Gestern hat sich meine erste Fiasco-Runde ergeben. Wir (carthinius, ein gemeinsamer Freund und ich) hatten viel Spaß.
Als Playset wählten wir Boomtown im Wilden Westen. Unsere drei Charaktere und ihre Beziehungen untereinander [samt Details] waren wie folgt:
Jonathan Twain, Rinderbaron; Mann von Rosemary
>> Bez. Vergangenheit: Beide mit demselben Partner (Rosemary) verheiratet [sentimentales Objekt: Neugeborenes namens Michael]
Terry White, Ex-Mann von Rosemary, Bruder von Jensen
>> Bez. Familie: Geschwister [Ort: oben in den Bergen, am Galgenbaum]
Jensen Q. White, Bruder von Terry, Cowboy auf Jonathans Ranch
>> Bez. Arbeit: Rancharbeiter [Verlangen: Sex haben mit dem Ehepartner des Freundes (Rosemary)]
Jonathan...
Als NSC benötigten wir häufiger Rosemary, die wir abwechselnd spielten. Außerdem kam die alte Emma aus der Stadt einmal vor, und das Baby Michael wurde zwischendurch (großartig!) verkörpert.
Der Tilt brachte uns Chaos/ grandiose Selbstzerstörung sowie Schuld/ jemand bricht in Panik aus.
Um etliche Details gekürzt, verlief das Fiasko ungefähr so:
Terry, der seit etwa einem Jahr nicht mehr mit Rosemary zusammen ist, ist wieder in der Stadt. Er sucht ihren neuen Mann Jonathan auf und behauptet, dass er, Terry, der Vater des etwa dreimonatigen Kindes sei. Jonathan ist stinksauer und jagt Terry vom Grundstück. Das Thema kommt beim Abendessen wieder auf. Rosemary reagiert ausweichend. Jensen freut sich, am nächsten Tag beim Apfelpflücken einige Zeit mit Rosemary allein zu sein. Seine Avancen weist sie jedoch zurück.
In der Stadt hört Jonathan von der alten Emma, dass die Ähnlichkeit zwischen Terry und dem kleinen Michael (Rosenkohlohren!) unübersehbar seien. Mordlust rührt sein Herz. Währenddessen sieht Terry zum ersten Mal seinen mutmaßlichen Sprößling und ist von Vatergefühlen überwältigt. Er will Jonathan noch einmal konfrontieren. Rosemary ist außer sich und lässt sich von Jensen trösten.
Als Terry und Jonathan das nächste ausweglose Gespräch führen, sind schnell Waffen gezogen. [Die Szene war reizvoll: Terry ruderte erst zurück und bot an, die Stadt zu verlassen – er habe nie eine Schießerei auslösen wollen. Für Jonathan war aber bereits einiges unwiderruflich zerbrochen. Als Terry ihm die Waffe aus der Hand schoss und Jensen aufforderte, ihm gegen Jonathan zu helfen (ihn zum Sheriff zu bringen), stand Jensen zwischen allen Stühlen. Und Rosemary heulte hysterisch in der Apfelplantage.] Terry haut schließlich ab, bittet aber Jensen, bei Sonnenaufgang mit Rosemary zum Galgenbaum zu kommen.
Rosemary hat Angst, allein mit Jonathan zu sein, der sich in seinem Zimmer betrinkt. Jensen bleibt bei ihr, und sie küssen sich. Sie will zwar nicht mit Terry fortgehen – aber um ihm das zu erklären, willigt sie ein, mit Jensen zum Galgenbaum zu reiten...
...wo es dann zum Showdown kommt (letzte Szene). Ein versoffener Jonathan kommt hinterhergeritten, erst werden Worte gewechselt, dann Kugeln. Jonathan schießt Rosemary und Terry nieder, Jensen knallt Jonathan ab. (Der Galgenbaum wird auch getroffen.)
Terry erholt sich und zieht Michael groß. Jensen übernimmt Jonathans Ranch, kommt aber nicht über den Verlust seiner heimlichen Liebe hinweg. Jonathan wird nicht vergessen – ihn traf ja zumindest anfangs keine Schuld...
Alles in allem waren wir nach vier Stunden fertig. Allerdings schätze ich, dass die reine Spielzeit deutlich drunter lag. Ein paar Pizzen kamen des Weges, und carthinius hatte die gute Idee, den Outlaws-Soundtrack als Hintergrundmusik einzusetzen:
http://soundtracks.mixnmojo.com/ Ich hatte zwei Playsets zur Auswahl gestellt. Einen gewissen Bammel hatte ich im Vorfeld, ob es schwierig wäre, aus den Beziehungen und Details eine Ausgangssituation zu schrauben, die alle SC genug ins Desaster einbindet. Wir tauschten schließlich das Verlangen aus, weil es am wenigsten zu dem Rest passte, den wir bereits hatten. Generell ist mein erster Eindruck vom Playset, das sich die Elemente nicht beliebig kombinieren lassen, sondern bestimmte Merkmale besser harmonieren als andere. (Z.B. nehme ich an, dass einige Details besser passen, wenn eine kriminelle Beziehung im Spiel ist, etc.)
Die Regeln fanden wir einfach, das Szenenspiel funktionierte recht gut. Es ergab sich, einzelne Szenen direkt aneinander anschließen zu lassen, was den Fluss natürlich erhöhte. Ins Stocken kamen wir manchmal, soweit ich mich erinnere, bei der wiederkehrenden Frage, ob man seine Szene selbst einrichten oder auflösen will (establish/ resolve), und welches Framing passen würde. Außerdem nahmen wir ein paar Mal den Würfel zur Auflösung der Szene (weiß/ schwarz) erst, nachdem die Szene/ der Konflikt irgendwie bereits entschieden war. Der schrumpfende Würfelpool als Anzeiger dafür, wie lange die Geschichte noch geht, funktionierte für uns bei Fiasco besser als die (mehr oder weniger analogen) Franchisewürfel bei Inspectres.
Die Tilt-Würfel warfen wir zweimal, weil das erste Ergebnis uns zu sehr einschränkte und nicht gefiel. Die Aftermath-Würfel passten für Jonathan nicht so recht, der ja gestorben war – der Spieler hatte ein recht hohes Ergebnis.
Mir gefällt, wie die Beziehungen und Details die Ausgangssituation und damit alle Szenen strukturieren. Durch das dramaturgische Korsett konnte ich mich stärker als Zuschauer fühlen als sonst. Wir haben einige wirklich schöne Dialoge hinbekommen und – offtime – sogar einbauen können: Wieso liegt denn hier Stroh rum? - Das ist eine Ranch!
Interessant finde ich, dass offenbar viele Runden (zumindest nach den Spielberichten hier zu urteilen) deutlich länger als zwei, zweieinhalb Stunden spielen. Zu dritt hat man eigentlich nur 12 Szenen. Ich möchte meinen, dass keine unserer Szenen zehn Minuten gedauert hat, wir hätten also klar unter 120 Minuten kommen dürfen (Setup natürlich nicht eingerechnet). Wo die Zeit hin ist, kann ich nicht genau sagen. Das Setup (und die Pizza
) hat uns sicherlich Zeit gekostet, aber soviel?