Wenn du dich um die Designziele nicht scherst, dann ist es tatsächlich egal.
Aber WENN du dich um die Designziele scherst, dann macht das einen Großteil des Spiels!
Und die meisten Leute scheren sich, unterbewusst, und ohne sich dazu entschieden zu haben, bereits dann um die Designziele, wenn sie den Klappentext gelesen haben. Denn, genauso wie der Inhalt des Buches, hat der Text einen bestimmten Geschmack, der auf "Spielstil", "Spielstimmung" etc. schließen lässt.
Und sobald man das mal getan hat, unterbeusst wie gesagt, hat man an das Spiel eine bestimmte ERWARTUNGSHALTUNG.
Das witzige an unserer Spezies mit ihrer Erwartungshaltung ist, dass sie unsere Wahrnehmung und besonders unser Empfinden sehr stark beeinflussen kann.
Warum also ist das wichtig?
Weil der Autor es gar nicht verhindern kann, dass wir eine bestimmte Erwartung an das Spiel formen. Wenn man ein "gut" geschriebenes Buch (also eines, das sich "gut" lesen lässt) liest, wird man feststellen, dass es da sehr viele Implikationen gibt, die einen im Bewusstsein oder im Unterbewusstsein beeinflussen (Ist das nicht der Fall, dann hat man ein Sachbuch in der Hand).
Aha.
Nun, wenn also der Inhalt des Buches diejenigen Erwartungen Impliziert, die das Spiel tatsächlich erfüllen kann, dann ist soweit mal alles in Ordnung.
Aber was man eben zuerst liest, ist (zumindest ich mach das so) der Klappentext. Und wenn einer nun in den Klappentext irgendwas reinschreibt, was garnicht dem Spiel innen entspricht, dann entsteht eine Diskrepanz zwischen meiner Erwartung und dem Spiel (ausser man ist ein glücklicher offener Supertyp, aber das bin ich nicht).
Soso.
Warum ist das schlecht?
Weil ich dann von einem Spiel enttäuscht werden könnte, das an sich eigentlich toll ist. Das ist kein Fehler im Spiel.
Aber was hat das alles mit dem Designziel zu tun?
Der Autor hat ja eine bestimmte Vision, wenn er sich an etwas ransetzt. Was er tun möchte, ist, diese Vision Realität (im weitesten Sinne des Wortes) werden zu lassen. Also hat er es nach bestem Bemühen gemacht, alles mehrmals überdacht, und hat nun sein Fertiges Schriftstück in den Händen. Jetzt muss er es irgendwie bewerben. Was macht er? Er nimmt seine Designziele und wandelt sie in Features um (wenn er sein Handwerk beherrscht, dann hat er das zuvor ja bereits getan als er das Buch geschrieben hat), z.B. FFF.
Die kommen auf den Buchrücken, wo sie jeder sofort sehen kann => Erwartungshaltung.
Was also nun wenn der GAU passiert, ich hab das Buch angeschaut, Klappentext, es gekauft und daheim fertiggelesen, schnapp mir ein paar Freunde, fange zu Spielen an (zu diesem Zeitpunkt habe ich meine Erwartungen an das Spiel immernoch im Kopf) und BAM! Große Enttäuschung! Meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Ich merke mir die Produktreihe, vielleicht sogar den Autor, und schon hat jemand einen Zahlenden Kunden verloren und der Kunde hat das unschöne Gefühl, Zeit verschwendet zu haben (ausser er ist ein glücklicher offener Supityp).
Was also hätte der Autor anders machen können?
1. Dafür sorgen, dass das was aufm Umschlag steht auch drinnen im Buch stattfindet, oder
2. Dafür sorgen, dass das was im Buch steht auch aufn Umschlag kommt.
Was macht nun die Zweite Option untauglich?
Dafür gibt es eine einfache Antwort: Sie ist Schwieriger durchzuführen! Denn auch der Autor hat ja an sein Spiel eine bestimmte Erwartung. Und die gibt er auch nicht so ohneweiteres auf. Abgesehen davon ist es garnicht so leicht, die Stärken eines Spiels auszuloten.
Hm.
Aber was ist denn eigentlich "Gut" und was "Schlecht"?
Na, Geschmack kann es wohl kaum sein, denn das wäre ja doch zu subjektiv für zwei so große bedeutungsvolle wenngleich kurze wörter.
Und manche Systeme sind vielleicht gerade am Anfang nicht besonders toll, aber es Relativiert sich später dann, weil der Spaß beim Spielen aus dem SPIELEN kommt, und das ja nur bedingt mit dem Rgelsystem zu tun hat. Auch DSA4 kann Spaß machen, wenn man mit den Richtigen Leuten(TM) spielt.
Es ist eher so, dass uns ansonsten einfach die Kriterien fehlen, um überhaupt festzustellen, ob ein Spiel "gut" oder "schlecht" ist (Das persönliche Empfinden mal außen vor gelassen).
Man könnte sagen, wir (damit meine ich Leute wie mich, die meinen, ein Spiel ist dann gut, wenn es die selbstgesteckten Ziele erreicht) denken hier ganz deontologisch, während du, killedcat, eher teleologisch an die Sache herangehst.
Keine dieser beiden Herangehensweisen ist falsch oder überlegen. Die eine ist nüchterner, die andere ist persönlicher.
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tl;dr: Wir versuchen, nicht zu sagen "dieses Spiel ist gut weil es mir gefällt" sondern "Dieses Spiel ist gut weil es bestimmte Kriterien erfüllt." Damit können wir zuerstmal mehr anfangen.
Bei diir ist das halt genau anders herum (und da ist nichts falsch dran).