konzeptioniert waren, die Regeln haben nie gehakt, obwohl Leute das System noch nicht gespielt hatten, dienten die Regelbücher nach der Charaktererschaffung nur als Schreibunterlage (und bannten mehrfach Blicke durch ihren hypnotisch schimmernden Goldschnitt).
Ich bezweifle, ob diese spezielle Runde in der Konstellation noch einmal zusammenkommen wird, aber ich bleibe FATE mit meiner SotC-Runde treu.