Autor Thema: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs  (Gelesen 7985 mal)

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Taschenschieber

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #25 am: 14.11.2011 | 17:47 »
Alles schon 10 bis 5 Jahre alt? ^^;

Die ersten cinematischen RPGs sind um 2000 aufgeploppt und machen einen alles andere als reifen Eindruck (7te See zum Bleistift). Wirklich ausgereift wird das erst in den letzten Jahren. Wo ist PE in einer ähnlich deutlichen Form wie bei FATE zuerst aufgetaucht? Lassen wir es vielleicht mal fünf Jahre sein.

Aber ein Zeitalter ist p. d. eine Spanne, kein Punkt.

Just_Flo: Wenn du jetzt noch sagst, wie alt du bist, lässt sich damit sogar was anfangen. Handwedeln ist übrigens nirgendwo als innovativ bezeichnet worden und kein Teil des cinematischen RPGs.

Offline Bad Horse

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #26 am: 14.11.2011 | 17:53 »
Menschlichkeit ist der erste Vorstoß in die Richtung, die später bei vielen Indies genauer beleuchtet wird (nämlich der Versuch, dass Innenleben des Charakters irgendwie in Werte zu fassen). Funktioniert hat sie in meinen Vampire-Runden eher selten.

Im Gegensatz dazu läuft der Warhammer-3-Versuch, das Innenleben in Werte zu fassen, über die geistigen Zustände (aggressiv oder vorsichtig) ziemlich gut.

(Mal jetzt abgesehen davon, dass der Vergleich hinkt wie ein dreibeiniger Ochse - mir ist aber auf die Schnelle nix besseres eingefallen...  ;))
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Achamanian

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #27 am: 14.11.2011 | 17:55 »
Was soll den wieder dieses "hatten wir alles schon"? Natürlich steht das nicht traditionslos im Raum, ich habe doch schon gesagt, welche Rolle ich den Indies da zuschreibe.
Und was hat das nun mit "Handwedeln" zu tun? Das ist nun alles mögliche, aber ziemlich genau das Gegenteil von Indie ...

Taschenschieber

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #28 am: 14.11.2011 | 17:57 »
Das ist nun alles mögliche, aber ziemlich genau das Gegenteil von Indie ...

Nein, in erster Linie hat es mit Indie so viel zu tun wie Gullideckel. Indie und Handwedeln als Gegensatzpaar leuchtet mir auch nicht ganz ein.

Offline Teylen

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #29 am: 14.11.2011 | 17:58 »
2000 liegt auch schon 11 Jahre zurueck.
2002 erschien das erste ORE Spiel
2003 erschien FATE, also auch schon vor 8 Jahren.
Davor gab es auch sowas wie Amber, Theatrix, Engel etc.

Insofern faende ich den Gedanken naheliegender das das goldene Zeitalter des RPG-Designs bis so etwa 2005 ging.
Ich mein, wenn nun das goldene Zeitalter ist, muesste es doch jetzt innovative Designs regnen, und keine die ein halbes Jahrzehnt alt sind?
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Offline Jed Clayton

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #30 am: 14.11.2011 | 19:45 »
- Cinematische Spiele und Regelmechanismen (auch den Regelmechanismus Handwedeln) gab es schon als ich noch jung war. (Also vor 11-12 Jahren).


Ganz genau. Das erinnert mich jetzt plötzlich an ein Schulhofgespräch aus der Zeit, als ich kanpp 17 war (!) und mit einem Jungen aus einer anderen Klasse redete, der zwei Jahrgangsstufen unter mir war, also damals 15, aber schon längere Zeit DSA und auch Midgard und MERS gespielt hatte.

In dieser Zeit hat dieser Junge mal nebenbei erwähnt, dass es zu Beginn seiner Zeit im Rollenspielhobby (circa um das Jahr 1988?) in seiner Gruppe wesentlich weniger Regeln gab, wesentlich weniger durch Tabellen Bestimmtes und mehr Mitbestimmung der Spieler. "Handwedeln" hat damals zwar keiner von uns dazu gesagt, aber es war das Gleiche gemeint. Sogar freies Storys-Erfinden gab es. In denselben kleinen Schulhofgesprächen hat mir mein Freund damals gesagt, in einer alten Runde hätte der Spielleiter es den Spielern überlassen, wie sie eine Kampagnenhandlung beenden und ausklingen lassen möchten. Da konnte ein Spieler zum Beispiel auch mal sagen: "Nach dem Ende dieses Kampfes zieht mein Charakter über das große Gebirge, trifft dort auf einen Barbarenstamm und macht sich dort später zu dessen König." Also kein Gewürfel, kein Regelnachblättern, keine Bücher gebraucht.
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Offline Crimson King

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #31 am: 14.11.2011 | 20:35 »
Menschlichkeit ist der erste Vorstoß in die Richtung, die später bei vielen Indies genauer beleuchtet wird (nämlich der Versuch, dass Innenleben des Charakters irgendwie in Werte zu fassen). Funktioniert hat sie in meinen Vampire-Runden eher selten.

Pendragon ist der erste Vorstoß etc. etc., und der funktioniert sehr gut.
« Letzte Änderung: 14.11.2011 | 20:38 von Krinsom Cing »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
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J.W. von Goethe

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #32 am: 14.11.2011 | 20:36 »
Hast recht, so etwas in der Richtung gab es bei Ars Magica auch schon.  :)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #33 am: 14.11.2011 | 20:38 »
Ich bin im Übrigen auch der Meinung, dass wir nach Jahrzenten der Experimentiererei (70er Oldschool, 80er Rules Heavy Simulationism, 90er Rules Light Storytelling, 00er narrativistische Indie-Spiele) jetzt eine Phase haben, in der Spiele mit konsistenten Regelwerken daher kommen, deren Fokus weit genug ist, um mehr als ein Nischenspiel zu sein. Der Trend begann wohl mit ORE, FATE und SW, und er dauert noch an.
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Offline Vargy72

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #34 am: 14.11.2011 | 20:49 »
Hallo,
ich zähle das Star Wars D6 auch zu den cinematischen Spielen und das gibt es schon seit Mitte der 80er.

Offline Der Nârr

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #35 am: 14.11.2011 | 21:02 »
Ich finde die These eines goldenen Zeitalters des Rollenspiel-Designs amüsant, wurde doch kürzlich die Designsackgasse Rollenspiel postuliert.
« Letzte Änderung: 14.11.2011 | 21:10 von Der Narr »
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Offline Kriegsklinge

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #36 am: 14.11.2011 | 21:21 »
Jaja, Rockmusik basiert ja auch nur auf dem Bluesschema und elektronische Musik beginnt ja auch schon in den 20er Jahren. Natürlich lassen sich immer und überall schon Vorläuferformen finden, nichts ist voraussetzungslos, na gut. Aber die Akzeptanz und wie sehr es abgeht auf einmal spielen doch wohl auch eine Rolle. Von daher würde ich Rumpel schon Recht geben. Egal, wie sehr auch H.G.Wells in seinen Wohnzimmerrollenspielen schon PE vorweggenommen hat, so richtig knallts doch erst heute. 

ErikErikson

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #37 am: 15.11.2011 | 09:09 »
Also die Indie-Zeit würde ich schon als GZ werten. Das ist aber wirklich gefühlt 10 Jahre her, und damit tiefste vergangenheit.

Achamanian

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #38 am: 15.11.2011 | 09:33 »
@Jed Clayton:
Dieses Schulhofsbeispiel geht völlig an der Sache vorbei, aber dazu weiter unten. Nur ganz kurz vorweg: Die Frage, ob es nun gewürfel gibt oder Freestyle-Erzählen, hat nach wie vor nichts mit diesem Thread zu tun.

Also die Indie-Zeit würde ich schon als GZ werten. Das ist aber wirklich gefühlt 10 Jahre her, und damit tiefste vergangenheit.

Ich meine mit GZ ja nicht, dass es eine Blüte neuer Ideen gibt (das wäre dann wohl die Blütezeit gewesen), sondern das derzeit viele dieser guten Ideen Niederschlag finden und Systeme entstehen, die ein gutes Gleichgewicht aus den verschiedenen verfügbaren Designelementen bieten. Damit beziehe ich mich auch explizit aufs Regelwerk: Dass es auch schon anno dazumal Player Empowerment by any other name gab, will ich ja gar nicht bezweifeln (wobei ich Player Empowerment auch nicht mit Indie gleichsetzen würde und Indie wiederum nicht mit dem, was ich aktuell als "goldene Zeit" wahrnehme). Ich will ja nicht behaupten, dass jetzt neue Spiele kommen, die ganz neue, abgefahrene Techniken überhaupt erst ermöglichen würden, sondern nur, das Spiele kommen, deren Regeln den Einsatz solcher Techniken auch begünstigen. Man hat den Eindruck, dass die Designer von Spielen sich darüber Gedanken gemacht haben, wie sich ihr Spiel spielt und nicht darüber, ob eine Axt eher Hieb- oder eher Schnittschaden macht und wie viele Kampfrunden man realistischerweise braucht, um ein Pentagramm zu zeichnen.

Das Pendragon und Ars Magica auch hervorragend designte Regeln haben und ganz klare Vorläufer der von mir behaupteten Entwicklung sind, will ich ebenfalls nicht bestreiten. Ars Magica ist derzeit neben DSA mein Hauptrollenspiel, darauf lasse ich nichts kommen!

Worum es mir geht ist, dass ein ausgewogenes Maß an Regelmechanismen, die auf einen bestimmten Spielstil zugeschnitten sind und ihn begünstigten, in am Markt präsente und langzeitkampagnentaugliche Spiele einfließen, und zwar nicht nur unter der Recht schwammigen Maßgabe des "Cineasmus" (der mich persönlich eigentlich nicht so interessiert).

Die Menschlichkeit bei Vampire war in meinen Augen immer noch ebenso aufgepfropft wie die Sanity bei Cthulhu. Erst Unknown Armies hat für mich beides in einem sinnvollen und spielbaren Geisteszustands-System verknüpft, hat aber dafür sonst so einige Macken, die verhindern, dass man von wirklich gut designten Regeln sprechen kann. Die ORE ist ein gutes Regelsystem, hat aber eher etwas mit dem Rücktransport klassischer Rollenspieltypen in die Indie-Szene zu tun.

Das goldene Zeitalter ist für mich - mal ganz lyrisch gesagt - nicht das, in dem die Ideen sprießen, sondern das, in dem sie zur Blüte gelangen. Und das mache ich allein am Angebot von neuen Spielen fest, die ich von Regeldesign her für gelungen halte. Mit der Frage, ob Jed Clayton das schon damals daheim so oder anders gemacht hat, hat das überhaupt nichts zu tun, bzw. nur insofern, dass neue Regelmechanismen natürlich auch aus der Reflektion über die eigentliche Spielpraxis entstehen und man deshalb davon ausgehen darf, dass die meisten Techniken im Spiel lange eingesetzt wurden, bevor sie in irgendwelche Regelwerke Einzug gehalten haben. Also nicht: "Wir spielen jetzt alle besser, und vor allem spielen die besser, die meine Lieblingssysteme spielen!", sondern: "Es steht einem gerade eine gut Auswahl verschiedenster neuer Spielsysteme zur Verfügung, die transparent und durchdacht sind und es ermöglichen, den eigenen Wunschstil recht unkompliziert umzusetzen (wenn man sich das richtige System such)."

Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #39 am: 15.11.2011 | 10:15 »
Ich würde gerne diese beiden Thesen hervorheben, da sie auch für mich den aktuellen Trend (oder das aktuelle Zeitalter) des Rollenspieldesigns treffend beschreiben:

Man hat den Eindruck, dass die Designer von Spielen sich darüber Gedanken gemacht haben, wie sich ihr Spiel spielt

Worum es mir geht ist, dass ein ausgewogenes Maß an Regelmechanismen, die auf einen bestimmten Spielstil zugeschnitten sind und ihn begünstigten, in am Markt präsente und langzeitkampagnentaugliche Spiele einfließen

Ich habe den Eindruck, dass sich heutzutage Spieldesigner wesentlich mehr Gedanken machen, was sie mit ihrem Spiel erreichen wollen, wie das Produkt funktionieren und welche Zielgruppe es ansprechen soll. Früher wollten igendwie alle Rollenspiele die eierlegende Wollmilchsau für den eierlegenden Wollmilchspieler sein. Heute findet man sehr viele Spiele, die genau auf die Bedürfnisse von bestimmten Gruppen und Spielstilen zugeschnitten sind und diesen ein optimales Regelwerk an die Hand geben.
Das finde ich extrem begrüßenswert, speziell, wenn die Entwickler ehrlich sind und sagen: hier habt ihr dieses Spiel, das kann dieses und jenes und bedient Spielstil Bla; für Blubb ist es aber nicht ausgelegt. In der Vergangenheit hatte ich eher den Eindruck, dass es als "Versagen" des Spieldesigners angesehen wurde, wenn ein RPG nicht alle Spielstile gleichermaßen bedienen kann. Daher vermutlich auch angeflanschte Mechanismen wie Sanity bei Cthulhu oder Menschlichkeit bei Vampire (da ging es mir nämlich auch so wie Bad Horse, das hat nie funktioniert im ganzen Gewirr von crunchigen Kewl Powerz, die irgendwie immer im Vordergrund standen).
Und ich denke, dass hier durchaus ein Verdienst der Forge bzw. der Indie-Schwemme der vergangenen Jahre liegt, nämlich die Veränderung der Geisteshaltung von Spieldesignern: besinnt euch auf das, was ihr erreichen wollt, sei es ein erzählorientiertes Spiel, ein simulationistisches oder ein gamistisches. Das würde ich als wichtigstes Merkmal des aktuellen Rollenspielzeitalters ansehen.

Offline Oberkampf

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #40 am: 15.11.2011 | 15:02 »
Daran, dass heute Rollenspiele zielführender, spielstil- und kundenangemessener produziert werden, ist was dran, würde ich sagen. Und natürlich stimmt auch, dass die nicht ganz ohne uralte Vorfahren sind. Cinematisch? Hallo TORG 1990 (gilt auch für erzählende Zufallskomponenten). Persönlichkeitsverfall? Hallo CoC 1981. Gummipunkte? Hallo Warhammer 1986.

Allerdings bin ich mir bei einigen Sachen nicht sicher, ob das nicht doch wieder eierlegende Wollmilchsäue im Schafspelz sind. Beispielsweise tritt LoA durch den FATE-Grundmechanismus, die vielen PE-Möglichkeiten sowie die Rhetorik der SL-Tipps erstmal sehr erzählspielig (NAR oder SIM[Charakter]?) auf - enthält aber dann noch Berge von Stunts im Sinne der Feats von D&D3.x, die auf eher andere Wurzeln (GAM-Bereich?) schließen lassen.

Ich will bloß einen Aspekt noch anmerken (schließlich wurde im OP ja "Discuss" gefordert):

Jedes Jahrzehnt war geprägt von gewaltigen neuen Errungenschaften im Design!

Klar, heute ist gewissermaßen die Anerkennung von und Ausrichtung auf bestimmte Spielvorlieben ein Kennzeichen. Aber in den 70ern war überhaupt die Pionier-Epoche. Die 80er hben sich um stark um den "Realismus"-Simulationsbereich gekümmert, dabei zwar viele spielerische Prinzipien verschüttet, aber auch viel Neues eröffnet. Allein die Aufspaltung von Volk und Klassen im Fantasy-RPG! Das war zwar allein dem paradigmatischen Realismus-Prinzip untergeordnet, hat aber wieder die Bahn geöffnet für die spielerbestimmte Zuteilung der Werte, und die wiederum steht in Verbindung zur vollkomenen Verabschiedung von Klassensystemen. Nicht, dass ich das irgendwie gut finde, das ging alles zulasten der Spielelemente. Als letzte Errungenschaft der 80er bleibt die Idee zu nennen, das Rollenspielrunden Geschichten spielen, das fing ja mit D&D (Drachenlanze) an, war teilweise in Warhammer enthalten und bestimmte maßgeblich das Abenteuer- und Spieldesign der 90er.

Die 90er wiederum, die aus meiner Sicht ja ein Jahrzehnt des Stillstandes und Verfalls sind, haben dennoch unbestreitbar einiges an Neuerungen zum Spiel beigetragen. Das Würfeln mit Würfelpools, so banal das klingt, ist eine wichtige Neuerung gewesen, denn der Würfelpool  ermöglicht maßgeblich eine entspanntere Planbarkeit von Abenteuerplots (und der Story-Gedanke war nunmal das Paradigma der 90er). Die zweite herausragende Leistung der 90er war die Öffnung der Rollenspielsettings. Natülich gab es vorher Sci-Fi & Horror-RSPs, aber in den 90ern wurde nach meinem Eindruck versucht, alle möglichen Settings spielbar als Rollenspiel-Setting verwendbar zu machen.

Dass man sich dabei zu wenig um die Regelanbindung kümmerte und dabei insgeheim noch oft dem 80er-Jahre Stil (viele "realistische" Regeln, exzessive Würfelorgien) anhing, war traurig, aber das schmälert keinesfalls die Leistungen der damaligen Rollenspiele. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in den 90ern hirnrissige Ideologien aufkamen und herumgeisterten (und bis heute noch Anhänger haben), wie z.B. "Regeln sind nicht so wichtig" (eine schlimme Verzerrung von: "Regeln sind verhandelbar"). In den 90ern hätte man sich als RSP-Designer auch sagen können: jetzt sind die Goldenen Zeiten, ich kann/darf jedes Setting, das mich interessiert, als RPG-Setting benutzen! Hauptsache, man produzierte dazu ausreichend Fluff/Colour.

In den Nuller-Jahren kamen auch zwei wichtige Neue Strömungen auf, die viel mit dem schlampigen Umgang mit Regeln (und Spielermöglichkeiten) in den 90ern zu tun haben: die Indys, die versuchten, bestimmte Spielziele durch Regeln auszudrücken, und d20, was auch ein Versuch war, verbesserte, intelligente Regeln wieder im Spiel zu verankern.

Das führte nach meinem Eindruck zu einer gewissen d20erisierung des RSP. Zuerstmal wurde der Gedanke der 90er, dass alle möglichen Settings auch RSP-Settings sein können, versucht, mit d20 zu verwirklichen. D20 war quasi das, was GURPS vielleicht hätte sein sollen: das verbreitete Regelwerk, durch das man glaubte, alle Settings betreiben zu können. Auswirkungen von d20 waren auch in den Neuauflagen klassischer Spiele zu sehen, z.B. die Aufsplittung von Kampfrundenaktionen in Standardaktionen und Simple Aktionen, die explizite Verwendung der Battlemaps für Bewegungsregeln, feste Positionsboni, selbst die umstrittene Gelegenheitsattake usw. Gewissermaßen war das auch ein Goldenes Zeitalter: Man konnte endlos neue Settings entwerfen, man hatte ja die d20-Regeln als quasi-einheitliche Basis für eine Anbindung.

Die andere Entwicklung war/ist eben das Aufgreifen und Verbessern bislang nebensächlich behandelter Instrumente als Kernbestandteil zur Regelung einer Spielweise. Beispielsweise FATE, das mit den Aspekten etwas in den Mittelpunkt stellt, was "früher" in den 80ern noch über vordefinierte Vorteile, Nachteile und Hintergründe an den Charakter (der im wesentlichen aus Fertigkeiten und Attributen bestand) angepappt wurde.

Damit will ich sagen: man hat in jedem Jahrzehnt der Rollenspielgeschichte Neuerungen hereingebracht, die Dinge spielbar gemacht haben (oder es zumindest versprochen haben), die es so noch nicht gab. Das kam teilweise von Exoten, die aber oft zu Mainstream-RSPs wurden oder stark in den Mainstream zurückstrahlten. Manches funktionierte nicht so wie gedacht, und heute gibt man sich mehr Mühe, das Funktionieren nicht allein vom Goodwill des SL abhängig zu machen und arbeitet einige Sachen sauberer aus, aber in jedem Jahrzehnt wurde die Grenze des Rollenspiels erweitert. Auch in den trüben 90ern.

Edit: Vokabelfehler  ;)
« Letzte Änderung: 15.11.2011 | 15:35 von youth nabbed as sniper »
Dans un quartier qui est triste à tuer
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Ecris se que tu penses sur les murs!
Couleurs sur Paris...nanana...
Il est temps de changer... na nana na

Achamanian

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #41 am: 15.11.2011 | 15:11 »
Wow, klasse historische Abhandlung! Na schön, es gab sicher viele Goldene Zeiten, je nachdem, auf was man gerade schaut ...

Offline OldSam

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #42 am: 15.11.2011 | 15:33 »
Ansonsten, wenn es jetzt golden ist, war die Zeit dafuer davor je duester?  wtf?

Nein, silbern... ;)
Ich würde die "goldene Zeit" dann aber auch nicht nur als "jetzt gerade" sehen (warum sollte das schließlich ausgerecht nur sowas wie WH3 sein u.ä.), sondern schon seit den ersten Jahren des neuen Jahrtausends.

Die Düsternis kommt erst nach dem goldenen Zeitalter, wenn die Weisheiten vergessen wurden =)
« Letzte Änderung: 15.11.2011 | 15:39 von OldSam »

Offline Teylen

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #43 am: 15.11.2011 | 15:38 »
Nein, silbern... ;)
Von den Comics her kenne ichs nur in die andere Richtung.
Wo es von den 30er Jahren an Gold, Silber, Bronze und Modern wird.

Vielleicht ist es das postmoderne Zeitalter des Rollenspiel-Designs @.@
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Offline OldSam

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #44 am: 15.11.2011 | 15:40 »
Von den Comics her kenne ichs nur in die andere Richtung.
Wo es von den 30er Jahren an Gold, Silber, Bronze und Modern wird.

Jo, der schrittweise Verfall, das ist klassisch... Aber old-school als Düsternis wäre ziemlich unpassend :P

Offline Der Nârr

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #45 am: 15.11.2011 | 15:46 »
Erleben wir nicht eigentlich gerade eine Phase der Reformation, eine Rückbesinnung auf (angebliche?) frühere Werte?
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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #46 am: 15.11.2011 | 15:51 »
Erleben wir nicht eigentlich gerade eine Phase der Reformation, eine Rückbesinnung auf (angebliche?) frühere Werte?

In Form der OSR-Welle, sicherlich. Aber das ist ja nur eine aktuelle Strömung, andere (eben FATE, DitV etc.) hauen in ganz andere Kerben.

LöwenHerz

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #47 am: 15.11.2011 | 16:40 »
Erleben wir nicht eigentlich gerade eine Phase der Reformation, eine Rückbesinnung auf (angebliche?) frühere Werte?

Nein, wir erleben das letzte Aufbäumen mit allen Mitteln, vor dem zwölften Glockenschlag ;)

Offline OldSam

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #48 am: 15.11.2011 | 22:56 »
In Form der OSR-Welle, sicherlich. Aber das ist ja nur eine aktuelle Strömung, andere (eben FATE, DitV etc.) hauen in ganz andere Kerben.

Also für mich persönlich liegt das "Goldene" auch nicht in nur einer dieser Strömungen, sondern gerade in der bestehenden Vielfalt im Verbund mit vielen reflektierten Erfahrungen und Erkenntnissen über die Vorteile und Einschränkungen verschiedener Wege.  :d

Offline D. M_Athair

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Re: Das goldene Zeitalter des Rollenspiel-Designs
« Antwort #49 am: 16.11.2011 | 00:20 »
Die ersten cinematischen RPGs sind um 2000 [...]
Wenn du dir Ghostbusters (oder Prince Valiant) anschaust, wirst du feststellen, dass es auch da schon explizit cinematische Elemente gab (durchaus auch spielbestimmend). VÖ-Jahre: 1986, bzw. 1989.
Kurz: Vor 20 - 25 Jahren!!


Als große Errungenschaft der letzen Jahre sehe ich, dass u.a. über die Forge systematisches Design aufgewertet worden ist.
Spiele wie Swordbearer, PV, Ghostbusters, Everway, ... hätten heute ganz andere Chancen am Markt, als zu ihrer Zeit (der sie meilenweit voraus waren).

[Die OSR, die im übrigen eine ganz eigentümliche Systematik hat, sehe ich ebenfalls in diesem Kontext. Vor 10, 15 Jahren hätte sie kaum eine Chane gehabt.]


"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan