Ich frage mich wirklich, woran du genau den Unterschied zwischen Story-und Charakterspiel(er) festmachst?
Storyspiel zielt auf eine Ordnung der Spielwelt ab. Wer auf Story spielt (und das können auch Spieler sein, eben solche mit Storyvorlieben), der versucht dem von Natur aus leicht chaotischen Verlauf des Abenteuers eine Struktur zu geben, die der Dramaturgie einer Geschichte ähnelt (also Spannungsbögen zu ziehen, an passenden Stellen Wendungen zu provozieren usw.) Das gelingt Spielleitern mit dem Blick für die Hintergründe traditionell besser, kann aber auch von Spielerseite aus kommen, besonders in Systemen/an Spieltischen mit viel PE. Meine Sundered Skies Truppe hat da ein paar Leute, die dem Spiel mit etwas mehr PE geniale Storyelemente eingefügt hätten.
Charakterspiel zielt darauf ab, den konsequent eigenen Charakter zu spielen, gleichgültig wie sich das auf die Spielwelt und die Story auswirkt. Deswegen ist es auch eine Variante des dramaturgischen Spiels, aber es steht nicht der Spannungsbogen der Story im Mittelpunkt, sondern die Konsistenz des Protagonisten. Das kann mit geplanten Storyverläufen konfligieren, insbesondere mit solchen, die eine andere Person (der Spielleiter) entworfen hat.
Einfaches Beispiel: eine dramaturgische SL-Story verlangt, dass die Charaktere eine halb- bis illegale Aktion tätigen, deren Folgen in der Geschichte sichtbar werden. Der konsequente Charakterspieler eines Paladins verweigert sich der illegalen Handlung...
...und überredet seine Gruppe, wodurch der ganze Rattenschwanz an vorbereiteten Konsequenzen flach fällt. Sieg des Charakterspiels über Storyspiel.
... beugt sich aber dem SL- und Gruppendruck. Sieg des Storyspiels über Charakterspiel.
Bzw. wo ziehst du die Grenze? Ab wann "verkommt"(das trifft es wohl bei dir) denn jemand vom Charakter zum Storyspieler oder umgekehrt? Und aufgrund dessen, weil man da keinen oder keinen so grossen Unterschied sieht,wo du einen siehst, abzuleiten, der SL würde sich anmassen, festzulegen oder gar zu wissen wie du deinen Charakter zu spielen hast finde ich ehrlich gesagt befremdlich. Dass der SL mir sowas vorschreiben würde, oder ich bei meinen Spielern je sowas getan hätte-kann ich mich nicht drann erinnern.
1. Im Gegensatz zu dir sehe ich einen großen Unterschied. Mir ist allerdings bewusst, dass der Unterschied gerade von Storytellerseite gerne klein geredet oder verleugnet wird, weil man sich meiner Meinung nach (bitte nicht als persönlichen Angriff verstehen) davor scheut, zuzugeben, dass es außer "Geschichten erzählen" und "Hack&Slay" noch andere Möglichkeiten im Rollenspiel gibt.
Die Grenze ist im Einzelfall zu ziehen, wird immer sichtbar, wenn eine Story von Charakteren verlangt, dass diese sich verbiegen müssen.
Die Frage ist natürlich, ob der SL merkt, wann er seinen Spielern, welche die "Hauptprotagonisten der Story" spielen sollen, sowas aufzwingt. Am deutlichsten kann man das wohl an Kaufabenteuern sehen, denn die selbstgeschriebenen Abenteuer sind ja oft auf die Charaktere zugeschnitten, mit denen man spielt, da tritt der Konflikt seltener auf.
Außerdem gibt es (gerade in D.) viele Storyspieler, die kein oder nur geringes Interesse am Charakterspiel haben, sondern lieber dem Storyverlauf folgen wollen - mit denen hat der Story-SL kein Problem.
Was heisst denn verbiegen? Dass die Charaktere auf Grund oder zu Gunsten der Story von den Spielern völlig konträr gespielt werden mussten? Ich habe es als SL eher erlebt, dass ich das Abenteuer(mehr als 1x) verbiegen musste, damit die Story auf Grund von Charakterspiel passend weitergeht. Habe ich mich als SL je darüber beschwert? Nein. Zudem: Wenn ich als SL das Abenteuer um 180° verbiegen muss, damit es stimmig weitergeht, könnte der Spieler ruhig beim nächsten Mal seinen Charakter um 90° anpassen, dann hätte ich nur noch halb so viel Arbeit. Es heisst doch immer, man solle Kompromisse eingehen...aber dazu gehören halt eben immer zwei, oder aber: geteiltes Leid ist halbes Leid. Ich denke du bist einfach bislang auf SLs getroffen, die nicht gut improvisieren können. Aber deshalb gleich den "Wutspieler" raushängen zu lassen finde ich dann doch etwas übertrieben.
Offensichtlich hast du diese Problematik schon öfter am eigegen Spieltisch erlebt. Wenn du deine Abenteuer um 180 Grad drehen musstest und die Spieler ihre Charaktere um 90 Grad, kann der Unterschied zwischen Story- und Charakterspiel doch nicht so gering sein, oder?
Als Spieler habe ich bisher nur einmal eine Gruppe wegen SL-Storytelling verlassen, so Wutspielermäßig bin ich gar nicht.
Derjenige hat dann eben eine Art zu Leiten, die dir nicht zusagt. Aber einem deswegen generell zu unterstellen, er sei unfähig für den SL-Posten halte ich doch für ziemlich vermessen.
Jeder hat halt andere Vorstellungen, was das ist, was Rollenspiel von anderen Gesellschaftsspielen und von Büchern/Filmen usw. unterscheidet. Für mich gehört die Möglichkeit des unterschiedlichen Abenteuerverlaufs (was nicht notwendigerweise der Szenenfolge heißt, wohl aber der unterschiedlichen Strategie der Szenen"bewältigung") eben zu den wichtigen, unterscheidenden Merkmalen, die Rollenspiel als solches gegenüber Büchern auszeichnet. Jemanden, der das anders sieht, halte ich für völlig ungeeignet für den SL-Job.