Noch ein paar Gedanken zu meiner Auffassung von Oldschool.
Mit Kampfbegriff hat das bei mir wenig zu tun, denn ich spiele aktuell Ars Magica, was überhaupt gar nicht oldschoolig ist, WFRP3rd, was zwar kein Storytellersystem ist, aber für Oldschool viel zu "konsistent", irgendwie, und ich bin auch etlichen Indies nicht abgeneigt. Manchmal habe ich auch große Lust auf DSA-Stimmungsspiel.
Von daher ist Oldschool für mich nur eine unbeschwerte Variante des Rollenspiels: Möglichst zügig einen Char auswürfeln, innerhalb von fünf Minuten einen Abenteuereinstieg abhaken und loslegen. Dabei ist das Setting mehr oder weniger austauschbar. Im Prinzip eigentlich gar nicht existent. Es braucht keine konsistenten Erklärungen, keinen geschichtlichen oder kulturellen Hintergrund. Man spielt weniger in einer Welt, sondern man spielt ein Abenteuer.
Und das war, auch wenn es streng genommen gar nicht mehr richtig oldschool ist, eben auch noch bei DSA1 eine Weile der Fall (das wird DSA1 heute ja auch zum Vorwurf gemacht): Hier ein Abenteuer, da ein Abenteuer, und dazwischen: alles völlig schnurz! Orks und Klabautermänner in Havenischen Kellern. Kein Kanon, kein Problem.
Deshalb ist für mich eben all das nicht mehr oldschool, was Wert auf (Setting-)Konsistenz legt.
Anders gesagt: Oldschool ist konkrete Kunst (dada). In der konkreten Kunst wird das einzelne Element (Wort, im Beispiel Literatur) nicht einem Gesamtzusammenhang untergeordnet, sondern bleibt "konkret" gemeint. In einem normalen, verständlichen Aussagesatz ordnen sich sämtliche enthaltenen Worte der Bedeutung und Grammatik der Aussage unter. Dadurch verlieren sie an eigener Bedeutung (deshalb können Worte ja auch, je nach Kontext, eine andere Bedeutung annehmen, d.h. der Kontext ist wichtiger als das Wort selbst).
Im Oldschool steht das einzelne Abenteuer, der einzelne Encounter einigermaßen für sich (von der Grundidee oder Tendenz her). Die Betonung und Ausarbeitung des Settings dagegen schafft eine Syntax, die den einzelnen Abenteuern eine bestimmte (grammatische oder semantische) Funktion innerhalb einer Gesamtaussage zuordnet. Im Extremfall also der Metaplot. (Witzig, dass konkrete Kunst sehr häufig mit Zufallselementen operiert hat und die Zufallstabelle -- zumindest in meiner Wahrnehmung -- ein wichtiges Element des Oldschoolspiels ist.)
Von daher hat Oldschool für mich wie konkrete Kunst etwas Augenblickhaftes, eine Konzentration auf das einzelne, aus dem Zusammenhang gelöste Element. Wie oben schon erwähnt wurde: Die Story entsteht eher beim Spiel. Bei anderen Arten des Rollenspiels dagegen ergibt sich meist ein größerer Zusammenhang, die Bedeutung einzelner Encounters sind in einem Kontext entschlüsselbar (es gäbe zum Beispiel einen guten Grund, eine Erklärung, weshalb Orks und Krakonier in einem aventurischen Verlies zusammenleben). Die einzelnen Elemente ordnen sich einer Syntax unter, die oft Plausibilität, Konsistenz oder "Realismus" genannt wird, manchmal aber auch nur Settingsatzung ist (dass es in Aventurien zum Beispiel keine Raumschiffe und Atomanlagen mehr gibt, ist eine solche Satzung).
Wow, und das Beste an diesem geschwollenen Theoretisieren ist, dass ich keine Ahnung habe, ob das irgendeinen Sinn ergibt
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Was für mich auf jeden Fall gar nie nicht Oldschool ist, sind Spiele, die mit dem Satz daherkommen:
"A Roleplaying Game about ..."
Und dann kommt so etwas wie: Loss, Grieve, Power, Intrigue, Lust usw. Bei diesen Spielen ist jede Oldschooligkeit von vornherein verbaut. Schon die Charerschaffung folgt hier meistens irgendwelchen Themen, Satzungen, Motiven, und nicht einfach nur den Spielregeln. Damit ist kein "naiver", unbeschwerter, unmittelbarer Zugang mehr möglich, und damit war's das mit Oldschool. Was ja noch lange nicht heißt, dass das Spiel dann deshalb schlechter ist.
Übrigens stimmt das mit den Nostalgievorwürfen in meinem Fall sicherlich. Der Punkt, dass man das nicht wiederholen kann, ist auch richtig, vor allem auch, weil Oldschool in Reinform ein Konstrukt ist und man in der Realität so gut wie immer nur Mischformen antrifft. Diese Nostalgie aber lehrt mich, dass Konsistenz nicht alles ist. Sie ermuntert mich dazu, auch in nicht-oldschooligen Settings der Unmittelbarkeit den Vortritt vor der Settingtreue zu lassen. Nicht immer alles durchdenken und erklären wollen. Unkomplizierter und mit krassen Monstern (und vielleicht einem eingestreuten Dungeon) macht auch Spaß, auch wenn's dann nicht mehr "richtiges" Aventurien ist, metaphorisch gesprochen.