Ein Eindruck zu
Die Gesellschaft der Träumer:Ein tolles Freiform-Indie-Spiel, bei dem es darum geht Wesen, die in Träumen leben, zu entdecken. Zeithintergrund ist der Spiritismus des 19.Jh.
Die Illus und Photos sind sehr schön und stimmungsvoll gemacht. Sie stammen - ähnlich wie bei
Beyond the Wall - v.a. aus gemeinfreien Quellen und sind ziemlich gut ausgewählt. Der Schriftsatz ist angehnehm groß ausgefallen (aber nicht zu groß).
Die Regeln sind: Naja, im Wesentlichen ist es ein strukturiertes Freiform-Spiel ohne feste Spielleitung. Es braucht eine Weile, bis man verstanden hat, wie es ungefähr funktionieren soll. Ich glaube ich hätte mir da viel mehr Beispiele gewünscht.
Besonders gelungen finde ich die Charaktererschaffung, bei der Merkmale auf Karteikarten geschrieben werden:
Herkunft (Stadt, Land, Ethnie, ...), Alter, Geschlechtlichkeit (Gender, sexuelle Orientierung, ...) und Beruf o.ä.
Jede Person, die am Spiel teilnimmt zieht von jedem Stapel. Eine Karte abwerfen und neuziehen geht.
Dadurch bekommt man schön diverse und unterschiedliche Figuren heraus, die gleichzeitig Spieler.innen-Interessen berücksichtigen.
Find ich für den historischen Kontext in dem das Ganze angesiedelt ist passend.
Gespielt werden: Je eine Szene aus der Kindheit, eine aus der Jugend ... und die Gründung der "Gesellschaft der Träumer".
Hier wurden Hinweise über die Mnemositen (Traumwesen) gefunden.
Im weiteren Spielverlauf werden dann die Hinweise bei der Untersuchung eines träumenden NSCs oder SCs exploriert. Dabei gibt es verschiedenartige Szenen (Traum, Metamorphose, Jagd, Liebe, ...). Welche gespielt wird, bestimmt die Gruppe "demokratisch-zufällig" mit Hilfe eines Geisterbretts.
Bei Traum-Sezenen ist interessant, dass die Person, die in die Träume einer Figur eintaucht, beschreibt, was sie sieht und die Mitspielenden die Handlungen bestimmen (also eine Umkehr der üblichen Rollen). Ich kann mir gut vorstellen, dass das für das traumhaft-surreale Erleben sehr gut funktioniert.
Die anderen Szenen liefern Kontexte und weitere Erkenntnisse. Schön sind auch die Aufzeichnungen einer anderen Träumer-Gesellschaft, die zumindest ein bißchen Hilfestellung geben, was man in den einzelnen Szenen spielen kann/soll.
... es gibt auch für alle Spielenden immer was zu tun. Tatsächlich gehört es zum Spiel dazu Tagebucheinträge zu schreiben und für deren Vortrag & Exploration gibt es Szenen.
Am Schluss gibt es einen Epilog, eine Zusammenfassung oder eine Begegnung mit dem Mnemositen.
Das Buch ist mit vielen Autoren-Anmerkungen versehen, die ich sehr hilfreich und für gut nachvollziehbar halte.
Es gibt einen
Spielbericht von ChiarinaDie Downloads auf der Hompage von System Matters, die einen Spiel-Ablaufplan beinhalten, geben auch einen ganz guten Eindruck vom Spiel.
Die Übersetzung ist insgesamt in Ordnung, abgesehen von einem fiesen faux-pas:
Nennt sich generischer Feminin. Konnte ich so nicht lesen. Ich hab den Text erstmal gegendert. Meine Lieblingsmethode (Punktierung) ging ganz gut und vom Buchdesign her wirken die Durchstreichungen oder Zusätze mit dem Permanent-Markter auch nicht fehl am Platz.
Was stört mich:
1. Der generische Feminin ist grammatikalisch falsch und hat keine sprachliche Tradition. Ich bin gerne bereit das zu akzeptieren, wenn Texte von einer Autorin geschrieben und/oder von einer Übersetzerin bearbeitet wurden. Dann kann ich das als deren eigene Stimme und Sicht auf die Dinge würdigen. Das ist hier aber nicht der Fall. (Mehr später.)
2. Der Feminin wird zwar als generisch angekündigt, aber nicht durchgehalten. Das fängt beim Titel an und dann finden sich auch solche Passagen im Text: "Ein verwirrter oder gewalttätiger Außenstehender" (S.35) oder "was er oder sie beschreibt" (S.66). Wenn dann doch solche Formulierungen auftreten, dann wird das mit dem "Es sind natürlich immer Spielende alle Geschlechter gemeint" unglaubwürdig.
3. Wie schon erwähnt: Der Feminin hat weder grammatikalische Richtigkeit noch Tradition. Letztlich repräsentiert er mehr noch, als der generische Maskulin v.a. ein Geschlecht. Entsprechend wird es nicht-binären Personen und Personen dritten Geschlechts noch schwerer gemacht sich mit dem Text zu identifizieren. Danke auch dafür!
Zusammenfassend: Mit der Ausnahme der Sichtbarmachung der Autorinnen- oder Übersetzerinnenstimme oder wenn sich ein Buch an eine stark überwiegende weibliche Leserschaft wenden will, halte ich den generischen Feminin für die Schlechteste aller möglichen Lösungen. Insbesondere dann, wenn er sich wie hier nur auf Spielende bezieht und an allen anderen Stellen nicht durchgehalten wird.
Letztlich fängt man sich damit alle Probleme des generischen Maskulins ein und verschärft sie sogar noch (weil ein generisches Verständnis der weiblichen Form nicht vorhanden ist und auch nicht ohne Weiteres konstruiert werden kann). BITTE SO NICHT MEHR!
Es gibt so viele sinnvolle Weisen geschlechtergerechte Sprache zu verwenden.
Hier noch, wie mein Text jetzt aussieht (einen Punkt hab ich noch nachgesetzt, der nicht auf dem Bild ist):