Beast ist ein komisches Ding, zumindest nach dem oberflächlichen Lesen.
Das Konzept ist eigentlich recht cool. Man ist in einem gewissen Sinne eine metaphysische Verkörperung der Urängste, und man hat dieselbe "Aufgabe", nämlich Leuten Angst zu machen, damit sie am Ende klüger sind als zuvor. Wie ein Monster in einer klassischen Geschichte ist man sozusagen der Aufhänger, der die Heldenreise der anderen überhaupt erst ermöglicht. Nebenbei ernährt man sich auch von dieser Angst, und natürlich gibt es Monster, die sich böserweise nur noch ernähren, ohne "pädagogischen Anspruch" etc. Interessant sind auch die fanatischen Helden (die Hauptantagonisten), die ebenso wie die Monster eine Verbindung zu den Urängsten haben, sie aber bekämpfen und damit nutzen, um verehrt und generell gebraucht zu werden - die also von ihrer Heldenreise abkommen. Dazu kommen wenig subtile Superkräfte, die von der Art des Monsters abhängen und ziemlich genau das tun, was man von Monstern erwartet; die Kategorien/Splats sind hierbei wirklich seeehr cool gemacht, bspw. die Richtung "Angst vor der Dunkelheit", "Angst vor Schutzlosigkeit", "Angst vor der Tiefe" etc. (Alp)träume werden dabei als Repräsentation der Urängste benutzt (der "Primordial Dream" ist das Konzept, das Menschen, Monster und Helden verbindet) und erstrecken sich auch auf die Lairs der Monster, die wirklich surreal monsterhaft sind.
Und eeeeeigentlich ist das imho ein ziemlich starkes Konzept. Im besten Sinne sehr WoD-esque. Aber: Es überlappt sich vom Lesefeeling her wieder megahart mit anderen CoD-Spielen. Die Monsterhaftigkeit (gerade mit "ein Teil deiner Seele ist jetzt ein Horror!") erinnert an jede zweite Reihe, die Träume und das Angst-machen erinnern hart an Changeling, der Konflikt mit den Heroes erinnert sehr stark an die Hunter-Slasher. Und EIGENTLICH wäre das okay, denn die CoD haben ja bekanntlich schon seit längeren den Punkt der thematischen Überlappung erreicht. Es gibt allerdings zwei große Haken, die das Ganze für mich eher uninteressant machen: 1. Die Überlappung wird betont, a la "crossover friendly"; die Ähnlichkeiten der Übernatürlichen und der Monster sind ein dezidiertes "theme". Und da wird es dann konzeptuell echt dünn, imho. Es ist fast so, als wäre Beast ein Spiel für totale CoD-Freaks, die sämtliche Linien schon seit Jahren spielen und eine weitere Facette einer dichten Welt brauchen. Es geht zwar auch ohne (und fairerweise - das Buch bemüht sich, die Crossover-Parts deutlich abzusetzen!), aber na ja ... denn, 2., Das Konzept ist cool, aber irgendwie nicht "eigen" genug ausgearbeitet, zumindest für ein Buch mit 300+ Seiten. Es ist nicht wie Mummy, das so viel eigene Mythologie und überhaupt so viele krasse Eigenheiten hat (megastark anfangen und schwach werden! ein Monster und ein Kult! tausende Jahre Erinnerungen!), dass ich ihm die Überlappungen gern verziehen habe. Das Gefühl stellt sich hier nicht ein. Es ist fast schon eine seltsame Mischung aus "zu grundlegend" und "zu speziell", inmitten einiger anderer grundlegender und spezieller Settings. Macht das irgendwie Sinn?
Jedenfalls ist das schade, denn wie gesagt, die Grundidee ist echt cool. Aber in einer WoD, voll mit interessanten Mythologien und ähnlichen Ideen, sticht die Umsetzung dieser hier nicht gerade besonders kraftvoll heraus und rechtfertigt vor allem keine eigene Spiellinie. Als Mortals-(oder Hunter-!)Zusatzband a la Skinchangers oder Changing Breeds wäre es vielleicht angemessener gewesen. Man sollte aber auch sagen, dass das Spiel für sich genommen echt gut gemacht wirkt. Der Text liest sich nicht so dröge wie das konzeptuell stärkere Demon, und auch Ideen wie Tokyo als "Hero Bay" sind einfach mal arschgeil.
tl;dr
Augenscheinlich ein handwerklich und konzeptuell gutes Spiel, aber gerade im Kontext der CoD kann es meine Aufmerksamkeit nicht fesseln. Schade drum. Ich würde Interessierten trotzdem unbedingt empfehlen, selbst reinzugucken, denn schon die ersten Seiten geben einen sehr guten Eindruck (wie üblich bei den CoD), und ich befürchte, dass die eigenen Erfahrungen mit den CoD einen großen Teil dessen ausmachen, was hier beim Leser ankommt.