Beitrag Nr. 2 - LektionenBei mir war viel los, daher mit ein wenig Verspätung der nächste Abschnitt. Wie angekündigt, möchte ich hier über vergangene Fehlschläge erzählen. Doch das soll jetzt kein Tagebuchbericht werden, bei dem ich euch mit meinen vorherigen Versuchen langweile. Vielmehr möchte ich euch von den Lektionen berichten, die ich gelernt habe, diese mit einem Beispiel versehen und abschließend ein Ziel oder eine Richtlinie formulieren, an die ich mich halten möchte. Wenn möglich übergebe ich euch dabei die Aufgabe des Weight Watchers. D.h. Wann immer ihr der Meinung seid, dass ich wieder in alte Gewohnheiten abrutsche und mich nicht an meine Vorgabe halte, ganz laut schreien!
Ich verzichte aber auf die ebenfalls angekündigte nähere Erläuterung einiger Spielelemente aus der PC Version. Ich denke, das würde zu sehr ablenken und wäre nicht zielführend. Ich behandle den Stoff lieber, wenn es notwendig ist.
Lektion Nr. 1 – Fünf Stunden später...Bei meinem ersten Versuch Evil Genius vom PC auf ein handliches Brett, zusammenfaltbar, in max. Tischgröße in Farbe und bunt zu transferieren schlug fehl, weil ich eine simple Lektion nicht bedacht hatte. Generell werden die Lektionen euch simpel, vorhersehbar und „das muss doch klar sein“ vorkommen, aber so einfach ist es dann doch manchmal nicht. Gelegentlich wirft man sich voller Enthusiasmus in ein Projekt und denkt nicht darüber nach, was man gerade fabriziert, vor allem wenn man einen Ideenfluß hat, wie selten zuvor.
Ich hatte also versucht 1:1 das Computerspiel zu übersetzen. Nun, vielleicht 1 zu 0,8, da mir doch bewusst war, dass nicht alles möglich sein wird (bspw. 100 Untergebene pro Spieler). Ich hatte ein fast fertiges Regelheft, in dem 80% des PC-Spiels zu finden waren. Das konnte einfach nicht gut gehen.
Als Beispiel für diese Lektion nutze ich HEAT. Wie schon angemerkt sorgt HEAT am PC dafür, dass die Geheimdienste ihre Bemühungen verstärken das böse Genie zu Fall zu bringen. Schlägt man sich bei null HEAT noch mit simplen Agenten um, die ein Fünfjähriger mit seinem Matchboxauto verprügeln könnte, bekommt man es bei höheren Werten mit Einsatzkommandos oder Saboteuren zu tun, die bei Unachtsamkeit des Spielers einem schnell einiges in Schutt und Asche legen und eine ganze Menge Untergebene ins virtuelle Jenseits befördern.
HEAT sammelt man hauptsächlich auf 2 Arten:
- Man entsendet Untergebene in die Welt. Je mehr Untergebene desto mehr HEAT. Und jede Sorte Untergebene generiert andere Mengen an HEAT pro Kopf.
- Man begeht ein Attentat. Dabei ist es unerheblich, ob das Attentat gelingt oder nicht.
HEAT baut sich auf vielerlei Arten ab. Bspw. durch Touristen auf der Insel oder Agenten, die unverrichteter Dinge wieder abreisen. (Btw: Dies gehört zu den 20%.) Aber auch, wenn man einfach die Füße still hält und eine Zeit lang gar nichts macht. Zudem muss noch erwähnt werden, dass man für jeden der fünf Geheimdienste einen separaten HEAT-Wert ansammelt.
Meine Umsetzung machte genau das. Jede Sorte Untergeben, die ich eingeplant hatte, erzeugte unterschiedliche HEAT-Werte, sobald man sie auf der Weltkarte platzierte. Die Kategorie Soziale Minions hatten zudem noch die Fähigkeit diesen Wert zu senken , sowohl was das Platzieren und die Attentate betraf. Es sollte fünf Leisten am Rand des Spielfeldes geben, eine für jeden Geheimdienst, auf dem die Spieler ihre Werte festhalten können. Da ich nie Einblick in die Mechanik des „Bälle flach halten“ bekam, entschied ich, dass ein W10 darüber bestimmen würde, um wie viele Punkte HEAT pro Runde Runde sinken würde. Zu Beginn seiner Runde würde der Spieler also fünf Mal den W10 fallen lassen und die Leisten anpassen.
Das Problem ist ersichtlich: Ständiges Nachrechnen und Korrigieren der Werte. Das war kein Evil Genius, das war Buchführung für Anfänger – nichts was (uns) DSA-Spieler abschrecken würde, aber für ein Brettspiel mit dem ich mein Publikum fesseln wollte denkbar ungeeignet. Die Ausmaße des Problems werden vielleicht klar, wenn ich noch erwähne, dass HEAT nicht mal der schlimmste Fall war. Über die Art und Weise, wie ich die Attentate umgesetzt hatte, hülle ich aus Selbstschutz den Mantel des Schweigens.
Gelernte Lektion: Ohne Abstraktion geht es nicht.
Ziel/Richtlinie: Ein Brettspiel entwickeln, das den Geist von Evil Genius – PC einfängt ohne Evil Genius – Das PC-Spiel zu sein. Wenn dabei Abstriche gemacht werden müssen, die das Spiel verändern, geht das völlig in Ordnung.
Lektion Nr. 2 – Ich geh dann mal 10 Zigaretten rauchenIn Lektion 2 geht es um Interaktion. Das war weniger ein Fehler, den ich in den vorangegangenen Inkarnationen des Spiels gemacht habe, sondern ein Hindernis, das ich bisher kaum überwunden habe. Meiner Ansicht nach sind die wirklich fesselnden Spiele jene, in denen man immer gefordert ist dabei zu sein und mit zu mischen und nicht nach Ende seines Zuges gemütlich einen Tee kochen kann, während die restlichen Spieler erst einmal an der Reihe sind. Selbst das klassische Monopoly hat so einen Mechanismus, wenn der Kauf einer Straße abgelehnt wird und es zur Versteigerung kommt, an der alle Spieler teilnehmen können. Es mag Spieler geben, die das anders sehen und solche Auszeiten vom Spielgeschehen mögen, um in der Zwischenzeit ihren nächsten Zug in Ruhe planen zu können. Ich gehöre nicht dazu und da liegt es recht nah, dass ich auch kein Spiel dieser Art designen möchte.
Im Gegensatz zu meinen anderen Projekten (die eines Tages hier vielleicht auch mal auftauchen werden) stellt mich Evil Genius aber vor das Problem, dass es im eigentlichen Sinne ein Solospiel ist. Im Eingangsthread schon angemerkt, bedaure ich das Fehlen eines Multiplayer-Modus und so fehlt mir jeglicher Anhaltspunkt, wie man denn Evil Genius interaktiver gestalten könnte. An
statt daher ein Beispiel zu bringen, wie man es nicht macht, zeig ich hier kurz, was ich in Version 1.0 und 2.0 erdacht hatte.
- Die Evil Genius-Karten
Ich wollte Karten im Spiel haben, mit denen die Spieler sich gegenseitig das Leben schwer machen können. -
Ja, da steht nichts, denn ich hatte nichts. Und zu den Karten kann ich auch nicht viel sagen, denn zu deren Entwicklung bin ich nie vorgestoßen. Traurig!
Ich kündige jetzt schon an, dass ich bereits eine Idee für Version 3.0 habe, die vieles besser machen wird und in der Art auch einem Vorschlag hier von euch gleicht. Dennoch möchte ich folgendes festhalten:
Gelernte Lektion: Interaktion belebt das Spielgeschehen.
Ziel/Richtlinie: Evil Genius soll interaktive Elemente beinhalten, damit die Spieler sich nicht langweilen. Größere Zeiten der Downtime sind zu vermeiden.
Lektion Nr.3: Wo bitte geht es hier zum Bahnhof?Den Punkt halte ich kurz: Man soll das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Es passiert sehr schnell, dass man sich mitreißen lässt und Element um Element ins Spiel einfügt, ohne groß darüber nachzudenken, ob es denn sinnvoll und überhaupt nützlich ist. Darum habe ich mich auch dazu entschieden, dass ich mit der WUMME hier anfangen möchte. Es bringt einfach nichts über Untergebene, HEAT, Attentate und Geheimagenten zu reden, wenn ich noch nichtmal weiß, wie man die WUMME bauen soll, denn im Endeffekt sollte jedes Spielelement dazu beitragen dieses Ziel zu erreichen oder die Gegenspieler davon abzuhalten. Macht es das nicht, dann ist es einfach unnötig, nimmt Zeit und Aufmerksamkeit der Spieler in Anspruch.
Hier wird es kein großes Beispiel geben, sondern nur eine kleine Auflistung: Ich hab mich also hingesetzt und Regeln geschrieben für Attentate, wie man Geld bekommt, welche Untergebenen man hat und was diese können, wie Basisbau funktioniert, was es mit Fallen auf sich hat und wie die Geheimdienste vorgehen und so weiter. Und dann hab ich mich hingesetzt und habe überlegt, wie man denn eine WUMME konstruiert, was dafür notwendig sein könnte und wie ich das einfügen möchte, worauf ich schnell gemerkt habe: es passt nicht. Die Bauanleitung zur WUMME hat sich nicht ins Gesamtbild des Spiels eingefügt, es fühlte sich teilweise wie ein Fremdkörper an. Betrachtet man die Tatsache, dass sich das Spiel eigentlich nur um dieses Endziel dreht, war das mehr als nur ein Fauxpas.
Und das ist der Grund warum ich mit der WUMME auch anfangen möchte. Zumindest schon mal in Teilen, denn einige Details werden wir erst besprechen können, wenn wir andere Punkte abgehakt haben. Es macht einfach keinen Sinn mit etwas anderem als der WUMME anzufangen. Ihr Regelkonstrukt soll kein Fremdkörper sein, sondern der Klebstoff der alles zusammen hält.
Gelernte Lektion: Das Ziel niemals aus den Augen verlieren
Ziel/Richtlinie: Sich immer auf das Wesentliche konzentrieren und nicht unnötig ablenken lassen.
Lektion Nr.4: Neu bedeutet nicht immer gutIn Version 2 meines Spieles bin ich mit zwei neuen Konzepten an die Entwicklungen gegangen, die jeweils Lektion 4 und Lektion 5 ausmachen. Eigentlich kann man beide Punkte unter Lektion Nr. 3 einordnen, mir erscheinen sie aber wichtig genug, um sie gesondert aufzuzählen.
Das erste Konzept war Folge der Lektion Nr.1. Da es mir nicht möglich war das Spiel 1 zu 1 umzusetzen, wollte ich zumindest dessen Essenz einfangen, indem ich grob die Story mit eingebaut habe. Ich hab mich hingesetzt und die 10 Phasen des Computerspiels in 4 Phasen auf dem Spielplan vereint. Zudem habe ich Spielinhalte auf neue Weise interpretiert und so neue Inhalte geschaffen.
Als Beispiel möchte ich euch „Einfluss“ vorstellen.
Einfluss gibt es nur sehr, sehr indirekt am PC. Ziemlich zu Anfang des Spiels versammelt das böse Genie die 6 mächtigsten Bosse der Unterwelt, um sie in seinen Plan einzuweihen und auf seine Seite zu ziehen. Dies hat für den Rest des Spiels keinerlei Auswirkungen mit Ausnahme des Fluffs. Und den wollte ich auch. Ich wollte repräsentieren, dass der Spieler ziemlich bei Null anfängt und die Maschinerie des Bösen erst Stück für Stück aufbaut – Auftritt: Einfluss. Dies sollte als weitere Ressource im Spiel Verwendung finden. Der Spieler sollte die Möglichkeit haben sich mit den Verbrechorganisationen einzulassen und auf diese Weise Einflusspunkte zu verdienen, die er dann gezielt hätte einsetzen können, um sich Vorteile zu verschaffen. Wenn er bspw. wusste, dass er im Laufe des Spiels noch nach Südamerika soll, weil es nur dort das seltene Mineral zu finden gibt, das er für seine WUMME benötigt, dann kann er im Voraus dort Einflusspunkte einsetzen, um sich eben jene Mission zu vereinfachen, aber auch generell die Aktionen der Geheimdienste in dieser Region gegen sich erschweren.
Obwohl ich die Idee immer noch mag, ist mir doch eines klar geworden: Ich habe das Ziel des Spiels aus den Augen verloren und ein überflüssiges Element hinzugefügt. Obwohl man Mittels Einfluss indirekt sich dem Ziel leichter nähern könnte, trägt er doch sonst nicht weiteres zum Spiel bei – außer Fluff. Dieser mag schon wichtig sein, denn meiner Meinung nach sollte jedes gute Spiel auch eine Geschichte erzählen, aber Fluff um des Fluffes Willen ist kein geeignetes Mittel. Besser man beschränkt sich auf die Teile, die man wirklich braucht und ich bin mir sicher, dass sich auch so eine gute Geschichte erzählen lässt.
Gelernte Lektion: Vollkommen neue Spielelemente, abweichend vom PC-Spiel sind durchaus erwünscht, müssen aber auch wirklich etwas handfestes zum Spielgeschehen beitragen.
Ziel/Richtlinie: wenn ein neues Spielelement aufkommt, soll es auf Herz und Nieren geprüft werden, ob es denn tatsächlich notwendig ist.
Lektion 5: Und täglich grüßt das MurmeltierKeine Sorge, dies ist die letzte Lektion. Das zweite Konzept, das neu in Evil Genius 2.0 Einzug hielt, was dass der Individualisierung zwecks Wiederspielbarkeit. Ich wollte, dass der Spieler sich auch nach der fünften Partie vor neue Aufgaben gestellt sieht, neue Optionen in Betracht zieht, neue Wege beschreitet. Es wäre ziemlich langweilig, wenn ein Spiel dem anderen gleichen würde, wenn es keine Unterschiede gäbe. Warum sollte man das Spiel wieder aus dem Regal holen? Ich sag es gleich: Dieses Konzept ist für mich zu einem Muss geworden. Die gelernte Lektion ist also nicht, dass Wiederspielbarkeit ein schlechtes Konzept wäre, sondern dass ich es schlichtweg übertrieben hatte (das Ziel aus den Augen verlor).
Auch hierfür werde ich kein einzelnes Beispiel bringen, sondern eine kleine Liste, was mir so alles einfiel und was ich in Evil Genius haben wollte.
Fünf Bösewichter mit jeweils unterschiedlichen Spezialfähigkeiten, mehrere Gefolgsleute mit ebenfalls Spezialfähigkeiten, fünf verschiedenen geheime Stützpunkte mit unterschiedlichen Boni, unterschiedliche WUMMEn mit unterschiedlichen Konstruktionsschritten und unterschiedlichen Voraussetzungen.
Diese Punkte alleine sollten dafür sorgen, dass sich für den Spieler bei jeder Partie eine völlig andere Kombination ergibt. Böses Genie A mit Gefolgsmänner F und G in der Geheimbasis Y möchte WUMME P bauen. Dazu muss er die Schritte A1, C3 und D5 erledigen und Z Punkte an Material O sowie X ansammeln.
Mal ganz davon ab, dass dies ein Monster à la Starcraft in Sachen Balancing geworden wäre (und wir wissen wie lange Blizzard getestet und getestet hat, bis es zufriedenstellend war), kommt noch folgendes Problem hinzu: Das waren längst noch nicht alle Boni und Spezialfähigkeiten, die angedacht waren:
Gewisse Räume der Basis sollten Effekt X haben, unterschiedlcihe Untergebene unterschiedliche Funktionen übernehmen, die oben angesprochenen Effekte des Einfluss, und so weiter.
Kurz: Die Liste an Sonderfertigkeiten und Boni, die ein Spieler während des gesamten Spiels im Kopf behalten musste gleicht der Liste an Vor- und Nachteilen eine das 4.1 Magiers. Während man bei das den Vorteil hat, das man irgendwann mal alle diese Punkte auswendig kennt, hängt der Brettspieler natürlich in der Luft, denn bei der nächsten Partie sind es wieder vollkommen andere Punkte. Das soll nicht heißen, dass dies nicht schaffbar wäre, aber ich denke die Einstiegshürde wäre zu groß. Man stelle sich vor, man drückt einem Rollenspielanfänger einen das DSA4 Magier in die Hand und erwartert, dass er innerhalb weniger Minuten, dessen Vor- und Nachteile, sowie die SF beherrscht.
Dennoch möchte ich diese Form der Wiederspielbarkeit durch Individualisierung beibehalten. Daher ergibt sich folgende Konsequenz:
Gelernte Lektion: Zuviel Sonderregeln und Boni hier und Bonus dort verkomplizieren das Spiel unnötig.
Ziel/Richtlinie: Solche Punkte wird es wieder geben, aber es muss abgewogen werden, wo die Grenze zu ziehen ist.
So, das war er, der Mammutbeitrag Nummer 2. Ich hoffe, ich habe euch nicht all zu sehr gelangweilt, ehrlich gesagt hoffe ich, dass es wenigstens einen im Forum gibt, der bis zum Schluss durchgehalten hat, aber wenn schon nicht für euch, war der Beitrag dann doch für mich sehr wichtig. Einfach als roter Faden an den ich mich während der kommenden Wochen orientieren möchte. Daher wiederhole ich noch einmal meine Bitte: Solltet ihr bemerken, dass ich vom Kurs abweiche, habt ihr hiermit meine Erlaubnis mir kräftig in den virtuellen Hintern zu treten.