Der Grundsatz "Man kann nicht nicht erziehen" haut beim Rollenspiel in aller Regel ziemlich gut hin.
Das ist wohlgemerkt in Fachsprech eher Sozialisierung als Erziehung. Erziehung ist demnach absichtsvolles Handeln, Sozialisierung passiert.
Ansonsten ist ein grundsätzliches Problem die Frage, was EP den eigentlich sind. Ihren Namen verdienen sie bei den meisten Spielen nicht: Ein Charakter bekommt sie nicht, wenn dieser Erfahrungen macht oder doch nur sehr eingeschränkt. (Ich glaube bei Arcane Codex kann es 1 EP geben, wenn der Charakter etwas für ihn Neues entdeckt.)
Generell gibt es aber bei verschiedenen Spielen unterschiedliche Maßstäbe um Charakterverbesserungspunkte auszuschütten.
- Als Anwesenheitsbelohnung. Wer kommt kriegt welche.
(z.B. WoD)
- Für das Überleben des Charakters.
(z.B. SR)
- Als in den Regeln verankerte Erfolgsbelohnung: Wenn das Monster besiegt/umgangen/ausgetrickst ist.
(z.B. D&D)
- Als in den Regeln verankerte Erfolgsbelohnung: Wenn man Schätze einsackt
(z.B. ältere D&D-Versionen, Retro-Klone)
- Als vom Spielleiter angewandte Erfolgsbelohnung: Wenn die Missionsziele erreicht sind... - Dazu muss der Spielleiter festlegen, was eigentlich die Mission ist.
(z.B. WoD, D&D4, SR)
- Als Ergebnis spielweltinternen Trainings und im gleichen Zug als Verzicht auf andere Vorteile, die Zeit erfordern.
(z.B. Ars Magica)
- Für charaktergerechtes Rollenspiel.
(z.B. WoD)
- Für das Ausspielen bzw. Akzeptieren vorab definierter Nachteile.
(z.B. nWoD, TSoY)
- Als Belohnung für die Gruppe, wenn sich alle gegenseitig hinreichend ge-Awesome-punktet haben.
(z.B. Old School Hack)
- Ohne Anlass. Es gibt eben XP, damit man den Charakter ausbauen, d.h. gleichsam "verjüngen" kann.
(z.B. Blue Rose)
Hieran sieht man schon einige Dinge. Zunächst gibt es verschiedene Items, die man vielleicht belohnen möchte, etwa gute Darstellung des Charakters, das Überwinden von Herausforderungen usw. Bei den meisten dieser Items ist aber nicht zwigend, dass sich mechanische Belohnung in Charakterverbesserungspunkten äußern muss.
Belohnungen für kreative Darstellung, clvere Einfälle etc. funktionieren viel besser über Gummipunkte (also im Spiel sofort verwendbare Aktivressourcen). Das verhindert ein Auseinanderdriften der Charaktermächtigkeiten und erfüllt ein Kriterium für positive Verstärkung sehr gut: Es passiert sofort und lässt sich daher mental gut mit dem Auslöser verbinden.
Auch sieht man, dass sich einige Items danach unterscheiden, wer da für die Belohnung verantwortlich ist. Beim erschlagenen Monster belohnt sich der Spieler gleichsam selbst bzw. das "System" belohnt ihn. Gleiches Spiel, wenn ein Ars-Magica-Spieler im Sommersemester lieber Lebenszauber üben will, statt ein magisches Schwert zu bauen.
Andere Items sind, wie die Belohnung guter Darstellung, sind zwar davon abhängig, dass ein Teilnehmer sie gemäß seiner persönlichen Vorlieben vergibt, aber das muss z.B. nicht der Spielleiter sein. Andere Teilnehmer haben hoffentlich auch ein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden, das sich mindestens genauso gut benutzen lässt. (Da kommt man dann - zusammen mit den Gummipunkten statt XP - zu Fanpost)
Die missionsbasierte Belohnung lässt sich zwangsläufig nur vom Missionsgeber leisten. Ein solcher Fraggle heißt typischer Weise SL. Hier scheint es mir, dass die Ablehnung weniger mit einem Erziehungsunwillen zusammenhängt, sondern dass die Tätigkeit in gewisser Weise als sinnlos wahrgenommen wird.
Hier von Belohnung zu sprechen, wird nämlich erst sinnvoll, wenn es verschiedene Ausgänge gibt. Ein einzelnes, abgeschlossenes Abenteuer, dass auf ziemlich festen Wegen zu einem Showdown führt, der dann entweder gewonnen oder verloren wird, ist mit dem XP für Monster erschlagen viel besser bediehnt oder man geht gleich zum letzten Item über ("Wir leveln auf, wenn wir Bock drauf haben.").
Die missionsbasierte Belohnung wird erst nützlich, wenn es entweder innerhalb eines Abenteuers verschiedene Missionsziele oder gleich verschiedene Abenteuer gibt. Das wird bei D&D4 empfohlen. Da gibt es dann meist mehrere kleine Sidequests, die man abarbeiten kann oder nicht. Die Missionen werden vorher klar kommuniziert (empfohlen sind auszuteilende Karteikärtchen) und dienen so als Anreiz an bestimmte Orte an der Spielwelt zu gehen. Häufig wird so das Hauptquest getriggert.
Eine andere sinnvolle Variante wurde mir aus einigen Shadowrun-Runden berichtet. Die Runden hatten den Namen des Spiels für Charakterverbesserungspunkte, nämlich "Gutes Karma", wohl wörtlich genommen und ihn nur für gute Taten verteilt. Damit entstanden dann Entscheidungssituationen. Entweder man macht die gut bezahlten Jobs oder arbeitet pro bono und damit gutes Karma. Im Endeffekt hat man so die Wahl zwischen zwei Arten von Charakterverbesserungspunkten, denn Geld und EP gehören wohl streng genommen beide in diese Kategorie. (Problem bei SR natürlich, dass einige Charaktere die eine Art und andere eher die andere Art brauchen.)
Zu beachten ist weiterhin, inwieweit die gesammelten Charakterverbesserungspunkte eigentlich charaktergebunden oder unmittelbares Eigentum des Spielers sind, sprich wie sich die Ounkte bei Ausscheiden oder freiwilligem Wechsel des gespielten Charakters verhalten. In den meisten Runden findet sich auch in dieser Hinsicht wohl ein Gemisch.
Edit: Woho, ich wurde beim Schreiben des Beitrags ganze zwölf mal geninjat. Das ist bestimmt Rekord.