Es ist nun mal so, dass in der Regel jeder Spieler an anderen Dingen Spaß hat. Manche kämpfen gern, andere spielen gern Intrigen und wieder andere stehen auf Buchhaltung und Organisation. Einer will Indiana Jones sein, ein anderer Prinz Eisenherz und eine dritte Pippi Langstrumpf mit magischen Fähigkeiten. Dementsprechend hat jeder Spieler sein Konzept.
Exakt!
Und
genau aus diesem Grund ist es so wichtig, finde ich, vorher ein Gruppenkonzept zu erstellen. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass nur in einer Gruppe mit Gruppenkonzept die Wünsche aller Spieler gleichermaßen berücksichtigt werden können. Warum? Einfach weil jeder Spieler von vornherein sichergehen kann, dass das Konzept, was er spielen will auch so von ihm gespielt werden
kann wie er das gern hätte. Ich meine: Wie oft haben wir den Fall, dass die Hexe in der Taverne beim ersten Treffen gleich mal vom Bannstrahler mit der Armbrust über den Haufen geballert wird? Na gut, überspitztes Beispiel, gebe ich zu, aber das ist nur eine der vielen Möglichkeiten, die da auftreten können. Oder was es mit dem Fall, wo der Spielleiter eine Kampagne im Bornland plant und sich alle, unabhängig voneinander, Moha-Schamanen schreiben?
Weiterhin kann durch Gruppenkonzepte auch ein gewisser Nischenschutz gewährleistet und das Zusammenspiel der Spieler verbessert werden: So so kann zum Beispiel ein Spieler bei der gemeinsamen Gruppencharaktererschaffung mit Konzept "Alle haben einen geliebten Menschen an einen Dämonenpaktierer verloren" gleich sichergehen, dass er in der Gruppe die Nische des kriegerischen Dämonenbekämpfers ausfüllt, während ein anderer Spieler das Wissen um Dämonen und okkulte Phänomene auf seinen Charakter vereinen kann. Ein Dritter könnte dann direkt ankündigen, dass sein Charakter in einem Pakt mit einem Dämon steht und so entsprechende Nachteile im Spiel auftreten können – dann beschwert sich auch keiner darüber, dass dieser Charakter manchmal ein Tier opfern muss, damit der Dämon ihn nicht holen kommt. Nicht das beste Beispiel, zugegeben...
Aber: Wenn alle im Spiel über Genrekonventionen bzw. Gruppenkonzepte informiert sind und sich auch darüber informieren, was ihre Mitspieler spielen wollen, können sie Ihre Mitspieler von Anfang an gezielt darin unterstützen, dass ihnen das Spiel auch Spaß macht. Wenn zum Beispiel ein Spieler unglaublich auf Intrigenspiel steht und die anderen Spieler das von vornherein wissen, können sie in ihrer eigenen Charaktere Dinge einbauen, die zu Intrigenspiel führen. Andererseits kann ich, wenn ich bemerke das zwei Spieler unglaublich auf Dungeoncrawling abfahren meinen Charakter entsprechend so bauen, dass er nicht beim erstbesten Encounter draufgeht, was den Spielinteressen meiner Mitspieler kaum förderlich sein dürfte.
Rollenspiel ist keine Solotour. Ich sollte eben
nicht die Einstellung haben, dass ich spiele, woran
ich Spaß habe, sondern, dass ich spiele, woran
alle am Tisch Spaß haben. Und da gehört das Gruppenkonzept einfach mit dazu.
Und was das Erzählen einer interessanten Geschichte angeht: Die interessantesten Geschichten in Filmen, Theater, Computerspielen, Literatur, Comic und Storytelling zeichnen sich meiner Meinung nach dadurch aus, dass sie entweder
ein klares Konzept bzw. ein übergreifendes, verbindendes Moment haben oder
gezielt Konventionen durchbrechen und verdrehen. Im ersten Falle könnte das durch ein Gruppenkonzept bereits gewährleistet werden. Im zweiten Falle vermeidet ein Gruppenkonzept oder Genrekonzept als Absprache im Vorfeld böse Überraschungen: Wenn ich mich bei der Charaktererschaffung als Spieler auf Mantel-und-Degen einstelle, aber dann plötzlich fieses, mieses Splatter-Horrorflair um die Ohren gehauen bekomme, dann bin ich frustriert. Wenn der SL von vornherein sagt: "Bitte, baut euch Charaktere, die in das und das Genre/Schema passen." passiert mir das nicht, weil ich ja weiß worauf ich einlasse.
Und auch die Verknüpfung von Charakteren im Vorfeld führt zu interessanten Ergebnissen am Spieltisch: es gibt sogar Geschichten, die funktionieren
nur, wenn alle Charaktere sich bereits kennen (Stichwort: gemeinsame Vergangenheit).
Und ehrlich: Schon in dem Moment, wo du die Spieler bittest, sich doch zu überlegen, warum ihre Charaktere zusammenarbeiten wollen, erschaffst du schon ein
Gruppenkonzept. Diese Aufforderung vom SL ist doch eigentlich genau das, wenn auch nicht so stark vorstrukturiert.
Ich habe schon so oft erlebt, dass Spieler Egotrips mit ihren Charas gefahren haben und dass jeder neben dem anderen hergespielt hat und niemand sich darum kümmern wollte, warum die SCs nun überhaupt zusammenarbeiten. Und ich hatte andererseits sehr positive Erlebnisse mit Gruppenkonzepten gesammelt... da kamen in der Regel Gruppen raus, die wirklich gerockt haben. Und ich sehe das auch nicht als kreative Einschränkung, sondern als Notwendigkeit, damit überhaupt etwas wie kooperative Kreativität aller Mitspieler sich richtig entfalten kann.