YY, ich habe das Thema Kampfmoral aufgebracht, weil einige hier sich über das Detaillierungsgefälle in vielen
Spielen unterhalten haben. Aber hier scheint das Argument plötzlich keine Gültigkeit mehr zu haben.
Die Ansätze, die aus Spielen aufgeführt wurden (z.B. Vor- und Nachteile usw.) treffen auch gar nicht die Dimension,
von der ich gesprochen habe. Es geht mir nicht um spezielle Situationen, wo jemand pfeifend um die Hausecke läuft
und plötzlich dem leibhaftigen Nurgle gegenübersteht, sondern um die ganz normale Auseinandersetzung, wo Kampfmoral
ebenso eine Rolle spielt, weil sie praktisch immer eine Rolle spielt, sobald die Situation für eine Seite entgleist (und das
ist irgendwann in einer Kampfsituation immer so, wenn nicht eine plötzliche Kampfunfähigkeit auftaucht).
Die Antworten auf die Frage (vor allem von Dir und Waldgeist) sind natürlich auch bezeichnend. Natürlich leidet der
Spielspaß drunter, wenn jemand etwas nicht machen kann, aber mei, das ist doch bei jedem misslungenen Würfelwurf
so. Warum sehen sich die Spieler gerade durch Einschränkung der charakterlichen Kampfeswut so in ihrer Entscheidungsunnabhängigkeit beeinträchtigt?
Ich kann es sagen. Es hat etwas mit der ursprünglichen Menschwerdung durch das "sich Umdrehen und werfen" (Sloterdijk) zu tun, aber ich hätte das Thema nicht angesprochen, wenn nicht zwei Argumente dagegen sprechen würden:
1. Meine Erfahrung:
Als einigermaßen erfahrener Spielleiter weiß ich, dass die Kampfentscheidungen mit Abstand der meisten Spieler
beim Kampf so abseits realer Kampfmechanismen liegen wie sonst kaum etwas. Die momentane Situation des Kämpfenden wird im Gegensatz zur Realität z.B. normalerweise immer Agressiver, je schlimmer die Situation zu den eigenen Ungunsten steht. Viele Kampfregeln betrachten das "sich vom Gegner lösen" auch ziemlich stiefmütterlich, weil es nicht so wirklich vorgesehen ist. Vorgesehen ist, dass sich heldenhafte und versteckt überlegene Charaktere gegen strohdumme Draufhaumonster in den Kampf werfen, bis das Monster tot am Boden liegt. Abweichungen von diesem Programm sind weder von Spielern, noch von SLs noch von Regeldesignern so richtig erwünscht, allenfalls geduldet (Ausnahmen bestätigen die Regel
).
Regelsysteme wo es um dynamische Konflikte auf Augenhöhe und nicht ums monotone siegen geht sind meiner Erfahrung nach eher selten.
Rollenspieler (und damit meine ich auch die NSCs des SL) handeln meistens überhaupt nicht so, wie es eigentlich von
simulativem Kampf erwartet werden würde, was mich zum 2. Punkt bringt:
2. Der Simulationsanspruch:
Es soll ja tatsächlich Leute geben, denen die exakte Simulation von Kampf (und zwar dann bitte auf jeder Ebene gleich tief) außerordentlich wichtig ist (z.B. Luftabdrücken vs. Blutabdrücken). YY, du hast ja weiter oben eine konsistente Kampregelung gefordert.
Dann würde ich aber auch erwarten, dass Kampfmoral ein Thema ist, das in dieser Tiefe verregelt ist. Aber hier scheiden
sich plötzlich die Geister. Wo bleibt denn dann der konsequente Anspruch?
Aber sei's drum, ob du persönlich Simulationist bist oder nicht, es soll sie da draußen ja geben, bzw. es soll Spiele geben, die als simulationistisch bezeichnet werden. Vor allem dort vermisse ich die taktische Tiefe in diesem Teilaspekt des Kampfes.
Das ganze ist insofern ein ganz sensibles Thema bei Rollenspielern, weil viele den Tod des Charakters dem Ausspielen einer persönlichen kämpferischen Unterlegenheit vorziehen. Bevor sie eingestehen müssen, dass sie "nicht Recht hatten", verlassen sie lieber den Tisch bzw. das Spiel. Zumindest habe ich den starken Eindruck, dass es eine ganze Menge Spieler da draußen gibt, die weit davon entfernt sind, das Verlieren im Spiel kompensieren zu können bzw. es gibt ja eine ganze Menge von Spielern (da will ich mich nicht ausschließen), die das Hobby Rollenspiel unter anderem (!) betreiben, um etwas zu kompensieren. Und deshalb ist das Kämpfe Verlieren auch so unerwünscht.
Der perfekte Kampf bedient mehr oder weniger das, was der jeweilige Spieler kompensieren möchte. Nur so eine Theorie.