Dass verschiedene Magiearten unterschiedlich geregelt sind, fand ich immer gut. In DSA3 lieft das noch fast komplett über die unterschiedlichen Rituale, die ja alle eigene Regeln hatten. Ein Hexenfluch funktionierte anders als ein Kugelzauber. In DSA4 gibt es dazu noch die Repräsentationen, die z.B. bewirken, dass die Illusionen eines Scharlatans die doppelte Wirkungsdauer haben usw. Eine konsequente Weiterentwicklung, die ich auch gut finde.
Streamlining, verschlankung, eleganter machen - damit könnte ja auch gemeint sein, dass solche Unterschiede aufgehoben werden. Gleiche Regeln für alle! Wie auch immer die Regel dann aussehen sollen, aber egal, ob ich einen Hexenfluch spreche, eine Kugel verzaubere oder mich für Sumus Blut in der Erde verbuddle, benutze ich irgendwie die gleichen Regeln. Und was von den Repräsentationen übrig bleiben soll, weiß ich auch nicht. Wie seht ihr das? Wären das auch Rattenschwänze, die man im Zuge einer Verschlankung abschneiden müsste?
Meine Meinung liefere ich direkt mal mit. Repräsentationen und unterschiedliche Regeln für unterschiedliche Rituale machen die Sache natürlich schwieriger. Aber die Repräsentationen sind etwas, dass sich der Spielerzauberkundige einmal ansieht und dann auf seinen Charakter anwendet. Ich spiele einen Scharlatan und muss kein Genie sein, um mir die paar Sachen dazu zu merken. Und alle Jahre mal, wenn ich mir vielleicht tatsächlich eine Kugel zulegen möchte, kann ich dazu auch ins Regelbuch gucken. Und soweit Repräsentationen die Steigerungskosten beeinflussen, trage ich mir das ein Mal in die Tabelle ein und gut ist. Ich denke nicht, dass man hier groß angleichen sollte oder müsste. (Wobei Repräsentationen grundsätzlich wunderbar eine Optionalregel sein können! Ich weiß gerade gar nicht, wie es in DSA4.x ist.)
Übrigens, was die Steigerung angeht. Die könnte man immens vereinfachen und es kann ja auch vorteilhaft sein, wenn man seinen Charakter ohne ein Regelbuch konsultieren zu müssen steigern kann. Aber wirklich schlimm finde ich es nicht, wenn man sich zur Steigerung mehr Zeit nehmen muss. Ok, DSA4 hat einen Stand erreicht, bei dem ich nur noch mit einem Computerprogramm steigere. Ansonsten habe ich Angst, mich zu verrechnen. Ich meine, Grundkomplexitäten von Zaubern, Hauszauber, Repräsentationen, Merkmalskenntnisse und dann noch Vorteile wie Gutes Gedächtnis - nenene, das mache ich nicht mehr von Hand! Aber ich finde es nicht schlimm, so ein Programm zu brauchen und naja, bevor es so ausgereift war (ich benutze Helden Software), hat es ja auch von Hand funktioniert - irgendwie. Vielleicht kann man da ein bisschen vereinfachen, das muss aber nicht viel sein.
Die Anzahl der Talente? Fand ich nie problematisch. D&D3.5 hat auch endlos viele Talente, nur stehen die Craft-, Profession- und Perform-Spezialisierungen nicht von Haus aus auf dem Charakterbogen. Midgard hat die Kampftalente sogar noch feiner aufgeteilt, da ist jede Waffe ein eigenes Talent. Ich find's auch irgendwie cool, wenn man ein total bescheuertes Talent gesteigert hat und es nach 3 Jahren Kampagne auf einmal nützlich wird und man sagen kann: "Leute, kein Problem - ich habe Hauswirtschaft 18!" Dieses Erlebnis könnte mir ein kurzes und knackiges Talentsystem wohl nicht bescheren. In DSA sind ein paar AP auch nicht viel wert. Da kann man auch mal ein paar angeblich nutzlose Talente mitsteigern. Ich finde auch nicht, dass Regeln immer nur die nützlichen Dinge abdecken sollte. Was ist das denn für eine Gesellschaft, in der ich jetzt selbst im Rollenspiel alles auf den Nutzen hin ausrichten soll? Dann spielt Töpfern oder Feuersteinbearbeitung in 99% der Runden in 99% der Spielzeit keine Rolle. Aber DSA ist nun mal in der SIM-Ecke verortet und übrigens ist das auch super, wenn man nicht Barbie oder Hotzenplotz' Märchenstunde spielt, sondern richtig schön hartwurstig Sandbox und ARS.
Für mich ist Hartwurst ja nichts schlechtes. Ich mag hartwurstiges Spiel. Ich würde nicht nur so spielen wollen und ich mag auch herausforderungsfokussiertes oder schnelles, erzählerisches Spiel. Aber im hartwurstigen Spiel kann ich auch immer wieder tolle Erlebnisse haben. In manchen Runden sagt man schnell "alle haben ein Abenteurerstandardpaket" oder "ein Seil werdet ihr wohl haben". Aber für mich macht es etwas aus, ob ein Seil tatsächlich vorhanden ist oder nicht, wer es hat, wie seine Traglast damit aussieht und wie lang das Seil ist. Es macht dann nämlich etwas aus, wenn dieses Seil spielentscheidend ist - und man nun tiefer in die Höhle hinabsteigen kann oder erstmal in die Minenstadt zurück muss. Wer weiß, was in der Zeit schon wieder passieren kann! (Gut, das ist ein etwas belangloses Beispiel, aber erzählt mir nicht, ihr hattet nie einen Gegenstand dabei, der mal spielentscheidend wurde? In D&D hat man das im Grunde immer wieder - wenn der Wizard zufällig genau den Zauber vorbereitet hat, der jetzt einen riesigen Vorteil verschafft. In Shadowrun gab es sogar Karmapunkte genau dafür, eine Fertigkeit passend einzubringen, ich glaube "zur richtigen Zeit am richtigen Ort" oder so nannten sie es.) Das ist einfach klasse und verschafft ein Spielgefühl, dass ich z.B. in einem PE-lastigen Spiel, wo die Ausrüstung eh ein wabernder Haufen ist, nicht haben werde. (Dafür habe ich da andere tolle Erlebnisse, das ist hierfür irrelevant.)
Also bei aller Verschlankungs- und Vereinfachungsliebe möchte ich mich dafür aussprechen, dass DSA5 ein auf Simulation setzendes Rollenspiel bleibt, mit dem man - wenn man möchte - auch sehr hartwurstig oder vielleicht positiver ausgedrückt: detailverliebt spielen kann. Das heißt nicht, dass man nicht etliches vereinfachen, kürzen, löschen, verschlanken, eleganter gestalten kann. Mein Eindruck ist nur, dass wenn von schlankerem DSA5 gesprochen wird, sehr unterschiedliche Auffassungen vorherrschen, was das sein soll.