@ Sol Invictus:
Hab da kein Problem mit, bin das von V:tM-Entusiasten gewöhnt (und es ja auch irgendwie fast provoziert, wenn man den Satz aus der vorangegangenen Erklärung herauszieht).
Aber trotzdem gehe ich darauf ein:
Dass V:tM
nur Deppen anzieht, ist erstmal deine Interpretation, das habe ich so nicht gesagt und nicht gemeint. Genau geschrieben habe ich, dass V:tm
verspricht, drei sehr
unterschiedliche Spielvorlieben zu bedienen:
- Powergaming (+ Butt Kicking): tolle Superpowers, tolle Fähigkeiten, vergleichsweise schwache Gegner (Mortals, Ghuls, Neonates - und Bosse für den Endkampf mit fetter Belohnung (Diablerie = mehr Powers!)
- Storygaming: vertrackte Vampirgeschichten; Intrigen zum Aufdecken; Bündnisse zum Schmieden; geheimnisvolle, farbenprächtige, mächtige NSCs mit dunkeln Geheimnissen (so hab ich es meistens erlebt)
- Charakterspiel: der innere Kampf zwischen Mensch und Bestie; schmerzhafte Entscheidungen mit Konsequenzen für die eigene Seele; die Suche nach einer eigenen Rolle in der Welt; die Entfremdung von gewohnten Verhaltensweisen; der Kontrast zwischen der Welt der Sterblichen und der Welt der Vampire (sowas hätte ich mir damals gewünscht)
Weiterhin habe ich behauptet, dass die
Regeln (und übrigens mMn auch die Abenteuer) keins der Versprechen
gut erfüllen, und schon gar nicht alle drei
gleichzeitig. Deswegen arrangiert man sich irgendwie damit.
Dann sagte ich, dass andere Regelsysteme, die auf ihre Ziele hin besser durchdacht sind, da mehr leisten können. Unterhaltsame, spannende Kämpfe mit V:tM zu entwerfen war mir immer ein Graus. AD&D leistete da für mich mehr, wie auch fast jedes andere Rollenspiel. Storys liefen bei V:tm nur mit Spielleiterwillkür - fast jedes andere Rollenspiel leistete für mich da mehr. Charakterspiel funktioniert nach meiner Meinung nur dann gut, wenn übermächtige NSCs nicht dauernd Hauptrollen haben - und in der Hinsicht war in meinen Spielerinnerungen kein anderes Rollenspiel so problematisch wie V:tM.
Damit leugne ich nicht, dass es auch andere Rollenspiele gibt, die mehrere Spielertypen ansprechen, und ich behaupte auch nicht, dass andere Rollenspiele völlig konfliktfrei unterschiedliche Spielvorlieben bedienen können - ich stehe allerdings zu der Behauptung, dass bei Vampires
außer den "Moshern" so gut wie kein Spieler (Story- oder Charakterspieler) von den
Regeln angezogen wurde. Die Mosher wurden mit cool powerz bedient.
Die anderen Spieler wurden mMn überwiegend von dem für seine Zeit coolen
Setting angezogen (und dieses Setting ist auch heute im Vergleich nicht schlecht, wenn auch nicht spitze und mit eigenen Problemen belastet). Damit, und mit dem Versprechen, irgendwie
erwachsener,
künstlerisch wertvoller zu sein, hat V:tM viele Spieler für sich begeistern können. In deinem Post wird diese Haltung ja auch deutlich ausgedrückt:
Es gibt sie allerdings, die Runden mit Fokus auf den psychologischen Horror, in denen die Spieler nicht auf die Senkung ihrer Generation oder einfach nur auf die nächste Stufe ihrer Disziplin scharf sind, in denen Action und Intrige sich die Waage halten und diese dann auch nicht zu sehr in die Emo-Ichbinjasoarmunddarque-Schiene abschweift. Das sind schlicht und ergreifend Runden mit reifen und erwachsenen Menschen.
Hervorhebung von mir.
Im Grunde ist das eine Abwertung anderer Spielvorlieben, und die mangelnde Anerkennung des Rollenspiels als (Gesellschafts-)Spiel. Aber das gehört wohl eher in einen eigenen Thread.
Wichtig ist mir allerdings, dass - bis auf vielleicht die Powergamer/Mosher - kaum jemand V:tM
gespielt hat.
Spielen in diesem Fall verstanden als möglichst umfangreiches, hinsichtlich der Storyintention neutrales Anwenden der vorgegebenen Regeln ohne Spielleiterwillkür. Was die Leute, die ich erlebt habe, gemacht haben, war, dass sie Geschichten auf der Basis des Settings erzählt haben.
Besieht man sich aber V:tM ohne nostalgische Verklärungsbrille, dann bleibt davon nur ein teilweise interessantes, aber nicht überragendes Setting, eine schwerfällige Würfelsystematik, einige zweitklassige (und drittklassige) Abenteuer - nichts, was nicht andere Systeme besser, eleganter, durchdachter anbieten können.
Und da empfinde ich es als verwunderlich, mit welcher Hartnäckigkeit sich Spieler (vor allem aus meinem persönlichen Umfeld) an V:tM klammern. Würde ich heute V:tM leiten, mit meinem Anspruch, ein
Spiel zu spielen, in dem die
Charaktere im Mittelpunkt stehen, Hauptprotagonisten sind, und dafür die
V:tM-Engine verwenden, wäre das ein furchtbarer Krampf. Und das war es auch damals schon. Aber das wird von V:tM-FAns immer geleugnet werden.
Ich schau euch dann gern zu, wie ihr 53 Runden für einen Kampf braucht, eine Stunde lang über die korrekte Interpretation mystisch erklärter Regeln debattiert oder seitenweise Hausregeln anschleppt. Viel Spaß mit V:tM