Hinsichtlich der Settings- bzw. Genreabhängigkeit kann ich mich auch Waldgeist anschließen. Meiner Meinung nach muss das Kampfsystem im Rollenspiel stark der im Genre bevorzugten Darstellung von Kämpfen entsprechen. Ein Mantel&Degen- oder Pulp-Rollenspiel muss also Kämpfe gegen eine Gegnerüberzahl verhältnismäßig ungefährlich für die SCs machen als eine "darque" Fantasy usw.
Kampf ist also für mich ein
Medium der Genredarstellung, und das Kampfsystem muss genretypisch funktionieren.
Andererseits hat der Kampf allgemein im Rollenspiel (genreunabhängig) für mich verstärkt die gleiche Aufgabe, die Würfel allgemein haben: sicherzustellen, dass alles auch völlig anders, völlig unerwartet kommen kann. Kämpfe (aber auch ausgedehnte Skillproben) im Rollenspiel erfüllen eine andere Aufgabe als im Film oder in Büchern. Mal abgesehen von der "eye candy" Funktion von Kämpfen im Kino erfüllen sie dort eine der Story dienende Rolle: das Ergebnis entspricht meistens der Erzähltradition (und die seltenen Brüche, die man kennt, werden auch als solche erlebt, wenn man sich z.B. über das Wegsterben von Hauptprotagonisten im "Lied von Feuer und Eis" wundert). Im Rollenspiel sind hingegen Kämpfe große "Storyweichen", fast gleichzusetzen mit bedeutenden Gruppenentscheidungen. Die Wirkung kann genreabhängig reduziert sein, in Pulp-Rollenspielen ist ein Kampfausgang mit recht hoher Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, wohingegen in anderen Genres ein Kampf mit genretypischem System gewaltige Abenteuerveränderungen bewirken kann (soo, muss), aber die Wirkung bleibt immer erhalten.
Das ist einer der Gründe, warum ich schnelle (und notfalls abstrakte) Kampfsysteme mag: sie müssen mir nicht genau anzeigen, wer wann wie wen wo getroffen hat, sondern sie müssen mir ein Resultat liefern, auf dessen Basis ich weiterspielen kann.
Zusätzlich habe ich auch am Kampf als solchen Spaß, aber ich bin als Sl z.B. nicht besonders gut im Konstruieren taktischer Herausforderungen und bin von taktischen Kämpfen eher genervt. Ich würde mich selbst eher als Buttkicker denn als Taktiker oder Optimierer einschätzen. Deswegen gefallen mir ausbalancierte Systeme, wo man ohne sich stundenlang mit der Spielmechanik zu beschäftigen ein paar cool aussehende Powers für seinen Charakter aussuchen kann, und dann ab die Post. Verschiedene Kräfte/Talente zum Aussuchen finde ich gut, weil sie einen Sopieler im Kampf in jeder Runde mit der Auswahl zwischen Optionen konfrontieren. Taktiker und Optimierer wollen natürlich auch ihren Spaß haben, deswegen sind Kämpfe im Spiel wichtig zur
Befriedigung verschiedener Spielerinteressen.
Auch in dieser Beziehung zahlt sich mMn ein schnelles +balanciertes Kampfsystem aus: nicht alle Spieler wollen Kämpfe ausspielen oder ihren Charakter mühselig zum Kampf optimieren. Schnelle Kämpfe ermöglichen einen fliegenden Wechsel zwischen verschiedenen Rollenspielschwerpunkten (Kämpfe, Gespräche/soziale Interaktion, Erkundung/Fertigkeitsanwendung), so dass niemand ewig warten muss, bis "sein Typ" von Lieblingsszene wieder im Abenteuerverlauf auftritt. Balancierte Systeme verhindern, dass die Optimierer bzw. "System Master" durch ihre vortreffliche Charaktergestaltung die Charaktere der anderen Spieler im Kampf zu reinen Statisten machen.
Das führt dann auch zum "Problem" der aktiven Parade. Da hat mMn Luxferre eigentlich den Nagel auf den Kopf getroffen:
Das ist da der recht umfangreichen Ressource der Lebensenergie geschuldet.
Nehmen wir mal GEMINI, wo man nach zwei schweren Treffern schon absehbar das zeitliche segnet. Da ist der Paradewurf deutlich spannender.
Das heißt, meistens ist es die Kombination aus aktiver Parade, hohen Lebenspunkten und schadensreduzierendem Rüstungsschutz, die Kämpfe in die Länge zieht (und auch etwas langweilig macht). Die DSA1 Edition hatte das in meinen Augen zum Beispiel fürchterlich geregelt (außer man berücksichtigte den schlecht ausbalancierten Bruchfaktor, was aber viele Gruppen nicht taten). Nun finde ich Systeme mit (abstrakten) Lebenspunkten (und einem guten Polster davon) eigentlich nicht schlecht, denn sie fächern ein bisschen die Zufallsauswirkungen eines Kampfes auf: es heißt jetzt nicht mehr "Sieg oder Tod", sondern die Spieler erhalten leicht verständliche Indizien, aufgrund derer sie nach jeder Runde (oder sogar nach jedem Kampf) entscheiden können, ob sie sich zurückziehen (bzw. einen risikoloseren Abenteuerweg wählen) wollen, wodurch wieder neue Verlaufsmöglichkeiten geschaffen werden.
(Auch hier sind schnelle Kampfsysteme gut, denn sie ermöglichen viele Kämpfe und stellen (hoffentlich) nach jedem Kampf den Spielern erneut die Frage, welche Risiken sie weiter auf sich nehmen wollen. Mir ist ein hohes Lebenspolster lieber als eine Parade, die auf Gedeih und Verderb entscheidet.
Ein Kampf mit einem (für mich natürlich, YMMV) guten Kampfsystem sollte deshalb vielleicht 3 - 5 Runden dauern ("Bosskämpfe" evtl. 5 - 8 Runden), schnell & mit Konsequenzen für den Spielverlauf in Real Time spielbar sein, Taktik und Strategie/Optimierung nicht ganz unnötig, aber auch nicht zum einzig entscheidenden Kriterium machen und die Spieler in und nach jeder Kampfrunde vor Optionen (inkl. Rückzug) stellen.