Ich persönlich war von Nameless Streets maßgeblich unbeeindruckt. Der Klappentext klang gut und ein Urban-Fantasy Detektivspiel mit Heroquest 2 stellte ich mir wirklich gut vor. Leider konnte mich das Produkt dann nicht überzeugen, aber in keinster Weise.
Zum Kern des Problems:
Das ganze ist ein Heft mit 88 Seiten abzüglich Artwork. Bei klassisch zweispaltigem Satz wurden am äußeren Rand der Seite mehrere Zentimeter Rand gelassen, um dort ab und an Randbemerkungen einzufügen, die mMn auch einfach im Fließtext hätten untergebracht werden können. Alles in allem kommt man auf vielleicht 70 Seiten Text, was nicht allzuviel ist, um ein komplettes Setting mit Regeln zu präsentieren.
Nach einer Einführung werden auf sieben Seiten Charaktererschaffung und Regelmodifikationen dargestellt. Problematisch dabei ist, das die Keywords für verschiedene Charaktere erst mehrere Kapitel später auftauchen. Das ganze Kapitel wirkt hastig aufgeschrieben und wenig durchdacht, ein Eindruck, der sich durch gesamte Heft zieht.
Danach kommt das Kapitel, in dem man das gemeinsame Detektivbüro der Charaktere zusammenzimmert. Hierbei werden die Community-Regeln aus dem Heroquest 2 Regelwerk, die für die Verwaltung und Entwickung größerer Gemeinschaften gedacht sind, auf eine einzelne Detektei übertragen, und damit fängt das PRoblem auch schon an: Wenn ich in einem Low-Fantasy-Setting den Viehbestand meines Dorfes oder dessen Verteidigunsbereitschaft abstrakt erfasse und mit anderen Dörfern vergleichen kann, dann ist das schön und gut, aber hier wird z.B. die Größe des Büros oder der Mitarbeiterstab als abstrakte Resource verwaltet, ohne das diese Werte in irgendeiner Weise wichtig fürs Spiel würden. Dann gibt es Werte für die Güteklasse des Rechtsvertreters der Detektei oder ihre Geheimhaltung, die evtl. eher eine Rolle spielen könnten, aber letzenendes hat man ein Konzept für abstrakte, großangelegte Resourcenverwaltung auf eine kleinere Ebene hinuntergebrochen, und ich finde, das das nicht gut funktioniert, sogar überflüssig ist.
Danach folgt ein Kapitel über das Noir-Genre an sich und Keywords für Noir-Charaktere (ganze vier!). Die Ausführungen über das Genre sind kurz und uninspirierend, nichts was nicht anderswo schon stimmungshafter dargestellt worden wäre.
Dann das Kapitel über Magie. Der abolute Tiefpunkt wird hier erreicht. Fünf magische Traditionen (Faith, Necromancy, Sorcery, Witchcraft, Wizardry) werden jeweils auf maximal zwei Spalten ´beschrieben´, damit hat es sich. Dann wird noch so etwas gesagt wie : Zaubersprüche oder so für die einzelnen Traditionen können als eigene Fertigkeiten gesteigert werden, oder auch nicht oder sonstwie, am besten denkt sich jeder Spielleiter was eigenes aus, wie er Magie umsetzen will! Keine Spur der liebevoll und detailliert ausgearbeiteten Magie wie z.B. in der Glorantha-Version von Heroquest 2. Setzen, sechs.
Dann folgen endlich die angekündigten paranormalen Charaktere, die Detektiv spielen sollen. Tatsächlich sind in einer ganzen Anzahl magischer Wesen samt Keywords der ein oder andere interessante Ansatz drin (radikalfeministische Lamia und gegen ihr Aussterben ankämpfende Ghule, Flüchtlinge aus der Hölle und schlechtgelaunte Oni). Die Keywords kommen mir allerdings manchmal etwas willkürlich gewählt vor. Insgesamt das beste Kapitel.
Der gute Eindruck wird durch das folgende Kapitel über den Aufbau eines Mysteriums und eines Detektivabenteuers wieder zunichte gemacht. Die Ausführungen sind wieder einmal knapp, furchtbar allgemein gehalten und in jedem Cthulhu-Regelwerk jedes Cthulhu-Systems das ich kenne besser dargestellt. Das langweilige Beispielszenario reißt es nicht raus.
Das Drama nimmt sein Ende mit einer erstaunlich langweiligen und uninspirierenden Beschreibung von Portland als Setting. So wenig Anregungen habe ich bisher aus kaum einer Settingdarstellung gewinnen können.
Das ganze Ding ist langweilig und lieblos, es wurde mMn kaum Arbeit investiert und es kommt überhaupt keine Stimmung beim Lesen auf. Wäre es nicht wenigstens preisgünstig, hätte ich mich noch mehr geärgert, das ich es gekauft habe.
Mein Fazit:
Rausgeschmissenes Geld
Edit: Rechtschreibung, und es sind fünf Traditionen, nicht vier.