Welches Rollenspiel macht das? In welchem Fantasyrollenspiel hat sich bisher jemand Gedanken über den Geldkreislauf bzw. das Wirtschaftssystem gemacht?
Ich sagte, es
wäre schön. Das ist Konjunktiv. Und das impliziert, dass dies momentan nicht unbedingt so gehandhabt wird. (Gurps als die lobende Ausnahme hast du ja schon genannt.)
Der Punkt ist aber, dass die Autoren das nicht leisten, weil sie es nicht können. Wie ein funktionierendes Wirtschaftssystem (was wir ja nichtmal in der echten Welt haben) in einer völlig unbekannten Welt mit anderen technologischen Voraussetzungen (Magie ist keine Wissenschaft, produziert aber trotzdem "technische" Geräte) aussehen könnte, ist überhaupt nicht vorstellbar.
Seltsam, die Gurps-Autoren schaffen das.
Und Romanautoren im Gegensatz zu RPG-Autoren schaffen das auch. (Hier sei zum Beispiel "Der Hexer" von Andrzej Sapkowski genannt.)
Sicherlich würde es nicht so laufen, wie in FAntasy-Rollenspielen üblich, dass Abenteurer gewaltige Summen finden. Natürlich könnte man auf sowas verzichten, aber das passt nicht zur (high) Fantasy. Dahinter steckt der Gedanke, dass das Genre Fantasy eben solche Schatzfunde und Drachenhorte kennt, und dies in die Spielwelt übertragen werden muss.
Wieso sollte es in einer konsistenten High Fantasy Welt keine Drachenhorte geben? Klar können auch in einer konsistenten Fantasy-Welt Drachen ihre Schätze horten.
Aber es ist in einer konsistenten Fantasywelt zum Beispiel so, dass ein gewöhnlicher Bär zum Beispiel keine Rüstung "dropt", sobald er besiegt wurde.
So, haben sie nicht? Haben sie keine Klientel aus Abhängigen, für deren Sicherheit sie zuständig sind? Schließen sie keine geschäfte mit Zwischenhändlern ab? Denken sie völlig unökonomisch, dass ein gildenbezahlter Magier zur Aufklärung sie günstiger käme als die vielen Verluste, die sie durch Kleinkriminalität erleiden?
Schau dir doch nur das reale Mittelalter an:
Man ist für die Sicherheit des Klientels nur dergestalt verantwortlich, dass die Stadt kein rechtsfreier Raum ist. Und man fuhr tatsächlich billiger damit, keinen anzustellen, der die Verbrechen aufklärt.
Und ich denke, aus Sicht eines Patriziers ist es auch billiger, die Verluste durch Kleinkriminalität zuzulassen, als einen Magier anzuheuern, der die ganzen Fälle löst.
Und was ist mit den politischen Herrschern? Wollen die keine funktionierende Regierung? (Siehe die Räte unten.)
Wirf doch bitte auch hier einen Blick in das reale Mittelalter: Das, was wir uns heutzutage unter einer "funktionierenden Regierung" vorstellen, hat nur wenig gemein mit dem, was man sich damals unter einer "funktionierenden Regierung" vorgestellt hat.
Exakt unter der Prämisse kann man spielen. Natürlich gibt es in unserer Welt Länder, die so "funktionieren". Was du beschreibst ist im Grunde ein Dauerbürgerkrieg oder eine von Verbrecherbanden kontrollierte Welt. In diese Welt passen keine Paladine oder Rechtschaffen Gute (oder Rechtschaffen neutrale) Götter.
Schau dir das Mittelalter an: Dort gab es auch Kreuzritter, Templer etc.
Rechtschaffen gute Götter kann man ähnlich postulieren wie den christlichen Gott. Sprich, die Götter geben einen Teil ihrer Macht an ihre Priester weiter, greifen selber aber nicht persönlich ein.
Genau. Ihre Funktion im Spiel ist es, die Spieler ab und zu daran zu erinnern, dass ihre Charaktere in einer Stadt sich anders verhalten sollen als im Dungeon, aber das wars. Sie sind auf keinen Fall eine funktionierende, sinnvolle Institution, weil so eine Institution einen Schritt in Richtung staatliches Gewaltmonopol bedeuten würde, und das widerspräche der Prämisse der Spielbarkeit frei herumziehender Söldnertrupps (aka Abenteurern).
Seltsam. Im realen Mittelalter gab es auch Stadtwachen, die keine Polizisten waren. Würdest du diese auch als sinnlose Institution bezeichnen?
Die Lebensmittelversorgung lässt sich mit High Fantasy genauso wie der Gesundheitsschutz gewährleisten. Statt modernem Dünger gibt es eben funktionierende Erntesegen usw.
GIbt es Erntesegen? Mir ist bis auf Aventurien kein Setting bekannt, in der es Erntesegen gäbe. (Und in Aventurien sind die Regionen, in denen Erntesegen eingesetzt werden, auch sehr bevölkerungsreich.)
Die Kriege - naja, wenn es die magische Atombombe wirklich gäbe, wären Kriege seltener, aber wenn, dann endgültiger im Resultat. Wenn man bedenkt, wie häufig Abenteurergruppen die Weltzerstörung verhindern (oder die Verwüstung eines Großreiches, oder den Zerfall einer Baronie usw.), dann sähen korrekte Settings wohl ziemlich leblos aus, vielleicht gäbe es noch ein paar Zombies.
Es gibt nicht die magische Atombombe, die den Staaten zur Verfügung steht. Die einzelnen Staaten verfügen über Feuerbälle etc.
Die magische Atombombe ist meistens ein langes Ritual, das erstmal entdeckt werden muss und das vielleicht eine Handvoll Leute beherrscht. Aber für den Krieg zwischen zwei Nationen spielt diese keine Rolle.
Und wie du schon selber sagtest: Die Abenteurer verhindern regelmäßig die Weltzerstörung. Sollte es den Abenteurern irgendwann mal nicht gelingen, sähe die Welt ganz anders aus. Aber solange es ihnen gelingt, ist doch alles wunderbar.
Ach nein? In welchen vernünftigen Settings, in denen man auch spielen kann? Von Aventurien (nicht, dass ich das für ein gelungenes Setting halte) hört man immer wieder, dass in den Abenteuern die gegenüber den SCs superkompetenten NSCs Artefakte verlieren oder Kriegsgefahren verschlafen usw. Der Jedierat bei Star Wars ist generell eine Lachnummer, und das ist völlig ok für ein Science-Fantasy-Setting.
Also den Jedi-Rat bei Star Wars würde ich nicht als Lachnummer bezeichnen. Vielleicht als zahnlosen Tiger wie die UNO. Aber bestimmt nicht als Lachnummer. Dass Kriegsgefahren verschlafen wurden, kam auch in der irdischen Historie häufig genug vor.
Und wo verlieren die NSCs bitteschön Artefakte? Sie werden ihnen gestohlen. Und dass wichtige Sachen gestohlen werden, kam auch in der Realität häufig genug vor.
Wenn diese Institutionen so funktionieren würden, wie sie sollen, dann gäbe es keine semiprofessionellen Abenteurer, die ständig die Kartoffeln aus dem Feuer holen müssen.
Zwischen: "Eine Institution arbeitet perfekt." und "Eine Institution ist total unfähig." existieren Welten.
Und selbst, falls eine Institution perfekt wäre, müsste es nicht ihre Aufgabe sein, die ganzen Questen zu lösen. Es kann auch durchaus im Sinne einer perfekten Institution sein, Söldner anzuheuern, die die Aufgaben erledigen.
Aber perfekte Institutionen halte ich für genau so unplausibel wie total unfähige Institutionen. Am plausibelsten finde ich Institutionen, die weder perfekt noch unfähig sind sondern sich irgendwo dazwischen befinden. Und genau diese kommen in vielen Settings auch vor.